Frankreich: Minister der Barnier-Regierung übernehmen Politik der extremen Rechten

Der neue französische Premierminister Michel Barnier während der Amtsübergabe am 5. September 2024 in Paris [AP Photo/Stephane de Sakutin]

Die Minister des Kabinetts, das der französische Premierminister Michel Barnier mit der Unterstützung von Präsident Emmanuel Macron zusammengestellt hat, und ihre ersten Äußerungen gegenüber der Presse machen deutlich, dass der französische Staat faktisch das Programm des rechtsextremen Rassemblement National (RN) übernommen hat. Die Regierung, deren Minister aus den Resten von Macrons Bündnis Ensemble und den rechten Les Républicains (LR) stammen, verfügt in der Nationalversammlung nur über eine Minderheit. Ihr Überleben hängt dort von der Unterstützung des RN ab.

Die Amtseinsetzung einer solchen Regierung, die nach den Wahlen vom 7. Juli in mehr als dreimonatigen Geheimverhandlungen gebildet wurde, ist eine demütigende Bloßstellung von Jean-Luc Mélenchons Neuer Volksfront (NFP). Die NFP hatte zur Wahl am 7. Juli ein Wahlbündnis mit Ensemble geschlossen und ihre Kandidaten zurückgezogen, um Macrons Kandidaten zu unterstützen. Sie behauptete, dies würde die Neofaschisten von der Macht fernhalten. Selbst nachdem sie viele ihrer Kandidaten zurückgezogen hatte, wurde die NFP dennoch stärkste Kraft.

Macron bildete jedoch keine Regierung mit Mélenchon, sondern mit rechten Kräften, die eng mit dem RN verbündet sind. Nachdem er Barnier mit der Regierungsbildung beauftragt hatte, zeigten Umfragen, dass drei Viertel der französischen Bevölkerung der Meinung sind, Macron habe das Wahlergebnis nicht respektiert. Und 56 Prozent misstrauten Barnier, der lange Jahre als EU-Bürokrat tätig war und für seine erbitterte Feindschaft gegenüber Migranten bekannt ist.

Diese absolut undemokratische Einsetzung einer illegitimen Regierung zielt darauf ab, eine Politik durchzusetzen, die von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wird. Laut Umfragen wollen 91 Prozent der Bevölkerung die Rentenkürzungen rückgängig machen, die Macron letztes Jahr per Dekret gegen Massenproteste durchgesetzt hat. Auch Macrons Pläne, Bodentruppen in die Ukraine für den Krieg gegen Russland zu schicken, und die Unterstützung Frankreichs und der Nato für Israels Völkermord in Gaza werden von der großen Mehrheit der französischen Bevölkerung abgelehnt.

Doch genau diese Politik skizzierte Barnier am Sonntagabend in einem kurzen oberflächlichen Interview zur Hauptsendezeit im staatlichen Fernsehsender France2. Er erklärte, seine Regierung vertrete die gleichen „Werte“ wie das ukrainische Regime, das ohne Wahlen regiert und sich auf rechtsextreme Milizen stützt, die mit den ukrainischen Nazi-Kollaborateuren sympathisieren. Er bekannte sich außerdem zu Israels „Recht, sich selbst zu verteidigen“, obwohl es einen Angriffskrieg gegen den Libanon führt.

Barnier legte ein Programm des Klassenkriegs im Inland vor, um imperialistische Kriege im Ausland zu führen, nur dünn verschleiert mit rituellen Versprechen, „viel zuzuhören“ und an „diejenigen unten“ zu denken, „die respektiert werden müssen“. Über Macrons Umverteilung von hunderten Milliarden Euro für Bankenrettungen und den Militärapparat schwieg er sich aus. Stattdessen forderte er „Härte“ gegenüber Immigranten und deutete vage Pläne für weitere umfassende Sozialkürzungen an. Er forderte „Wahrheit über die finanziellen und ökologischen Schulden, die bereits jetzt schwer auf den Schultern unserer Kinder lasten“.

Auch Barniers Auswahl der Minister hat einen unverkennbar faschistoiden Charakter. Zum Innenminister ernannte er Bruno Retailleau, ein Mitglied von Philippe de Villiers monarchistischer Bewegung, der zu den LR übergewechselt ist und deren Fraktion im Senat leitet. Retailleau hat letztes Jahr die Unruhen nach dem Polizeimord an Nahel auf einen „Rückfall in die ethnische Herkunft“ der Immigranten zurückgeführt. Barniers Verbraucherschutzministerin Laurence Garnier ist berüchtigt für ihre Ablehnung der verfassungsmäßig geschützten Rechte auf Abtreibung und gleichgeschlechtliche Ehe.

Am Dienstag erklärte Retailleau: „Es wird noch mehr Härte geben, es wird einen Bruch geben“ in der Einwanderungspolitik. Er forderte „mehr Abschiebungen und weniger Regulierungen“, die Abschaffung der staatlichen Krankenversicherung AME, die die medizinische Versorgung von Flüchtlingen zahlt, die sich diese nicht leisten können, sowie die Ablehnung des EU-Einwanderungsgesetzes. Nachdem diese Maßnahmen vom Verfassungsrat aus einem früheren Einwanderungsgesetz gestrichen wurden, weil sie verfassungswidrig waren, forderte Retailleau in einem Interview auf TF1 ein neues Einwanderungsgesetz.

In herrschenden Kreisen wird allgemein anerkannt, dass der RN jetzt die Politik der Regierung kontrolliert, vor allem beim Thema Zuwanderung. Ein anonymer hochrangiger Regierungsvertreter erklärte gegenüber Le Monde, die Debatte über Einwanderung in Frankreich „entzieht sich jeder Rationalität. ... Wenn [die Regierung] ein Gesetz beschließt, steht sie unter der Kontrolle des RN und ist auf dessen Unterstützung angewiesen, damit das Gesetz angenommen wird. Wenn sie kein Gesetz beschließt, wird der RN dies fordern.“

Macron trägt die direkte Verantwortung für diese Situation, da er ein Bündnis mit der NFP, der Wahlsiegerin, abgelehnt und sich stattdessen mit der LR und vor allem dem RN verbündet hat. Allerdings muss auch gesagt werden, dass Mélenchon und die NFP, eine Koalition aus Parteien unter der Führung von Mélenchons Unbeugsamem Frankreich (LFI) und der kapitalistischen Sozialistischen Partei (PS), entscheidend dafür waren, dieses rechtsextreme Regime zu ermöglichen. Sie haben dafür gesorgt, dass Macrons Kräfte, die heute mit dem RN verbündet sind, in der Nationalversammlung bleiben konnten.

Führende Vertreter des LFI verurteilen die Regierung jetzt und kündigen einen Misstrauensantrag an, für den sie in der Nationalversammlung jedoch keine Mehrheit haben.

Der PS-Abgeordnete Jérôme Guedj erklärte gegenüber Sud Radio: „Ich werde einen Misstrauensantrag [gegen die Barnier-Regierung] stellen, weil ich mir keine Illusionen über ihren programmatischen Inhalt mache. Egal ob man die Zusammensetzung der Regierung oder die ersten Äußerungen von Michel Barnier betrachtet: Es ist eine rechte Linie, die die Rentenkürzungen nicht zurücknehmen wird. Der zweite Grund ist demokratischer Natur. Wir müssen Widerstand gegen diese Wendung der Ereignisse und die Weigerung leisten, die Botschaft der Wahlen vom 7. Juli zu respektieren.“

Mélenchon bezeichnete Barnier als „Illusion“ und erklärte: „Diese Regierung ist eine Koalition aus Verlierern, einige sind mehr oder weniger zum Schein da, als Vortäuschung, andere werden die wirklichen Bosse sein. ... Retailleau wird derjenige sein, der die Entscheidungen in diesem Land fällt, da nach dem parlamentarischen Verfahren alle Gesetze den Senat durchlaufen. Also kann die Nationalversammlung abstimmen, wie sie will, Macron wird letztlich immer Ja zu Herrn Retailleau sagen müssen.“

Doch Mélenchons Feststellung, die Regierung sei eine Koalition aus Verlierern, wirft die Frage auf: Wie konnten diese Verlierer eine Regierung bilden? Arbeiter und Jugendliche dürfen sich keine Illusionen über die zynische und machtlose Pose der NFP machen. Sie hat nicht vor, einen politischen Kampf der Arbeiterklasse gegen dieses unpopuläre rechtsextreme Regime vorzubereiten, sondern sie will die Kontrolle der NFP und der mit ihr verbündeten Gewerkschaftsbürokratien über den Klassenkampf aufrechterhalten, damit die Rentenkürzungen, der Völkermord und der Krieg weitergehen.

Mélenchon erhielt 2022 und 2024 die Stimmen eines Großteils der städtischen Arbeiterklasse. Doch dann ging er wahltaktische Bündnisse mit Macron ein und behauptete, nur so ließe sich der Aufstieg des Neofaschismus verhindern. Nach den Wahlen war die NFP weder in der Lage noch bereit, ihre Millionen von Wählern aus der Arbeiterklasse zu Protesten und Streiks gegen Macrons Verschwörung aufzurufen, selbst nachdem bekannt wurde, dass Macron hinter den Kulissen umfangreiche Geheimgespräche mit dem RN führte. Weil die NFP sich geschlagen gab, konnte Macron die Einsetzung eines illegitimen rechtsextremen Regimes planen.

Diese selbstzerstörerische Politik steht in Zusammenhang mit der Klassenbasis und dem politischen Programm des LFI, der in weiten Teilen Macrons Agenda unterstützt. Die Partei besteht aus wohlhabenderen Schichten von Akademikern, Gewerkschaftsbürokraten und höheren Fachkräften, die dem französischen Imperialismus wohlwollend gegenüberstehen. Tatsächlich hat der LFI Teilen des Wahlprogramms der NFP zugestimmt, in denen die Entsendung von französischen „Friedenstruppen“ in die Ukraine sowie die Stärkung der Geheimdienste und der Militärpolizei gefordert wird.

Arbeiter und Jugendliche werden schon bald mit der Barnier-Regierung in Konflikt geraten. Allerdings können sie unter dem Diktat der NFP und der Gewerkschaftsführung keinen Kampf führen. Diese Kräfte haben das Vertrauen von Millionen Arbeitern verloren, die jetzt für den RN stimmen, um ihre Abscheu und ihre Frustration über die PS und Macron deutlich zu machen. Die Arbeiterklasse muss politisch mobilisiert und in einem Kampf vereint werden, der auf unnachgiebiger Opposition gegen Krieg, Völkermord, Faschismus und soziale Reaktion basiert. Notwendig ist ein Programm für die Machteroberung der Arbeiterklasse und den Kampf für Sozialismus.

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