Macron empfängt al-Sisi, den Schlächter von Kairo, zum dreitägigen Staatsbesuch in Paris

Am Sonntagabend traf der ägyptische Diktator General Abdel Fattah al-Sisi zu dreitägigen Gesprächen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und anderen hohen Regierungsvertretern in Paris ein. Die Pressemitteilungen deuteten trotz der üblichen farblosen Sprache darauf hin, dass Macron und Sisi über strategische Fragen und Sisis „Menschenrechtsbilanz“ diskutieren werden.

Direkter gesagt, werden sie ihre Zusammenarbeit gegen die Türkei in den blutigen Stellvertreterkriegen um die Kontrolle über die Ölfelder in Libyen und dem östlichen Mittelmeer sowie das Thema diskutieren, für das Sisi auf der ganzen Welt berüchtigt ist: die mörderische Unterdrückung der Arbeiterklasse.

Im Juli 2013 hatte Sisi einen Putsch organisiert, bei dem er die Ermordung von Tausenden Menschen auf den Straßen Ägyptens befahl, um eine zwei Jahre andauernde revolutionäre Bewegung der ägyptischen Arbeiter zu unterdrücken. Heute regiert Sisi Ägypten durch Massenverhaftungen und die Folterung von 60.000 politischen Gefangenen. Einige Vertreter der Sozialistischen Partei (PS) und von Jean-Luc Mélenchons Unbeugsamem Frankreich (LFI) unterzeichneten aus Scham über Macrons Beziehungen zu Sisi eine Kolumne in Le Monde, in der Macron dazu aufgefordert wurde, „die Menschenrechte in den Mittelpunkt unserer bilateralen Beziehungen [zu Ägypten] zu stellen“.

Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi bei einer Pressekonferenz am 11. November 2020 [AP Photo/Costas Baltas/Pool via AP]

Tatsächlich wird Sisi Macron Ratschläge geben, wie man ein faschistisches autoritäres Regime durchsetzt gegen die wachsende Wut der Bevölkerung über den Kurs des französischen Präsidenten auf einen Polizeistaat.

Am Samstag ging die Polizei in Paris erneut mit brutaler Gewalt gegen Zehntausende Demonstranten vor, die gegen Macrons „globales Sicherheitsgesetz“ protestierten. Bereits in der Vorwoche hatten 500.000 Menschen gegen das Gesetz demonstriert. Der Gesetzentwurf löst extreme Empörung aus, weil eine seiner Klauseln – die mittlerweile überarbeitet wird – Videoaufnahmen von Polizisten verbietet. Die Vereinten Nationen haben das geplante Gesetz verurteilt, weil es „schwere Angriffe auf Menschenrechte und grundlegende Freiheiten“ möglich macht.

Der Fall des Musikproduzenten Michel Zecler macht deutlich, was dieser Gesetzentwurf möglich machen würde. Am 21. November waren Polizisten in sein Haus in Paris eingedrungen, hatten ihn brutal verprügelt und behaupteten, er sei auf sie losgegangen. Kurz bevor er dafür ins Gefängnis gebracht werden konnte, erschienen Kameraaufzeichnungen des Vorfalls, die die Anschuldigungen der Polizei als Lügen entlarvten. Wenn es verboten wäre, Polizisten zu filmen, dann würde die Bevölkerung ganz offensichtlich durch nichts mehr vor Misshandlungen und willkürlichen Inhaftierungen durch den Polizeistaat auf der Grundlage von Lügen geschützt werden.

Am Mittwoch wird Innenminister Gérald Darmanin einen endgültigen Entwurf des „Separatismusgesetzes“ vorstellen, das in orwellscher Manier in „Gesetz zur Stärkung der republikanischen Prinzipien“ umbenannt wurde. Tatsächlich gibt das Gesetz dem Staat beispiellose Befugnisse, religiöse Institutionen zu reglementieren und alle Arten von Vereinigungen – u.a. religiöse, karitative, juristische und politische Gruppierungen – aufzulösen. Bisher hat die Verfassung die Rechte dieser Gruppen seit mehr als einem Jahrhundert garantiert – abgesehen von der Zeit der Nazi-Besatzung während des Zweiten Weltkriegs.

Als Darmanin das Gesetz erstmals vorstellte, schlug er äußerst rechte Töne an und appellierte mit der Äußerung, er schätze in Supermärkten keine Regale für koschere und halale Lebensmittel, an antisemitische und anti-muslimische Gesinnungen. Seither sind 76 Moscheen vom Staat geschlossen und mehrere Vereine aufgelöst worden, darunter die Gruppe „Bündnis gegen Islamophobie“, die Muslimen Rechtsbeistand leistet.

Aus Angst vor der wachsenden gesellschaftlichen Wut hat Macron die internationalen Zeitungen aufgefordert, kritische Berichte über das Gesetz zu zensieren. Die Financial Times hat einen Artikel über den Entwurf des Gesetzes gelöscht und einen Brief von Macron veröffentlicht, in dem er ihre Berichterstattung verurteilt. Die New York Times veröffentlichte ein Interview mit Macron, in dem er ihre Journalisten über deren „Vorurteile“ in Bezug auf das Gesetz belehrt.

Einflussreiche Fraktionen der herrschenden Klasse glauben, ihre Vermögen ließen sich nur durch die Errichtung eines autoritären Regimes schützen. Vor zwei Wochen sprach der rechtsextreme ehemalige Generalstabschef Pierre de Villiers mit dem neofaschistischen Magazin Valeurs actuelles über die Notwendigkeit einer Diktatur und erklärte: „Der Rechtsstaat ist ja eine nette Sache, aber manchmal muss man auch strategisch denken.“

Am Sonntag gab de Villiers der Zeitung Le Parisien ein zweiseitiges Interview, das zusammen mit einem Leitartikel veröffentlicht wurde, laut dem er die „Überraschung der nächsten Präsidentschaftswahl“ sein könnte. De Villiers warnte vor der Gefahr einer Revolution und dem internationalen Aufleben des Klassenkampfs im Vorfeld der Corona-Pandemie. Er erklärte: „Das gesellschaftliche Klima war schon vor der Pandemie sehr schlecht. Das derzeitige Klima ist bestenfalls verbittert, schlimmstenfalls explosiv, in jedem Fall aber höchst instabil. Armut und Wut wachsen überall.“

Er verglich die Lage mit den Bedingungen vor der Französischen Revolution, dem Ersten Weltkrieg und der russischen Oktoberrevolution 1917 und fügte hinzu: „Die Dinge können sich schrittweise oder sehr schnell ändern, wenn es, wie 1789 oder 1914 einen Funken gibt. Frankreich ist ein altes demokratisches Land, ein reifes Land, aber es hat historisch gesehen Probleme damit, sich zu reformieren. Es geschieht oft mit Explosionen und Brüchen.“

De Villiers äußerte seine Angst vor einem Bürgerkrieg und forderte eine Stärkung der Polizeibefugnisse: „Heute sind unsere Polizeikräfte bis zum Zerreißen angespannt. Sie werden Opfer von Gewalttaten, wie wir sie seit dem [Generalstreik im] Mai 1968 nicht mehr erlebt haben.“

Die Ursache dieser Klassenspannungen liegt nicht in den Bedingungen in Frankreich, sondern in denen Bedingungen weltweit. Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu Staatshilfen, während die Wirtschaft unter der Last der Pandemie zusammenbricht. Gleichzeitig erhalten die Banken und Konzerne Rettungsgelder in Billionenhöhe. Diese kriminelle Politik, der drei Jahrzehnte Austerität in ganz Europa seit der stalinistischen Auflösung der Sowjetunion 1991 vorausgegangen waren, führt zu sozialer Ungleichheit in einem Ausmaß, das mit demokratischen Herrschaftsformen unvereinbar ist.

In Frankreich, einem der wohlhabenderen Länder Europas, leben neun Millionen Menschen, bzw. fast 15 Prozent der Bevölkerung, unterhalb der Armutsgrenze mit einem Einkommen von unter 900 Euro pro Monat. Die Hälfte von ihnen ist jünger als 30 Jahre.

Die internationale Arbeiterklasse muss die Ereignisse in Frankreich als Warnung verstehen: Einflussreiche Fraktionen der herrschenden Klasse reagieren auf die Gefahr einer Revolution mit dem bewussten Aufbau eines faschistischen Polizeistaats. Im Jahr 1929, als sich die herrschenden Klassen in Deutschland und ganz Europa darauf vorbereiteten, den Faschisten die Macht zu übergeben, erklärte der große marxistische Revolutionär Leo Trotzki:

Analog der Elektrotechnik könnte man die Demokratie als ein System von Sicherheitsschaltern und Stromunterbrechern zur Sicherung gegen durch nationale oder gesellschaftliche Kämpfe überlastete Stromleitungen definieren. Keine Epoche in der menschlichen Entwicklung ist auch nur annähernd so mit Antagonismen überlastet gewesen wie unsere. Die Überlastung von Leitungen tritt an verschiedenen Stellen des europäischen Stromnetzes immer häufiger auf. Unter der Belastung von übererhitzten Klassen- und internationalen Widerständen, brennen die Sicherungen der Demokratie durch oder explodieren. Genau darin liegt die Bedeutung des Kurzschlusses der Diktatur.

Er fügte hinzu: „Gicht mag im kleinen Finger oder der großen Zehe beginnen, aber irgendwann erreicht sie das Herz.“ Diese Aussage könnte sich an alle richten, die glauben, die Diktatur könne sich nicht von Ägypten nach Europa ausdehnen.

Diese Ereignisse bestätigen die Position, welche die Parti de l’égalité socialiste (PES) in der Präsidentschaftswahl 2017 eingenommen hat. Sie rief zu einem aktiven Boykott der Stichwahl zwischen Macron und der neofaschistischen Kandidatin Marine Le Pen auf und warnte, Macron sei keine politische Alternative zu dem rechtsextremen Regime, das Le Pen als Präsidentin errichtet hätte. Jetzt setzt Macron selbst de Villiers rechtsextremes Programm um.

Der Widerstand gegen den Kurs auf Diktatur erfordert den Aufbau einer internationalen Bewegung der Arbeiterklasse, die gegen Kapitalismus und für Sozialismus kämpft. Verhandlungen mit Macron sind für Arbeiter genauso aussichtslos wie Verhandlungen mit Sisi. Ebenso wenig werden Proteste, die von den Gewerkschaften kontrolliert werden, die herrschende Klasse von ihrem Kurs auf Diktatur abbringen. Sie haben gemeinsam mit Macron die Rettungsaktionen und Austeritätsmaßnahmen der EU ausgehandelt.

Die wichtigste Aufgabe ist es, die Arbeiter international unabhängig von den Gewerkschaften zu organisieren und eine politische Bewegung aufzubauen, die für den Sozialismus und die Übertragung der Macht an die Arbeiterklasse kämpft.

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