Die Anklagen des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) wegen Kriegsverbrechen gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant haben bei den führenden imperialistischen Kriegsverbrechern weltweit einen Aufschrei der Empörung ausgelöst.
US-Präsident Joe Biden und Außenminister Antony Blinken haben sich mit den faschistischen Republikanern Mike Johnson und Lindsey Graham zusammengetan, um den Internationalen Strafgerichtshof zu verurteilen und das Recht Israels und der Vereinigten Staaten zu bekräftigen, ungestraft Kriegsverbrechen zu begehen.
In seiner Rede am Montag verurteilte Biden den IStGH und erklärte: „Wir lehnen die Anwendung von Haftbefehlen gegen israelische Politiker durch den IStGH ab.“
Biden erklärte absurderweise:
Es ist klar, dass Israel alles in seiner Macht Stehende tun will, um den Schutz der Zivilbevölkerung zu gewährleisten. Entgegen den Anschuldigungen des Internationalen Gerichtshofs gegen Israel handelt es sich nicht um Völkermord. Wir weisen das zurück.
In welcher Welt lebt Biden? Die beiden vom IStGH-Ankläger angeklagten Männer haben nicht nur Zehntausende Zivilisten getötet, sie haben auch deutlich gemacht, dass dieses Massaker mit genozidaler Absicht begangen wird. Netanjahu bezeichnete die Palästinenser als „Monster“ und „Amalek“, Gallant nannte sie „menschliche Tiere“.
Wenn das kein Völkermord ist, was ist es dann?
Bidens Reaktion auf die Anklage des IStGH hat die offene und unverhohlene Unterstützung seiner Regierung für die physische Vernichtung der palästinensischen Bevölkerung durch Israel entlarvt.
In seiner Aussage vor dem Haushaltsausschuss des Senats am Dienstag versprach Blinken, mit den Republikanern im Kongress „zusammenzuarbeiten“, um den IStGH zu sanktionieren.
Blinken reagierte damit auf den republikanischen Senator Graham, der sich Anfang des Monats auf den Präzedenzfall Hiroshima und Nagasaki berief und damit faktisch vorschlug, Israel solle Atomwaffen in Gaza einsetzen.
Bei der Senatsanhörung am Dienstag sagte Graham, dass die strafrechtliche Verfolgung Israels einen Präzedenzfall für die Verfolgung der Vereinigten Staaten wegen Kriegsverbrechen darstellt: „Wenn sie das mit Israel tun, werden wir die nächsten sein.“
Graham drängte Blinken: „Ich möchte also Taten sehen, nicht nur Worte. Werden Sie parteiübergreifende Anstrengungen unterstützen, den IStGH nicht nur für die Unverschämtheit gegenüber Israel zu sanktionieren, sondern auch um unsere eigenen Interessen in der Zukunft zu schützen?“
Darauf antwortete Blinken: „Ich freue mich, mit Ihnen daran zu arbeiten.“
Graham hatte bereits früher erklärt, dass es „keine Grenze“ für die Zahl der zivilen Opfer der israelischen Gewalt geben dürfe. Er verteidigte die kollektive Bestrafung mit dem Argument, dass die Bewohner des Gazastreifens eine „radikalisierte Bevölkerung“ seien. Jetzt lobte er Blinken und Biden für ihre Reaktion auf die Anklagen gegen Netanjahu und Gallant.
„Ich möchte Ihnen danken“, sagte Graham. „Ich möchte Präsident Biden dafür danken, dass er eine starke Erklärung abgegeben hat.“ An Blinken gewandt sagte er: „Ihre Erklärung war großartig, Herr Minister.“
Während Biden den Internationalen Strafgerichtshof öffentlich anprangerte, schüttelte sein nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan Hände mit Yoav Gallant in Israel und posierte für ein gemeinsames Foto. Der israelische Verteidigungsminister hatte gerade seine Absicht bekräftigt, den Angriff auf Rafah zu verschärfen.
„Wir sind entschlossen, die Bodenoperation in Rafah auszuweiten“, sagte Gallant beim Treffen mit Sullivan.
Der Völkermord in Gaza dauert nun schon siebeneinhalb Monate an. Er hat offiziell mehr als 35.000 Palästinenser das Leben gekostet, vor allem Frauen und Kinder. Inoffiziell sind weit über 45.000 Menschen ums Leben gekommen, Tausende Leichen liegen unter den Trümmern begraben. Über 75.000 Menschen wurden verletzt und mehr als 70 Prozent der Häuser in der Enklave zerstört. Insgesamt haben die israelischen Streitkräfte fünf Prozent der Bevölkerung des Gazastreifens getötet oder verstümmelt.
Keines dieser Verbrechen wäre ohne die Unterstützung durch die imperialistischen Mächte denkbar gewesen. Der amerikanische und der deutsche Imperialismus haben mit der Lieferung von Hochleistungswaffen und militärischer Ausrüstung an das rechtsextreme zionistische Regime den Weg bereitet.
In ihren eigenen Ländern haben die imperialistischen Mächte alle Gegner des Völkermords als „Antisemiten“ verteufelt, Proteste verboten und die Bereitschaftspolizei auf Demonstrationen und Protestcamps losgelassen.
Die Komplizenschaft der Imperialisten beim barbarischen Genozid in Gaza entlarvt die zynische Behauptung, sie wären Verteidiger der „Demokratie“ und „Menschenrechte“, womit sie jeden Angriffskrieg seit der Auflösung der UdSSR gerechtfertigt haben.
Beginnend mit dem ersten Golfkrieg entfesselte der US-Imperialismus einen Krieg nach dem nächsten. Seit mehr als 30 Jahren befindet sich Amerika ununterbrochen in einem militärischen Konflikt. Die Behauptung, der amerikanische Imperialismus und seine europäischen Verbündeten seien die unermüdlichsten Verfechter der „Menschenrechte“, diente den politischen und medialen Propagandisten als Rechtfertigung für die Kriege.
Der erste Golfkrieg wurde als Kampf für die Befreiung des Iraks von dem barbarischen Regime unter Saddam Hussein dargestellt, das in Kuwait Babys in Brutkästen töten und die Kurden unterdrücken würde. Beim Kosovokrieg 1999 wurde der serbische Präsident Slobodan Milošević als Reinkarnation Hitlers verteufelt und ihm ein Genozid an Bosniern und Kosovo-Albanern vorgeworfen, um die Nato-Bombardierung von Belgrad zu rechtfertigen.
Nach dem Terroranschlag von al-Qaida am 11. September 2001 folgte der Krieg gegen Afghanistan. Die neokoloniale Besetzung des zentralasiatischen Lands, die 20 Jahre andauerte, wurde als Mission im Namen der „Frauenrechte“ und „Demokratie“ verkauft.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Bei der illegalen Invasion des Irak 2003 präsentierte sich die von den USA angeführte „Koalition der Willigen“ als „Befreier“. Tatsächlich hat sie die irakische Gesellschaft zerstört, Massaker an Zivilisten verübt und ethnische und religiöse Konflikte geschürt.
Der Nato-Luftkrieg gegen Libyen im Jahr 2011 forderte Zehntausende Menschenleben und führte zur brutalen Ermordung von Muammar Gaddafi. Eine der fortschrittlichsten Gesellschaften in der Region wurde in einen Bürgerkrieg gestürzt, der bis heute andauert. Die Kriegspropagandisten stützten sich auf eine hochtrabende akademische Theorie, die in einem von der kanadischen Regierung finanzierten Projekt ausgearbeitet wurde. Sie behaupteten, der Krieg sei durch die „Verantwortung des Imperialismus“ gerechtfertigt, Zivilisten vor einem angeblich drohenden Massaker durch Gaddafi zu schützen. Ähnliche Lügen wurden verwendet, um die Aufstachelung zum Bürgerkrieg gegen das Assad-Regime in Syrien zu legitimieren, von dem sich die Imperialisten einen Regimewechsel in Damaskus erhofften.
Diese Verbrechen haben nun eine neue Stufe der Grausamkeit erreicht. Die ununterbrochene Serie von Kriegen des US-Imperialismus hat sich zu einem rasch eskalierenden dritten Weltkrieg ausgeweitet, in den alle Großmächte in einen globalen Kampf um Märkte, Rohstoffe und geostrategischen Einfluss verwickelt sind. Washingtons Unterstützung für Israels „Endlösung“ der palästinensischen Frage ist mit den Vorbereitungen für einen Krieg gegen den Iran verknüpft, der die gesamte Region umfassen würde. Das Ziel der USA ist es, ihre Vorherrschaft im Nahen Osten zu sichern.
Die beiden anderen Hauptfronten des Kriegs liegen in Osteuropa und Asien. In der Ukraine haben sich die vermeintlichen Kreuzritter für „Menschenrechte“ mit echten Antisemiten und den politischen Nachfolgern der Nazi-Kollaborateure verbündet, um Krieg gegen Russland zu führen. Im asiatisch-pazifischen Raum wird gegen China aufgerüstet.
Der amerikanische Imperialismus und seine europäischen Verbündeten wollen Russland und China als Halbkolonien unterwerfen, um die natürlichen Ressourcen auszubeuten. Zudem soll Chinas Aufstieg zu einem wirtschaftlichen und geopolitischen Konkurrenten gestoppt werden. Für diese Interessen sind die Imperialisten bereit, jedes Verbrechen bis hin zum Völkermord zu begehen und die Vernichtung der Menschheit in einem Atomkrieg zu riskieren.
Um diese räuberischen Ziele zu verfolgen, werden die reaktionärsten politischen Kräfte im In- und Ausland mobilisiert. Im September 2023 wurde im kanadischen Parlament der Nazi-Kriegsverbrecher Jaroslaw Hunka mit stehenden Ovationen gefeiert, an denen sich diplomatische Vertreter aller G7-Staaten beteiligten. Das Ereignis zeigte, dass der imperialistische Krieg mit der Rehabilitierung von Faschismus und Diktatur einhergeht. Die brutale Unterdrückung der Demonstrationen gegen den Gaza-Genozid durch Regierungen in Nordamerika und Europa ist Teil der Angriffe auf die demokratischen Rechte der Arbeiterklasse.
So schrieb die World Socialist Web Site in ihrer Neujahrsperspektive 2024:
Alle „roten Linien“, die die Zivilisation von der Barbarei abgrenzen, werden beseitigt. Das Motto der kapitalistischen Regierungen lautet: „Nichts Kriminelles ist uns fremd“.
Millionen von Arbeitern und Jugendlichen auf der ganzen Welt erkennen die Heuchelei und Gesetzlosigkeit der imperialistischen Mächte. Das zeigt die Massenbewegung gegen den Völkermord im Gazastreifen. Zuletzt sind auch akademische Beschäftigte in den USA in den Streik getreten und protestieren gegen das brutale Vorgehen der Polizei gegen die Demonstranten. Die Herausforderung besteht darin, die politischen Schlussfolgerungen aus dieser Entwicklung zu ziehen.
Wie Mussolini und Hitler, die den Völkerbund verächtlich beiseite schoben, als sie Abessinien plünderten und in eine europäische Hauptstadt nach der anderen einmarschierten, werden Biden, Scholz, Sunak und Macron – die führenden imperialistischen Barbaren des 21. Jahrhunderts – nicht zulassen, dass die Vereinten Nationen oder der Internationale Strafgerichtshof sie aufhalten. Appelle an diese Institutionen, Kriegsverbrecher wie Netanjahu oder auch Biden zur Rechenschaft zu ziehen, sind zum Scheitern verurteilt.
Die gleichen kapitalistischen Widersprüche, die die imperialistische Barbarei hervorbringen, treiben die internationale Arbeiterklasse in den Kampf. Die Studierenden und Jugendlichen müssen für die unabhängige politische Mobilisierung dieser sozialen Kraft – der Arbeiterklasse – kämpfen, wenn sie gegen den Völkermord und die Komplizenschaft der imperialistischen Regierungen protestieren.
Um die Kriegsverbrecher vor Gericht zu bringen, den Genozid zu beenden und die Eskalation eines dritten Weltkriegs zu stoppen, ist ein Kampf für die revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft unter Führung der Arbeiterklasse notwendig, die die kapitalistische Barbarei durch den Sozialismus ersetzt.