Im Dezember 1983 führte der Arbeitskampf bei der Zeitung Stockport Messenger in Warrington zu einer kritischen Konfrontation zwischen der Thatcher-Regierung und der Gewerkschaftsbewegung. Die Druckergewerkschaft National Graphical Association (NGA) wurde auf Grund der neuen Anti-Gewerkschaftsgesetze der Tories mit massiven Geldstrafen belegt, nachdem sie sich einer Anordnung des Gerichts widersetzt und versucht hatte, die vom Verleger Eddie Shah organisierten Streikbrecher am Betreten des Betriebes zu hindern.
Die WRP wurde von dieser Entwicklung überrascht. Sie war davon ausgegangen, dass sich der Klassenkampf von den Gewerkschaften weg und hin zu den Auseinandersetzungen zwischen den Tories und den lokalen Regierungen verlagert habe. Um die verlorene Zeit wieder aufzuholen – nachdem sie die systematische Arbeit in den Gewerkschaften praktisch aufgegeben hatte -, bildete die WRP sofort einen unkritischen und daher prinzipienlosen Block mit der NGA- Bürokratie.
Zwischen dem 25. November und dem 12. Dezember organisierte die NGA unter Missachtung einer gerichtlichen Anordnung Massenstreikposten beim Stockport Messenger. Ein Ausschuss des TUC entschied sich für Streikaktionen zur Unterstützung der NGA. Aber der TUC-Vorstand machte diese Entscheidung am 14. Dezember 1983 mit 29 zu 21 Stimmen wieder rückgängig. Der NGA-Vorstand beschloss daraufhin, einen 24-stündigen Generalstreik abzublasen, der an diesem Tag beginnen sollte. Er blieb aber dabei, die vom Gericht verhängten Geldstrafen nicht zu bezahlen, und rief die Arbeiter dazu auf, im Januar an einer Massendemonstration in Warrington teilzunehmen.
Das Politische Komitee der WRP veröffentlichte am 9. Dezember 1983 eine Erklärung, die verkündete:
„Die Druckergewerkschaften, angeführt von der NGA, haben jetzt keine andere Wahl mehr: sie müssen einen politischen Streik organisieren, um die Tory-Regierung zu stürzen.“ (News Line, 10. Dezember 1983)
Sobald sich die NGA jedoch gegen einen Streik entschieden hatte, änderte die WRP sofort ihre Linie, um sich der NGA-Bürokratie anzupassen. Mit dem Leitartikel der News Line vom 17. Dezember 1983 erreichte die WRP einen neuen politischen Tiefstand. Die News Line hetzte gegen die SWP (die britischen Staatskapitalisten), weil diese die Entscheidung der NGA kritisierte, den Streik abzublasen:
Die Politik der SWP ist typisch für diesen Haufen von politischen Abenteurern. Sie verlangen von der NGA einen sofortigen, vollständigen, nationalen Streik. (Dasselbe, was die WRP vor einer Woche verlangt hatte.) Das ist genau so ein ‚Ratschlag‘, wie er der PLO gegeben wurde, als sie letztes Jahr in Beirut eingeschlossen und von der israelischen Luftwaffe, Marine und Armee umzingelt war. Es ist eine Aufforderung an die NGA, einen Massenselbstmord zu begehen, damit die SWP- Revisionisten eine gewaltige Heulorgie veranstalten können.
Es ist schwer zu sagen, was an dieser Erklärung schlimmer war: die Kriecherei vor den NGA- Führern oder der Übelkeit erregende Pessimismus. Sie verleumdeten sogar Gewerkschaftsführer, die den TUC angriffen, weil er die NGA betrogen hatte.
Im Gegensatz zu den Revisionisten ist der Bergarbeiterführer Arthur Scargill unerfahren (?) und versteht die Arbeiterklasse nicht. Aus lauter Frustration schwingt er große Reden. Scargill hat erklärt, dass die Entscheidung des TUC, die NGA nicht zu unterstützen, der größte ‚Ausverkauf des TUC seit dem Generalstreik von 1926‘ sei. Damit sagt er, dass es auch die größte Niederlage der Arbeiterklasse bedeutet.
Die WRP stand inzwischen ein ganzes Stück rechts von bestimmten Schichten der Gewerkschaftsbürokratie und lenkte in Wirklichkeit von einem Kampf gegen den TUC ab. Sie lieferte dann eine phantastische Rechtfertigung für diese kriminelle Politik:
Aber 1983 findet der Verrat des TUC bereits vor dem Generalstreik statt. Er ist daher für die gesamte Arbeiterklasse von politischem Nutzen, weil er den Verrat der reformistischen Führung aufdeckt und die alles entscheidende Diskussion über den Aufbau der Führung hervorruft, die notwendig ist, um einen siegreichen politischen Streik gegen die Tories anzuführen.
Healy hatte eine neue politische Kategorie entdeckt: den vorsorglichen Verrat. Diese widerliche Spitzfindigkeit wurde nur wenige Monate später durch den Ausstand der Bergarbeiter widerlegt – ihr Streik war von vornherein durch den Verrat des TUC geschwächt. Daher überraschte es nicht, dass Scargill zu den lautesten Kritikern des TUC gehörte. Dadurch machte sich Scargill wiederum zur Hauptzielscheibe der WRP, die hintenherum den TUC verteidigte:
Auch Scargill drängt die NGA, allein in unbefristeten Streik zu treten. Dieser Rat ist ein Rezept für eine Katastrophe. Es würde zu einer Aussperrung durch die Unternehmer, zu astronomischen Schadensersatzforderungen vor Gericht, vermutlich zu einer Spaltung in der Gewerkschaft und zu einem Sieg der Politik der Klassenzusammenarbeit von Murray und dem rechten Flügel führen.
Die Maulhelden treten dafür ein, dass die NGA allein in den Ausstand tritt und es mit der geballten Gewalt des kapitalistischen Staates aufnimmt. Das wäre Selbstmord im Arbeitskampf. Nachdem die NGA sehr ernsthaft über ihren Kampf nachgedacht hat, weiß sie sehr genau, dass sie als Gewerkschaft vernichtet werden könnte und dass ihre wichtigste Verteidigung in der Unterstützung der Arbeiterklasse besteht.
Healys Argumente stimmten vollkommen mit denen des TUC-Vorsitzenden Murray und seinen Komplizen vom rechten Flügel überein. Hätte Scargill diese Haltung übernommen, hätte es niemals einen Bergarbeiterstreik gegeben. Mit diesen Argumenten konnte man jeden Streik ablehnen, bei dem es nicht von vornherein eine hundertprozentige Garantie gegen eine Niederlage gab. Die WRP-Führer argumentierten wie erbärmliche politische und körperliche Feiglinge, die bei allem Gerede über den großen Anti-Tory-Kampf in tödlicher Angst vor jeder Auseinandersetzung mit dem Staat leben. Für Healy war die Partei zu einem Mittel geworden, sich einen gemütlichen Lebensabend zu sichern; für Mitchell wurde sie zu einer Karriere; für Vanessa Redgrave war sie eine Chance, Isadora Duncan darzustellen; für Slaughter war sie, wie schon seit Jahren, ein Hobby; und für Banda war sie ein Mühlstein um den Hals. Ihre gemeinsame innere Ablehnung gegen die Revolution fand ihren Ausdruck in folgendem feigen Kommentar:
Die NGA... ist eine politisch gemäßigte Gewerkschaft. Sie ist keine revolutionäre Partei, wie die Revisionisten zu glauben scheinen. Und wir denken, dass sie ihre Sache unter den außergewöhnlichen Umständen staatlicher Verfolgung sehr gut gemacht hat.
Eine derartige Rechtfertigung für eine verstaubte Gruppe von Stalinisten und sozialdemokratischen Bürokraten konnte nur von Leuten stammen, die die sozialistische Revolution bereits aufgegeben hatten. Die WRP-Führer behaupteten zwar ständig, es gebe eine revolutionäre Situation in Großbritannien. Aber die Haltung, die sie zu jedem aktuellen Kampf einnahmen, bewies, dass sie daran selbst nicht glaubten. Während sie in ihren Resolutionen zum Sechsten Kongress über das „revolutionäre Tempo der Ereignisse“ schrieben und darauf bestanden, dass „der revolutionäre Kampf um die Macht ... die wesentlichste objektive Wahrheit ist, die aus allen Bedingungen der gegenwärtigen ökonomischen und politischen Krise entspringt,“ (Resolution, S. 19) waren sie überzeugt, dass jeder Kampf, der ausbrach, hoffnungslos und zum Scheitern verurteilt war.
Die politische Linie, mit der die WRP das Vorgehen der NGA rechtfertigte – und die sie bereits 1980 zur Verteidigung von Sirs angewandt hatte – lief auf eine automatische Entschuldigung für die Gewerkschaftsbürokratie hinaus. Man durfte keinen Gewerkschaftsführer mehr kritisieren, weil er wie ein Reformist handelte, solange er nicht behauptete, Revolutionär zu sein!
So unglaublich das klingen mag, aber gegenüber den Mitgliedern wurde ein völlig anderer Standpunkt vertreten als in der Öffentlichkeit – das zeigt, wie sehr die Führung gegenüber der Mitgliedschaft manövrierte, um einen linken Deckmantel für ihre Verrätereien zu wahren. Intern versicherte die WRP-Führung der Mitgliedschaft, die NGA- Führer seien entschlossen, den Kampf fortzusetzen. Ein von Banda und Healy verfasster Politischer Brief an alle Zentralkomiteemitglieder und Zellensekretäre, datiert vom 16. Dezember 1983, behauptete, dass „es eine endgültige Spaltung innerhalb des TUC“ gebe und versprach, dass
„die NGA den Streik beim ‚Stockport Messenger‘ nicht abbrechen wird und andere Gewerkschaften sich in der einen oder anderen Weise anschließen werden. Die Unterstützung für den rechten Flügel des TUC ist keinesfalls gefestigt, und das Kräfteverhältnis zwischen den beiden Lagern wird sich ständig verändern.“ (Vom Siebten Kongress angenommene Resolutionen, S. 95)
Der Brief fuhr fort, die ungeheure Bedeutung von Spaltungen innerhalb des TUC zu betonen und behauptete, der Konflikt über die NGA eröffne „für unsere Partei nun die Möglichkeit für revolutionäre Massenarbeit“ (Ebenda S. 96) Dieser Brief diente lediglich dazu, die Mitglieder zu verwirren, ihre Illusionen in die NGA und TUC- Bürokratie zu verstärken und die rechte Politik der WRP-Führung abzudecken.
Im Januar wurden die NGA-Führer als Sprecher zur 33. Jahreskonferenz der Zeitung Young Socialisteingeladen, wo sie wie siegreiche Helden gefeiert wurden. Allerdings jagte der NGA-Sprecher den Delegierten einen leichten Schreck ein, als er sagte, die Gewerkschaft weigere sich zwar zur Zeit, die von den Tories verhängte Geldstrafe zu bezahlen, er sei sich aber nicht sicher, wie lange sie an dieser Überzeugung festhalten werde. Zur Beruhigung der aufgebrachten Parteimitglieder feuerten Banda und Healy sofort den Politischen Brief Nr. 2 ab, datiert vom 9. Januar 1983:
Als der NGA-Vertreter sagte, die NGA werde nicht dem Gerichtsbeschluss nachkommen und ihr Versprechen brechen, für die Zukunft sei er aber nicht so sicher, stellte er die Frage aller Fragen für eine reformistische Gewerkschaftsbewegung. Die Arbeiterklasse kann nicht länger mit der Tory-Regierung und ihren Klassengesetzen leben, die darauf abzielen, die Wirksamkeit der Gewerkschaften zu zerstören. Deswegen braut sich innerhalb der Arbeiterklasse eine große politische Explosion zusammen. Das spiegelte sich im Beitrag des NGA-Vertreters wider. (Ebenda, S.98-99)
Zehn Tage später berichtete die News Line kommentarlos, die NGA habe entschieden, sich dem Gerichtsbeschluss zu fügen, 675.000 Pfund Geldstrafe zu zahlen und alle Streikmaßnahmen gegen Shahs Unternehmen einzustellen. Einige Tage später sagte die NGA auch die geplante Demonstration in Warrington ab; sie beabsichtigte, den Kampf gegen Shah vollständig aufzugeben. Die News Line veröffentlichte einen ergreifenden Protest, nannte aber keine Namen:
Mit der Absage der für Samstag geplanten Demonstration haben die Veranstalter ein bedauernswertes Zugeständnis an die trübsinnige Untergangsstimmung gemacht, die in den Kreisen der kleinbürgerlichen Revisionisten, der Pseudo-‚Linken‘ in der Labour-Party und der Stalinisten vorherrscht. Das könnte die Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse in einem Moment schwächen, in dem alles dafür getan werden muss, den Klassenkampf gegen die Tory-Regierung, die Antigewerkschaftsgesetze und den Staat zu verstärken. (25. Jan. 1984)
Die NGA- Führer hätten antworten können, sie seien trübsinnigen Untergangsstimmungen zum Opfer gefallen, weil sie die vorangegangenen Ausgaben der News Line gelesen hatten. Und auch dieser Leitartikel endete nicht gerade in einem optimistischen Ton. „Die NGA könnte in der Lage sein, sich dem Gericht zu fügen, um weiterzuleben und ein andermal zu kämpfen. Wer weiß?“
Jeder Aspekt der politischen Linie der WRP im NGA-Konflikt wurde durch den tatsächlichen Verlauf der Ereignisse widerlegt. Um vor den Mitgliedern das Gesicht zu wahren und so zu tun, als wäre alles so verlaufen wie erwartet, produzierte Healy eine verblüffende Analyse des NGA-Kampfes, die in eine einstimmige ZK-Resolution verwandelt wurde. Sie wies nach, dass sich die Ereignisse wie ein dialektisches Uhrwerk entfaltet hatten, in Übereinstimmung mit Healys über alles geliebten, logischen Kategorien. Healy bewies durch eine unwiderlegbare Behauptung, dass „der Schein der neuen politischen Situation mit dem Aufstellen von Streikposten beim ‚Stockport Messenger‘ Ende November 1983 begann“ und dass „der Übergang zur Erscheinung begann, als Murray im Auftrag des rechten Flügels des TUC-Vorstands die Gültigkeit der Komitee-Entscheidung am Morgen des 13. Dezember 1983 aufhob.“
Healys dialektische Lokomotive raste nun mit Volldampf voraus.
Mittwoch, der 14. Dezember 1983 kennzeichnete die Negation des Scheins in die Erscheinung, als der Vorstand mit 29 zu 21 Stimmen entschied, die NGA fallen zu lassen und die Tory- Gewerkschaftsgesetze von 1980 anzuerkennen.
Glücklicherweise ging die Abstimmung nicht umgekehrt aus. Das hätte eine ernste Identitätskrise für die Kategorien schaffen können, die lange zuvor im Schosse des Absoluten Geistes – den nur Healy interpretieren konnte – die notwendige Abfolge der Ereignisse festgelegt hatten.
Die Erscheinung, die sich am 14. Dezember offenbarte, entwickelte sich durch eine Serie von Ereignissen hindurch weiter, die schließlich die NGA dazu zwangen, sich am 19. Januar 1984 dem Gericht zu fügen und die Geldstrafe zu zahlen. An diesem Punkt wurde die Erscheinung, als Einheit des Scheins und der Existenz zur Wirklichkeit.
Mit anderen Worten, Healy stellt unverrückbar fest, dass die Verantwortung für den Verrat des Kampfes nicht bei der NGA-Bürokratie lag, sondern bei den Herren Schein, Erscheinung, Wirklichkeit und Wesen – der arme Tony Dublins, Bill Booroff, Len Murray und die WRP waren nur unschuldige Opfer dieser Tory-freundlichen Kategorien.