Deutsche Medien und Julian Assange: Schweigen und Verunglimpfung

Über eine Woche nachdem ein Bundesgericht die Zivilklage des Nationalkomitees (DNC) der demokratischen Partei der USA gegen Julian Assange abgewiesen hat, herrscht in der deutschen Medienlandschaft betretenes Schweigen. Am 30. Juli hatte Richter John Koeltl vom US Bezirksgericht New York-Süd der Behauptung der US-Demokraten und der bürgerlichen Medien, Assange sei ein „russischer Agent“, einen schweren Schlag versetzt, indem er die Verleumdung, der WikiLeaks-Gründer habe mit Russland „konspiriert“, ausdrücklich zurückwies.

Als Assange im April von der britischen Polizei aus der ecuadorianischen Botschaft gezerrt und illegal in das Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh verschleppt wurde, hatten ihn führende Zeitungen – darunter die Bild-Zeitung, die taz und die Süddeutsche Zeitung – denunziert oder seine Festnahme sogar enthusiastisch begrüßt. Nun, da ihre falschen Anschuldigungen gegen Assange von höchstrichterlicher Stelle widerlegt wurden, bringt es kaum eine deutschsprachige Zeitung fertig, über dieses wichtige politische Ereignis auch nur zu berichten.

Der einzige Artikel, der neben der Berichterstattung der WSWS bei einer Google-Suche auftaucht, erschien am 31. Juli, also einen Tag nach Zurückweisung der Klage, unter der Überschrift „US-Urteil: WikiLeaks durfte Mails aus Demokraten-Hack veröffentlichen“ auf Spiegel Online. Der Artikel ist ein Hohn auf eine objektive Berichterstattung. Er steht beispielhaft für die Selbstgleichschaltung der bürgerlichen Medien und ihre Rolle als Propagandawerkzeug der Geheimdienste und der Bundesregierung.

Der Autor des Artikels, Spiegel-Redakteur Patrick Beuth, bemüht sich auch nach dem Urteil, die anti-russische Hetzkampagne und die Mär, Assange und Wikileaks seien Handlanger des Putin-Regimes, aufrecht zu erhalten. Es bestehe „längst kein Zweifel mehr, dass russische Geheimdienste 2016 mehrere Institutionen und Mitarbeiter der US-Demokraten gehackt und die dabei erbeuteten E-Mails und Dokumente veröffentlicht haben – erst im Alleingang, später über WikiLeaks“, schreibt er gleich zu Beginn des Artikels.

Später behauptet Beuth, dass Richter Koeltl in seinem 81-seitigen Urteil deutlich gemacht habe, „dass auch er von der Schuld der Russen überzeugt ist“. Und „die Frage, ob WikiLeaks ein Presseorgan ist“, habe für Koeltl „keine Rolle“ gespielt.

Das sind nur zwei Aussagen, die die Wahrheit auf den Kopfe stellen. Tatsächlich äußerte sich Koeltl in Bezug auf Russland wie folgt: das Argument des DNC, Assange und WikiLeaks hätten „mit der Russischen Föderation konspiriert, um das Material des DNC zu stehlen und zu verbreiten“, decke sich „in keiner Weise mit den Fakten“. Auch sei das Gericht „nicht verpflichtet, abschließende Unterstellungen als Tatsachen zu akzeptieren“. Und WikiLeaks bezeichnete Koeltl klar als eine „internationale Nachrichtenorganisation“ und Assange als „Herausgeber“.

Für Beuth spielen diese Fakten „keine Rolle“, weil er eine politische Agenda verfolgt und seit langem gegen Assange und Wikileaks hetzt. In einem Kommentar für die Zeit fragte er im März 2017 provokativ: „Wie geht man um mit einer Organisation, die einerseits noch immer so beliebt ist bei Whistleblowern, dass sie weiterhin brisante Dokumente zugespielt bekommt – die aber andererseits von einem Verrückten angeführt wird, vollkommen kritikresistent ist, die eigenen Enthüllungen maßlos aufbauscht und im Verdacht steht, ein Propagandawerkzeug der russischen Regierung zu sein?“ Ein weiterer zynisch-dummer Kommentar aus seiner Hand vom 17. April 2015 trägt den Titel: „Wikileaks wird zu Lächerleaks“.

Beuth ist beileibe kein Einzelfall. Ein besonders abstoßendes Beispiel für Hetzpropaganda gegen Assange, die sich als Journalismus tarnt, lieferte unlängst die Online-Ausgabe der Tagesschau. In einem Artikel vom 24. Juli mit dem Titel „US-Wahlkampf 2016 – Welche Rolle spielte Assange?“ wiederholt die Redakteurin Silvia Stöber jede noch so dreiste Lüge der US-Regierung und der amerikanischen Geheimdienste über Assange und Wikileaks. Ohne auch nur irgendeinen unabhängigen Beleg anzuführen, behauptet sie, dass Assange „keine Berührungsängste mit der russischen Führung“ und Kontakte zum „russischen Militärgeheimdienst“ habe.

All das dient dem durchschaubaren Ziele, Assange als Journalist zu diskreditieren und ihn stattdessen als russischen Agenten zu brandmarken. Stöber ist sich dabei voll bewusst darüber, welche reaktionäre Kampagne sie mit ihrer Propaganda unterstützt. „Außenminister Mike Pompeo nannte WikiLeaks einen ‚nichtstaatlichen, feindlichen Geheimdienst‘. Assange droht bei einer Auslieferung in die USA eine lange Hafstrafe“, stellt sie am Ende ihres Artikels fest. Tatsächlich könnte Assange in den USA für den Vorwurf des Geheimnisverrats sogar die Todesstrafe drohen.

Das gute an Stöbers Kommentar ist, dass er einen Einblick in die politischen Motive gibt, die hinter der Kampagne gegen Assange und Wikileaks stehen. Die westlichen Regierungen und ihre Lakaien in den bürgerlichen Medien hassen Assange schlicht und einfach deshalb, weil er das getan hat, was wirkliche Journalisten tun sollten – die Wahrheit enthüllen. Zusammen mit Chelsea Manning hat der Herausgeber von WikiLeaks allen voran die Kriegsverbrechen der USA, aber auch der anderen imperialistischen Mächte, publik gemacht und gegen die Kriegstreiber Stellung bezogen.

Assange habe öffentlich „über seine Abneigung gegen die Demokratin Hillary Clinton“ gesprochen, klagt Stöber. „In seinen Augen“ verkörpere „sie eine imperialistische, kriegslüsterne US-Außenpolitik“, und „während ihrer Zeit als Außenministerin“ habe „WikiLeaks unter anderem Lageberichte von US-Diplomaten veröffentlicht“. Viele der von WikiLeaks veröffentlichten Dokumente hätten „den USA, Deutschland oder der NATO“ geschadet.

Damit meint sie wahrscheinlich auch ihre eigene „Arbeit“. Stöber ist ein Paradebeispiel jener gut vernetzten „Journalisten“, die im wesentlichen als verlängerter Arm der deutschen Außen- und Kriegspolitik fungieren. Als sogenannte „Georgien-Expertin“ der ARD steht Stöber an vorderster Front in der Kampagne gegen Russland. Ein auf der offiziellen Website des Auswärtigen Amts veröffentlichtes Interview mit dem damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) über die Nato-Aufrüstung gegen Russland und eine mögliche Nato-Mitgliedschaft Georgiens legt davon beredtes Zeugnis ab. In einem anderen Artikel spricht sich Stöver für höhere Verteidigungsausgaben aus und fordert „eine Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit“.

Die mediale Propaganda ist auch deshalb so aggressiv, weil die Opposition gegen Militarismus und die Unterstützung für Assange unter Arbeitern und Jugendlichen enorm ist. Die Petition „Verhindert die Auslieferung von Julian Assange an die USA!“ auf der Plattform change.org haben mittlerweile fast 330.000 Menschen unterschrieben. Und auch die internationale Kampagne der World Socialist Web Site und der Sozialistischen Gleichheitsparteien weltweit, Assanges Auslieferung an die Vereinigten Staaten zu verhindern und sowohl ihm als auch Chelsea Manning die Freiheit zurückzugeben, bekommt wachsende Unterstützung.

Meldet euch hier an, um am Kampf für die Verteidigung von Julian Assange teilzunehmen!

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