38 Tote bei Absturz von aserbaidschanischem Passagierflugzeug in Kasachstan

Am 25. Dezember kamen beim Absturz des Flugs 8243 der Azerbaijan Airlines 38 Menschen ums Leben. Die Maschine sollte von der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku ins russische Grosny fliegen, stürzte aber nahe der kasachischen Stadt Aqtau ab. Rettungskräfte holten 29 Überlebende aus dem Flugzeug-Wrack, allerdings befindet sich einer davon noch in Lebensgefahr. An Bord befanden sich einschließlich der Besatzung 42 aserbaidschanische, 16 russische, sechs kasachische und drei kirgisische Staatsangehörige.

Der vordere Teil des Flugzeugs ging beim Aufprall in Flammen auf, als es drei Kilometer vor dem Flughafen von Aqtau abstürzte. Die Passagiere im hinteren Teil des Flugzeugs überlebten, allerdings erlitten viele von ihnen schwere Verletzungen.

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Die Ursache der Tragödie ist nach wie vor unklar. Vertreter Russlands, Kasachstans und Aserbaidschans warnen vor voreiligen Schlüssen. Anfangs hatten russische Regierungsvertreter behauptet, das Flugzeug sei nach dem Zusammenstoß mit einem Vogelschwarm abgestürzt. Doch am Freitag erklärten die Azerbaijan Airlines, die „vorläufigen Ergebnisse der Untersuchung des Absturzes“ deuteten auf „äußere physische und technische Einwirkung“ hin.

Der stellvertretende kasachische Premierminister Kanat Bosumbajew erklärte: „Selbst eine vorläufige Ursache kann noch nicht bestimmt werden, da dafür Spezialisten benötigt werden. Sie werden ihre Arbeit machen, dann wird Klarheit herrschen.“ Bosumbajew erklärte, es werde etwa zwei Wochen dauern, den geborgenen Flugschreiber der Maschine des Typs Embraer 190 vollständig auszulesen. Der kasachische Präsident Qassym-Schomart Toqajew versicherte seinem aserbaidschanischen Amtskollegen Ilham Alijew: „Die Unfallursachen werden detailliert untersucht.“

Allerdings wird aus den ersten Berichten deutlich, dass – unabhängig von der direkten Absturzursache – die Bedingungen für den Absturz durch den Krieg zwischen der Nato und Russland in der Ukraine geschaffen wurden. Die Ukraine führt mittlerweile Drohnenangriffe in weiten Teilen Russlands durch, während Russlands elektronische Kriegsführung und die Luftabwehrsysteme in höchster Alarmbereitschaft sind. Nun behaupten Vertreter der Ukraine und der Nato, das Passagierflugzeug sei durch ein russisches Luftabwehrsystem des Typs Pantsir-S1 nahe Grosny beschossen und beschädigt worden.

Laut Luftfahrtexperten, die Bilder des Flugzeugs untersuchten, lassen die Löcher im Rumpf auf Schrapnellschäden durch eine Raketenexplosion in nächster Nähe schließen. Allerdings sei es im Moment unmöglich, genau festzustellen, welche oder wessen Rakete das Flugzeug getroffen hat.

Der Leiter der Luftverkehrsbehörde der Russischen Föderation, Dmitri Jadrow, erklärte gegenüber Interfax, das Flugzeug sei abgestürzt, nachdem die russischen Behörden den Luftraum über Grosny wegen ukrainischer Drohnenangriffe gesperrt hatten. Daher musste der Pilot die Landung in Grosny abbrechen und versuchen, woanders zu landen. Schließlich überflog er das Kaspische Meer und versuchte, in Kasachstan zu landen.

Jadrow erklärte: „Die Situation in dem Gebiet um den Flughafen Grosny war an diesem Tag und zu diesem Zeitpunkt sehr schwierig. Ukrainische Kampfdrohnen flogen zu der Zeit Terrorangriffe auf die zivile Infrastruktur der Städte Grosny und Wladikawkas. Deshalb wurde im Bereich um den Flughafen Grosny das ,Teppich‘-System eingeführt, das vorsah, dass alle Flugzeuge das festgelegte Gebiet sofort zu verlassen hatten.“

Deshalb musste das Flugzeug weite Teile der Strecke im Blindflug zurücklegen. Das „Teppich“-System umfasst auch den Einsatz starker Elektronik-Störmaßnahmen, um die ukrainischen Drohnen im russischen Luftraum zu desorientieren. Laut mehreren Berichten wurde der Flug 8243 Opfer elektronischer Störmaßnahmen und hatte über weite Strecken kein GPS-Signal. Zudem herrschte laut Jadrow an diesem Tag „dichter Nebel, und ab einer Höhe von 500 Metern gab es keine Sicht mehr“.

Jadrow erklärte, deshalb habe „der Pilot [des Azerbaijan Airlines Flugs 8243] zwei erfolglose Versuche unternommen, das Flugzeug in Grosny zu landen. Dem Piloten wurden andere Flughäfen angeboten, aber er beschloss, zum Flughafen Aqtau zu fliegen.“

Die BBC zitierte einen Passagier, der Jadrows Darstellung weitgehend bestätigte und erklärte, der Pilot habe zweimal versucht, bei dichtem Nebel in Grosny zu landen, „aber beim dritten Mal ist etwas explodiert... ein Teil der Außenhaut des Flugzeugs wurde herausgesprengt“. Weiter erklärte er, in den letzten Wochen habe es mehrere ukrainische Drohnenangriffe in der Region gegeben, d.h. in den russischen Republiken Tschetschenien und Inguschetien. Im benachbarten Nordossetien wurde eine Frau getötet, als eine Drohne in einem Einkaufszentrum einschlug.

Justin Crump, ein Geheimdienst- und Sicherheitsanalyst, erklärte gegenüber der BBC: „Die beste Theorie, die mit allen uns bekannten, verfügbaren Fakten übereinstimmt“ sei es, dass Russland auf das Passagierflugzeug geschossen habe. Er erklärte, die russische Luftabwehr sei in Grosny aktiv gewesen, als das Flugzeug beschädigt wurde. Er fügte hinzu: „Ich glaube nicht, dass das vorsätzlich geschah. [Russland] ist sehr besorgt“ wegen ukrainischer Drohnen, die „sehr oft nicht abgeschossen werden“.

Am 26. Dezember zitierte Reuters anonyme aserbaidschanische Regierungsvertreter, die an den Untersuchungen beteiligt waren. Sie vertraten die Ansicht, das Flugzeug sei von der russischen Luftabwehr beschädigt worden. Einer erklärte: „Niemand behauptet, dass es Absicht war. Doch in Anbetracht der etablierten Fakten erwartet Baku, dass die russische Seite den Abschuss des aserbaidschanischen Flugzeugs zugibt.“

Der aserbaidschanische Abgeordnete Rasim Musabajow gab der amerikanischen und europäischen Presse mehrere Interviews, in denen er Russland für die Tragödie verantwortlich machte und mit einer ernsthaften Beeinträchtigung der russisch-aserbaidschanischen Beziehungen drohte: „Wer glaubt, wir wären mit Russland verbündet und würden deshalb vor allem die Augen verschließen, der irrt sich. ... Es gibt nicht mehr viele Länder, die gute Beziehungen zu Russland haben... Wenn Moskau in dieser Situation nicht die richtige Schritte unternimmt, könnte die Liste noch kürzer werden.“

Wenn ein russisches Luftabwehrsystem das Flugzeug tatsächlich mit einer ukrainischen Drohne verwechselt und mit einer Rakete beschädigt hat, bleibt dennoch die Frage, was das Flugzeug schließlich in Kasachstan zum Absturz gebracht hat. Tatsächlich flog das Flugzeug über eine geraume Strecke über einen Teil Russlands und das gesamte Kaspische Meer, bevor es nahe Aqtau abstürzte.

Die New York Times erklärte nach einer Auswertung der Daten des Live-Flugzeugtrackers FlightRadar24, das Flugzeug habe in den letzten 74 Minuten des Flugs mehr als 100 Mal vertikal geschwankt. Der Hamburger Flugverkehrsexperte Heinrich Grossbongardt sagte der Times, man sehe ein Flugzeug, das wilde Manöver mit starken Schwankungen im Kurs und in der Flughöhe fliegt. Die Times schloss daraus: „Das Flugzeug wurde vermutlich unkontrollierbar, weil seine elektrischen und hydraulischen Systeme schwer beschädigt waren.“

Ukrainische Regierungsvertreter und die wichtigsten Medien der Nato-Staaten haben schnell eine politische Kampagne begonnen, um Russland die Alleinschuld an dem Absturz zuzuschreiben. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj twitterte: „Jedes Menschenleben ist wertvoll, und jeder Verlust von Leben verdient eine gründliche Untersuchung, um die Wahrheit herauszufinden. Wir können sehen, dass die visuellen Beweise am Absturzort auf Russlands Verantwortung für die Tragödie hinweisen.“

Andrij Jermak, der Stabschef des ukrainischen Präsidenten, erklärte, Russland müsse „für den Abschuss des Flugzeugs der Azerbaijan Airlines zur Verantwortung gezogen werden“. Anrij Kowalenko vom ukrainischen Nationalen Sicherheitsrat twitterte: „Russland hätte den Luftraum über Grosny sperren müssen, hat es aber nicht getan.“

In Wirklichkeit tragen nicht nur die Vertreter Russlands, sondern auch der Ukraine und der Nato die direkte Verantwortung für den anhaltenden Krieg in der Ukraine und die Eskalation des Drohnenkriegs in der gesamten Region. Dies hat die katastrophalen Bedingungen, die zum Absturz des Azerbaijan Airlines-Flug 8243 führten, erst herbeigeführt.

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