Bereits Anfang Mai kündigte der Siemens-Vorstand an, dass zusätzlich zu den bereits laufenden Sparmaßnahmen noch einmal 1700 Arbeitsplätze in Deutschland gestrichen und weitere 1000 Stellen ausgelagert oder verlagert werden sollen.
Schon im letzten Jahr hatte der Elektronik-Konzern mit weltweit 351.000 Beschäftigten, davon etwa 113.000 in Deutschland, den Abbau von 1700 Arbeitsplätzen im Unternehmensbereich Automatisierungs- und Antriebstechnik angekündigt. Anfang dieses Jahres kamen noch mehrere Hundert Arbeitsplätze im Siemens Getriebemotorenwerk Tübingen sowie in der Windkraftsparte in Dänemark dazu, die den Streichungsplänen des Konzernvorstands zum Opfer fallen.
Die zuletzt angekündigten Sparmaßnahmen des Siemens-Vorstands werden keinesfalls die letzten sein. So äußerte sich die Siemens-Personalchefin Janina Kugel zu dem jüngsten Umbau- und Abbauplan: „Ich wünschte, ich könnte Ihnen sagen: Jetzt sind wir durch. Aber der Wandel wird uns weiter begleiten, und zwar dauerhaft.“
Stark gespart werden soll auch bei den Ausbildungsplätzen. Die Zahl der bundesweiten Ausbildungsstandorte soll von derzeit 33 auf 18 reduziert werden. Diese Woche berichtete die Westdeutsche Allgemeine Zeitung, dass der Ausbildungsstandort Duisburg mit 200 Ausbildungsplätzen für die Metall- und Elektroindustrie nach Informationen des Betriebsrats bis spätesten 2022 geschlossen werden soll.
Generell wolle Siemens in Zukunft nur noch für den eigenen Bedarf ausbilden. Bisher wurde auch darüber hinaus für andere ausgebildet, in der Regel für kleinere Unternehmen, die sich eine eigene Ausbildung nicht leisten können. Zurzeit lernen in Duisburg 129 Auszubildende und 34 Studenten.
Für den Ausbildungsbeginn zum 1. September haben bereits weitere 40 Azubis und Studenten einen Ausbildungsvertrag bei Siemens in Duisburg unterschrieben. Eine Schließung dieses Standorts hat starke Auswirkungen für junge Leute in Duisburg und der Region, in der die Arbeitslosigkeit heute schon grassiert und besonders die Jugend betrifft.
Die jüngsten Abbaupläne werden besonders die Siemens-interne IT in Mitleidenschaft ziehen. Hier trifft es im Ganzen 1350 Arbeitsplätze. 700 davon sollen an externe Dienstleister ausgelagert und 650 gestrichen werden. Die Süddeutsche Zeitung, die in der Regel gut über Siemens-interne Vorgänge unterrichtet ist, geht davon aus, dass zumindest ein Teil dieser Arbeiten in Zukunft von dem französischen IT-Dienstleister Atos übernommen werden soll. Atos ist schon seit mehreren Jahren als IT-Dienstleister für Siemens tätig.
Vorstandschef Joe Kaeser begründete die neuen Abbau-, Verlagerungs- und Einsparpläne mit der angestrebten Umwandlung des Siemens-Konzerns in ein digitales Unternehmen. Auch führte er die Bedeutung von Industrie 4.0 ins Feld, ein Thema, das nicht nur bei Siemens ständig dafür herhalten muss, wenn es darum geht, Kahlschlagpläne zu rechtfertigen.
Auf den ersten Blick erscheint es widersinnig, in dem Zusammenhang ausgerechnet im IT-Bereich Hunderte von Arbeitsplätzen zu streichen. Unter kapitalistischen Verhältnissen werden aber die Möglichkeiten der Digitalisierung in erster Linie dafür genutzt, um durch den Abbau von Arbeitsplätzen Kosten zu sparen und die Arbeitsintensität und Arbeitshetze für die verbleibenden Arbeiter und Angestellten zu steigern. Das alles überragende Ziel besteht darin, die Profite und den Aktienkurs in die Höhe zu treiben.
Die Siemens-Manager gehen davon aus, dass externe Dienstleister kostengünstiger sind. Sie wollen spezielle Kenntnisse im IT-Bereich gezielt für bestimmte Projekte einkaufen, um sie dann, wenn sie nicht mehr benötigt werden, jederzeit wieder kündigen zu können.
Das gleiche Phänomen trifft für den Bereich Logistik im Unternehmensbereich „Digitale Fabrik“ zu. Diese stellt eigentlich auch einen Schwerpunkt der künftigen Siemens-Strategie dar und ist schon heute hoch profitabel. (Allein im abgelaufenen Quartal erzielte Siemens in seinem Industriegeschäft einen Gewinn von etwa 2,5 Milliarden Euro – eine Steigerung von 18 Prozent.)
Auch hier wird kräftig gekürzt. Besonders betroffen sind die Arbeiterinnen und Arbeiter in den hoch effizienten Lagern und Lieferzentren in Nürnberg, Fürth, Erlangen und Amberg. Dort sollen 600 Arbeitsplätze gestrichen werden.
Das kommt einer Katastrophe für alle Betroffenen gleich, denn dieser Teil von Bayern wurde auch schon von den letzten Abbauplänen bei Siemens stark betroffen. In ländlichen Regionen wie Amberg sind kaum andere Arbeitsplätze zu finden. Anstelle der bisher zu Siemens gehörenden Lieferzentren soll in der Region Amberg ein neues Logistikzentrum gebaut und von einem externen Dienstleister betrieben werden.
Weitere 450 Arbeitsplätze sollen in Fürth im dortigen Elektronikwerk wegfallen. Das ist jeder dritte der jetzt noch 1350 dort Beschäftigten.
IG Metall und Betriebsräte, die dank ihren gut dotierten Stellungen im Aufsichtsrat und im Wirtschaftsausschuss in alle Pläne aufs engste eingebunden sind, äußerten auch diesmal wieder „Erstaunen“ und „Erschrecken“ über die Größenordnung des Arbeitsplatzabbaus.
So sagte Betriebsrat Andreas Kupfer vom Fürther Elektronikwerk den Nürnberger Nachrichten: „Wir wussten zwar, dass wir auf der Beobachtungsliste standen. Aber mit der Größenordnung hatte niemand gerechnet.“ Der IG Metall-Funktionär Hagen Reimer, der für die Siemens-Standorte in München zuständig ist, äußerte sich fast wortgleich gegenüber der Frankfurter Rundschau: „Es wurde etwas gemunkelt, aber das Ausmaß überrascht.“
Zwar werden vereinzelte Informations- und Protestversammlungen organisiert, aber einen effektiven Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze gibt es nicht. Stattdessen wird mit der Unternehmensleitung darüber verhandelt, wie der erneute massive Arbeitsplatzabbau „sozialverträglich“ durchgesetzt werden kann.
Im Krefelder Werk der Sparte Mobility, wo Züge, Straßen- und U-Bahnen gebaut werden, sollen von den derzeit noch 2400 Arbeitsplätzen 300 gestrichen werden. In einem Artikel der Rheinischen Post vom 13. Mai wurde vermutet, dass der Abbau der Arbeitsplätze beim Zugwerk in Krefeld dem „Aufhübschen der Braut“ diene. Das ist eine Anspielung auf die Geheimgespräche über einen Zusammenschluss der Bahnsparten von Bombardier und Siemens, die seit Jahresbeginn hinter dem Rücken der Belegschaften laufen.
Sollte es zu einer Fusion kommen, würden bei beiden Unternehmen Tausende von Arbeitsplätzen auf dem Spiel stehen. Bombardier und Siemens bereiten sich damit auf einen wachsenden Konkurrenzkampf und Handelskrieg vor.
Gewerkschaften und Betriebsräte beider Unternehmen sind in die Geheimgespräche auf höchster Ebene eingebunden, aber den Arbeitern gegenüber hüllen sie sich in Schweigen.
Die nationalistische Politik der Gewerkschaften drückt sich in der Forderung nach einer „Deutschlandstrategie“ aus, die IG Metall und Betriebsrat ausdrücklich an den Siemens-Vorstand gerichtet haben. Mit der Rechtfertigung, die „Wettbewerbsfähigkeit“ des „eigenen Unternehmens“ zu verteidigen, tragen sie die Angriffe auf Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen mit und spielen die Belegschaften verschiedener Abteilungen, Standorte und Länder gegeneinander aus.
Der weitere Arbeitsplatzabbau bei Siemens und die Fusionsverhandlungen von Bombardier und Siemens unterstreichen erneut, wie dringend es ist, dass sich Arbeiter international zusammenschließen und gemeinsam gegen Arbeitsplatzvernichtung, wachsende Ausbeutung und die zunehmenden Gefahren von Handelskrieg und Krieg kämpfen. Doch um diesen Kampf erfolgreich führen zu können, ist es notwendig, mit der nationalistischen Politik der Gewerkschaften zu brechen.
Grundlage des Kampfs muss eine internationale, sozialistische Perspektive sein, die die Interessen und Bedürfnisse der Arbeiter höher stellt als die Profite der Konzerne.