Am Dienstag, den 1. Oktober setzten Zehntausende von Hafenarbeitern in den USA an der Ost- und der Golfküste ihren Streik fort. Der Ausstand ist Teil einer breiteren Bewegung der Arbeiterklasse, die auch im Streik von 33.000 Boeing-Beschäftigten zum Ausdruck kommt.
Die Hafenarbeiter sind entschlossen, ihre Forderungen durchzusetzen. Sie verlangen eine 70-prozentige Lohnerhöhung und Schutz vor Arbeitsplatzverlusten durch Automatisierung.
An den Streikposten herrscht eine kämpferische Stimmung. In New York City skandierten die Arbeiter: „Wer hält das Land am Laufen? Wir!“
Ein Hafenarbeiter in zweiter Generation erklärte: „Ich bin eigentlich kein politischer Mensch, aber ich bin der Meinung, jeder sollte seine Familie ernähren, ein Haus haben und seine Kinder gut aufziehen können.“
Die riesigen Gütermengen, die jeden Tag die Häfen passieren, beweisen seiner Ansicht nach, dass mehr als genug Geld da ist: „Es gibt keinen Grund, warum wir nicht alle bekommen könnten, was uns zusteht. Ich verdiene 40 Dollar pro Stunde, und das war mal ein guter Lohn. Wollen Sie wissen, wie hoch meine Miete ist? Ich zahle über 3.000 Dollar pro Monat. Da sind 40 Dollar pro Stunde nicht so viel, wie sie es früher einmal waren.“
Auf die Frage nach der Beziehung zwischen Profit und Automatisierung erklärte er, neue Technologien sollten dazu dienen, die Arbeitsbelastung zu verringern: „Die Produktion sollte dazu da sein, Arbeitsplätze zu schaffen und das Leben der Menschen zu verbessern, und nicht dazu, dass es ihnen schlechter geht und sie unter größerem Stress stehen, nur damit ein paar Wenige reich werden.“
Die Mainstreammedien versuchen, die Hafenarbeiter als faul und verwöhnt darzustellen. Die New York Times, das Sprachrohr der Demokratischen Partei und des Militärs, versuchte am Mittwoch die im Hafen tätigen Lastwagenfahrer aufzuhetzen, die wegen des Streiks vorübergehend keine Arbeit haben. Allerdings unterstützten zwei von drei der interviewten Fahrer den Streik.
Tatsächlich würden breite Teile der Arbeiterklasse die Ausweitung des Streiks zu einer Bewegung gegen ihre eigene Ausbeutung unterstützen. Bereits jetzt fühlen sich Arbeiter in anderen Branchen ermutigt, eigene Forderungen aufzustellen.
Eisenbahner erklärten im Gespräch mit der World Socialist Web Site, ihre Kollegen seien jetzt noch wütender über den Ausverkaufs-Tarifvertrag, den ihre Gewerkschaften ihnen aufzwingen wollen. Vor allem die Forderung der Hafenarbeiter nach einer 70-prozentigen Lohnerhöhung über sechs Jahre und das Gegenangebot der Hafenbetreiber, eine Lohnerhöhung von 50 Prozent, geben den Eisenbahnern zu denken. Denn sie selbst haben lediglich eine Lohnerhöhung von 17,5 Prozent über vier Jahre in Aussicht gestellt bekommen, die ihnen die Bürokraten der Eisenbahnergewerkschaften als großen Sieg verkaufen wollen.
Der Streik verdeutlicht zudem die Konsequenzen des Streikverbots, das vor zwei Jahren vom Weißen Haus und dem Kongress verhängt wurde, um den Eisenbahnern einen Tarifvertrag aufzuzwingen, bei dem sie keine Krankentage und nur magere Lohnerhöhungen erhielten. Derzeit beteuert Biden, er erwäge keine einstweilige Verfügung gegen den Hafenarbeiterstreik nach dem Taft-Hartley-Gesetz, das ihm entsprechende Vollmachten verleiht (falls ein Streik eine „Gefahr für die amerikanische Bevölkerung“ darstellt). Das Streikverbot gegen die Eisenbahner im Güterverkehr vor zwei Jahren wurde allerdings auf der Grundlage eines anderen Gesetzes verhängt.
Gleichzeitig erklärte das Wahlkampfteam der Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris (Demokraten) seine Unterstützung für den Streik, versuchte aber, die Schuld auf „ausländische Reedereikonzerne“ zu schieben. Das Streikverbot bei der Eisenbahn von 2022 beweist jedoch, dass die Regierung direktere Maßnahmen in Reserve hält, wenn die Gewerkschaftsbürokratie der International Longshoremen’s Association (ILA) den Streik nicht bald beenden kann.
Die Gefahr staatlicher Angriffe verdeutlicht, wie notwendig es ist, dass die Arbeiter Unterstützung für ihren Streik gewinnen und die Macht der Arbeiterklasse einsetzen. Wie die WSWS am Mittwoch schrieb, stehen die Hafenarbeiter auch vor der wichtigen Aufgabe, Aktionskomitees zu gründen, ihre demokratische Kontrolle über den Streik durchzusetzen und Kommunikationskanäle mit Arbeitern in anderen Branchen aufzubauen.
Streikende Boeing-Arbeiter: „Wir müssen uns zusammentun“
Bei Boeing gibt es enorme Unterstützung für die Hafenarbeiter. Die dortigen Arbeiter haben vor drei Wochen einen Streik erzwungen, indem sie einen Tarifvertrag, den ihnen die Gewerkschaft International Association of Machinists (IAM) aufzwingen wollte, mit 95 Prozent ablehnten. Anschließend schlossen sich viele von ihnen im Boeing-Aktionskomitee zusammen, um einen Kampf gegen das Unternehmen und die Gewerkschaftsbürokratie vorzubereiten und in der Arbeiterklasse Unterstützung zu gewinnen.
Ein Boeing-Arbeiter erklärte: „Das öffnet einem die Augen. Die amerikanischen Unternehmen wollen die Arbeiter ausverkaufen. Den Konzernen in Amerika und überall sonst ist es egal, ob man seine Rechnungen bezahlen kann oder gesund bleibt, solange ihre Geldbeutel gut gefüllt sind. An die Hafenarbeiter: Bleibt stark, steht ein für das, woran ihr glaubt … Nur die Arbeiterklasse kann dieses Land stark machen!“
Ein anderer Boeing-Arbeiter erklärte:
Als Mitglied des IAM-Ortsverbands 751, der momentan streikt, solidarisiere ich mich mit den 45.000 Hafenarbeitern, die für ihr Recht und eine faire Behandlung kämpfen. Unsere Kämpfe sind miteinander verbunden. Wir fordern bessere Löhne und Arbeitsbedingungen und es ist uns dabei auch klar, dass Hafenarbeiter eine entscheidende Rolle für unsere Wirtschaft und die Lieferketten spielen.
Ihr Kampf für Gerechtigkeit ist Teil des allgemeinen Kampfs für Arbeiterrechte in allen Branchen. Wir müssen alle zusammenstehen, wenn einer sich wehrt. Unsere Stärke liegt in unserer Einheit, und gemeinsam können wir von den Bürokraten den Respekt und die Würde einfordern, die alle Arbeiter verdienen.
In diesem Streik geht es nicht nur um unsere persönlichen Probleme; es geht darum, eine Zukunft zu sichern, in der es allen Arbeitern gut geht. Dass die Hafenarbeiter für eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen streiken, deckt sich stark mit unseren Zielen bei Boeing. Wenn wir wirklich zusammen demonstrieren und auf Streikposten stehen, zeigen wir, wie wichtig die Tarifverhandlungen sind und welche Macht unsere Stimme hat.
Mit unserer Solidarität zeigen wir eindrücklich, dass wir keine Rückkehr zur Tagesordnung akzeptieren, solange unsere Kollegen unfair behandelt werden. Indem wir uns vereinen, wollen wir gleiche Rechte für alle Arbeiter in absehbarer Zukunft schaffen und sicherstellen, dass unsere Leistungen anerkannt und gewürdigt werden.
Autoarbeiter: „Bis hierher und nicht weiter!“
Der Streik stößt auch auf enorme Unterstützung unter Autoarbeitern, die Widerstand gegen Massenentlassungen leisten. Genau wie die in den Häfen angedrohten Kürzungen gehen auch die Entlassungen in der Autoindustrie hauptsächlich auf Automatisierung und andere neue Technologien zurück.
Will Lehman ist ein sozialistischer Arbeiter beim Nutzfahrzeughersteller Mack Trucks. Er hat für den Vorsitz der Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) kandidiert, um die Bürokratie abzuschaffen. Lehman erklärte: „Alle Arbeiter sollten die Reihen mit den Hafenarbeitern schließen und einen gemeinsamen Kampf führen, in dem alle Teile der Arbeiterklasse vereint sind.“ Lehman fuhr fort:
Im Stellantis-Lastwagenwerk in Warren (Michigan) stehen mehr als 2.000 Arbeiter unmittelbar vor der Entlassung, aber UAW-Präsident Shawn Fain und die UAW haben nichts dagegen unternommen.
Autoarbeiter und andere Arbeiter müssen sich jetzt [mit den Beschäftigten bei Boeing und den Hafenarbeitern] zusammentun. Es geht nicht nur darum, zu verteidigen, was wir haben – wir müssen den Spieß umdrehen und in die Offensive gehen.
Der Vizepräsidentschaftskandidat der Socialist Equality Party, Jerry White, besuchte am Mittwoch Warren Truck und andere Werke im Raum Detroit. Vor Warren Truck erklärte er: „Es ist Zeit, dass die Autoarbeiter erklären: Bis hierher und nicht weiter!“
White sagte weiter:
Die Bedingungen für einen Kampf reifen schnell heran: 45.000 Hafenarbeiter an der Ostküste und der Golfküste sind in den Streik getreten. Im Pazifischen Nordwesten befinden sich auch die Boeing-Arbeiter im Ausstand.
Doch die Vereinigung dieser Kämpfe wird nicht von oben kommen. Die Gewerkschaftsbürokratien sind an die Konzerne und die Biden-Regierung gebunden, die jeden Widerstand unterdrücken will, um endlose Kriege im Nahen Osten, gegen Russland und gegen China führen zu können.“
Trump seinerseits wolle „Gewalt gegen Immigranten schüren.
Die Vereinigung dieser Kämpfe, erklärte White, muss „von unten kommen“. Die Arbeiter müssten ein „mächtiges Netzwerk aus Aktionskomitees aufbauen, um Streiks zur Verteidigung der sozialen Rechte jedes einzelnen Arbeiters auf einen gut bezahlten sicheren Job zu organisieren.“
Am gleichen Nachmittag veröffentlichte White eine weitere Erklärung, in der er auf Boeing einging.
Ein Arbeiter des Autozulieferers Dana erklärte: „Ich unterstütze sie [die Streiks bei Boeing und in den Häfen]. Man hat das Recht dazu. Erst sollen wir arbeiten, und dann kommen sie daher und sagen, man ist entlassen? Nein, das finde ich nicht richtig.“
Ein anderer Dana-Arbeiter meinte: „Ich unterstütze die Kollegen und werde bis zum Schluss an ihrer Seite stehen. Sie ziehen eine Grenze, um uns alle zu verteidigen! Wir brauchen jede Unterstützung, die wir bekommen können. Alle Branchen … es ist wie ein Dominoeffekt, also muss man zusammenhalten.“
Er erklärte weiter, der Krieg werde „mit unseren Steuergeldern bezahlt. Aber die Leute müssen von irgendetwas leben. Und die, die reich sind, bekommen Geld fürs Nichtstun. Sie bekommen Aktienoptionen und alles Mögliche. Sie brauchen sich um nichts zu kümmern. Ihre Familien sind versorgt.“
Der Arbeiter, der Kriegsveteran ist, lehnte den Krieg Israels im Gazastreifen ab: „Das ist Völkermord. Sie müssen aufhören, Israel zu unterstützen, und stattdessen die Leute hier im Land unterstützen.“
Eine Dana-Arbeiterin erklärte an die Adresse der Hafenarbeiter: „Ich unterstütze euch, und ich finde, ihr macht das sehr gut. Die Automatisierung wird auch mich arbeitslos machen, also kämpfe ich mit euch.“
Sie erklärte weiter, es sei „Schwachsinn“, dass die Bürokratie der United Auto Workers ihren neuen Tarifvertrag als „historischen Sieg“ bezeichnet, während Tausende ihre Arbeitsplätze verlieren. „Die Leute haben sich auf ein besseres Leben gefreut, und jetzt werden sie entlassen.“
Zur Kriegspolitik der Regierung erklärte sie: „Wir haben jetzt hier Krieg. Wir sind pleite, wir brauchen Arbeitsplätze, die Arbeitsplätze verschwinden. Die Mieten sind hoch, die Lebensmittel sind teuer, alles ist teuer. Wir sind im Krieg. Das muss erst einmal in Ordnung gebracht werden, bevor man gegen jemand anderen kämpft.“
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