27. Dezember 1983
Lieber Genosse Cliff,
vielen Dank für Deinen jüngsten Brief, den Genosse Mike an mich weitergeleitet hat. Ich weiß es zu schätzen, dass Du Dir die Zeit genommen hast, die politischen und theoretischen Fragen zu analysieren, die beim letzten Treffen des Internationalen Komitees auftauchten. Deine Beiträge zur politischen Entwicklung der Workers League sind uns jederzeit willkommen und werden respektiert.
Ich nehme Deine Besorgnis sehr ernst, dass mein Bericht vom 30. Oktober 1983 eine Hinwendung zum Pragmatismus in der Arbeit der amerikanischen Sektion aufgezeigt habe, und dass, trotz meiner gegenteiligen Behauptungen, das, wie Du es einschätzt, Versäumnis die Workers League, eindeutig für die Niederlage des US-Imperialismus einzutreten, die Folge dieser Zurückweisung des bewussten Kampfs für die Entwicklung der dialektischen Methode sei.
Du schreibst, dass mein Bericht – mit seiner „starken Hervorhebung der ‚politischen Unabhängigkeit der Arbeiterklasse‘“ –, „die Gefahr zeigte, dass wir an diesen grundlegenden Lehren von Trotzkis letztem Kampf und dem gesamten Kampf des Internationalen Komitees nicht festhalten.“
Wenn wir die gesamte Geschichte des Internationalen Komitees und innerhalb dieser die der Workers League betrachten, könnte ich mir keine ernstere Warnung vorstellen. Jeder Kampf innerhalb der Bewegung seit 1939-1940 hat gezeigt, dass die Zurückweisung der dialektischen Methode – früher oder später – zu einem Verlassen der Prinzipien des Trotzkismus führen muss, mag man auch noch so laut und häufig behaupten, man halte orthodox am Programm fest. Die große Errungenschaft des Internationalen Komitees ist seine Verteidigung der materialistischen Dialektik gegen alle Formen der bürgerlichen Ideologie. Auf dieser Grundlage hat das IK jeder Infragestellung des Trotzkismus widerstanden und sie besiegt. Was auch immer die Probleme der eigenen Entwicklung der Workers League sein mögen, sie bemüht sich, jeden Tag ihre Arbeit auf die Lehren dieser Geschichte zu begründen. Das Leugnen der OCI, dass es notwendig sei, die dialektische Methode als marxistische Erkenntnistheorie besonders zu studieren, und ihr Versuch, die Theorie in das Programm zu liquidieren, waren nicht weniger reaktionär als Hansens Versuch, den dialektischen Materialismus mit seinem sogenannten „konsequenten“ Empirismus gleichzusetzen. Von etwas unterschiedlichen Standpunkten aus argumentierten beide, Hansen und die OCI – denen sich später auch Wohlforth anschloss –, für die vollständige Freiheit von einer wissenschaftlichen Methode, das heißt für die pragmatische Anpassung an den Weg des geringsten Widerstands auf der Grundlage einer unkritischen Anbetung der oberflächlichen Erscheinungsformen.
Das Internationale Komitee blieb niemals bei bloß verbalen Bestätigungen der dialektischen Methode stehen. In allen grundlegenden Kämpfen gegen den Revisionismus hat es – wie Trotzki 1939-40 – die entscheidende Verbindung zwischen der Methode und den politischen Schlussfolgerungen gezeigt. Wie Trotzki betonte und das IK wiederholt zeigte, die Methode mag bewusst oder unbewusst sein, sie macht sich selbst bekannt.
Aus diesem Grund stimme ich mit den einleitenden Bemerkungen Deines Briefs über die ideologische Bedeutung der Entwicklung der kapitalistischen Weltkrise vollkommen überein. Ich habe jedoch gegen die Weise, in der Du diese generellen Schlussfolgerungen auf die Probleme der Workers League anwendest, Einwände. Es ist eine Sache, darauf zu drängen, dass jede Anstrengung gemacht wird, die dialektisch materialistische Methode zu entwickeln. Es ist aber eine ganz andere Sache, zu mutmaßen, sie sei fallen gelassen worden, und dann eine Reihe politischer Schlussfolgerungen auf diese Annahme zu gründen, ohne das eine wie das andere zu beweisen oder den inneren Zusammenhang zwischen der falschen Methode und den falschen Schlussfolgerungen herzustellen.
Während Du erklärst, mein politischer Bericht vor dem IK habe Deine Besorgnis erregt, sagst Du sehr wenig über den Inhalt dieses Berichts. Er behandelte die politische Bedeutung der jüngsten Entwicklung des pablistischen Revisionismus in den Vereinigten Staaten – wo die Zurückweisung der Theorie der permanenten Revolution durch die SWP mit einer immer offeneren Hinwendung zur Demokratischen Partei einhergeht. Dann versuchte ich, die politische Grundlage für die Entscheidung der Workers League zu erklären, zum ersten Mal in ihrer Geschichte an einer nationalen Präsidentschaftswahl teilzunehmen. Dies ist kein geringfügiger politischer Schritt, und ich hielt es für notwendig zu betonen, dass die Grundlage für dieses Eingreifen der Kampf für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse sein muss. Ich hob auch hervor, dass die Opposition gegen diese Perspektive nicht zu trennen ist von dem revisionistischen Skeptizismus über die revolutionäre Rolle der Arbeiterklasse, und in diesem Zusammenhang zitierte ich die äußerst wichtige Beobachtung Trotzkis auf Seite 16/17 in Verteidigung des Marxismus (Berlin 1973). Auch habe ich ziemlich ausführlich erklärt, dass weder die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse noch ihre revolutionäre Rolle auf der Ebene des Empirismus begriffen oder dargestellt werden können.
Trotzdem warnst Du davor, dass die „starke Hervorhebung der ‚politischen Unabhängigkeit der Arbeiterklasse‘ ... zu einer Waffe in den Händen derjenigen“ werde, „die am Pragmatismus festhalten. Es wird von ihnen als etwas ‚Konkreteres‘ geschätzt werden als der ausdrückliche Kampf, die Kategorien der Dialektik zu entwickeln und zu verstehen, als Methode für die lebenswichtige Aufgabe, die raschen und umfassenden durch die Weltkrise in Gang gesetzten Entwicklungen zu verstehen.“
Du findest in unserer Antwort auf die amerikanische Invasion Grenadas die Rechtfertigung für diese besondere Warnung.
Obwohl Du erklärst, dass Du „dies hier nicht als eine Frage der politischen Auseinandersetzung“ anführst, wäre es doch dringend erforderlich, eine angebliche Wegwendung der Workers League von einer klaren Haltung zum revolutionären Defätismus innerhalb des Internationalen Komitees zu diskutieren, Ich stimme mit Deiner Analyse unserer Position allerdings nicht überein.
In der Ausgabe vom 28.Oktober 1983 nahmen sowohl die Erklärung des Politischen Komitees (mit dem Titel „Mobilisiert die Arbeiterbewegung gegen den US-Imperialismus“) als auch die Erklärung auf der Titelseite selbst einen klaren defätistischen Standpunkt gegenüber der amerikanischen Invasion ein. Nichts in dieser Ausgabe rechtfertigt die schwerwiegende politische Anklage, die Workers League habe sich von einem prinzipiellen Standpunkt, die Kolonialvölker auf der Grundlage einer Politik des revolutionären Defätismus gegen den US-Imperialismus zu verteidigen, entfernt. In eben dieser Ausgabe waren nicht weniger als sieben von 16 Seiten ausdrücklich dem Kampf gegen die US-Invasion in Grenada gewidmet.
Statt nur einer Ausgabe wollen wir aber den politischen Inhalt des Bulletins während der gesamten zwei Monate vor der amerikanischen Invasion von Grenada überprüfen.
AUSGABE VOM 6. SEPTEMBER 1983: Da findet sich eine Erklärung des Politischen Komitees mit dem Titel „Imperialistische Provokation gegen die UdSSR“, in der ausdrücklich die UdSSR gegen die antikommunistische Hysterie verteidigt wird, die im Zusammenhang mit dem Abschuss des KAL-Jets hochgepeitscht wurde.
AUSGABE VOM 9. SEPTEMBER 1983: Die Überschrift ist: „Reagan beginnt Krieg im Libanon“. Wir rufen auf zur revolutionären Mobilisierung der Arbeiterklasse zum Sturz des Imperialismus und erklären, dass der erste Schritt zu diesem Ziel der Aufbau einer Arbeiterpartei sei.
Auf Seite 3 befindet sich ein Artikel über den KAL-Zwischenfall, in dem erklärt wird: „Die Workers League, die amerikanische trotzkistische Bewegung, verteidigt als Teil des Kampfs, die Arbeiterklasse gegen den Imperialismus zu mobilisieren, die UdSSR trotz der stalinistischen Bürokratie bedingungslos.“
AUSGABE VOM 13. SEPTEMBER 1983: Auf den Seiten 2 und 3 befinden sich Artikel, die die UdSSR in Bezug auf das KAL-Unglück verteidigen. Einer dieser Artikel ist eine Analyse der antisowjetischen Fälschungen durch Ron May.
AUSGABE VOM 16. SEPTEMBER 1983: Die Schlagzeile heißt: „US-Truppen raus aus dem Libanon“ und in dem Artikel heißt es: „Die amerikanische Arbeiterbewegung muss die libanesischen und palästinensischen Massen gegen die Reagan-Regierung und ihre zionistischen und libanesischen faschistischen Anhänger verteidigen. Die Arbeiterbewegung muss den sofortigen Rückzug aller US-, israelischen und der anderen imperialistischen Truppen aus dem Libanon und dem gesamten östlichen Mittelmeerraum sowie die Einstellung jeglicher Hilfe an Gemayel und Israel fordern.“ Die Erklärung verurteilt dann die „unsagbar pro-zionistische Politik der Gewerkschaftsbürokratie unter Kirkland“.
Auf der Titelseite dieser Ausgabe wird eine Versammlung am 25. September angekündigt, mit dem Thema: „Besiegt Reagans Kriegstreiberei! Baut eine Arbeiterpartei auf.“
AUSGABE VOM 20. SEPTEMBER 1983: Die Schlagzeile ist: „Demokraten unterstützen Reagans Krieg“ und der Artikel erklärt, dass „der Kampf der Libanesischen Nationalen Bewegung die volle Unterstützung der amerikanischen Arbeiterklasse und der Jugend verdient“. Er schließt mit dem Aufruf zur Mobilisierung der Arbeiterklasse „gegen die imperialistische Politik Reagans und der Demokraten“ auf der Grundlage des Kampfs für eine Arbeiterregierung.
AUSGABE VOM 23. SEPTEMBER 1983 Schlagzeile: „Verschwörung der Kriegsmächte“,
AUSGABE VOM 27. SEPTEMBER 1983: Sie enthält einen ganzseitigen Bericht über die öffentliche Versammlung der Workers League. Er gibt die Erklärung des Gen. McLaughlin wieder, dass „die WL für die Niederlage des US-Imperialismus und seiner imperialistischen, zionistischen und faschistischen Verbündeten im Libanon und für den militärischen Sieg der Libanesischen Nationalen Bewegung und der PLO eintritt“. Der Artikel enthält auch Auszüge meiner Rede auf der Versammlung, in der sowohl das Programm des revolutionären Defätismus als auch die Einheit der Kämpfe der kolonialen Massen, der Arbeiterklasse in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern und der Arbeiterklasse in den Arbeiterstaaten betont wurden. Der Pazifismus wurde darin abgelehnt und die Politik Lenins vom revolutionären Defätismus erklärt. In einem direkten Zitat aus der Rede heißt es:
„Die Politik für den Kampf gegen den Krieg darf nicht willkürlich ausgewählt werden. Wie die Außenpolitik einer imperialistischen. herrschenden Klasse nicht von ihrer Innenpolitik zu trennen ist, da die herrschende Klasse im Weltmaßstab die gleichen Interessen wie auf nationaler Ebene verteidigt, so wird auch die Antikriegspolitik der Arbeiterklasse von der Logik des Klassenkampfs selbst diktiert.“
AUSGABE VOM 30. SEPTEMBER 1983: Das Bulletin widmete eine ganze Seite dem ausführlichen Bericht über die Verurteilung der US-Aggression in Mittelamerika durch den Führer der nicaraguanischen Sandinisten vor der UNO.
AUSGABE VOM 4. OKTOBER 1983: Ein ganzseitiger Artikel auf Seite 5 mit dem Titel: „Besiegt die amerikanisch-syrische Verschwörung gegen die PLO!“
AUSGABE VOM 7. OKTOBER 1983: Ein Artikel über die Jahreskonferenz der AFL/CIO, der sich auf deren Unterstützung für die imperialistische Außenpolitik konzentriert.
AUSGABE VOM 14. OKTOBER 1983: Der Leitartikel ist überschrieben: „Kirkland trifft Major ‚Blowtorch‘ (Lötlampe; benutzt als Folterinstrument, die Red.)“, und darin werden die Verbindungen des AFL/CIO-Präsidenten mit der Politik des US-Imperialismus in Lateinamerika verurteilt. Der Zusammenhang zwischen seinem Bündnis mit den imperialistischen Schlächtern und seinem Verrat an den amerikanischen Arbeitern wird klargemacht.
AUSGABE VOM 18. OKTOBER 1983: Die Schlagzeile lautet: „Beendet den Terror gegen Nicaragua“, und der Artikel auf der ersten Seite ist eine Erklärung des Politischen Komitees. Darin wird erneut klar zur Mobilisierung der Arbeiterklasse zur Verteidigung der Massen in Mittelamerika und zur Absetzung von Kirkland und den CIA-Lakaien in der Arbeiterbewegung aufgerufen.
AUSGABE VOM 25. OKTOBER 1983: Die Schlagzeile lautet: „Zieht die Truppen aus dem Libanon ab“.
Dies ist die Bilanz des Bulletin in der Periode unmittelbar vor der US-Invasion auf Grenada. Sie zeigt sehr deutlich, dass die WL beständig für die Frage der Mobilisierung der Arbeiterklasse in den Vereinigten Staaten gegen den Imperialismus und zur Unterstützung der Massen in den halbkolonialen Ländern eingetreten ist. Ich behaupte nicht, dass dieser Überblick für sich genommen eine ausreichende Antwort auf die Kritik ist, die Du geübt hast. Große Ereignisse bringen plötzliche Veränderungen des Programms und der Perspektiven hervor, die den Druck mächtiger gesellschaftlicher Kräfte auf die revolutionäre Avantgarde widerspiegeln.
Aber diese Bilanz zeigt doch, dass die Kampagne gegen den amerikanischen Imperialismus und seine Kriegsvorbereitungen das zentrale politische Thema des Bulletin und der politischen Arbeit der Partei bildeten. Wir richteten diesen Kampf in unmittelbarer Auseinandersetzung mit der AFL/CIO-Führung auf die Arbeiterklasse aus, und wir sind stolz darauf, dass die Gewerkschaftsbürokratie unsere Bemühungen in Form des Versuchs, das Bulletin in der Gewerkschaftsbewegung zu verbieten, anerkannt hat. Was die Invasion selbst angeht, so gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass die Workers League ihre Position des revolutionären Defätismus verlassen hätte.
Du findest jedoch den Satz, mit dem Punkt 9 der Erklärung beginnt, unangemessen: „Die nackte Aggression des US-Imperialismus in Grenada und überall auf der Welt kann jedoch nicht durch Protest besiegt werden, sondern allein durch die Mobilisierung der Stärke der Arbeiterklasse im Kampf gegen das kapitalistische System.“ Ich denke, diese Erklärung ist deutlich genug, da wir unmittelbar über das politische Mittel sprechen, mit dem die Arbeiterklasse den Imperialismus besiegen wird. Darüber hinaus wird Deine Kritik, wir hätten es unterlassen, die Einheit des Kampfs der kolonialen Massen und der Arbeiterklasse in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern. zu betonen, durch die Absätze im Teil 9, die Du nicht anführst, schlicht widerlegt.
Wenn es sich nur darum handeln würde, Einwände gegen Deine Kritik an unserer Position zu erheben, wäre dieser Brief nicht notwendig. Am Schluss Deines Briefes jedoch wird deutlich, dass es einen wesentlichen Unterschied zwischen der Perspektive der Workers League und derjenigen, die Du befürwortest, gibt.
Genosse Cliff, bitte lies noch einmal, auf welche Weise Du die zentralen Aufgaben der Workers League in Bezug auf die imperialistische Invasion auf Grenada formuliert hast:
Es ist im Allgemeinen richtig, darauf zu bestehen, wie dies Eure Resolution in ihrem Schlussteil tut, dass die ‚zentrale Frage, vor der die amerikanische Arbeiterklasse steht, die Notwendigkeit ist, ihre politische Unabhängigkeit zu erreichen, indem sie eine Arbeiterpartei aufbaut und für eine Arbeiterregierung kämpft, deren Aufgabe es ist, das kapitalistische System zu stürzen und den Sozialismus zu errichten.‘
Ja aber gerade jetzt besteht der Weg, ‚die politische Unabhängigkeit der amerikanischen Arbeiterklasse zu erreichen‘, darin, anzuerkennen, dass die zentrale Frage darin besteht, für die Niederlage der US-imperialistischen Invasion Grenadas und des kommenden Angriffs auf Nicaragua zu kämpfen.
Das ergibt sich aus einer dialektischen Erkenntnis der jüngsten Erscheinungen der Krise und den daraus folgenden Aufgaben der Partei. Grenada und Libanon sind wirkliche Entwicklungen und müssen als die sich plötzlich rasch entwickelnde Triebkraft zum Krieg und dazu, dass der US-Imperialismus ‚globale Verantwortung‘ übernimmt, verstanden werden.
Mich erstaunt dieses Argument, dass allem entgegensteht, was das Internationale Komitee und Du selbst uns gelehrt haben. Du greifst unsere Feststellung an, dass die bevorstehende Aufgabe der Kampf für eine Labour Party und eine Arbeiterregierung sei, und argumentierst: „Ja, aber gerade jetzt besteht der Weg ... darin, für die Niederlage der US-Invasion Grenadas und des kommenden Angriffs auf Nicaragua zu kämpfen.
Diese Herangehensweise, die ausdrücklich den Kampf für die Niederlage der US-Invasion auf Grenada vom Kampf zur Erreichung der politischen Unabhängigkeit der Arbeiterklasse trennt, ist identisch mit der jeder revisionistischen und stalinistischen Gruppe in den Vereinigten Staaten. Haben die Workers League und das Internationale Komitee ihren Kampfgegen die opportunistische pablistische Konzeption der „Anti-Kriegs“-Bewegung nicht auf diese üble Trennung konzentriert? Erklären die Revisionisten nicht immer, wir seien „Sektierer“, weil wir bei allen politischen Entwicklungen prinzipiell vorgehen und uns weigern, die seit vielen Jahren ausgearbeitete strategische Linie zu verlassen, um dem gerecht zu werden, was „gerade jetzt“ geschieht? Wie Trotzki in seiner Antwort auf Shachtman betonte, unsere Politik hat einen prinzipiellen, keinen konjunkturellen Charakter. Die SWP geht vom umgekehrten Standpunkt aus und hat immer unsere „Fixierung“ auf die Frage der Arbeiterpartei angegriffen. Tom Kerry dachte, er würde uns einen mächtigen Schlag versetzen, als er sarkastisch bemerkte, die Heißsporne der Workers League riefen nicht nur am Montag, Mittwoch und Freitag zu einer Arbeiterpartei auf, sondern auch am Dienstag Donnerstag und Samstag.
Der revolutionäre Defätismus ist nicht einfach eine Losung, die wir in unserer Zeitung abdrucken. Es ist eine Perspektive, die mit einer bestimmten Praxis in der Arbeiterbewegung verbunden ist. Der revolutionäre Defätismus, so wie wir ihn verstehen, bedeutet, dass eine marxistische Partei während des Krieges für die Niederlage der eigenen herrschenden Klasse arbeiten muss. Praktisch ausgedrückt heißt das, die Workers League muss für die größtmögliche Entwicklung des Klassenkampfs innerhalb der Vereinigten Staaten kämpfen, und an der Spitze davon muss der Kampf für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse von den bürgerlich-imperialistischen Parteien durch den Aufbau einer Arbeiterpartei stehen.
Du stellst fest, dass „Grenada und Libanon wirkliche Entwicklungen“ sind. Willst Du damit andeuten, der Kampf für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse in den Vereinigten Staaten sei in irgendeiner Weise weniger wirklich? Ist dies nicht die klassische Form der pragmatischen Argumentation, die „konkrete“ politische Ereignisse „abstrakten“ Fragen der Prinzipien und des Programms entgegenstellt? Weit entfernt davon, ein Beispiel für eine „dialektische Erkenntnis der jüngsten Erscheinungen der Krise und den darauf folgenden Aufgaben der Partei“ zu sein, weckt Deine Formulierung die Erinnerung an die impressionistische Anbetung der „Realitäten der lebendigen Ereignisse“, vor der Trotzki so häufig warnte.
Ich möchte nicht schärfer schreiben als notwendig, aber das Vorgehen, das Du vorschlägst, würde, wenn die Workers League es befolgen würde, geradewegs zum Opportunismus führen. Wenn Grenada und Libanon der strategischen Linie des Kampfs für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse als „reale Entwicklungen“ entgegengesetzt werden sollen, weshalb dann nicht auch jede andere wichtige neue Entwicklung im Klassenkampf?
Zum Beispiel bestanden wir im Fall des Greyhound-Streiks darauf, dass die zentrale Aufgabe die gewerkschaftliche und politische Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen die Reagan-Regierung und ihre Verbündeten in der Demokratischen Partei sei. Worauf die SWP und verschiedene revisionistische Tendenzen (wie die Anhänger von Thornett) antworten: „Ja, das ist im Allgemeinen richtig, aber gerade jetzt müssen wir für den Sieg des Streiks kämpfen.“ Und auf dieser Grundlage sahen sie von jeder Kritik an der Gewerkschaftsbürokratie ab, gingen schweigend vor den Streikposten auf und ab, ohne ihre Zeitung zu verkaufen oder sich politisch erkennen zu geben.
Natürlich würdest Du niemals eine solche politische Linie vorschlagen, aber Deine Formulierung hat, gewiss unbeabsichtigt, eine eigene Logik.
Wie Du gewiss weißt, ist der Kampf „für die Niederlage der US-imperialistischen Invasion Grenadas“ – so „konkret“ diese Losung einem Pragmatiker auch erscheinen mag – vom marxistischen Standpunkt aus kaum mehr als abstrakte Phrasendrescherei, wenn er vom Kampf für die Arbeiterpartei getrennt wird. Wenn das Bulletin vom 28. Oktober 1983 hundertmal die Forderung nach der Niederlage des US-Imperialismus erhoben, aber die Frage der Arbeiterpartei als die zentrale Aufgabe vor der Arbeiterklasse ausgelassen hätte, so hätte die Erklärung des Politischen Komitees ein zentristisches Ausweichen vor den wirklich konkreten Aufgaben bedeutet.
Ganz gleich, wie „abstrakt“ die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse den Revisionisten auch erscheinen mag, es ist die einzige historisch-konkrete Grundlage für einen wirklichen Kampf gegen den Imperialismus. Obwohl dies sicherlich nicht Deine Absicht ist, wird diese Perspektive in Deinem Brief herabgesetzt. Du führst zum Beispiel den „kommenden Angriff des US-Imperialismus auf Nicaragua“ an, als ob es sich bereits um eine besiegelte Tatsache handle. Kein Zweifel, die Vorbereitungen dazu sind weit fortgeschritten. Aber wir nehmen das Festhalten des IKs am unbesiegten Charakter der Arbeiterklasse in den Zentren des Imperialismus ernst, und es ist unsere Überzeugung, dass auch die bestvorbereiteten Pläne des Pentagons durch die Entwicklung des Klassenkampfs innerhalb der Vereinigten Staaten gestört werden können.
Du kritisierst auch unsere Feststellung, dass „das Hauptziel der Politik der weltweiten Konterrevolution die enorme Macht der amerikanischen Arbeiterbewegung“ sei. Für sich genommen könnte diese Erklärung einseitig erscheinen. Aber innerhalb des gesamten Zusammenhangs ist sie vollkommen richtig und betont, nebenbei bemerkt, den Punkt, der Deiner Behauptung nach fehlt, „dass der Kampf der Arbeiter in den USA ...und derjenige der kolonialen und ehemaligen kolonialen Völker ein und derselbe ist...“. Der Hauptfeind der amerikanischen Bourgeoisie ist zu Hause, in dem Sinne, dass der US-Imperialismus die weltweite Vorherrschaft nicht errichten kann – ein Ziel, das die vollständige Militarisierung der amerikanischen Industrie erfordert –, ohne die Arbeiterbewegung in den Vereinigten Staaten zu zerschlagen. Im Gegensatz zu den Revisionisten sind wir der festen Überzeugung, dass diese Aufgabe außerhalb der Fähigkeiten der Reagan-Regierung liegt. Der historisch notwendige Übergang zu direkteren Formen einer bonapartistischen Militär- und Polizeiherrschaft ist nicht zu erreichen, ohne enorme innere Krisen, die die Entwicklung einer revolutionären Situation innerhalb der Vereinigten Staaten erleichtern.
Schließlich Genosse Cliff, bemerkst Du „eine Spur von Vorbehalten in Bezug auf den antiimperialistischen Inhalt der kolonialen Revolution, eine Spur von Vorbehalten in Bezug auf die Einheit der proletarischen Revolution in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern und den kolonialen nationalen Befreiungsbewegungen.“
Ich sehe nicht, weshalb die Betonung des Klassenkampfs in den Vereinigten Staaten als „Vorbehalt“ gegenüber der historischen und politischen Bedeutung der Kämpfe in den halbkolonialen Ländern interpretiert werden sollte. Ich versichere Dir, ein solcher Vorbehalt existiert nicht. Aber gibt es einen Sinn, diese Frage auf einer solchen Ebene zu diskutieren? Keiner von uns glaubt, dass abstrakte Reden über die „Einheit der proletarischen Revolution in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern und den kolonialen nationalen Befreiungsbewegungen“ ein ausreichender Ersatz für eine wissenschaftliche politische Einschätzung der an jedem einzelnen dieser Kämpfe beteiligten Klassenkräfte und Führungen sein können. Sicherlich gibt es einen mächtigen antiimperialistischen Inhalt der kolonialen Revolution, aber das ist nicht das einzige Element dieser historischen Erscheinung. Alle kolonialen nationalen Bewegungen sind eine Einheit entgegengesetzter Klassentendenzen, und diese Klassentendenzen stehen in einer äußerst unterschiedlichen Beziehung zu den imperialistischen Großmächten. Der Druck des Imperialismus mildert nicht den Klassenkampf innerhalb der halbkolonialen Länder, sondern intensiviert ihn eher noch.
Ebenfalls im Gegensatz zu den Pablisten und den Stalinisten halten wir daran fest, dass der Antiimperialismus der kolonialen Bourgeoisie einen relativen, und keinen absoluten Charakter hat und durch die Höhe der Entwicklung der Klassengegensätze innerhalb jeder einzelnen dieser unterdrückten Nationen bedingt ist. Der objektive antiimperialistische Inhalt der kolonialen Revolution und ihre historische Einheit mit den proletarischen Kämpfen in den Zentren der Metropolen muss durch einen beständigen Kampf gegen die bürgerlich-nationalistischen Führungen der Massenbewegungen in den unterdrückten Ländern verstärkt und aktualisiert werden.
Diese Perspektive, unabhängige trotzkistische Parteien aufzubauen, um die Führung des nationalen antiimperialistischen Kampfes zu gewinnen, beeinträchtigt unsere bedingungslose Unterstützung der nationalen Bewegungen in den unterdrückten Ländern, wie auch immer der Charakter ihrer gegenwärtigen Führungen sein mag, nicht im geringsten. Unsere Vorstellung von Einheit ist dialektisch, d.h. sie enthält den Unterschied in sich: als revolutionäre Marxisten stellen wir die Einheit aller Unterdrückten innerhalb des Klassenkampfs auf der Grundlage des Aufbaus revolutionärer Parteien der Arbeiterklasse in allen Ländern her.
Ganz am Schluss Deines Briefes schreibst Du:
Die beiden Themen der Diskussion – die Frage der dialektischen Methode im Kadertraining und die Frage unserer Ausrichtung in Bezug auf die Invasion Grenadas – sind schließlich miteinander verbunden. Die Konzentration auf die dialektische Methode und die großen Fragen des Programms, der Strategie und Taktik können nicht voneinander getrennt werden.
Wir leugnen diesen Zusammenhang nicht, aber er wird nicht durch bloße formale Hinweise auf die dialektische Methode erklärt. Dazu ist jeder Pragmatiker vollkommen in der Lage. Die richtige Anwendung der dialektischen Methode und des historischen Materialismus ist es, die studiert und entwickelt werden muss. Dies wird jedoch durch eine „starke Hervorhebung der politischen Unabhängigkeit der Arbeiterklasse“ in keiner Weise unterhöhlt. Ich glaube, ein ernsthaftes Studium aller Werke Lenins – und besonders ausführlich seiner frühesten Studien zur Wirtschaft und Philosophie – würde den inneren Zusammenhang zwischen seiner Konzentration auf die richtige Anwendung der dialektischen Methode und seiner „starken Hervorhebung“ der politischen Unabhängigkeit der Arbeiterklasse aufdecken.
Ich muss zugeben, dass ich durch die bloße Vorstellung verwirrt bin, dass eine Hervorhebung der „politischen Unabhängigkeit der Arbeiterklasse“ innerhalb des Internationalen Komitees als „sehr stark“ charakterisiert werden kann – und das auch noch in Bezug auf einen Bericht von einer sympathisierenden Sektion in einem Land, in dem die Arbeiterklasse politisch noch nicht mit den Liberalen gebrochen hat. Alle organisatorischen, politischen und theoretischen Aufgaben einer marxistischen Partei – allen voran in den Vereinigten Staaten – zielen doch gerade auf die Erreichung dieser politischen Unabhängigkeit ab.
Während Du sagst, dass diese Betonung „eine Waffe in den Händen all derjenigen werden wird, die am Pragmatismus festhalten“, kann ich nichts erkennen, was diese Schlussfolgerung rechtfertigen würde. Der gesamte Kampf gegen die SWP seit 1961 – ganz zu schweigen von der gesamten Geschichte des Bolschewismus – drehte sich um eben diese Frage. Weit davon entfernt, die Auffassung von der politischen Unabhängigkeit der Arbeiterklasse zu unterstützen, wird sie von den Stalinisten und Revisionisten auf der ganzen Welt heute beständig angegriffen. Der Neo-Stalinismus der SWP hat seinen Ursprung nicht im Kopf von Mr. Barnes, sondern ist eine sehr bestimmte Antwort des US-Imperialismus auf das neue Stadium der kapitalistischen Krise und die revolutionäre Erhebung des Weltproletariats. Der Pablismus dient so als Übertragungsmechanismus für den Druck des Imperialismus in die Arbeiterbewegung. Wie ich Dich in der Vergangenheit so oft habe betonen hören, muss das Internationale Komitee gerade an einem solchen Punkt vor jeder Spur einer revisionistischen Anschauung in seinen eigenen Reihen auf der Hut sein und gleichzeitig seinen politischen und theoretischen Angriff auf den Pablismus verstärken. Du wirst mir zustimmen, dass dieser Kampf gegen den Pablismus keineswegs hinter uns liegt.
Eben aus diesem Grund glaube ich, dass eine Klärung der Fragen, die Du in Deinem Brief angesprochen hast, sehr notwendig ist.
Genosse Cliff, wir bezweifeln oder leugnen natürlich nicht, dass der Kampf gegen den Pragmatismus innerhalb der Workers League keine ausgestandene Frage ist. Aber wir stehen unter dem Eindruck, dass wir in der Lage waren, eine richtige politische Linie zu Grenada und anderen wichtigen Entwicklungen vorzubringen, weil wir versucht haben, vom Kampf des IKs für den dialektischen Materialismus zu lernen.
Mit den herzlichsten brüderlichen Grüßen
David North
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