Weniger als drei Wochen vor den Präsidentschaftswahlen in den USA dominieren Trivialitäten, persönliche Angriffe und demagogische Lügen die Berichterstattung in den Medien und den Wahlkampf von Harris und Trump. Die grundlegenden Fragen, mit denen die Bevölkerung in den Vereinigten Staaten und weltweit konfrontiert ist, werden nicht diskutiert, sondern sogar aktiv vertuscht.
Am wichtigsten ist die Tatsache, dass die Vereinigten Staaten am Rande einer massiven Eskalation des Kriegs stehen.
Ende dieser Woche wird Biden Deutschland besuchen, um auf höchster Ebene über die nächste Phase des Nato-Kriegs gegen Russland zu diskutieren. Neben Biden und dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz werden auch der britische Premierminister Sir Keir Starmer und der französische Präsident Emmanuel Macron an dem Treffen teilnehmen, das ein Kriegsgipfel zwischen den imperialistischen Großmächten sein wird.
Die zuvor geplante Ramstein-Konferenz wurde abgesagt, weil Biden angeblich in den USA bleiben wollte, während sich der Hurrikan Milton Florida näherte. Der wahrscheinlichere Grund ist, dass die USA ihre Pläne für die Kriegseskalation ausarbeiten wollten.
In Gaza und im Libanon verschärft Israel den Völkermord, der seit einem Jahr andauert. Das Al-Aqsa-Märtyrer-Krankenhaus wurde bombardiert und der nördliche Gazastreifen abgeriegelt, wo die Palästinenser vernichtet werden. Der Völkermord soll nun auf einen Krieg gegen den Iran ausgeweitet werden, ein Land mit 80 Millionen Einwohnern.
Am Wochenende kündigte die Biden-Regierung die Entsendung von US-Truppen nach Israel an. Das THAAD-Raketenabwehrsystem, Patriot-Raketenbatterien und 100 US-Soldaten werden dort stationiert, während sich die israelischen Streitkräfte auf einen Angriff auf den Iran vorbereiten.
In den Medien wurde berichtet, dass Israel „Zurückhaltung“ üben wolle, indem es militärische Ziele und nicht Atom- oder Öleinrichtungen des Iran angreift. Doch das ist unglaubwürdig. Jeder Angriff Israels auf den Iran bedeutet eine massive Kriegseskalation und einen kriminellen Akt der Aggression. Als Reaktion auf Andeutungen, Israel wolle einen größeren Krieg vermeiden, erklärte Netanjahu am Dienstag: „Wir werden unsere endgültigen Entscheidungen auf der Grundlage unserer nationalen Interessen treffen.“
Haaretz berichtete am Dienstag, dass „Israels Angriff noch vor den Wahlen am 5. November“, also innerhalb von drei Wochen, erfolgen würde. Die Zeitung zitiert einen Vertreter, der mit den Gesprächen zwischen Biden und Netanjahu vertraut ist und gesagt habe, dies werde „nur die erste einer Reihe von Reaktionen sein“.
Erst vor zwei Wochen, nach der Ermordung des Hisbollah-Führers Hassan Nasrallah durch Israel – was ein Kriegsakt war –, erklärte Netanjahu, Israel werde die iranische Regierung „viel früher stürzen, als man denkt“. Diese Drohung wird nun wahr gemacht.
Die Maßnahmen gegen den Iran stehen in direktem Zusammenhang mit dem Krieg der USA und der Nato gegen Russland.
Eines der wichtigsten Gesprächsthemen bei dem Treffen in Deutschland wird die Lieferung von Langstreckenraketen an die Ukraine sein, die tief im russischen Kernland einschlagen können. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj präsentierte dem ukrainischen Parlament, der Werchowna Rada, am Mittwoch seinen „Siegesplan“, in dem er unter anderem eine Aufstockung der ATACMS- und Storm-Shadow-Raketen sowie die Genehmigung für Angriffe im russischen Kernland fordert.
Unzählige Artikel von Zeitschriften und Denkfabriken, die mit dem Militär und den Geheimdiensten verbunden sind, sprechen von der neuen „Achse des Bösen“ oder dem „Quartett des Chaos“, bestehend aus Russland, China, Iran und Nordkorea.
Moskau hat wiederholt erklärt, dass Angriffe auf sein Territorium mit westlichen Waffen zu Vergeltungsmaßnahmen führen könnten. Das heißt, die Regierung unter Biden und Harris und ihre Nato-Verbündeten treiben die Welt am Vorabend der Wahlen an den Rand eines Atomkriegs.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Nichts von alledem wird bei den Wahlen thematisiert. Am Dienstag besuchte Vizepräsidentin Kamala Harris Detroit, doch sie verlor kein Wort über den eskalierenden Krieg im Nahen Osten oder die gefährliche Aufrüstung gegen den Iran, den sie als den Hauptfeind der USA bezeichnet hat. Stattdessen konzentrierte sich Harris in ihrer Rede auf die Förderung von Steuergutschriften für kleine Unternehmen und ihre so genannte „Opportunity Economy“, eine rechte, unternehmensfreundliche Wirtschaftspolitik.
Wenn die Kriegsentwicklung überhaupt angesprochen wird, dann in Trumps gelegentlichen demagogischen Erklärungen über die Gefahr eines dritten Weltkriegs. Die Republikaner haben Biden in Bezug auf den Iran bislang höchstens dafür kritisiert, dass er die Kriegspolitik nicht aggressiv genug vorantreibe.
Im Juli verbreitete Netanjahu die haltlose Anschuldigung, der Iran bereite ein Attentat auf Trump vor. Daraufhin erklärte Trump, er hoffe, dass in einem solchen Fall „Amerika den Iran auslöscht, ihn von der Erde tilgt“.
Wie die WSWS gestern feststellte, will die Regierung mit dem Schweigen über die Kriegsfrage sicherstellen, dass „die Pläne für eine militärische Eskalation vor der Wahl in die Wege geleitet werden“ und nicht durch den Wahlausgang beeinflusst werden. „Anstelle einer ‚Oktober-Überraschung‘ handelt es sich um eine ‚Oktober-Verschwörung‘.“
Nicht nur die Kriegsfrage, sondern weitere zentrale Themen, mit denen die Arbeiterklasse konfrontiert ist, werden systematisch ausgeblendet. Parallel zur globalen Ausweitung des Kriegs geht die Biden-Regierung gegen die eigene Arbeiterklasse vor. Im Vorfeld der Wahlen steht eine Welle von Massenentlassungen in mehreren Konzernen an. Boeing entlässt 17.000 Beschäftigte in einem unverhohlenen Versuch, streikende Arbeiter zu unterwerfen. Intel beginnt mit der Umsetzung der angekündigten Pläne, weltweit 15.000 Arbeitsplätze zu streichen, und Stellantis entließ letzte Woche mehr als 2300 Beschäftigte. Und das ist nur ein Beispiel des umfassenden Jobmassakers in der Technologie- und Autoindustrie.
An den Universitäten wird das Klima eines Polizeistaats geschaffen. Gegner des Gaza-Genozids werden ins Visier genommen, unter anderem durch Verhaftungen und massive Angriffe auf demokratische Rechte. Während unbegrenzte Ressourcen für den Krieg und die Reichen ausgegeben werden – die Aktienmärkte befinden sich auf einem Rekordhoch –, fehlt es im Sozialbereich an allen Ecken und Enden. Das Gesundheitssystem liegt am Boden und das öffentliche Bildungswesen ist ständigen Angriffen ausgesetzt.
Die US-Wahl in drei Wochen wird unabhängig von ihrem Ausgang keine der grundlegenden Fragen lösen, mit denen die Arbeiterklasse konfrontiert ist. Die Verschwörung des Schweigens seitens der herrschenden Klasse und ihrer Medien ist Ausdruck der Angst vor der breiten Opposition in der Arbeiterklasse. Dieser Widerstand muss in eine bewusste politische Bewegung gegen den Kapitalismus und für den Sozialismus verwandelt werden.
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