Perspektive

Terroranschlag im Libanon eröffnet neue Front im amerikanisch-israelischen Krieg im Nahen Osten

Am Dienstag und Mittwoch detonierten im gesamten Libanon Tausende von mobilen Kommunikationsgeräten, die von Israel mit Sprengstoff bestückt worden waren. Dabei wurden Dutzende Menschen getötet, darunter auch Mitglieder der vom Iran unterstützten Hisbollah-Organisation. Tausende weitere wurden verletzt.

Ersthelfer des Zivilschutzes tragen einen Mann, der nach der Explosion seines tragbaren Pagers verwundet wurde, in der südlibanesischen Hafenstadt Sidon, 17. September 2024 [AP Photo]

Die Massendetonationen von israelischer Seite gegen die Bevölkerung des Libanon sind ein offenkundiges Kriegsverbrechen. Sie verstoßen gegen das Kriegsrecht bzw. humanitäre Völkerrecht, das heimtückischen Mord und Perfidie in der Kriegsführung ächtet sowie gegen das Verbot eines wahllosen Sprengstoffeinsatzes.

„Das humanitäre Völkerrecht verbietet den Einsatz von Sprengfallen, d.h. von Gegenständen, die Zivilisten anziehen können oder mit dem normalen zivilen Alltag in Verbindung stehen, um zu vermeiden, dass Zivilisten in große Gefahr geraten und sich solche verheerenden Szenen abspielen wie jetzt im Libanon“, erklärte Lama Fakih, Direktor für den Nahen Osten und Nordafrika bei Human Rights Watch, in einem offiziellen Statement.

Die New York Times berichtete über den Tod eines neunjährigen Opfers des Anschlags:

„Fatima war am Dienstag in der Küche, als ein Pager auf dem Tisch zu piepen begann“, so ihre Tante. „Sie hob das Gerät auf, um es ihrem Vater zu bringen, und hielt es in der Hand, als es explodierte, ihr Gesicht zerfetzte und den Raum blutverschmiert zurückließ“, berichtet sie. „Fatima wollte Englischkurse belegen“, sagt Frau Mousawi. „Sie liebte Englisch.“

Diese Verbrechen wurden zwar von der israelischen Regierung und dem israelischen Militär begangen. Dahinter steht jedoch die schier grenzenlose finanzielle, militärische und politische Unterstützung der Vereinigten Staaten und anderer imperialistischer Mächte für Israel. Die Tat ist entsprechend Ausdruck ihres Strebens nach Unterwerfung und Vorherrschaft im Nahen Osten.

Bei der Pressekonferenz des Weißen Hauses am Mittwoch konnte sich der sonst so disziplinierte Sprecher des Weißen Hauses, John Kirby, ein spöttisches Lächeln nicht verkneifen, als er die Verantwortung der USA für den Terroranschlag oder deren Vorwissen bestritt. „Wir waren nicht beteiligt“, sagte Kirby und grinste von einem Ohr zum anderen.

Hochrangige Vertreter der Demokratischen Partei freuen sich derweil offen über diesen Massenmord. „Ich unterstütze voll und ganz die Bemühungen, jede existenzielle Bedrohung wie die Hisbollah ins Visier zu nehmen und zu neutralisieren“, schreibt der demokratische US-Senator John Fetterman auf X und teilt einen Screenshot des Nachrichtenberichts über den Angriff.

Der Angriff Israels auf den Libanon zielt auf eine massive Eskalation des Krieges mit dem Land, in dem seit Oktober letzten Jahres Hunderte von Menschen getötet wurden. Nur wenige Stunden vor Beginn der Bombardierungen erklärte das israelische Sicherheitskabinett, dass es „die Kriegsziele aktualisiert“ habe, um die Rückkehr der israelischen Bevölkerung in den Norden Israels einzubeziehen - ein Euphemismus für die Eskalation des israelischen Krieges gegen die Hisbollah im Libanon.

Am Mittwoch teilte der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant mit, dass die 98. Division der Armee, zu der auch Kommandoeinheiten und Fallschirmjäger gehören, aus dem Gazastreifen nach Nordisrael verlegt wird.

„Der Schwerpunkt verlagert sich nach Norden, was bedeutet, dass wir Kräfte, Ressourcen und Energie für die nördliche Arena bereitstellen“, so Gallant.

Die Verlegung der israelischen Streitkräfte in den Norden bedeutet nicht weniger Leiden für die Bevölkerung des Gazastreifens, die vollständig belagert ist, systematisch ausgehungert wird und keinen Zugang zu Wasser, Strom und medizinischer Versorgung hat. Seit Oktober wurden nach offiziellen Angaben mehr als 40.000 Palästinenser von Israel getötet, während eine im medizinischen Fachjournal The Lancet veröffentlichte Studie nahelegt, dass die tatsächliche Zahl der Todesopfer bei 186.000 oder mehr liegen könnte.

Der Angriff auf den Libanon ist die jüngste in einer Reihe von Provokationen Israels, die von den Vereinigten Staaten unterstützt werden und darauf abzielen, einen Krieg nicht nur gegen den Libanon, sondern auch gegen den Iran zu provozieren.

Im April tötete ein israelischer Schlag eine Gruppe iranischer Militäroffiziere, die sich in Damaskus trafen. Daraufhin schlug der Iran mit 300 Raketen und Drohnen auf Israel ein, von denen fast alle abgefangen wurden. Im Juli ermordete Israel Fuad Shukr, ein ranghohes Mitglied der Hisbollah, mit einer Attacke in Beirut, gefolgt von der Ermordung des politischen Führers der Hamas, Ismail Haniyeh, in einem Militärgästehaus im Iran.

Der israelische Terroranschlag ist ein wesentlicher Schritt hin zu einer imperialistischen Außenpolitik, die mit kriminellen Mitteln agiert. Er schafft einen Präzedenzfall für die Legitimierung von Terroranschlägen gegen politische Führungsfiguren wie auch die breite Zivilbevölkerung.

Die Hisbollah ist eine der größten politischen Parteien im Libanon und hatte bis 2022 die dominierende Stellung im Parlament des Landes inne. Viele der Betroffenen waren keine Soldaten, sondern Politiker, Fachleute und Verwaltungsangestellte. Und bei den Tausenden von Bomben, die im ganzen Land detonierten, wurden viele Unbeteiligte getötet, die keine direkte Verbindung zur Hisbollah hatten, darunter zwei Kinder.

Es wird ein Präzedenzfall geschaffen, durch den die Definition von Krieg auf das ausgedehnt wird, was zuvor als Terrorismus galt. Dadurch werden geächtete Methoden wie das Anbringen von Sprengfallen an Alltagsgegenständen legitimiert, um sowohl einzelne Mitglieder der Zivilbevölkerung zu töten als auch wahllose Massentötungen und Verstümmelungen zu verursachen.

Dies hat Auswirkungen weit über den Nahen Osten hinaus. In den vergangenen 50 Jahren wurden Maßnahmen des Staates Israel als Präzedenzfälle für die globale Politik der USA genutzt. Das wichtigste Beispiel ist die Doktrin der „gezielten Tötung“, d. h. der staatlich sanktionierten Ermordung.

Im November 2000 bekannte sich Israel als erster Staat der Welt „offen dazu, eine Politik der gezielten Tötung zu betreiben“, schrieb Nils Melzer, Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über Folter, im Jahre 2009. Bald darauf gingen die Vereinigten Staaten dazu über, „die Methode der gezielten Tötung offen zu übernehmen“.

Den ersten bekannten Drohnenangriff außerhalb eines Kriegsgebiets führten die USA 2002 im Jemen durch. Im Jahr 2011 wurden der in den USA geborene Geistliche Anwar al-Awlaki und sein Sohn, beide US-Bürger, bei verschiedenen Drohnenangriffen im Jemen getötet. Im Jahr 2020 wurde bei einem US-Drohnenangriff im Irak Qasem Soleimani, ein hochrangiger iranischer Militärvertreter, während eines offiziellen Besuchs im Irak getötet.

Wie bei der Einführung des „gezielten Tötens“ werden die Kriegsverbrechen, die Israel jetzt begeht, zur neuen Grundlage für noch größere Verbrechen der Vereinigten Staaten und anderer imperialistischer Mächte.

Der israelische Terroranschlag wurde von den pseudolinken Unterstützern des Völkermords im Gazastreifen völlig heuchlerisch verurteilt. „Dieser Angriff verstößt klar und eindeutig gegen das humanitäre Völkerrecht und untergräbt die Bemühungen der USA, einen größeren Konflikt zu verhindern“, schrieb die Abgeordnete der Demokratischen Partei in den USA Alexandria Ocasio-Cortez.

Die israelische Offensive gegen den Libanon steht keineswegs im Widerspruch zur US-Politik im Nahen Osten, wie Ocasio-Cortez behauptete, sondern wird von der Regierung Biden-Harris voll unterstützt.

Im Juli hielt der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu vor beiden Häusern des US-Kongresses eine Rede, in der er gelobte, den Völkermord in Gaza zu einem Krieg gegen den Libanon und den Iran auszuweiten. Nach seiner Rede vor dem Kongress traf Netanjahu die US-Vizepräsidentin Kamala Harris, die ihrerseits versprach: „Ich werde immer sicherstellen, dass Israel sich verteidigen kann, auch gegen den Iran und vom Iran unterstützte Milizen wie Hamas und Hisbollah.”

Der amerikanische Imperialismus weitet seinen Krieg auf den gesamten Nahen Osten aus, als Teil einer globalen Militäroffensive gegen Russland und China. Zu dem Zeitpunkt, als im Libanon Tausende von Sprengsätzen explodierten, stellten die USA Pläne fertig, die noch in diesem Monat in Kraft treten sollen und die es der Ukraine ermöglichen sollen, Russland mit Nato-Waffen praktisch ohne Einschränkungen anzugreifen. Hierdurch verschärft sich die Gefahr, dass der Konflikt in einen weltweiten Atomkrieg eskaliert.

Der amerikanisch-israelische Terrorangriff auf den Libanon ist eine Warnung. Die USA führen überall auf der Welt Kriege, um ihre globale Hegemonie zu verteidigen. Und die USA sind bereit, zur Erreichung ihrer Ziele die Methoden des Massenmords und des Terrorismus einzusetzen.

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