IG Metall protestiert gegen Werkverträge

Am 24. September organisierte die IG Metall einen Aktionstag „gegen den Missbrauch von Werkverträgen“. Sie rief die Belegschaften der großen Autohersteller zu Protestaktionen während der Arbeitszeit auf und schaltete in den Medien und auf kommerziellen Plakatflächen teure Werbeanzeigen.

Die Aktion war eine Farce. Sie diente dazu, von der eigenen Verantwortung abzulenken und die Kontrolle in den Betrieben aufrecht zu erhalten. Die IG Metall und die von ihr kontrollierten Betriebsräte haben maßgeblich dazu beigetragen, die Arbeiter durch Leiharbeit, Werkverträge und andere Mechanismen zu spalten und einen riesigen Niedriglohnsektor zu schaffen.

Es war die rot-grüne Bundesregierung unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder und ihr Berater, das IG-Metall-Mitglied Peter Hartz, die 2004 im Einverständnis mit den DGB-Gewerkschaften die Schleusen für das Lohndumping öffneten. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihrem Vorgänger erst vor wenigen Tagen, bei der Vorstellung einer Schröder-Biografie, noch einmal ausdrücklich für diese „Leistung“ gedankt. 2003 hatte die Regierung Schröder die geltenden gesetzlichen Schranken für Leiharbeit beseitigt (Hartz I) und ein Jahr später Arbeitslose zu Sozialhilfeempfängern degradiert, die jeden Job annehmen müssen (Hartz IV).

Als das Bundesarbeitsgericht 2010 die niedrigen Löhne für Leiharbeiter teilweise für rechtswidrig erklärte, wurden Werkverträge zur bevorzugten Form des Lohndumpings. Über Werkverträge werden ganze Produktionsbereiche an Fremdfirmen vergeben, die für eine vereinbarte Leistung (ein „Werk“) einen festen Betrag erhalten. Die Beschäftigten dieser Werkvertragsfirmen werden nach einem niedrigeren Tarifvertrag (z.B. dem Logistik-Tarifvertrag von Verdi), dem Mindestlohn oder auch darunter bezahlt, obwohl sie dieselbe Arbeit tun wie vorher oder sogar Seite an Seite mit Kollegen der Stammbelegschaft arbeiten.

Erstmals in großem Umfang eingesetzt wurden Werkverträge bereits Ende der 1980er Jahre. Nach der deutschen Wiedervereinigung schloss die Bundesregierung mit mehreren osteuropäischen und Balkan-Staaten entsprechende Abkommen, um billige Arbeitskräfte für die boomende Baubranche zu bekommen. Nach der EU-Osterweiterung im Mai 2004 wurde diese Praxis weiter ausgedehnt.

Vor allem in der Bau- und der Fleischverarbeitungsindustrie kam es dadurch zu skandalösen Zuständen, die immer wieder für Schlagzeilen sorgten. Durch eine Kette von intransparenten Werkverträgen und Subunternehmern arbeiteten Arbeiter aus Osteuropa unter sklavenartigen Bedingungen zu Stundenlöhnen von zwei bis drei Euro, um die sie oft auch noch geprellt wurden, wenn ein zwielichtiges Unternehmen von der Bildfläche verschwand.

Aber auch die angeblich seriösen Auto- und Metallunternehmen nutzen systematisch Leiharbeit und Werkverträge, um die Lohnkosten zu senken – mit vollem Wissen und stillschweigender Duldung der IG Metall, die über die Mitbestimmung direkt ins Management einbezogen ist. Das hat inzwischen gigantische Ausmaße angenommen. Laut einer Umfrage, die die Gewerkschaft unter 4.000 Betriebsräten durchführte, vergeben inzwischen mehr als zwei Drittel der Unternehmen Werkverträge. Damit habe sich der Trend zum Outsourcing seit 2012 mehr als verdoppelt.

IG-Metall-Vorstandsmitglied Irene Schulz berichtete auf der Kundgebung vor dem Mercedes-Werk in Berlin-Marienfelde: „Bundesweit ist jeder Dritte Logistiker in einem Werksvertragsunternehmen beschäftigt, das sind 30.000 Beschäftigte. Auch bei der Maschinenwartung liegt die Fremdvergabe bei 30 Prozent, etwa 40.000 Arbeiter, bei Entwicklungsdienstleistern sind es 80.000 Beschäftigte, das sind 20 Prozent.“

Diese Zustände sind nicht neu. Die WSWS hatte bereits vor zwei Jahren über den systematischen Einsatz von Werkverträgen in der Autoindustrie berichtet. Doch trotz dieser skandalösen Verhältnisse denkt die IG Metall nicht daran, die Abschaffung von Werkverträgen und Leiharbeit zu fordern. IG-Metall-Chef Detlef Wetzel betonte am Donnerstag auf der Kundgebung in Leipzig ausdrücklich, dass die IG Metall nicht grundsätzlich gegen Werkverträge sei.

Die IG Metall hat auch keine Absicht, gegen die niedrigen Löhne und die Spaltung der Belegschaften in Stammarbeiter, Leiharbeiter und Werkarbeitern vorzugehen. Sonst würde sie nicht mit roten Fähnchen vor die Werkstore ziehen, sondern einen Arbeitskampf vorbereiten.

In Wirklichkeit ist die Gewerkschaft alarmiert, dass sie die Kontrolle über die wachsende Unzufriedenheit in den Betrieben verliert. Deshalb appelliert sie an die Bundesregierung, die Stellung der Betriebsräte zu stärken. Sie verlangt von der Regierung, die im Koalitionsvertrag angekündigten Gesetze konsequent umzusetzen. Sie müsse die Arbeitgeber verpflichten, den Betriebsrat über Werkverträge zu informieren, und die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats erweitern. Und sie müsse klare Kriterien erlassen, „um Werkverträge gegenüber Arbeitnehmerüberlassung und Soloselbstständigkeit abzugrenzen“.

Von den Konzernen verlangt die IG Metall, bei der Vergabe von Werkverträgen Unternehmen zu bevorzugen, die Tarifverträge mit der IG Metall abschließen. Diese Forderung richtet sich gegen die konkurrierende Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die für die Logistikbranche zuständig ist. Wetzel rühmte sich auf der Kundgebung in Leipzig, dass die IG Metall dort bereits in neun Werksvertragsunternehmen für rund 2.500 Beschäftigte Tarifverträge abgeschlossen habe.

Wie solche Verträge aussehen, kann man in einem anderen Bericht auf der Website der IG Metall nachlesen. Dort brüstet sie sich, das Logistikunternehmen Transco habe in Mannheim für 300 Beschäftigte, die von Daimler-Benz ausgelagert wurden, „auf Druck der IG Metall“ Tarifverträge eingeführt – „allerdings liegen diese rund 50 Prozent unterhalb der Konditionen, die für entsprechende Tarife in der Metall- und Elektroindustrie gelten“.

Die IG Metall spielt die Rolle der Werkspolizei, die die Arbeiter in den Betrieben kontrolliert und Unruhen verhindert. Nichts anderes bedeutet die Forderung nach einem Mitbestimmungsrechts der Betriebsräte bei der Fremdvergabe von Arbeiten.

Mitbestimmung der Betriebsräte bedeutet dabei keinesfalls eine Besserstellung von Werkarbeitern. Schon bei der Leiharbeit hatte die IG Metall ein übles Spiel getrieben, als sie 2012 einen Tarifvertrag mit den Arbeitgeberverbänden und Zeitarbeitsunternehmen vereinbarte, der Niedriglöhne festschrieb. Hätte sie sich einem Tarifvertrag verweigert, wären die Unternehmen gesetzlich gezwungen gewesen, den Leiharbeitern den gleichen Lohn wie den Stammbeschäftigten zu zahlen (Equal Pay).

Auch in Berlin-Marienfelde, wo rund 150 Arbeiter demonstrierten, erklärte die Betriebsratsvorsitzende Ute Hass: „Leiharbeit und Werkverträge können sinnvoll sein, wenn es um Auftragsspitzen geht.“ Beate Rudolph, Betriebsrätin im gleichen Werk, wandte sich mit der Begründung gegen die Auslagerung von Dienstleistungen in der Entwicklung und der IT-Abteilung, so könnten „auch die Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Herstellern“ gesichert werden.

Alex (31 J.), der in einem Metallbetrieb im Norden Berlins arbeitet und sich trotz Spätschicht am gleichen Tag Zeit genommen hatte, an der IGM-Kundgebung teilzunehmen, zeigte sich von der Kampagne der Gewerkschaft wenig beeindruckt.

Er meinte: „Wenn die IG Metall sagt, die Leiharbeit, die haben wir vor drei Jahren mit einem neuen Tarifvertrag geregelt, jetzt müssen wir uns nur noch um Werkverträge kümmern, Leiharbeit kann man so stehen lassen, und wir müssen bei den Werkverträgen nur noch ein bisschen Kosmetik machen, und danach ist alles in Ordnung – das ist alles viel zu kurz gefasst. Beides sollte absolut verboten werden. Mit den kleinen Protesten, eben mal kurz auf die Straße gehen, kann man nichts erreichen.“

Er sprach von seinen eigenen Erfahrungen in dreieinhalb Jahren als Leiharbeiter: „Vor zwei Jahren kam heraus, dass es nach 18 Monaten Leiharbeit ein Übernahmeangebot vom Hauptbetrieb geben muss, dass ich von der Leiharbeitsfirma in die Stammbelegschaft des Betriebes überwechseln kann. Aber einen Tag bevor die Regelung in Kraft getreten wäre, wurde der ganze Tarifvertrag bei unserer Firma ausgehebelt. Das heißt, ich kann wohl mein ganzes Leben lang Leiharbeiter bleiben, aber habe kein Recht auf eine feste Einstellung. Und daran sehe ich, was man mit Tarifverträgen alles machen kann. Auch wenn die Gewerkschaft mit den Firmen eine Vereinbarung wegen der Werkverträge treffen würde, gibt es immer noch ein Schlupfloch für Firmen, die Regelung durch eine Hintertür zu umgehen.“

Auf die Rolle der IG Metall angesprochen meinte er: „Die Gewerkschaft hat sowieso zu wenig Kraft, selbst bei Daimler hier sind doch so wenig Leute zur Kundgebung gekommen, das ist zu wenig Druck. In der Gewerkschaft bestimmen die Sozialdemokraten. Das ist halt einfach viel zu schwach. Die Einstellung der Gewerkschaft ist so: Für euch Leiharbeiter haben wir jetzt genug gemacht, mehr können wir jetzt nicht tun.

Auf der Gewerkschaftsseite oder bei den Vertrauensleuten, die ja eng verbunden sind, da ist nichts los. Wenn die Leute bei der IG Metall einen Posten gekriegt haben, dann ist schon die Ruhe damit eingekauft. Es wird immer gesagt: ‚Seid zufrieden, dass ihr hier noch da sein dürft, der Wettbewerb sitzt uns im Nacken, die Chinesen sind auch noch da, die machen uns das Leben schwer.‘ Das ist so schwach, was die da abliefern. Viele in der Gewerkschaft wollen einfach mitschwimmen, aber nicht mehr gegen den Strom.“

Die gleichen Erfahrungen machen Arbeiter nicht nur in Deutschland. In den USA hat die Gewerkschaft UAW nach der Finanzkrise 2008 einem massiven Lohnabbau in der Automobilindustrie zugestimmt. Bestehende Arbeitsverträge wurden eingefroren, während Betriebe stillgelegt und Massen von Arbeitern entlassen wurden. Die Löhne neu eingestellter Arbeiter liegen 50 Prozent unter dem bisherigen Lohnniveau. Nun rebellieren Auto- und Stahlarbeiter in den USA gegen das Tarifdiktat der Unternehmen und der Gewerkschaft.

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