Die US-Regierung von Präsident Biden verurteilte am Montag die laufenden Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen hochrangige israelische Vertreter, denen Verantwortung für den Völkermord im Gazastreifen zugeschrieben wird.
Israelische Medien berichteten in den letzten Tagen, dass in Kürze Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs ausgestellt werden gegen Verteidigungsminister Yoav Gallant, den Generalstabschef der israelischen Verteidigungsstreitkräfte, Generalleutnant Herzi Halevi, sowie Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.
„Wir haben uns über die IStGH-Untersuchung sehr klar geäußert. Wir unterstützen sie nicht. Wir glauben nicht, dass das Gerichtshof dafür zuständig ist“, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre.
Der stellvertretende Sprecher des US-Außenministeriums, Vedant Patel, wiederholte diese Punkte und erklärte: „Unsere Position ist klar. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass der IStGH für die palästinensische Situation nicht zuständig ist.“
Dem Weißen Haus schlossen sich die führenden Republikaner im Kongress an. Der Republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, sagte, ein Haftbefehl des IStGH gegen israelische Staatsvertreter „würde die nationalen Sicherheitsinteressen der USA direkt untergraben. Wenn die Biden-Regierung keine Einwände erhebt, könnte der IStGH eine nie dagewesene Befugnis zur Ausstellung von Haftbefehlen gegen führende amerikanische Politiker, amerikanische Diplomaten und amerikanische Militärangehörige erlangen.“
Die Vereinigten Staaten, der weltweit führende Verursacher von Kriegsverbrechen, haben das Römische Statut, nach dem der Internationale Strafgerichtshof eingerichtet wurde, nicht unterzeichnet und erkennen dessen Befugnis zur Verfolgung von Kriegsverbrechen der USA oder Israels, ihres Stellvertreters im Nahen Osten, nicht an.
Am 2. September 2020 verhängte die Regierung der Vereinigten Staaten Sanktionen gegen die Anklägerin des IStGH, Fatou Bensouda, als Reaktion auf die Ermittlungen des Gerichtshofs zu US-Kriegsverbrechen in Afghanistan.
Nichtsdestotrotz begrüßte die Regierung Biden öffentlich eine Untersuchung des IStGH gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine.
Auf die Frage, warum die Vereinigten Staaten eine Untersuchung des Internationalen Strafgerichtshofs gegen russische Staatsvertreter unterstützten, erklärte Patel: „Es gibt keine moralische Gleichwertigkeit zwischen den Dingen, die [der russische Präsident] Putin und der Kreml unternehmen, im Vergleich zur israelischen Regierung“.
Bloomberg und Axios berichteten, dass Netanjahu und Biden Maßnahmen erörtert haben, um die Arbeit des IStGH zu behindern.
„Die israelischen Medien haben enthüllt, dass die israelische Regierung geheime Treffen, Konsultationen und Gespräche mit mehreren ihrer Verbündeten, einschließlich der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs und Deutschlands, abhält, um die Ausstellung von Haftbefehlen zu verhindern und die Arbeit des Gerichtshofs im Fall Palästina zu behindern', so der Euro-Med Human Rights Monitor.
Karim Khan, der Chefankläger des IStGH, sagte, er untersuche das Vorgehen der israelischen Streitkräfte. Er sagt: „Diejenigen, die sich nicht an das Gesetz halten, sollten sich später nicht beschweren, wenn mein Büro im Rahmen seines Mandats tätig wird.“
Der IStGH ist vom Internationalen Gerichtshof (IGH) getrennt, der keine Einzelpersonen verfolgt. In einem von Südafrika angestrengten Verfahren entschied der IGH im Januar, dass Israel darauf hinwirken muss, „völkermörderische Handlungen“ in Gaza zu verhindern und die Tötung von Palästinensern zu unterbinden.
Nach dem Urteil des IGH wurden Zehntausende von Menschen im Gazastreifen durch Bombenangriffe, Massenhinrichtungen und vorsätzliches Aushungern getötet oder verletzt.
Auch wenn weder Israel noch die USA Mitglied des IStGH sind oder dessen Rechtsprechung anerkennen, ist doch Palästina seit 2015 Mitglied.
Am Sonntag sagte Israels Außenminister Israel Katz, er sei über „Gerüchte“ informiert worden, dass in Kürze Haftbefehle gegen israelische Vertreter erlassen werden könnten.
Und weiter: „Wenn die Haftbefehle ausgestellt werden, schaden sie den Kommandeuren und Soldaten der IDF und geben der Terrororganisation Hamas und der vom Iran angeführten Achse des radikalen Islam, gegen die wir kämpfen, einen moralischen Auftrieb.“
Netanjahu erklärte, dass Israel „niemals einen Versuch des IStGH akzeptieren wird, das ihm innewohnende Recht auf Selbstverteidigung zu untergraben“. Er sagte, eine Strafverfolgung israelischer Staatsvertreter durch den IStGH wäre „ungeheuerlich“, und fügte hinzu: „Wir werden uns dem nicht beugen.“
In einer an die imperialistischen Unterstützer des Völkermords im Gazastreifen gerichteten Botschaft erklärte Netanjahu: „Die Entscheidungen des Haager Gerichtshofs werden Israels Handeln nicht beeinflussen, aber sie würden einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen, der die Soldaten und Vertreter jeder Demokratie bedroht, die gegen kriminellen Terrorismus und Aggression kämpfen.“
Mit anderen Worten: Jede Anklage gegen die israelische Führung wäre in Wirklichkeit eine Anklage gegen die Regierungen der USA, des Vereinigten Königreichs, Deutschlands und Frankreichs.
Am Montag berichtete Reuters, dass IStGH-Ankläger medizinisches Personal in den Shifa- und Nasser-Krankenhäusern befragt haben. In den Krankenhäusern sollen die israelischen Streitkräfte summarische Hinrichtungen durchgeführt und Leichen in Massengräbern verscharrt haben.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
In den Wochen seit der Entdeckung der Massengräber auf dem Gelände der beiden Krankenhäuser, die zusammen mehr als 500 Leichen enthalten, haben sich die Beweise verdichtet, dass die israelischen Streitkräfte schwerkranke Krankenhauspatienten hingerichtet haben.
In einer Erklärung schrieb Euro-Med Monitor: „Das Vorhandensein von Harnkathetern oder Schienen, die bei der Exhumierung an den Körpern einiger der toten Patienten gefunden wurden, sowie medizinische Akten, die mit ihnen im Al-Shifa Medical Complex vergraben wurden, bestätigen die Hinrichtung von kranken und verletzten Menschen.“
Am Montag erklärten Vertreter der USA und des Vereinigten Königreichs, Israel habe seine Bedingungen für eine vorübergehende Waffenruhe im Gazastreifen überarbeitet, lehne aber nach wie vor einen dauerhaften Abzug der Streitkräfte aus dem Gebiet ab.
US-Außenminister Antony Blinken nannte den Vorschlag „außerordentlich großzügig“ und erklärte, die Hamas sei „das Einzige, was zwischen den Menschen in Gaza und einem Waffenstillstand steht“.
Osama Hamdan, ein Sprecher der Hamas, sagte daraufhin gegenüber Al Jazeera: „Die Angriffe auf Palästinenser zu stoppen ist nicht großzügig.“
Und weiter: „Aus dem israelischen Papier geht hervor, dass sie immer noch auf zwei wichtige Punkte bestehen. Sie wollen keinen vollständigen Waffenstillstand und sprechen auch nicht ernsthaft über einen Rückzug aus dem Gazastreifen. In der Tat sprechen sie immer noch über ihre Anwesenheit... was bedeutet, dass sie weiter Gaza besetzen werden.“
Israel setzt unterdessen die Vorbereitungen für einen Angriff auf Rafah fort, die südlichste Stadt des Gazastreifens, in der 1,5 Millionen Menschen Zuflucht suchen. Die täglichen Bombenangriffe auf die Stadt halten an, darunter ein Angriff, bei dem drei Palästinenser im Flüchtlingslager Nuseirat getötet wurden.
Bis heute wurden mindestens 34.488 Menschen bei israelischen Angriffen auf den Gazastreifen getötet, darunter mehr als 14.500 Kinder. Zudem werden mehr als 8.000 Personen vermisst. Die Zahl der Verwundeten in Gaza beläuft sich auf mindestens 77.643.
Am Montag berichtete Middle East Eye, dass Israel in Vorbereitung seiner Offensive auf die südliche Grenzstadt des Gazastreifens „ein komplexes System von Kontrollpunkten einrichten will, das Männer im ‚militärischen Alter‘ an der Flucht aus Rafah hindern soll“.
Weiter heißt es: „Die Kontrollpunkte sollen es einigen Frauen und Kindern ermöglichen, Rafah vor einer erwarteten israelischen Offensive zu verlassen. Aber unbewaffnete, zivile palästinensische Männer werden wahrscheinlich von ihren Familien getrennt und während eines erwarteten israelischen Angriffs in Rafah gefangen bleiben.“
Israel behandelt die Gebiete, die es zu evakuieren befohlen hat, als freie Feuerzonen. Somit ist klar, dass der bevorstehende Angriff auf Rafah praktisch die Massenexekution der in der Stadt verbliebenen Personen bedeuten wird.