Bevor wir die Analyse der Programmresolution fortsetzen, wollen wir aufzeigen, wie sich diese politische Linie in der Praxis auswirkte.
Die Patriotische Front scherte sich nicht um Bandas „einzige Bedingung“ und brach im September 1979 den bewaffneten Kampf ab. Mugabe und Nkomo reisten nach London zu den Verhandlungen im Lancaster House, deren Ziel darin bestand, den nationalen Befreiungskampf in Simbabwe durch das Aushandeln einer bürgerlichen Verfassung zu beenden. Anstatt dieses reaktionäre Gaukelspiel zurückzuweisen und die simbabwischen Massen vor der Falle zu warnen, die ihnen im Lancaster House gestellt wurde, passte die WRP ihre Politik auf der Stelle dieser Rechtswendung der Patriotischen Front an. In den folgenden sechs Monaten diente die News Line der Patriotischen Front als tägliches halb offizielles Propagandaorgan und warf mit politischen Phrasen um sich, um die wachsende Besorgnis zu zerstreuen, die sich angesichts des Bankrotts der nationalistischen Führer unter britischen und simbabwischen Arbeitern sowie zahlreichen afrikanischen Studenten in London ausbreitete.
Am 10. September 1979 unterrichtete die News Line ihre Leser in einem Leitartikel, „Nkomo schlägt Tür vor Bishop zu.“:
Die Führer der Patriotischen Front von Simbabwe, die sich anlässlich der heute im Lancaster House beginnenden Verfassungs-Konferenz in London befinden, haben klargestellt, dass sie keiner Lösung zustimmen werden, die nicht die Macht ausschließlich in die Hände der Mehrheit im Lande legt.
Anstatt diese hohle Angeberei zu entlarven, zitierte die News Line kritiklos lange Auszüge aus Nkomos Reden. In dem gesamten Artikel mahnte der Korrespondent John Spencer nur ein einziges Mal zur Wachsamkeit: „Es wäre ein Fehler, sich Illusionen über die Thatcher-Regierung zu machen, den Erzfeind der Befreiungsbewegungen überall auf der Welt.“ Dabei ging er geflissentlich darüber hinweg, dass die Patriotische Front bei den Gesprächen im Lancaster House mit eben diesem britischen Imperialismus zusammenarbeitete.
Am 22. September 1979 lieferte die News Line in einem Artikel mit der Überschrift „Patriotische Front bleibt fest“ folgende irreführende Beschwichtigungen:
Nach zwei harten Verhandlungswochen im Lancester House hält die Patriotische Front an ihrem Ziel eines unabhängigen Simbabwe mit vollen Bürgerrechten für alle fest.
Der Artikel behauptete, die „Marionetten in Salisbury“ hätten ein bedeutendes Zugeständnis gemacht, weil sie den Vorschlägen der Tories für eine neue Verfassung zugestimmt hatten. Die WRP hatte bereits völlig vergessen, dass sie selbst noch vor zwei Wochen ihre Unterstützung für die Patriotische Front davon abhängig gemacht hatte, dass diese sich nicht auf einen solchen Kompromiss über eine bürgerliche Verfassung einließe. Es stellte sich heraus, dass Ian Smith einen längeren Atem hatte als Nkomo und Mugabe!
Die News Line warnte jedoch erneut, dass einer Einigung Hindernisse im Weg stünden:
Aber die Patriotische Front gibt sich mit dem britischen Verfassungsplan noch lange nicht zufrieden. Joshua Nkomo und Robert Mugabe äußerten die Ansicht, dass er immer noch Spuren (!) des Rassismus enthalte, weil getrennte schwarze und weiße Wahlregister und im Parlament reservierte Sitze für die Weißen vorgesehen sind.
Nur drei Tage später berichtete die News Line, dass die Patriotische Front ihre Unzufriedenheit überwunden habe und nunmehr die 24 weißen Sitze akzeptiere, die der britische Imperialismus forderte. Die Schlagzeile des betreffenden Artikels vom 25. September behauptete: „Neuester Schachzug beunruhigt Salisbury“. Hatte die News Line noch vor wenigen Tagen die Stellungnahme der Patriotischen Front zitiert, in der die weißen Sitze als Rassismus bezeichnet wurden, behauptete sie jetzt, dass „die gegenwärtige rassistische Verfassung gestorben ist ...“
Am 5. Oktober 1979 berichtete die News Line, dass Lord Carrington der Patriotischen Front ein Ultimatum gestellt habe, indem er Mugabe und Nkomo aufforderte, der Rahmenverfassung zuzustimmen, die der britische Imperialismus ausgearbeitet hatte. Ansonsten würden die Verhandlungen abgebrochen.
Am 9. Oktober 1979 zählte die News Line „sieben Differenzen“ auf, wegen derer die Patriotische Front Carringtons Verfassungsentwurf nicht zustimmen wollte. Keine einzige dieser „Differenzen“ war grundlegender Natur. Darin zeigte sich, dass die Patriotische Front in den Kernfragen kapituliert hatte und bereit war, den Imperialisten die Kontrolle über ein „unabhängiges“ Simbabwe zu überlassen. Aber die News Line rief die Patriotische Front nun keineswegs auf, die Verhandlungen abzubrechen, ja kritisierte ihren Standpunkt noch nicht einmal in Ansätzen. Dafür brachte sie stellvertretend für die Patriotische Front einen schüchternen Protest vor.
In der Ausgabe vom 15. Oktober 1979 beklagte der Korrespondent John Spencer in einem Artikel, „Landfrage Kernproblem im Simbabwe-Konflikt“, dass Carringtons Vorschläge
auf ein plumpes Ultimatum hinauslaufen, mit dessen Hilfe die Verhandlungen abgebrochen werden sollen, wenn die Befreiungsbewegung sich nicht Westminsters Bedingungen unterwirft.
Carrington treibt die Gespräche an den Rand des Zusammenbruchs, obwohl die Patriotische Front nach wie vor bereit ist, die Gespräche fortzusetzen und ihr Scheitern zu verhindern.
Der Verfassungsentwurf, den Carrington durchsetzen will, gibt dem Volk von Simbabwe alles andere als volle Unabhängigkeit und Selbstbestimmung.
Er enthält Maßnahmen, die jede andere souveräne Regierung der Welt als unannehmbar und beleidigend zurückweisen würde – was dieser Verfassungsentwurf vorsieht, läuft den Interessen und Bedürfnissen des Volkes von Simbabwe direkt zuwider.
Die News Line diente jetzt als Ersatznachrichtendienst zur Aufrechterhaltung der Verbindung zwischen der Patriotischen Front und der britischen herrschenden Klasse – und nicht als Plattform für die Arbeiterklasse und unterdrückten Massen von Simbabwe. Sie berichtete getreulich, dass die Patriotische Front über Carringtons harten Verhandlungskurs enttäuscht war, und warnte taktvoll, dass sie sich gegen ihren Willen gezwungen sehen könnte, die Verhandlungen zu verlassen. Aus diesem Grund berichtete die News Line – zweifellos auf entsprechende Wünsche von Nkomos und Mugabes Gehilfen hin –, dass der Vertreter der Patriotischen Front bei den Vereinten Nationen Kritik an den Gesprächen geübt habe.
Im Verlauf der nächsten 24 Stunden beschloss die Patriotische Front jedoch, den Verrat von Lancaster House fortzusetzen, und betraute die News Line mit der Aufgabe, diese jämmerliche Kapitulation als beherzten Schlag gegen Carrington zu verkaufen. Also erschien die News Line am 16. Oktober 1979 mit der dicken Schlagzeile: „WIR BLEIBEN – Nkomo antwortet Carrington“.
Im ersten Absatz schrieb John Spencer:
Joshua Nkomo von der Patriotischen Front sagte gestern Abend, die britische Regierung habe kein Recht, die Befreiungsbewegung aus den Verhandlungen im Lancaster House hinauszuwerfen, die sich mit Simbabwes Zukunft befassen.
In ihrer Eigenschaft als getreuer Botendienst zitierte die News Line „einen Kader der Patriotischen Front“: „Ein Abkommen zwischen der britischen Regierung und Muzorewa ist wertlos, denn sie können den Krieg nicht beenden.“
Einen Monat später, als die Patriotische Front vor Carringtons Vorschlägen die Waffen streckte, versteckte die News Line diese Nachricht auf einer Innenseite und machte sie so auf, als habe die britische Regierung bei der Abfassung des Abkommens bedeutende Zugeständnisse gemacht.
Um den kläglichen Verrat zu vertuschen, wurde nun ein groteskes Ablenkungsmanöver inszeniert: Alex Mitchell musste ran und schrieb einen Leitartikel, angekündigt als „Sensation bei den Simbabwe-Verhandlungen“, Überschrift: „FINSTERE VERSCHWÖRUNG AUFGEDECKT – EXKLUSIVBERICHT“. Mitchell berief sich auf „absolut zuverlässige Quellen, die nicht genannt werden können“, und berichtete, dass
der britische Geheimdienst die größte elektronische Überwachungsoperation in seiner Geschichte gegen die Delegation der Patriotischen Front bei den Rhodesien- Verhandlungen in London eingesetzt hat. ... Das Außenministerium, und damit die Regime in Südafrika und Salisbury, wurde in allen Einzelheiten darüber unterrichtet, welche Überlegungen Joshua Nkomo und Robert Mugabe anstellten, und welche Taktik sie verfolgten,
– als ob der britische Imperialismus Wanzen bräuchte, um den Verrat seiner Agenten in Simbabwe vorherzusehen!
Zum Abschluss des Artikels überbrachte Botenjunge Mitchell dem britischen Imperialismus eine kleine Drohung:
Wenn Carrington nicht bereit ist, seinen Plan vollständig aufzugeben und die Vorschläge der Patriotischen Front anzunehmen, dann hat die Patriotische Front voll und ganz das Recht, London zu verlassen und den bewaffneten Kampf bis zum endgültigen Sieg fortzusetzen.
Man fragt sich, weshalb die News Line nicht forderte, dass die Patriotische Front London verlassen und den bewaffneten Kampf fortsetzen solle, wenn ein endgültiger Sieg möglich war? Diese zynische Erklärung beweist, dass die Führung der Workers Revolutionary Party bewusst als Agent der kolonialen Bourgeoisie daran arbeitete, die Revolution in Simbabwe zu verraten.
Am 5. Dezember 1979 spielte die News Line die letzte Karte der Patriotischen Front aus. Ein Artikel auf der ersten Seite, „SIMBABWE KLAGT AN: TORIES WOLLEN KRIEG“, berichtete, dass Mugabe und Nkomo gewarnt hatten: „Wenn Carrington die Londoner Konferenz abbricht, ohne dass ein Abkommen mit der Patriotischen Front zustande kommt, dann wird der Befreiungskrieg fortgesetzt.“
Am 14. Dezember 1979 begann die News Line, ihre Leser auf den Verrat von Nkomo und Mugabe vorzubereiten. In einem Leitartikel von Mitchell hieß es:
„Von allen Seiten wird die Patriotische Front unter Druck gesetzt, die Waffenstillstands-Angebote der Tories anzunehmen und die Waffen im Befreiungskampf von Simbabwe niederzulegen.“ Er entschuldigte die Patriotische Front. mit der Behauptung, dass sie „mit ihrer aufrechten Haltung allein dasteht“, und dass „auch die Frontstaaten die Befreiungskämpfer inzwischen im Stich gelassen haben.“ Er zeichnete so ein hoffnungsloses Bild, um die Kapitulation vor Carrington und die Beendigung des bewaffneten Kampfes zu rechtfertigen, den die WRP noch vor wenigen Monaten zur Grundlage ihrer Unterstützung für die Patriotische Front erklärt hatte.
Demgemäß berichtete die News Line am 18. Dezember 1979 ohne jegliche Kritik: „Patriotische Front unterzeichnet Abkommen“.
Drei Monate lang hatte die News Line getreulich jeden Schritt zurück der Patriotischen Front unterstützt und die Drecksarbeit übernommen, der Arbeiterklasse in England und den Kämpfern in Afrika diesen Ausverkauf anzudrehen. Sie arbeitete Tag für Tag daran, Mugabes und Nkomos Autorität zu stützen, um ihnen ihren Verrat zu erleichtern. Während der gesamten Dauer der Verhandlungen im Lancaster House hatte die WRP kein einziges Mal auch nur entfernt so etwas wie eine marxistische Analyse der Politik der bürgerlichen Nationalisten gegeben, noch deren Verrat ein marxistisches Programm entgegengesetzt. Man muss sagen, dass die Führung von Healy, Banda und Slaughter durch ihre reaktionäre Zusammenarbeit mit den Verrätern von der Patriotischen Front die Rolle einer Hilfstruppe für den britischen Imperialismus erfüllte.
Später, drei Monate nach dem Verrat, erschien in der News Line vom 3. März 1980 ein Artikel mit der Überschrift: „Was ist nur nur mit der Patriotischen Front los?“ Darin hieß es:
Den Massen von Simbabwe droht große Gefahr, durch die Verschwörungen des Imperialismus und den Opportunismus ihrer eigenen Führer.“ Verspätet und in zynischer Weise warnte die News Line, dass „die Führer der Patriotischen Front jetzt Hand in Hand mit General Sir John Acland, Walls und Maclean daran arbeiten, die Befreiungsarmeen ZIPRA und ZANLA in die zentralisierte Armee einzugliedern.
Diese neue, „kritische“ Haltung währte nicht lange. Zwei Tage später, am 5. März 1980, erschien auf der ersten Seite der News Line in übergroßen Lettern die Schlagzeile: „SIEG FÜR MUGABE: ENORMER SCHLAG GEGEN DIE TORIES“. Der Artikel begann mit den Worten:
Robert Mugabes Erdrutschsieg bei den Wahlen in Simbabwe ist eine gewaltige Bestätigung für die revolutionäre Bewegung der Massen in Afrika und auf der ganzen Welt.
Mit diesem Wahlsieg setzen die Massen ihren unaufhaltsamen Vormarsch fort, der mit dem Sieg über den Imperialismus in Vietnam begann und in Angola, Mosambik, Iran und Nicaragua fortgesetzt wurde.
In ihrem Bemühen, sich bei Mugabe einzuschmeicheln, stellte sich die News Line gegen Nkomo und behauptete, seine Streitkräfte seien mittlerweile „eine konventionell ausgebildete Armee, die Berater aus der Sowjetunion und der DDR fest im Griff haben.“ Gerade ein Jahr zuvor hatte Banda in der Resolution des Vierten Kongresses Nkomos Streitkräfte als wichtigen Bestandteil der zukünftigen „Arbeiter- und Bauern- Regierung“ in Simbabwe bezeichnet.
In derselben Ausgabe, in der die WRP Mugabes Wahlsieg begeistert als Schlag gegen den britischen Imperialismus feierte, berichtete die News Line kommentarlos über die politischen Pläne der neuen Regierung: 1) „Verstaatlichung mit Entschädigung“; 2) „Übernahme der kapitalistischen Grundlage der rhodesischen Wirtschaft mit ‚allmählichen Abänderungen‘, bei denen das Privateigentum nicht angetastet und nicht hintenherum verstaatlicht wird“; 3) Simbabwe schließt sich den blockfreien Ländern an, „mit Freunden sowohl in der NATO als auch im Warschauer Pakt“; 4) Koexistenz mit Südafrika.
Das Endergebnis der WRP-Politik im südlichen Afrika – für die Healy, Banda und Slaughter gleichermaßen verantwortlich sind – war ein politischer Verrat von historischem Ausmaß.