Die politische Krise, die im Sommer 1985 plötzlich in der Workers Revolutionary Party ausgebrochen ist und sich schnell zu einer verheerenden Spaltung in der zentralen Führung entwickelt hat, ist ein Ereignis von außerordentlicher Bedeutung für die Vierte Internationale. Die älteste Sektion, die das Internationale Komitee mitbegründet hat, brach innerhalb von wenigen Wochen buchstäblich auseinander. Die drei wichtigsten Führer der WRP – Gerry Healy, Michael Banda und Cliff Slaughter –, die zusammen fast 140 Jahre Erfahrung innerhalb der sozialistischen Bewegung präsentierten, wurden beinahe über Nacht in den bösartigsten Fraktionskampf verwickelt, den die trotzkistische Bewegung je gesehen hatte. Obwohl sie drei Jahrzehnte lang aufs Engste politisch zusammengearbeitet hatten, fanden sich Slaughter und Banda in diesem Fraktionskampf auf der einen Seite der Barrikaden wieder, und Healy auf der Anderen. Und kurz darauf fiel auch die brüchige Koalition zwischen Banda und Slaughter auseinander, und beide begannen sich gegenseitig wie wahnsinnig bis aufs Messer zu bekämpfen, genauso, wie sie es vorher gegen Healy getan hatten.
Und doch kam der Zusammenbruch der Workers Revolutionary Party zwischen Juli und Oktober 1985 nur für diejenigen völlig überraschend, die nicht bemerkt hatten, dass die politische Linie der Partei in den vorangegangenen langen zehn Jahren ständig degeneriert war. Die Umstände, die die Spaltung begleiteten – die politische Desorientierung und Demoralisierung, die dem Ende des Bergarbeiterstreiks im März 1985 folgte; der grausame interne Krieg, der sich im Zentralkomitee abspielte; der schmutzige Skandal, der in Bezug auf Healy aufbrach; die prinzipienlose Abdeckung des groben Missbrauchs seiner Autorität durch das Politische Komitee; der scheinbar plötzliche Kollaps des Finanzgebäudes der WRP; die Verschwörung, um das Internationale Komitee zu betrügen – all dies entsprang der nationalistischen Degeneration und dem unkontrollierten Anwachsen des Opportunismus innerhalb der Führung der Workers Revolutionary Party.
Diese Schlussfolgerung, die sich unerbittlich aus einer marxistischen Analyse der gesamten Entwicklung der WRP seit ihrer Gründung ergibt, wird mit einer Ausnahme von all den verschiedenen Tendenzen, die sich aus dem Zusammenbruch der healyistischen Organisation gebildet haben, zurückgewiesen. Die Ausnahme sind die Mitglieder der vor kurzem gegründeten International Communist Party – die bezeichnenderweise vor der Spaltung die einzige prinzipielle Opposition zu Healys Führung stellten und ihren Kampf auf den Internationalismus gründeten. All die Anderen behaupten, dass die Schuld für die Krise und dem Internationalen Komitee der IV. Internationale angelastet werden muss. Auf die eine oder andere Weise erklären sie, dass die Degeneration der WRP (sofern sie überhaupt zugeben, dass eine Degeneration stattgefunden hat) das unvermeidliche Ergebnis des Kampfs für trotzkistische Prinzipien sei.
So unterschiedlich die oberflächliche Form ihres Angriffs auch sein mag, so stimmen alle dem IKVI feindlichen Tendenzen doch in einem zentralen Punkt überein: der Trotzkismus sei historisch unfähig gewesen, sich in der Arbeiterklasse zu verankern, und seine daraus resultierende Isolation sei die Ursache für alle politischen Entartungen und Spaltungen innerhalb der Vierten Internationale.
Um sich gegen das Intenationale Komitee zu verteidigen, behauptet Healy. seine trotzkistischen Gegner glaubten an einen „Sozialismus und weißer als weiß, von reinstem Wasser und der kleinsten Anhängerschar ...“. (Erklärung des Politischen Komitees der WRP vom 30. Mai 1986). Sein Verbündeter, der kleinbürgerliche griechische Nationalist S. Michael, beschuldigt das IKVI, „die reaktionäre Rückkehr zu den Praktiken der Periode von Niederlagen und und der Isolation des Trotzkismus ...“ vorzuschlagen („Ein neues Zeitalter für die Vierte Internationale“, 21. Januar 1986). Da der wichtigste Führer der Vierten Internationale während der „Periode von Niederlagen und der Isolation“ Leo Trotzki war, ist die Praxis, die Michael bekämpft, diejenige, die mit der Gründung und dem Aufbau der Weltpartei der Sozialistischen Revolution verbunden war, d.h. der Kampf gegen den Stalinismus und Zentrismus. Er erklärt, dass der Kampf für marxistische Prinzipien und ein marxistisches Programm bedeute, „darauf hinzuarbeiten, der Weltarbeiterklasse und der Vierten Internationale Niederlagen aufzuzwingen“.(ebd.)
In einer anderen Erklärung verteidigt Healy seine Praktiken, indem er auf der Notwendigkeit von Opportunismus beharrt und David North, einen führenden Unterstützer des Internationalen Komitees auf folgende Weise angreift:
Für ihn ... besteht die entscheidendste Frage darin, die Reinheit der Lehre zu bewahren, was nur in den kleinsten Diskussionsgruppen möglich ist: Zahlen fördern lediglich eine Verwässerung der Lehre . (News Line, 14. Februar 1986)
Mit einem Wort, Healys Position ist, dass es unmöglich sei, eine Partei in der Arbeiterklasse aufzubauen, ohne die trotzkistischen Prinzipien zu verraten. Dies ist das erste Mal, dass eine Tendenz, die sich auf den Trotzkismus beruft, offen erklärt, ihr leitendes Prinzip sei, keine Prinzipien zu haben!
Banda teilt den selben Standpunkt – allerdings in einer etwas bombastischeren Form – und ist zu der Schlussfolgerung gekommen, dass die trotzkistische Bewegung zerstört werden müsse. In einem berüchtigten Dokument, das im Februar veröffentlicht wurde und auf das die inzwischen auseinander gebrochene Slaughter-Banda-Bruce-Fraktion der WRP ihre Spaltung vom Internationalen Komitee gründete, erklärt Banda Folgendes:
Es ist sicherlich kein Zufall – sondern in Wirklichkeit die logische und praktische Folge gerade dieser Auffassungen des IK von 1953 –, dass keine einzige Sektion – einschließlich der Workers League in den Vereinigten Staaten – zu irgendeinem Zeitpunkt in den letzten 32 Jahren in der Lage war, eine lebensfähige Perspektive für die Arbeiterklasse zu entwickeln. (Workers Press 7. Februar 1986)
Die Auffassungen, auf die sich das IKVI gegründet hatte und die Banda hier angreift, sind das Verständnis der revolutionären Vorherrschaft des Proletariats und die leninistisch-trotzkistische Theorie der Partei. Bestandteil dieser Auffassungen ist der historische Kampf gegen den Stalinismus, den Zentrismus und alle Agenten des Imperialismus innerhalb der Arbeiterbewegung, die am Schürzenband der Bourgeoisie hängen.
Bezeichnenderweise hat Banda nur wenige Wochen, bevor er die zitierten Zeilen schrieb, erklärt, dass „die Partei nicht über taktische und programmatische Fragen, sondern über die grundlegendste Frage der revolutionären Moral gespalten worden‟ sei (News Line 2. November 1985). Dies war nichts weiter als eine originelle kleinbürgerliche Art und Weise, zuzugeben, dass Bandas Bruch mit Healy in keinem Punkt irgendetwas mit Prinzipien oder programmatischen Fragen zu tun hatte.
Ein anderer Kreuzritter für „revolutionäre Moral“, Cliff Slaughter, ist zu der Schlussfolgerung gekommen, dass Healys Degeneration ebenso wie seine eigene das Ergebnis der „Isolation“ der trotzkistischen Bewegung sei.
Zu keiner Zeit nach dem Tod von Trotzki erwies sich die Vierte Internationale als fähig, ihre Isolation von den großen Massenkämpfen zu überwinden .... Diese Kleinheit und Isolation waren natürlich entscheidende Faktoren, die einer erfolgreichen Entwicklung der marxistischen Theorie entgegenwirkten. (Workers Press 26. April 1986)
Diese Aussage, die organischen Opportunisten und denjenigen, die mit der gesamten marxistischen Bewegung nicht vertraut sind, plausibel erscheinen mag, stimmt im Wesentlichen mit Healys Position überein. Die Trotzkisten, so erklärt er, können den Marxismus nicht entwickeln, weil ihre Zahl klein ist. Ihre Zahl ist klein, weil sie von der Arbeiterklasse isoliert sind. Weshalb sind sie isoliert? Slaughter spricht das nicht aus, schielt aber in diesem Punkt sehnsüchtig zu Healy hinüber, der die Antwort schon ausgesprochen hat: Isolation ist der unvermeidliche Preis, der für Prinzipien gezahlt werden muss.
Doch wenn sie von Isolation sprechen, dann meinen sie nicht Isolation von der Arbeiterklasse, sondern von der stalinistischen und sozialdemokratischen Bürokratie und von den verschiedenen Strömungen des kleinbürgerlichen Radikalismus und Nationalismus. Trotzkisten, so erklären sie, sind in dem Maße „isoliert“, wie sie die Bestechungsgelder und Schmeicheleien derjenigen zurückweisen, die gegenwärtig einflussreiche Positionen in der Arbeiterbewegung bekleiden und sich zur Zeit einer Unterstützung in der Mittelklasse und bei den Massen in den halbkolonialen Ländern erfreuen.
Eine andere Gruppe, die das Internationale Komitee in der Zeit nach der Spaltung verlassen hat, fasste die Position all dieser antitrotzkistischen Tendenzen auf das Klarste zusammen. Die Liga Communista von Peru erklärt, dass die Degeneration von Healy und alle früheren Kämpfe in der Vierten Internationale den vollständigen Bankrott des Trotzkismus bewiesen, der, wie sie behauptet, „in der Form kleiner revolutionärer Sekten, in zunehmendem Maße isoliert von den Massen“ existiert habe. (Communismo März 1986)
Um ihre Entscheidung zu Rechtfertigen, den revolutionären Kampf gegen die nationale Bourgeoisie in Peru aufzugeben, behauptet sie, dass die IV. Internationale, 'angesichts der neuen Entwicklung in der Weltrevolution abseits gestanden“ habe, „als diese in den vierziger Jahren mit Albanien, China, Jugoslawien, Osteuropa, Vietnam, Korea, Algerien, usw. einen neuen Aufschwung nahm.'
Die trotzkistische Bewegung konnte aus diesen Entwicklungen nicht das Geringste lernen. ... Das Sektendasein enthob sie jeder direkten Verpflichtung, den Massen Führung zu geben, und erlaubte ihr, all diese Entwicklungen zu ignorieren oder auf die arroganteste Art und Weise zu charakterisieren. (ebd.)
Die Charakterisierungen, gegen die sie etwas einzuwenden hat, sind solche marxistischen Begriffe wie nationale Bourgeoisie, stalinistische Bürokratie, kleinbürgerlicher Radikalismus, Zentrismus, usw.
Der theoretische Führer dieser Gruppe, Jose B., hat diese Analyse bis zu ihrer letzten Konsequenz geführt. Er behauptet, der Trotzkismus sei deswegen von den Massen isoliert, weil er sich auf die Arbeiterklasse stütze:
Ganz offensichtlich gründet sich diese Bewegung auf gesellschaftliche Kräfte, welche den objektiv revolutionären gesellschaftlichen Kräften absolut feindlich gegenüber stehen. Deshalb muss sie zerstört werden. (ebd.)
Kaum war dieses Dokument veröffentlicht, stürzte Cliff Slaughter nach Peru, um dem Verfasser die Hand zu schütteln – und das in solcher Hast, dass er vergaß, die Telefonnummer der Organisation mitzunehmen und mehrere Tage lang auf dem Flughafen von Lima festsaß.
Es ist bemerkenswert, aber nicht überraschend, dass all diese Renegaten eine Interpretation von der Krise der WRP liefern, die im Wesentlichen völlig übereinstimmt mit der Analyse, die im letzten Dezember die amerikanische Socialist Workers Party (SWP) vorlegte, die heute weltweit führende antitrotzkistische Organisation. In der Intercontinental Press vom 2. Dezember 1985 führte Doug Jenness, einer der führenden Köpfe der SWP, die Ursprünge der Degeneration der WRP bis in die Jahre 1961-63 zurück, als ihre Führer den „orthodoxen“ Trotzkismus gegen den pablistischen Revisionismus verteidigten:
Die kubanische Revolution entwickelte sich nicht so, wie es die trotzkistische Weltbewegung erwartet hatte, nämlich entlang ihrer ‚Theorie der Permanenten Revolutionʻ. Die Mehrheit der Kräfte, die sich als Teil der Vierten Internationale betrachteten, begrüßten jedoch die Revolution von ganzem Herzen und begannen ihre Theorie der tatsächlichen Entwicklung des Klassenkampfes anzupassen.
Healy und seine Anhänger dagegen erhoben die ‚Theorie der Permanenten Revolutionʻ zum Dogma. Von diesem Standpunkt aus waren sie der Auffassung, dass deshalb, weil die kubanische Revolution nicht von einer trotzkistischen Partei geführt werde, dort keine sozialistische Revolution stattfinde. (S. 726)
Diese Erklärung – in der die Revisionisten von der SWP zum ersten Mal zugeben, dass die Spaltung des Intenationalen Komitees im Juni 1963 durch ihre Zurückweisung der Theorie der Permanenten Revolution hervorgerufen wurde – zeigt die wirkliche Bedeutung der Position von all jenen, die jetzt das IKVI angreifen, ganz gleich, ob sie „für Healy“ oder „gegen Healy“ sind. Die SWP erklärt, dass die Degeneration der WRP ihrer Verteidigung „veralteter“ trotzkistischer Prinzipien entsprang. Die Renegaten aller Spielarten stimmen damit überein. Wenn also Healy seinen Verrat von Prinzipien mit der Behauptung rechtfertigt, die Arbeiterklasse könne nicht für den Trotzkismus gewonnen werden, stimmen die Renegaten mit ihm in dieser entscheidenden Frage überein.
Es gibt einen präzisen wissenschaftlichen Begriff für die Strömung, die alle diese Renegaten ausmachen: Liquidatorentum. Sie verkörpern den reaktionärsten Flügel des Opportunismus, haben mit dem Trotzkismus gebrochen und verlangen die Zerstörung seines organisierten Ausdrucks, des Internationalen Komitees der Vierten Internationale und seiner nationalen Sektionen.
Die Klassengrundlage dieser Tendenz ist das Kleinbürgertum in allen kapitalistischen Ländern, das dem Druck des Imperialismus nachgegeben hat und nicht mehr an den Wert einer revolutionären Perspektive glaubt, die sich auf das internationale Proletariat gründet. Am schärfsten tritt diese Tendenz in zwei Gruppen von Ländern hervor: In den großen imperialistischen Zentren, wo die Arbeiterklasse noch von den stalinistischen und sozialdemokratischen Bürokratien beherrscht wird, und in jenen weniger entwickelten Ländern, wo der radikale Kleinbürger den antiimperialistischen Kampf der Massen anführt.
Die opportunistische Degeneration der WRP, die in Healy personifiziert war, erleichterte das Wachstum rechter Tendenzen nicht nur in Großbritannien, sondern ebenso in anderen Sektionen – insbesondere in Griechenland, Peru, Spanien und Australien (obwohl der rechte Flügel in dem letztgenannten Land eine verschwindende Minderheit war, deren Versuche, die Socialist Labour League zu zerstören, klar zurückgeschlagen wurden). Wie die Spaltung in der WRP und im IKVI gezeigt hat, wurden diese Kräfte zu einer voll entwickelten liquidatorischen Tendenz, deren Schlachtruf lautet: „Zum Teufel mit dem alten Trotzkismus!“
Aus diesem Grund ist die vollkommene Trennung des IKVI von allen diesen Liquidatoren, so explosiv und unvorhergesehen sie auch vor sich gegangen sein mag, die Voraussetzung für das Wachstum der revolutionären Avantgarde in der ganzen Welt und für die Errichtung der politischen Unabhängigkeit des Proletariats von den kleinbürgerlichen Agenten des Imperialismus in der Arbeiterbewegung jedes Landes.
Im Gegensatz zu unseren Gegnern unter den Liquidatoren gibt sich das Internationale Komitee nicht mit bloßen Behauptungen zufrieden. Alle Liquidatoren, mit ihrer Mannschaft kleinbürgerlicher Akademiker an der Spitze, verbreiten alle möglichen Theorien über den Zusammenbruch der WRP. Doch keiner von ihnen hat es unternommen, die politische und Klassenlinie der WRP während des letzten Jahrzehnts einer ernsthaften Analyse zu unterziehen. Dies ist nicht einfach auf ihre persönlichen Schwächen zurückzuführen. Sie wollen keinerlei objektive Analyse der Degeneration der WRP aus Furcht, die Arbeiterklasse könnte sich mit den Lehren dieser Erfahrung bewaffnen. Sie ziehen stattdessen eine Atmosphäre der größtmöglichen Verwirrung und Demoralisierung vor, in der sie ihr Fragezeichen über den Wert des Trotzkismus und der Sozialistischen Revolution setzen können.
Das Internationale Komitee hat dagegen die notwendige Untersuchung über die Degeneration der WRP durchgeführt – und diese beweist unwiderlegbar, dass sie auf jeder Stufe mit der Verwerfung des Trotzkismus und seiner Strategie der Sozialistischen Weltrevolution verbunden war. Weit davon entfernt, von dieser Degeneration zu brechen, sind die Liquidatoren in Wirklichkeit ihre krankhaftesten Ausgeburten.