Am Montag veröffentlichte die spanische Zeitung El País Auszüge aus einem Brief, in dem 73 Offiziere a.D. den spanischen König Felipe VI. zum Handeln gegen die gewählte Regierung aus Partido Socialista Obrero Español (PSOE) und Podemos aufrufen. Sie machen die angeblich „sozial-kommunistische Regierung“ für den „Verfall der nationalen Einheit“ verantwortlich.
Nur wenige Wochen zuvor hatten 39 ehemalige Luftwaffenkommandeure einen ähnlich provokanten Brief an das Europäische Parlament und den König geschickt. Darin erklärten sie, die PSOE/Podemos-Regierung betreibe die „Vernichtung unserer Demokratie“ und versicherten dem König ihre „tiefe Loyalität“.
Während Teile des Militärs mehr oder weniger offen über einen Putsch diskutieren, um eine Diktatur gegen die Arbeiterklasse zu errichten, bewahrt die „linkspopulistische“ Podemos eisiges Schweigen. Die einzige öffentliche Reaktion der Regierung stammt von der Verteidigungsministerin Margarita Robles, die auch eine der vier spanischen Vizepräsidenten ist und am Dienstag während der Haushaltsdebatte im Parlament den König verteidigte. Die Podemos-Abgeordneten spendeten lautstarken Beifall.
Robles erklärte: „Das Staatsoberhaupt gehört allen, nicht nur denjenigen, die ihn mit bestimmten Briefen in Verbindung bringen.“ Sie erklärte, die Unterzeichner der Briefe „tun nicht, was sie als Staatsdiener oder Verteidiger der Werte des Militärs und der Militärfamilie tun sollten“.
Das heißt, die PSOE/Podemos-Regierung geht stillschweigend darüber hinweg, dass Teile des Offizierskorps über einen Putsch beraten. Stattdessen versucht sie, den Ruf des Königs zu schützen, obwohl sich dieser weder von dem Brief distanziert noch erklärt hat, warum das Königshaus die Briefe zuvor nicht öffentlich gemacht hat.
Robles kündigte keine Untersuchungen gegen die Unterzeichner der Briefe, ihre Beziehungen zu möglichen Putschisten unter den aktiven Offizieren oder das Ausmaß faschistischer Gesinnungen im Militär an. Stattdessen sprach sie den ehemaligen Generälen, die heute Abgeordnete der faschistischen Vox sind, ihre „Anerkennung“ aus. Sie bezeichnete ihre faschistische Politik als „legitime Option“ und behauptete, sie würden das verteidigen, „was ihrer Meinung nach die Interessen der Bürger sind. Ihnen gilt meine Dankbarkeit, obwohl wir so unterschiedlich sind.“
Der Applaus der PSOE/Podemos-Regierung für Vox, deren Führer die blutige faschistische Diktatur General Francisco Francos verteidigen, entlarvt ihre eigene reaktionäre Rolle. Die PSOE und Podemos haben viel mehr Angst vor einem explosiven Anwachsen des Widerstands von links, unter Arbeitern und Jugendlichen, als vor den rechtsextremen Putschplänen gegen ihre Regierungskoalition.
Das Gleiche gilt für eine ganze Schicht aus dem politischen Umfeld von Podemos, die über die Putschdrohungen der Offiziere schweigt. Die pablistischen Anticapitalistas, die erst vor sechs Monaten aus Podemos ausgetreten sind, erwähnen das Thema weder auf ihrer Nachrichtenseite Poder Popular noch in ihrem Onlinemagazin Viento Sur. Izquierda Revolucionaria, der spanische Ableger des Committe for a Workers’ International, der innerhalb von Podemos tätig ist, äußerte sich ebenso wenig.
Corriente Revolucionaria de Trabajadores y Trabajadoras (Revolutionäre Arbeitertendenz), die spanische Sektion der Moreno-Anhänger Trotzkistische Fraktion – Vierte Internationale (FT-CI), veröffentlichte in den letzten zwei Tagen ein Dutzend Artikel in der spanischen Ausgabe seines täglich erscheinenden Online-Nachrichtenportals Izquierda Diario, allerdings erwähnt nicht ein einziger davon den Brief der Generäle.
Sie schweigen, weil sie zwar formal außerhalb von Podemos stehen, aber ein kaum getarnter Flügel der PSOE/Podemos-Regierung sind. Sie sprechen für Teile der wohlhabenden Mittelschichten und hoffen, von der engen Einbindung in die kapitalistische Staatsmaschinerie zu profitieren. Ihr Ziel ist es, den linken Widerstand unter Arbeitern zu unterdrücken.
Podemos hat sich vor Kurzem der Kommission angeschlossen, die EU-Rettungsgelder in Höhe von 140 Milliarden Euro an Banken und Konzerne verteilt. Sie setzt die EU-Corona-Politik der „Herdenimmunität“ um, die allein in Spanien zu 1,5 Millionen Infektionen und mehr als 65.000 Todesopfern geführt hat. Andererseits behauptet sie, es sei kein Geld für eine wissenschaftliche Bekämpfung des Virus vorhanden. Sie setzt den Austeritätskurs der EU fort und schüttet Milliarden Euro aus dem Etat an die Streitkräfte aus.
Zudem sitzt der Vizepräsident und Podemos-Generalsekretär, Pablo Iglesias, in der Kommission, die die Aktivitäten des spanischen nationalen Geheimdienstes CNI lenkt.
In dieser Funktion erhält Iglesias regelmäßig Berichte von Beamten, die jede Form von politischem Widerstand in Spanien bespitzeln. Wie El Confidencial vor Kurzem berichtete, erhält der CNI alle 15 Tage einen Bericht von der Digital-Überwachungsbehörde, die Tausende von Websites und Social-Media-Seiten auf „Desinformationen“ überwacht. Davon sind vor allem Seiten betroffen, die den Kapitalismus, die spanische Regierung, die Nato und die EU ablehnen.
Diese Informationen hat die PSOE/Podemos-Regierung benutzt, um rücksichtslos gegen linken Widerstand vorzugehen. Kurz bevor Podemos der PSOE-Regierung beigetreten war, hatte die PSOE die brutale Unterdrückung von Massenprotesten von Arbeitern und Jugendlichen gegen die Inhaftierung katalanischer Nationalisten und politischer Gefangener angeordnet. Zu Beginn der Pandemie hatte sie die Polizei gegen Stahlarbeiter eingesetzt, die für das Recht streikten, zu Hause zu bleiben, um sich vor einer Infektion zu schützen.
Gegen rechtsextreme Generäle, die über einen Putsch diskutieren, hat Podemos jedoch nichts unternommen. Im Jahr 2018 unterzeichneten mehr als 1.000 Offiziere a.D., darunter 62 frühere Generäle, ein Manifest, in dem Franco verherrlicht wurde. Ein Jahr später schrieb der ehemalige Generalstabschef Fulgencio Coll Bucher, ein führendes Mitglied von Vox, einen Aufsatz in der rechten Tageszeitung El Mundo, in der er zu einem Militärputsch gegen die PSOE aufrief. Im September zogen zum ersten Mal seit der Franco-Ära Soldaten, unterstützt von der Vox, durch Madrid, um bessere Löhne und Bedingungen zu verlangen.
Das Letzte, was Podemos will, ist, die Arbeiter vor faschistischen Verschwörungen im Militär zu warnen. Sie fürchtet, dass ein Ereignis, bei dem die wachsende Unzufriedenheit der Arbeiter und Jugendlichen über die Corona- und Sparpolitik mit den antifaschistischen Traditionen der europäischen Arbeiterklasse zusammenkommt, zu einer politischen Radikalisierung der Arbeiterklasse führen könnte, die sich gegen Podemos selbst richtet.
Sie lehnt eine Diskussion über den Franquismus und die Gefahr eines Putsches franquistischer Elemente der herrschenden Klasse bewusst ab. 2015 hatte Podemos-Mitbegründer Iñigo Errejón in einer Diskussion mit der „postmarxistischen“ Schriftstellerin Chantal Mouffe (veröffentlicht im Buch Podemos im Namen des Volkes) erklärt, dass er über die Lehren aus Fancos Sieg im Spanischen Bürgerkrieg und die Kämpfe der Arbeiterklasse gegen das franquistische Regime nicht diskutieren will:
Ich glaube nicht, dass sich viele Menschen für eine solche Kritik interessieren, und sie ist auch in politischem Sinne nicht sehr produktiv. Vermutlich werden wir irgendwann eine historiografische Diskussion beginnen müssen, aber ich glaube nicht, dass eine umgekehrte Form der Nostalgie – d.h. ein Abrücken von der Melancholie des Verlierers – jemals produktiv ist.
Errejón behauptete, Diskussionen über eine Perspektive und Strategie, mit der die Arbeiterklasse den Faschismus besiegen kann, seien im heutigen Spanien nicht besonders relevant. Diskussionen über den Spanischen Bürgerkrieg würden „die Älteren verängstigen und sind für die Jungen nicht von großer Bedeutung, weil es schon lange her ist. Für uns ist zwar klar, auf welcher Seite wir in einer solchen Auseinandersetzung stehen würden. Wir wissen jedoch auch, dass man mit Nostalgie keine Kämpfe gewinnt, sondern dass Niederlagen leider zu weiteren Niederlagen führen. Das ist kein Appell, das ganze Thema zu begraben, sondern ein Appell, unter den Bedingungen unserer Zeit zu kämpfen.“
In Wirklichkeit ist die Gefahr eines faschistischen Putsches, der sich gegen die wachsende Wut der Arbeiterklasse über soziale Ungleichheit, Austerität und die Politik der „Herdenimmunität“ richtet, durchaus Teil der aktuellen Politik. Die Lehren der 1930er Jahre sind von brennender Aktualität. Die oberste und dringendste Aufgabe ist die Mobilisierung der Arbeiterklasse, unabhängig von der Gewerkschaftsbürokratie und den reaktionären kleinbürgerlichen Parteien wie Podemos, um eine revolutionäre politische Führung in der Arbeiterklasse aufzubauen, die den Kampf gegen Kapitalismus und autoritäre Herrschaft anführt.