In der vergangenen Woche kündigten mehrere Unternehmen den massiven Abbau von Stellen an. Die Beschäftigten sollen die Kosten der Coronakrise tragen, damit die Dividenden der Aktienbesitzer gesichert bleiben. Die Krise wird zudem benutzt, um schon zuvor beschlossene Umstrukturierungsmaßnahmen zu beschleunigen.
So war die Ankündigung des größten deutschen Kaufhauskonzerns, der fusionierten Galeria Kaufhof Karstadt, fast die Hälfte seiner Filialen zu schließen, absehbar, wenn auch nicht in diesem Ausmaß.
Der Konzern befindet sich bereits in einem Schutzschirmverfahren. In dieser Vorstufe zum Insolvenzverfahren führt die Chefetage weiterhin die Geschäfte, während die Ankündigung von Schließungen und Massenentlassungen den beigestellten Insolvenzverwaltern übertragen wird.
Wie die Wirtschaftswoche und die Nachrichtenagentur Reuters am Freitag berichteten, planen der vom Gericht bestellte Sachwalter Frank Kebekus und der Generalbevollmächtigte Arndt Geiwitz, der schon den Schlecker-Konzern abgewickelt hatte, bis zu 80 der über 170 Kaufhäuser zu schließen. In den verbliebenen Häusern sollen zusätzlich bis zu zehn Prozent der Stellen abgebaut werden.
Am Samstag berichtete der Kölner Stadt-Anzeiger, gestützt auf einen Insider aus dem Unternehmenskreis, dass auch rund 20 der 30 Filialen von Karstadt-Sport vor dem schnellen Aus stünden. Das beträfe rund 1000 Angestellte. Noch härter soll es die neu gegründete Tochter Atrys treffen, die die Reisebüros von Galeria betreibt. Laut der Zeitung sollen 100 der 130 Reisebüros schließen.
Außerdem soll in der Essener Zentrale von Galeria, in der aktuell 1600 Menschen arbeiten, eine dreistellige Zahl an Arbeitsplätzen wegfallen. Die Zentrale von Karstadt-Sport mit 60 Mitarbeitern, ebenfalls in Essen, soll ersatzlos gestrichen werden.
Auch Zulieferer der Warenhauskette sind inzwischen betroffen. Der Handtaschenhersteller Picard mit weltweit 2000 Beschäftigten hat letzte Woche den Abbau von Arbeitsplätzen angekündigt. 30 Prozent seiner Taschen vertreibt der Familienkonzern über die Kaufhauskette. Picard hat Anfang der Woche beim Amtsgericht Offenbach ein Schutzschirmverfahren beantragt.
Die Geschäftsleitung von Galeria Kaufhof Karstadt hatte die Beschäftigten in einem Brief schon zuvor auf die Entlassungen vorbereitet. „Galeria Karstadt Kaufhof hat während der Zeit der Komplettschließung mehr als eine halbe Milliarde Euro verloren.“ Die Umsätze der letzten acht Wochen, darunter das wichtige Ostergeschäft, fehlten, der Rückstand sei nicht aufzuholen. „Insgesamt dürfte sich der Umsatzverlust auf bis zu einer Milliarde Euro erhöhen“, erklärte die Geschäftsleitung.
Nun sollen also die Beschäftigten mit ihren Arbeitsplätzen für die Umsatzverluste zahlen. Laut den Berichten gibt es aber noch keine endgültigen Beschlüsse über die Zukunft der gut 25.000 Beschäftigten. Mit den Vermietern der Warenhäuser werde derzeit noch über Mietminderungen gesprochen, die Auswirkungen auf den Arbeitsplatzabbau haben könnten.
Der Konzern gehört der Signa-Holding des österreichischen Immobilien-Investors René Benko. Zwar hat Benko in letzter Zeit mehrere Warenhaus-Immobilien im Paket verkauft, besitzt aber immer noch einen großen Teil der Warenhäuser selbst. Ohnehin gilt sein Interesse den Immobilien, die er mit den beiden Kaufhauskonzernen erworben hat und die er nun gewinnträchtig verwertet.
Das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) erinnert zurecht daran, dass das jetzt vorgelegte Kahlschlagskonzept schon bei der Fusion Ende 2018 in „Branchen- und Unternehmenskreisen gehandelt“ worden sei. „Dient Corona nur als Vorwand, um alte Sanierungskonzepte der Warenhauskette Karstadt Kaufhof wieder aus der Schublade zu ziehen?“ fragt Autor Frank-Thomas Wenzel.
Galeria Kaufhof Karstadt ist nicht der einzige Konzern, der die Krise ausnutzt, um bereits geplante Umbaumaßnahmen auf den Rücken der Beschäftigten ablädt.
Deutschlands größtes Geldhaus, die Deutsche Bank, die schon seit langem Beschäftigte entlässt, hat letzte Woche angekündigt, dies zu beschleunigen. Bis Ende 2022, also innerhalb von gut zweieinhalb Jahren, will der Vorstand die Zahl der Vollzeitstellen im Konzern um etwa 18.000 auf weltweit 74.000 verringern.
Am Sonntag berichtete der Vorsitzende der Eisenbahngewerkschaft EVG, Klaus-Dieter Hommel, die Bahn gefährde mehr als 10.000 der aktuell 213.000 Stellen. Die Bahn wolle im Gegenzug für staatliche Hilfen etwa fünf Milliarden Euro einsparen, davon etwa 2,25 Milliarden beim Personal, sagte Hommel in der Bild am Sonntag.
Einer der größten Reiseveranstalter in Deutschland, der TUI-Konzern, hat ebenfalls in der letzten Woche den Abbau von 8000 Stellen angekündigt. Im März hatte TUI die Geschäftstätigkeit fast komplett eingestellt, bislang sind Reisen bis 14. Juni abgesagt. Das Sommerprogramm sei derzeit nur zu 35 Prozent ausgebucht.
„Die Saison startet später, könnte dafür aber länger dauern“, sagte TUI-Chef Friedrich Joussen. Viele Beschäftigte sind in Kurzarbeit, über die staatliche Förderbank KfW erhält der Konzern zusätzlich einen Kredit von 1,8 Milliarden Euro. Nun will er die Verwaltungskosten um 30 Prozent senken. Das werde „weltweit Auswirkungen auf rund 8000 Stellen haben, die wir nicht besetzen oder abbauen“, sagte Joussen. Die TUI solle „gestärkt aus der Krise hervorgehen“.
Auch andere Konzerne, die durch die Reisebeschränkungen Verluste verzeichnen, haben sich in den letzten Tagen und Wochen mit Abbau-Plänen zu Wort gemeldet. Der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport bereitet die rund 22.000 Beschäftigten auf einen nicht näher bestimmten Stellenabbau vor. Aktuell seien noch mehr als 18.000 von ihnen in Kurzarbeit.
Während der Lufthansa-Konzern mit der Bundesregierung um einen Kredit von bis zu 10 Milliarden Euro feilscht und mindestens 18.000 Stellen abbauen will, hat die Lufthansa-Tochter Brussels Airlines letzte Woche bekanntgegeben, bis zu 1000 Stellen zu streichen. Das beträfe ein Viertel der Belegschaft.
Der Flugzeugbauer Airbus hat derweil angekündigt, 10.000 Stellen zu streichen. Schon Ende April hatte der Airbus-Chef Guillaume Faury in einem Brief an die 135.000 Beschäftigten geschrieben: „Das Überleben von Airbus steht infrage, wenn wir jetzt nicht handeln.“ Die Beurlaubung von 6000 Mitarbeitern könnte erst der Anfang sein, hatte er die Belegschaft damals gewarnt.
Die Gewerkschaften unterstützen diesen Kurs und richten, wenn überhaupt, zahnlose Appelle an die Konzerne. An die TUI-Manager gerichtet, die einen Staatskredit über 1,8 Milliarden Euro erhalten, sagte der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Reiner Hoffmann letzten Donnerstag der Neuen Osnabrücker Zeitung: „Wenn der Staat hilft, müssen unterm Strich mehr Arbeitsplätze erhalten bleiben.“
Die Betriebsräte von Galeria Kaufhof Karstadt und die Gewerkschaft Verdi haben den jetzigen Kahlschlag seit Jahren mit immer neuen Kürzungen bei Arbeitsplätzen und Löhnen vorbereitet, die angeblich die Wettbewerbsfähigkeit sichern sollten. Noch vor Weihnachten habe der Konzern die Zukunft für das Warenhaus und damit auch eine Standort- und Beschäftigungssicherung tarifvertraglich zugesichert. Nun komme ein Kahlschlag auf Kosten der Beschäftigten, klagen sie und appellieren an die Politik, dies nicht zuzulassen.
Die von Verdi angekündigte „harte Auseinandersetzung“ ist reiner Bluff. Denn die Gewerkschaften vertreten nicht die Interessen der Beschäftigten gegen die Konzerne, sondern umgekehrt, die Interessen der Unternehmen und ihrer Aktionäre gegen die Belegschaften.
Damit die Arbeitsplätze, die Gesundheit und das Leben der Belegschaften in der Corona-Krise erhalten bleiben, ist es notwendig, politisch und organisatorisch mit den Gewerkschaften zu brechen. Die Sozialistische Gleichheitspartei und die WSWS schlagen vor, betriebliche Aktionskomitees zu gründen, die nicht nur die Verteidigung der Arbeitsplätze, sondern auch den Schutz der Beschäftigten angesichts der schrittweise wieder aufgenommenen Arbeit organisieren.
Wir lehnen die Rückkehr zur Arbeit ab, solange der Schutz vor Ansteckung mit dem gefährlichen Virus nicht gewährleistet werden kann. Gleichzeitig müssen alle Arbeiter ein Einkommen erhalten, dass ihren Familien einen ordentlichen Lebensstandard garantiert.
Die Milliarden an Staatshilfen, die jetzt in die Großkonzerne und Banken fließen, müssen eingesetzt werden, um die Pandemie einzudämmen und ihre sozialen Folgen zu überwinden. Die großen Konzerne müssen enteignet und unter Arbeiterkontrolle gestellt werden. Dasselbe gilt für die Banken, Hedgefonds und Vermögen der Reichen. Nur so können alle vorhandenen Ressourcen zur Befriedigung der dringenden gesellschaftlichen Bedürfnisse genutzt werden.