Am vergangenen Donnerstag verabschiedete das Studierendenparlament der Humboldt-Universität Berlin eine Resolution, die den brutalen Polizeieinsatz gegen die Besetzung des Instituts für Sozialwissenschaften (ISW) durch Studierende verurteilt. Die Resolution, die von der Linken Liste (LiLi) eingebracht wurde, wendet sich gegen
die rechtswidrige Weisung des Regierenden Bürgermeisters Wegner (CDU) und der Senatorin Czyborra (SPD) gegenüber dem Präsidium der HU, die Duldung der Besetzung zu beenden, sowie die öffentliche Kommunikation des Regierenden Bürgermeisters Wegner als schweren Eingriff in die Hochschulautonomie und direkten Angriff auf die Rechte der Studierenden. Das Studierendenparlament rät dem Präsidium der HU an, die Rechtswidrigkeit der Weisung auch auf dem Klageweg feststellen zu lassen.
Weiter verurteilt sie
das eskalative Vorgehen der Polizei im Zuge der Besetzung, insbesondere die Eingriffe der Polizei in die Hochschulautonomie – diese unter anderem durch die Aufnahme der Personalien der Teilnehmer*innen der Diskussionsveranstaltung im Institut für Sozialwissenschaften –, die Ausübung von Polizeigewalt gegen Studierende, den Angriff auf Presse und auf die Berufsausübung eines Rechtsanwalts sowie zahlreiche antimuslimische und antipalästinensische, in der rassistischen Tradition des deutschen Staates stehende Vorfälle im Rahmen des Polizeieinsatzes.
Im Rahmen der Besetzung des ISW waren die Personalien sämtlicher anwesender Personen aufgenommen worden. In den vergangenen Tagen bekamen fast alle Briefe von der Polizei, dass Ermittlungen wegen schweren Hausfriedensbruchs (nach Paragraph 124 StGB) gegen sie eingeleitet worden seien. Das betrifft auch diejenigen, die das Gebäude rechtzeitig vor Ablauf der von der Universitätsleitung gesetzten Frist verlassen hatten, darunter ein Anwalt, sieben Mitglieder des Referent*innenrats (RefRat, gesetzlich Asta), die lediglich als Vermittler und Beobachter im Gebäude waren, sowie anwesende Professoren. Ein Antrag des RefRats beim StuPa auf finanzielle Unterstützung für die Anwaltskosten wurde beinahe einstimmig angenommen.
Gleichzeitig wirft die Resolution der Linken Liste den Besetzern „die Verwendung antisemitischer und Hamas-Symbolik“ vor und stellte die Rolle der Hochschulleitung als Dialog-orientiert dar. Die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) stellten einen Änderungsantrag, diese Absätze zu streichen. Gregor Kahl, StuPa Abgeordneter der IYSSE-Fraktion, begründete den Änderungsantrag:
Wir als IYSSE rufen dazu auf, dass sich das Studierendenparlament unmissverständlich und glasklar gegen die brutalen Polizeieinsätze auf dem Campus und den allgemeinen Crackdown gegen studentische Kriegsgegner stellt. Wir sind deshalb dafür, dass der Beschlussantrag auf die Punkte 1 und 3 beschränkt wird, und haben einen entsprechenden Änderungs-Antrag zum Lili-Antrag eingebracht.
Wir müssen uns vergegenwärtigen, was gerade stattfindet: Die Unileitung versucht sicherzustellen, dass die HU ein Zentrum für Kriegspropaganda bleibt, und will eine Situation schaffen, wo nichts mehr gesagt werden darf, was den deutschen Großmachtinteressen entgegensteht.
Sie hat in den letzten Monaten mehrfach mit brutaler Polizeigewalt auf jeden Ausdruck von Kriegsgegnerschaft geantwortet. Obwohl von der Besetzung des ISW zu keinem Zeitpunkt Gefahr für Menschen ausging, wurden quasi alle Beteiligten strafrechtlich verfolgt. Sogar gegen einen beratenden Anwalt wurde Strafanzeige gestellt, und ein Journalist der Berliner Zeitung wurde von der Polizei brutal zusammengeschlagen, obwohl er sich deutlich als Presse zu erkennen gab.
Mehrere studentische Protestbeteiligte wurden so stark von der Polizei angegriffen, dass Sanitäter eingesetzt werden mussten. Selbst Refrat-Angehörige, die nur zur Beobachtung da waren, werden jetzt verfolgt, wie wir eben diskutiert haben.
Aber es begann nicht erst bei der Besetzung: Auch gegen das völlig friedliche Sit-In im Mai vor dem Hauptgebäude ließ die HU-Leitung sofort die Polizei anrücken, versetzte den ganzen Campus in einen Belagerungszustand und ließ die Teilnehmenden gewaltsam abtransportieren. Wenn wir zulassen, dass Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner auf dem Campus von der Polizei zusammengeschlagen werden, dann haben wir keine freie Uni mehr.
Akademische Veranstaltungen gegen das Massaker in Gaza werden mit antidemokratischen Auflagen belegt, so zum Beispiel unsere eigene am Dienstag oder die Veranstaltung von Decolonize Charité, wo eine Schulklasse am Zutritt gehindert wurde.
Gleichzeitig werden am Campus studentische Plakate zerstört, nicht nur Plakate von uns, sondern auch Plakate von Grünboldt und den Aktionswochen gegen Rechts. Profs, die in einem offenen Brief demokratische Rechte von uns Studierenden verteidigt haben, werden von der Bildzeitung verleumdet und vom Bildungsministerium verfolgt, wie der NDR jetzt offengelegt hat. Und während dieser ganzen Zeit findet eine rechte Hetzkampagne statt, die Opposition gegen das Massaker in Gaza mit Antisemitismus gleichsetzt. In den Chor dieser Kampagne sollten wir nicht einstimmen.
Wir sollten auch nicht die Rolle der Unileitung verherrlichen, wie das hier im Lili-Antrag getan wird. Aus unserer Sicht ist klar, dass Bürgermeister, Wissenschaftsministerin und Unileitung gemeinsam die Situation des Polizei-Crackdowns geschaffen haben, und es ist Fakt, dass die Unileitung den Polizeieinsatz auf dem Campus befürwortet hat.
Das Präsidium von Frau Blumenthal hat außerdem reguläre Veranstaltungen gegen das Massaker in Gaza an der Uni untersagt, wie z.B. eine Veranstaltung, die wir machen wollten.
Es geht hier in der Stupa-Sitzung auch nicht darum, ob wir einzelnen Forderung der Besetzung zustimmen oder nicht, sondern es sollte einfach klar werden, dass wir den Polizeieinsatz uneingeschränkt ablehnen und das demokratische Recht aller Studierenden auf Protest verteidigen, unabhängig davon, ob wir einzelnen Forderungen und Aktionen einzelner Individuen zustimmen oder nicht.
Der Änderungsantrag der IYSSE erhielt neben den Stimmen der IYSSE zwei Stimmen von studentischen Listen und wurde damit mehrheitlich abgelehnt. Der unveränderte Antrag der Linken Liste wurde mit Enthaltung der IYSSE und Gegenstimmen der SPD-, CDU- und FDP-Jugendorganisationen angenommen.
Am Dienstag und Mittwoch kommender Woche wird das StuPa der HU neu gewählt. Die IYSSE treten als einzige Liste mit einem Programm gegen die Militarisierung der Unis an. In ihrer Wahlerklärung heißt es:
Wir treten zu den StuPa-Wahlen an, um der Polizeigewalt gegen kritische Studierende und der Hetze gegen Lehrende entgegenzutreten. Wir werden nicht zulassen, dass Kriegsgegner an der HU mundtot gemacht werden und die Uni in eine Kaderschmiede des deutschen Militarismus verwandelt wird. Es ist nicht nur unser Recht, sondern unsere historische Pflicht, gegen den schrecklichen Völkermord in Gaza aufzutreten, der von der Bundesregierung in jeder Hinsicht unterstützt wird.