Volkswagen will mindestens drei deutsche Werke schließen und zehntausende Arbeitsplätze abbauen

Das Volkswagen-Management plant ein radikales Sparprogramm, hat aber bisher Einzelheiten geheim gehalten. Gestern gab nun Gesamtbetriebsratschefin Daniela Cavallo (IG Metall) bekannt, dass mindestens drei deutsche Werke geschlossen und mehrere Zehntausend Arbeitsplätze abgebaut werden sollen.

Das Volkswagenwerk in Wolfsburg [Photo by Vanellus photo / CC BY-SA 3.0]

Am Montagvormittag hatte der Betriebsrat an allen deutschen Werken zu Infoveranstaltungen eingeladen. Alleine am Stammwerk in Wolfsburg versammelten sich 25.000 Beschäftigte. Ein Flugblatt des Betriebsrats, das am Montag massenhaft verteilt wurde, beginnt mit den Worten: „Es ist eine Kampfansage von historischem Ausmaß an die eigene Belegschaft und an ganze Heimatregionen im Herz des Konzerns.“ Und weiter:

Verbunden mit Arbeitsplatzverlusten für Zehntausende von uns will der Vorstand Folgendes durchsetzen: mindestens drei VW-Fabriken in Deutschland schließen, praktisch alle dann hierzulande noch bestehenden Werke verkleinern, sich zudem von bisherigen Kernbereichen trennen und obendrein massive Entgeltverluste für die verbleibenden Beschäftigten erzwingen.

Das alles sei „kein Säbelrasseln“ als Taktik in der aktuellen Haustarifrunde. Der Vorstand wolle all das wirklich und halte seinen Sparkurs „ohne Abstriche für alternativlos“. Der Gesamtbetriebsrat sei vorab informiert worden, aber der Vorstand weigere sich, der eigenen Belegschaft reinen Wein einzuschenken. „Daher sehen sich nun Eure Betriebsräte gezwungen, hierzu zu informieren.“

Das Handelsblatt zitiert aus einem internen Strategie-Papier, das in Managerkreisen als „Giftliste“ bezeichnet wird. Danach sind weitere massive Sozialangriffe geplant. Sie umfassen unter anderem massive Lohnkürzungen, das Auslagern einzelner Verwaltungsbereiche sowie Nullrunden für die Jahre 2025 und 2026.

Personalchef Gunnar Kilian erklärte in einer Medienmitteilung, der Vorstand habe entschieden, keine weiteren Details zu den geplanten Maßnahmen des Sparprogramms bekannt zu geben: „Wir halten an dem in der Mitbestimmung vereinbarten Grundsatz fest, die Diskussion um die Zukunft der Volkswagen AG zuerst intern mit unseren Verhandlungspartnern zu führen.“

Am Mittwoch gehen die Verhandlungen zwischen Management und der IG Metall über einen neuen Haustarifvertrag in die zweite Runde. Bereits in der ersten Runde im September hatte VW die Forderungen der IG Metall nach sieben Prozent Erhöhung zurückgewiesen und stattdessen auf Einsparungen gedrängt. Laut Cavallo fordert VW nun zehn Prozent Lohnkürzung sowie Nullrunden in den kommenden beiden Jahren.

Viele VW-Arbeiter sind schockiert. Zwar hatte der größte europäische Autobauer bereits im Sommer einen „Sparkurs“ angekündigt und die seit Jahrzehnten geltende Beschäftigungsgarantie aufgekündigt. Aber die Ankündigungen am Montag übertrafen alle Befürchtungen. Der VW-Konzern war bisher bekannt für relativ hohe Löhne und Sozialleistungen. Die Arbeitsplätze galten als krisensicher, von der Lehre bist zur Rente.

Die Empörung mit der die Betriebsratschefin am Montag auftrat, war gespielt. In Wahrheit ist der Betriebsrat an allen Führungsgesprächen beteiligt und direkt an der Ausarbeitung der Stilllegungspläne beteiligt. Betriebsrat und IG Metall sind im Management dafür zuständig, die Sozialangriffe so zu gestalten, dass der Widerstand dagegen unterdrückt werden kann. Auch die bisherige Geheimhaltung war abgesprochen und die nun erfolgte Bekanntgabe durch den Betriebsrat zwei Tage vor der nächsten Verhandlungsrunde bewusst kalkuliert.

Cavallo und ihre IG Metall-Kollegen sprechen von einem Angriff „auf uns“ und versuchen sich als Interessenvertreter der Beschäftigten darzustellen. Doch in Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall. Schon die Tatsache, dass der Betriebsrat von „historischen“ Angriffen spricht, aber bislang keinerlei Kampfmaßnahmen dagegen eingeleitet hat, zeigt das. In keinem anderen deutschen Unternehmen ist die Zusammenarbeit zwischen Eigentümern, Management und Gewerkschaft so eng und ausgefeilt wie bei Volkswagen.

Personalchef Gunnar Kilian, der für die Stilllegungsprogramme und Entlassungen zuständig ist, war Generalsekretär des Betriebsrats, bevor er in den Vorstand wechselte. Er galt als „engster Vertrauter“ von Cavallos Vorgänger Bernd Osterloh und als dessen „Strippenzieher“.

Der VW-Konzern wurde bisher als Inbegriff der Sozialpartnerschaft und als „deutsches Mitbestimmungsmodell“ bezeichnet. IG Metall und Betriebsrat sorgen mit einem Heer vollamtlicher Funktionäre dafür, dass die Entscheidungen von Vorstand und Aufsichtsrat reibungslos umgesetzt werden.

Der Chef der IG Metall amtiert traditionsgemäß als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des Konzerns, assistiert vom Betriebsrat, der aufgrund der gesetzlich geregelten Mitbestimmung gemeinsam mit der IGM die Hälfte des Aufsichtsgremiums besetzt. Die andere Hälfte entfällt auf die Porsche Holding, die von den Porsche- und Piëch-Clans kontrolliert wird und 53 Prozent der Stammaktien besitzt, das Emirat Katar (17 Prozent) und das SPD-regierte Land Niedersachsen (20 Prozent).

Der VW-Konzern wird also praktisch von einem Triumvirat aus Gewerkschaft, Betriebsrat und SPD beherrscht. Ex-IGM-Chef Jörg Hofmann, die Gesamtbetriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo und der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sitzen im achtköpfigen Präsidium des Aufsichtsrats, in dem alle wichtigen Entscheidungen abgesprochen werden.

Um die geplanten Angriffe abzuwehren und alle Werke und Arbeitsplätze zu verteidigen, ist es notwendig, die Verschwörung aus Gewerkschaftsapparat, Betriebsrat und SPD zu durchbrechen und Kampfmaßnahmen einzuleiten. Das erfordert den Aufbau von unabhängigen Aktionskomitees, in denen sich alle VW-Arbeiterinnen und Arbeiter zusammenschließen, die ernsthaft kämpfen wollen. Im vergangenen Monat wurden bereits erste Initiativen ergriffen und ein VW-Aktionskomitee gegründet.

Solche Aktionskomitees bestehen bereits in mehreren Autowerken und haben sich zu einem Netzwerk zusammengeschlossen. Es ist Teil der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (International Workers Alliance of Rank-and-File Committees, IWA-RFC), die den wachsenden Widerstand weltweit koordiniert. Die Entwicklung von Aktionskomitees bei VW muss darauf ausgerichtet sein, den Kampf gegen den Kahlschlag bei VW zum Bestandteil einer systematischen, internationalen Gegenoffensive der Arbeiter in der gesamten Auto- und Zulieferindustrie zu machen.

Der Kahlschlag bei VW ist Bestandteil einer globalen Offensive der Autokonzerne, die sich – unterstützt von den nationalen Regierungen und Gewerkschaftsbürokratien – eine erbitterte Schlacht um Marktanteile und höhere Renditen liefern und die Umstellung auf Elektro-Mobilität nutzen, um Hunderttausende zu entlassen.

Ford legt sein Werk in Saarlouis still und greift nun die Arbeiter in Köln und Valencia an. Bei Stellantis „bleibt kaum ein Stein auf dem anderen“, wie die FAZ schreibt. Der als „Kostenkiller“ berüchtigte Konzernchef Carlos Tavares vernichtet in den USA und Italien tausende Arbeitsplätze. Auch das Opel-Werk in Eisenach wird nicht verschont und von den einst 15.000 Arbeitsplätzen im Rüsselsheimer Opel-Stammwerk sind nur noch 8300 übrig.

In der Zulieferindustrie findet ein regelrechtes Massaker statt. ZF Friedrichshafen vernichtet 14.000 und Continental 7000 Arbeitsplätze. Fast täglich schließen kleinere Betriebe mit mehreren hundert Beschäftigten. Auch der Softwarekonzern SAP baut 10.000 Stellen ab, Thyssenkrupp streicht die Stahlsparte zusammen, der Chemiekonzern Bayer vernichtet 5000 Jobs und BASF schließt zwei Standorte in Köln und Frankfurt-Höchst.

Nicht nur in Deutschland und Europa weltweit verschärft sich die Krise des kapitalistischen Systems und werden massive Sozialangriffe durchgesetzt, um die Profite zu steigern. In den USA sind die Beschäftigten von Boeing mit sehr ähnlichen Angriffen konfrontiert und haben bereits zwei Mal einen miserablen Tarifabschluss der Gewerkschaft abgelehnt.

Die hemmungslose Jagd von Milliardären und Spekulanten nach Profit verschärft nicht nur die Ausbeutung, sondern führt auch zum Krieg. Die Jagd nach Rohstoffen, Absatzmärkten und billigen Arbeitskräften entwickelt sich zum Wirtschaftskrieg mit Handelsbeschränkungen, Strafzöllen und Subventionen und schließlich zum militärischen Krieg.

So belegen die USA Elektroautos aus China inzwischen mit Importzöllen von 100 Prozent. Gleichzeitig umzingeln sie das wirtschaftlich aufsteigende Land militärisch und bereiten systematisch einen Krieg vor. Auch die EU hat – allerdings niedrigere – Importzölle verhängt.

Deutschland hat die EU-Osterweiterung genutzt, um seine wirtschaftliche Dominanz in Osteuropa zu erhöhen. Nun unterstützt es in der Ukraine den Nato-Stellvertreterkrieg gegen Russland, um einen Regimewechsel in Moskau zu erzwingen und das riesige Land mit seinen Rohstoffen und Energiequellen unter die direkte Kontrolle der deutschen Wirtschaft zu bringen. Die dadurch verschärfte Wirtschafts- und Energiekrise wird nun mit immer brutaleren Methoden auf die Arbeiter abgewälzt.

Der Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze, Löhne und Sozialstandards ist deshalb untrennbar mit dem Kampf gegen Krieg und militärische Aufrüstung sowie der Verteidigung demokratischer Rechte verbunden. Er muss unter einer sozialistischen Perspektive geführt werden. Ohne die Macht der Milliardäre, Banken und großen Konzerne zu brechen, kann kein einziges gesellschaftliches Problem gelöst werden. Sie müssen enteignet und unter die demokratische Kontrolle der Belegschaften gestellt werden.

Loading