Der Klassencharakter politischer Tendenzen zeigt sich besonders deutlich in ihrer Haltung zur imperialistischen Außen- und Kriegspolitik. Von diesem Standpunkt war die Abstimmung über eine „Entschließung des Europäischen Parlaments zu der anhaltenden finanziellen und militärischen Unterstützung für die Ukraine durch die Mitgliedstaaten der EU“ in der vergangenen Woche mehr als entlarvend.
Der Antrag, der von den konservativen, sozialdemokratischen, grünen und liberalen Fraktionen gemeinsam eingebracht wurde, fordert eine massive Eskalation des Nato-Kriegs in der Ukraine bis hin zu direkten Raketenschlägen gegen Russland. Trotzdem wurde er von acht Vertretern der Fraktion Die Linke im Europäischen Parlament – GUE/NGL unterstützt. Unter ihnen Carola Rackete, die Spitzenkandidatin der Linkspartei bei den vergangenen Europawahlen.
Die weiteren Vertreter der „Linken“, die für den Antrag stimmten waren Li Andersson, Merja Kyllönen und Jussi Antero Saramo vom finnischen Linksbündnis (Vasemmistoliitto), Per Claussen, von der dänischen rot-grünen Einheitsliste (Enhedslisten – De rød-grønne), Hanna Gedin und Tor Jonas Sjöstedt von der schwedischen Linkspartei (Vänsterpartiet), Anja Hazekamp von der niederländischen Partei für die Tiere (Partij voor de Dieren) und Younous Omarjee vom Bündnis Unbeugsames Frankreich (La France Insoumise).
Zwölf weitere Vertreter der Linksfraktion enthielten sich, darunter die beiden Co-Vorsitzenden Manon Aubry von La France Insoumise und Martin Schirdewan von der deutschen Linkspartei.
Die Abstimmung entlarvt die Mitglieder und Parteien der Linksfraktion als wüste Kriegstreiber. Sie sprechen nicht für die europäische und internationale Arbeiterklasse, sondern für wohlhabende Mittelschichten, deren Interessen direkt mit der Verteidigung des Kapitalismus und Imperialismus verbunden sind. Obwohl es auf ihre Stimmen gar nicht ankam, stimmten die Hälfte aller anwesenden Linksfraktions-Abgeordneten für den Antrag oder enthielten sich. Und das obwohl er auf eine katastrophale Ausweitung des Kriegs zielt, der weit über den bisherigen Kriegseinsatz der europäischen Mächte hinausgeht.
Unter anderem fordert die Resolution „die Mitgliedstaaten auf, Einschränkungen des Einsatzes westlicher Waffen gegen legitime militärische Ziele im Hoheitsgebiet Russlands unverzüglich aufzuheben, da diese die Ukraine daran hindern, ihr Recht auf Selbstverteidigung nach dem Völkerrecht in vollem Umfang auszuüben, und die Ukraine dadurch Angriffen auf ihre Bevölkerung und ihre Infrastruktur ausgesetzt ist“.
Mit keinem Wort geht die Resolution auf die katastrophalen Konsequenzen derartiger Pläne ein. Es steht außer Frage, dass der Kreml auf Angriffe mit Nato-Raketen mit massiven Vergeltungsschlägen reagieren würde – bis hin zum Einsatz von Atomwaffen. Erst in der vergangenen Woche warnte der russische Präsident Wladimir Putin vor einer Sitzung des russischen Sicherheitsrats, dass sich Russland das Recht vorbehalte, „im Falle einer Aggression gegen Russland und Belarus Atomwaffen einzusetzen“.
Aber die Resolution kritisiert die europäischen Nato-Regierungen von rechts. Sie warnt, „dass unzureichende Munitions- und Waffenlieferungen und Einschränkungen ihres Einsatzes die bisher unternommenen Anstrengungen untergraben könnten“, und bedauert zutiefst, „dass der Umfang der bilateralen militärischen Hilfe der Mitgliedstaaten für die Ukraine zurückgeht, obwohl Anfang dieses Jahres bedeutsame Erklärungen abgegeben wurden“.
In diesem Zusammenhang fordert die Resolution die Mitgliedstaaten auf, „ihrer Zusage vom März 2023 nachzukommen, der Ukraine eine Million Schuss Munition zu liefern, und Waffenlieferungen in Reaktion auf eindeutig ermittelten Bedarf, insbesondere Lieferungen moderner Luftabwehrsysteme und anderer Waffen und Munition, einschließlich des Marschflugkörpers Taurus, zu beschleunigen“.
Als Ziel formuliert die Resolution explizit den militärischen Sieg über die Atommacht Russland und die Rückeroberung der von Moskau kontrollierten Gebiete. Das Europäische Parlament „bekräftigt seine Unterstützung der Zusagen der EU und ihrer Mitgliedstaaten, bis zum Sieg der Ukraine in jeder möglichen Weise humanitäre, militärische, wirtschaftliche, finanzielle und politische Unterstützung zu leisten“, heißt es im Text. Unter anderem gehe es darum, „der Ukraine zu ermöglichen, ihr ganzes Volk zu befreien und die vollständige Kontrolle über ihr gesamtes Hoheitsgebiet innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen wiederzuerlangen“.
Die Resolution stellt auch klar, um was es den europäischen Eliten geht. Um die Kontrolle der rohstoffreichen Ukraine und die Unterwerfung Russlands selbst. Und sie nutzen den Krieg, um den Kontinent zu militarisieren und die gesamte Gesellschaft auf Krieg auszurichten. So fordert die Resolution „die Kommission auf, in den Mitgliedstaaten eine strategische Kommunikation anzustoßen, um die Bedeutung der Verteidigung der Ukraine für die allgemeine Stabilität in Europa zu erläutern und sicherzustellen, dass die Unionsbürger über die Bedeutung dieser Unterstützung sowohl für die Souveränität der Ukraine als auch für Frieden und Sicherheit in der gesamten EU gut informiert sind“.
Zudem begrüße das Europäische Parlament „die öffentlichen Anstrengungen und die Crowdfunding-Initiativen von Bürgern in einigen Mitgliedstaaten zur Sicherstellung einer kontinuierlichen Versorgung der Ukraine mit Waffen“. Und es spreche „sich ferner für ähnliche Initiativen in der gesamten EU aus, um die Solidarität der Öffentlichkeit und ihr Interesse an dieser zentralen Problematik zu fördern“.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Was das Europäische Parlament mit Unterstützung der Linken fördert, zielt nicht auf die „Souveränität der Ukraine“ und ist genau das Gegenteil von „Frieden und Sicherheit“. Es geht um die Errichtung einer europäischen Kriegswirtschaft, in der die Ukraine selbst eine zentrale Rolle spielt.
Punkt 12 der Resolution fordert „die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, den Verpflichtungen aus der Erklärung von Versailles von 2022 nachzukommen und die vollständige Umsetzung des Strategischen Kompasses zu beschleunigen, indem sie die europäische militärische Zusammenarbeit auf Ebene der Industrie und der Streitkräfte verbessern und die EU damit zu einer stärkeren und leistungsfähigeren Sicherheitsgarantin machen, die mit der NATO interoperabel und komplementär zu ihr ist“.
Zudem betont sie, „dass während des EU-Beitrittsprozesses konkrete Schritte zur Integration der Ukraine in die Verteidigungs- und Cybersicherheitspolitik und die entsprechenden Programme der EU unternommen werden sollten“. Die Organe der EU müssten „im Hinblick auf Annahme der Europäischen Industriestrategie für den Verteidigungsbereich rascher vorankommen, um die rechtzeitige Verfügbarkeit und Lieferung von Verteidigungsgütern sicherzustellen, was wiederum die rechtzeitige Bereitstellung militärischer Unterstützung für die Ukraine ermöglichen würde“.
Dazu gehöre, dass die Mitgliedstaaten, „ihrer Zusage nachkommen, militärische Produktionsanlagen auf dem Hoheitsgebiet der Ukraine einzurichten.“ Es sei „enorm wichtig, mit der ukrainischen Verteidigungsindustrie zusammenzuarbeiten und sie langfristig in die technologische und industrielle Verteidigungsbasis der EU einzubinden“.
Die zwanzig Linken-Abgeordneten, die gegen die Resolution stimmten, taten dies nicht aus Opposition gegen diese wahnwitzigen Militarisierungs- und Kriegspläne, die mit massiven Angriffen auf soziale und demokratische Rechte einhergehen. Sie entstammen alle Parteien, die in den letzten Jahren eine Schlüsselrolle dabei gespielt haben, die Politik von Sozialkahlschlag, Militarismus und Krieg in die Tat umzusetzen – nicht selten im Bündnis mit extrem rechten Kräften. Unter anderem stimmten Vertreter von Sumar/Podemos (Spanien), Syriza (Griechenland) und der Fünf-Sterne-Bewegung (Italien) gegen die Resolution. Für die Linkspartei stimmte Özlem Demirel dagegen.
Hinter den „Nein“-Stimmen steht vor allem ein Grund. Unter Bedingungen, unter denen die Opposition gegen Militarismus und Krieg explosive Formen annimmt, sind Teile der „Linken“ verzweifelt bemüht, ihre wirkliche Rolle zu verschleiern. Sie wollen mit allen Mitteln verhindern, dass sich Arbeiter und Jugendliche einer unabhängigen sozialistischen Perspektive zuwenden und auf dieser Grundlage eine mächtige Bewegung gegen Krieg und seine Wurzel, den Kapitalismus, aufbauen. Für genau dieses dringende Ziel kämpfen die Sozialistische Gleichheitspartei und das Internationale Komitee der Vierten Internationale.