Hätte es noch eines Beweises bedurft, dass Olaf Scholz kein „besonnener Friedenskanzler“ ist, wie er sich im Wahlkampf teilweise inszeniert, sondern ein aggressiver Kriegskanzler, hat er ihn mit seinem Überraschungsbesuch in Kiew selbst erbracht. Am Montagmorgen traf Scholz mit dem Nachtzug in Kiew ein, um dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj weitere Waffenlieferungen und einen noch größeren Kriegseinsatz gegen Russland zuzusichern.
Unmittelbar nach seiner Ankunft erklärte Scholz: „Seit mehr als 1000 Tagen verteidigt sich die Ukraine auf heldenhafte Weise gegen den erbarmungslosen russischen Angriffskrieg.“ Er wolle mit seinem Besuch seine Solidarität ausdrücken und deutlich machen, dass Deutschland der „stärkste Unterstützer der Ukraine in Europa“ bleiben werde. Im gleichen Atemzug versprach Scholz „weitere Rüstungsgüter in einem Wert von 650 Millionen Euro, die noch im Dezember geliefert werden“.
Laut ihren eigenen Angaben hat die Bundesregierung „inzwischen Militärhilfen in Höhe von etwa 28 Milliarden Euro für die Unterstützung der Ukraine zur Verfügung beziehungsweise für die kommenden Jahre bereitgestellt“. Darunter 106 Kampfpanzer vom Typ Leopard 1 und 2, 140 Marder-Schützenpanzer, hunderte weitere Panzer und gepanzerte Fahrzeuge, Haubitzen, Flugabwehrsysteme und Unmengen an Munition und anderer Ausrüstung.
Die immer länger werdende Liste über die militärischen Unterstützungsleistungen für die Ukraine gibt einen Überblick darüber, welches weitere Kriegsgerät Berlin unmittelbar liefern will: Zahlreiche Panzer (darunter 47 Kampfpanzer Leopard 1, 15 Flakpanzer Gepard und 9 Bergepanzer 2) sowie Munition dafür, 15 Luftverteidigungssysteme IRIS-T, 4000 bewaffnete Drohnen und 876 Aufklärungsdrohnen, 6 Sea King Mk41 Mehrzweckhubschrauber mit Ersatzteilen sowie zahlreiches weiteres Kriegsgerät.
Die Waffenlieferungen und Scholz’ Besuch sind Teil einer koordinierten Offensive der imperialistischen Mächte, ihre Kriegsoffensive gegen Russland zu eskalieren, die zunehmend die Gefahr einer nuklearen Eskalation in sich birgt. Am Sonntag verkündete der nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, dass die scheidende Biden-Regierung in den 50 Tagen bis zum Amtsantritt Trumps „massive Waffenlieferungen“ an die Ukraine plane, um „ihre Position auf dem Schlachtfeld zu stärken“.
Am gleichen Tag trafen die neue EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas und der neue EU-Ratspräsident António Costa zu einem ersten „Solidaritätsbesuch“ in Kiew ein. Man sei „gekommen, um eine klare Botschaft zu übermitteln: dass wir an der Seite der Ukraine stehen und sie auch weiterhin voll und ganz unterstützen werden“, erklärte Costa. Kallas sprach sich für eine Aufnahme der Ukraine in die EU und die Nato aus und stellte die Entsendung von Bodentruppen in Aussicht.
„Die Diskussion dreht sich darum, welche Länder bereit wären, Soldaten in die Ukraine zu schicken“, sagte Kallas am Rande eines Gesprächs mit Selenskyj. Und sie fügte hinzu: „Ich glaube, wir müssen ein gewisses Maß an strategischer Unklarheit bewahren und dürfen nichts ausschließen.“ Kallas erklärte, dass eine Fortsetzung der Kriegsunterstützung für Kiew auch den Interessen Washingtons entspreche, da ein Sieg Russlands China, den Iran und Nordkorea stärken würde.
Die europäischen Mächte reagieren auf die Wiederwahl von Donald Trump und die Ungewissheit darüber, ob und in welchem Umfang dieser die US-Militärhilfe für die Ukraine kürzen wird, indem sie den Krieg selbst immer weiter verschärfen, um ihre eigenen imperialistischen Interessen zu verfolgen. Nach der Entscheidung, Kiew zu erlauben, Russland direkt mit westlichen Marschflugkörpern anzugreifen, wird nun die nächste Stufe der Eskalation vorbereitet.
Es ist notwendig, alle Alarmglocken zu läuten. In Politik und Medien wird mittlerweile offen über Krieg mit Russland gesprochen bis hin zum möglichen Einsatz von Atomwaffen. Am 21. November berichtete die New York Times, dass die Biden-Regierung darüber diskutiert, Kiew den Einsatz von Atomwaffen zu ermöglichen.
„Mehrere Regierungsvertreter deuteten sogar an, dass Mr. Biden der Ukraine wieder den Besitz von Atomwaffen erlauben könnte, wie es vor dem Untergang der Sowjetunion der Fall war“, berichtet die Times und kommentiert: „Das wäre eine sofortige und enorme Abschreckung, allerdings auch kompliziert und hätte ernste Folgen.“
„Würden Sie 72 Stunden überleben? Deutschland und die nordischen Länder bereiten die Bürger auf einen möglichen Krieg vor,“ lautet die Überschrift eines weiteren Artikels, der am Wochenende im Guardian erschien. „Apps und Broschüren bieten Ratschläge, wie man einen Bunker baut, Lebensmittelvorräte anlegt und ohne Strom auskommt, falls das Schlimmste eintritt“, heißt es darin. Und weiter:
Deutschland entwickelt eine App, die den Menschen helfen soll, im Falle eines Angriffs den nächstgelegenen Bunker zu finden. Schweden verteilt eine 32-seitige Broschüre mit dem Titel ‚Wenn Krise oder Krieg kommt‘. Eine halbe Million Finnen haben bereits einen Notfallvorsorge-Leitfaden heruntergeladen.
Auch wenn die Aussicht auf einen größeren Konflikt in Europa für viele weit entfernt scheint, nehmen ihn zumindest einige Länder ernst – und ergreifen, wie es der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius ausdrückt, Maßnahmen, um die Bevölkerung kriegstüchtig zu machen...
Niemand sollte sich Illusionen darüber machen, was das bedeutet. Die Herrschenden planen nichts weniger als die totale Militarisierung Europas. Dazu gehören die Wiedereinführung der Wehrpflicht, der Einsatz von Kampftruppen in der Ukraine, eine massive Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf Kosten von Löhnen und der elementarsten Sozialausgaben sowie die Etablierung einer Kriegswirtschaft und die Errichtung faschistischer Polizeistaatsregime zur Unterdrückung des Widerstands in der Bevölkerung
Die World Socialist Web Site hat Trumps Präsidentschaft als „eine gewaltsame Neuausrichtung des amerikanischen politischen Überbaus“ bezeichnet, „die den wirklichen gesellschaftlichen Verhältnissen in den Vereinigten Staaten entspricht“. Die herrschende Klasse setzt auf den Faschisten Trump, um die Politik von sozialer Konterrevolution und Weltkrieg voranzutreiben, die den grundlegenden Interessen der überwiegenden Mehrheit diametral entgegensteht.
Die gleichen Prozesse sind in Europa am Werk. Die herrschende Klasse in Deutschland verfolgt mit den Neuwahlen das Ziel, eine extrem rechte Regierung an die Macht zu bringen, die die Interessen des deutschen Kapitalismus und Imperialismus mit brutaler Gewalt nach Außen und auch im Inneren durchsetzt.
Bereits zu Beginn des Wahlkampf übertreffen sich Politiker und Medien in einer Art Kriegsrausch gegenseitig mit Forderungen nach einem aggressiveren Kriegskurs und massiven Kürzungen, um diesen zu finanzieren. Der Kanzlerkandidat der CDU, Friedrich Merz, und der Kandidat der Grünen, Robert Habeck, haben bereits erklärt, dass sie im Falle eines Wahlsiegs Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern würden. Diese haben eine noch größere Reichweite als ihre US-amerikanischen und britisch-französischen Pendants und können direkt Moskau angreifen.
Scholz hat die Lieferung bisher abgelehnt, prahlt aber bei jeder Gelegenheit damit, dass er der Kanzler der „Zeitenwende“ sei und die Ukraine bis an die Zähne bewaffne. Zusammen mit Pistorius arbeitet er zudem fieberhaft daran, in seiner verbleibenden Amtszeit noch so viele Rüstungsprojekte wie möglich auf den Weg zu bringen, darunter U-Boote, Kriegsschiffe und bezeichnenderweise eine Modernisierung des Taurus. Damit ist klar, dass sich auch die SPD in diese Richtung bewegt.
Das Gleiche gilt für die Linkspartei. Ihr neuer Vorsitzender Jan Van Aken behauptete jüngst in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, dass – auch wenn er selbst nicht dazu aufrufe – die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern keine „weitere Eskalation“ sei. Die Eskalation würde allein von Russland ausgehen, das den Krieg begonnen habe. Das stellt die Wirklichkeit auf den Kopf. Van Aken verschweigt, dass die Nato den reaktionären Einmarsch des Kremls durch ihre Aggressionen gezielt provoziert hat.
Auch Sahra Wagenknecht, die öffentlich den Kriegskurs der NATO gegen Russland kritisiert, entlarvt sich zunehmend als rechte Militaristin. Ihr Bündnis ist dabei, auf Länderebene Koalitionen mit den Kriegsparteien CDU und SPD einzugehen, die sich explizit zur Bundeswehr bekennen, auf die Stärkung der Polizei setzen und die flüchtlingsfeindliche Politik der rechtsextremen AfD übernehmen.
Wie am Vorabend des Zweiten Weltkriegs sind mächtige objektive Kräfte am Werk, die die herrschende Klasse in Richtung Krieg und Faschismus treiben. Der sich entwickelnde dritte Weltkrieg, zu dem die Offensive gegen Russland, der Völkermord in Gaza und seine Ausweitung auf den gesamten Nahen Osten gehören, ist kein „Verteidigungskrieg“ für Freiheit und Demokratie, sondern ein Raubkrieg zur imperialistischen Neuaufteilung der Welt.
Die bundeseigene Außenwirtschaftsagentur Germany Trade and Invest (GTAI) schrieb bereits Anfang 2023 auf ihrer offiziellen Website, dass „der Krieg in der Ukraine auch ein Kampf um die Rohstoffe“ sei. Das Land habe „große Vorkommen an Eisen, Titan und Lithium, die nun zum Teil von Russland kontrolliert werden.“ Und natürlich liegen noch größere Reichtümer an kritischen Mineralien sowie Öl und Gas in Russland selbst, die sich die europäischen Mächte und allen voran Berlin sichern wollen.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Damit knüpft die herrschende Klasse direkt an ihre Weltkriegspolitik im 20. Jahrhundert an. Schon im Ersten Weltkrieg war eines der deutschen Kriegsziele die Errichtung eines vom Deutschen Reich kontrollierten ukrainischen Vasallenstaates. Im Zweiten Weltkrieg setzten Hitler und die Nazis diese Politik fort: Die Unterwerfung der Ukraine war ein zentraler Bestandteil des Vernichtungskriegs gegen die Sowjetunion. Heute arbeitet Berlin aufs Engste mit den Erben der ukrainischen Nazi-Kollaborateure zusammen. Bezeichnenderweise ist auf einem Bild, das Scholz von sich und Selenskyj auf X veröffentlichte, unten rechts das Abzeichen des faschistischen Asow-Bataillons zu sehen.
Ein weiterer Faktor, der die Eskalation des Kriegs durch die deutsche und europäische Bourgeoisie vorantreibt, ist die Verschärfung des Klassenkampfes. Am Freitag traten Arbeiter in Italien in einen eintägigen Generalstreik. Wenige Tag zuvor fand in Griechenland ein Generalstreik statt. All dies ist nur der Vorbote heftiger Klassenkämpfe, die die Gewerkschaften verzweifelt zu kontrollieren versuchen. In Deutschland protestierten am Montag zehntausende Volkswagen-Arbeiter gegen Massenentlassungen und Werksschließungen, die von den Gewerkschaften mit ausgearbeitet werden. Auch in anderen großen Automobilunternehmen und Branchen brodelt es.
Für die herrschende Klasse ist Krieg immer auch ein Mittel, um Klassenspannungen nach außen abzulenken und jeden Widerstand im Inneren zu kriminalisieren und gewaltsam zu unterdrücken. Die Situation ist extrem gefährlich, aber es besteht kein Zweifel daran, dass die Entwicklungen, die jetzt stattfinden, zu einer enormen Explosion des Klassenkampfs führen werden.
„Die entscheidende Frage besteht darin, diese Bewegung mit einer revolutionären Führung und einer sozialistischen Perspektive zu bewaffnen“, betont die SGP in ihrem Wahlaufruf. „Nur wenn die Massen unabhängig ins politische Geschehen eingreifen, die großen Banken und Konzerne enteignen und unter demokratische Kontrolle stellen, können Krieg und soziale Katastrophe gestoppt werden.
Mit diesem sozialistischen Programm tritt die Sozialistische Gleichheitspartei zu den vorgezogenen Bundestagswahlen an. Wir fordern:
• Kein dritter Weltkrieg! Stoppt den Nato-Krieg in der Ukraine!
• Stoppt den Genozid in Gaza!
• Nie wieder Faschismus!
• Für ein vereintes, sozialistisches Europa!
Um eine Bewegung aufzubauen, die diese Forderungen durchsetzen kann, müssen Arbeiter sich wieder dem Marxismus zuwenden. Es ist notwendig, die Lehren aus der Geschichte zu ziehen: aus dem Aufstieg des Faschismus, dem Verrat des Stalinismus und dem Bankrott der Sozialdemokratie. Die SGP nimmt an den Wahlen teil, um das sozialistische Bewusstsein wiederzubeleben und Arbeiter mit einem sozialistischen Programm zu bewaffnen. Unterschreibt jetzt für unsere Wahlteilnahme und werdet Mitglied der SGP!“