Vertreter der Europäischen Union (EU) haben am Donnerstag auf die Einführung von weltweiten Zöllen durch die Trump-Regierung reagiert, indem sie Zölle auf US-Produkte in zweistelliger Milliardenhöhe ankündigten. Nachdem Washington nun einen 20-prozentigen Zoll auf alle Waren aus der EU und einen 25-prozentigen Zoll auf europäische Autoexporte verhängt hat, erleben die Beziehungen zwischen den USA und der EU einen historischen Zusammenbruch. Es wird ein Handelskrieg in Gang gesetzt, der zu beispiellosen Angriffen auf die Arbeiter in Amerika, Europa und der Welt zu führen droht.
Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, die sich derzeit in Usbekistan auf dem EU-Zentralasien-Gipfel befindet, rief Washington zu Verhandlungen auf und drohte gleichzeitig mit einer ersten Reihe von EU-Zöllen in Höhe von 26 Milliarden Euro. Sie forderte Trump auf, „von der Konfrontation zu Verhandlungen überzugehen“ und kündigte an: „Wir sind bereits dabei, ein erstes Paket von Gegenmaßnahmen als Reaktion auf die Stahlzölle fertigzustellen. Und wir bereiten uns jetzt auf weitere Gegenmaßnahmen vor, um unsere Interessen und unsere Unternehmen zu schützen, falls die Verhandlungen scheitern.“
Auf dem Spiel stehen zahllose Waren und Arbeitsplätze. Im Jahr 2023 betrug das Handelsvolumen zwischen den USA und der EU 1,6 Billionen Euro, davon 851 Milliarden Euro für Waren und 746 Milliarden für Dienstleistungen. Während Europa bei Waren einen Handelsbilanzüberschuss von 153 Milliarden Euro erzielte, hauptsächlich durch Autos, Maschinen, Luft- und Raumfahrzeuge sowie Pharmazeutika, verzeichnete es bei Dienstleistungen ein Defizit von 109 Milliarden Euro, hauptsächlich durch den Erwerb von Dienstleistungen von US-Banken und Technologiefirmen. Die USA und die EU haben zusammen mehr als fünf Billionen Euro in die Finanzmärkte der jeweils anderen Seite investiert.
Die erste Welle von Zöllen der EU richtet sich gegen US-Waren wie Jeans, Harley-Davidson-Motorräder, Stahl, Aluminium und landwirtschaftliche Erzeugnisse. Die EU könnte sich auch auf ihr sogenanntes Anti-Coercion Instrument (ACI) berufen, ein Gesetz aus dem Jahr 2023, um Handelskriegsmaßnahmen gegen Länder zu koordinieren, die nach Ansicht der EU wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen gegen sie ergreifen. In diesem Fall könnten EU-Staaten die Zahlungen an US-Banken und Technologiefirmen für Finanzdienstleistungen und die Nutzung von geistigem Eigentum kürzen.
Bisher besteht in den herrschenden Kreisen Europas Ungewissheit darüber, welche Art von Abkommen sie mit Trump aushandeln können und wie schnell und wie stark Handelskriegsmaßnahmen die europäische Wirtschaft untergraben werden.
Laut einer Schätzung der niederländischen Bank ING würde ein Zoll von 25 Prozent die EU-Warenexporte in die USA um 19 Prozent verringern. Der Wert dieser Umsatzeinbußen in Höhe von rund 100 Milliarden Euro entspricht 0,87 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU. Die wirtschaftlichen Folgewirkungen wären jedoch viel weitreichender, da Arbeiter in den betroffenen Branchen entlassen würden und ihr Einkommen und ihre Kaufkraft einbrächen. Außerdem könnten die USA und die EU noch weitere Zollrunden gegeneinander verhängen. Die ING erklärte, es sei derzeit „unmöglich“, das Ausmaß des wirtschaftlichen Zusammenbruchs durch den „Zoll-Tsunami“ abzuschätzen.
Finanzanalysten äußern Bedenken wegen der deutschen Autoexporte, die durch Preisanstiege infolge der Zölle weitgehend von den US-Märkten verdrängt werden könnten. Daniel Parker von Capital Economics erklärte: „Zölle auf Autoexporte stellen eine große Herausforderung für die deutsche Wirtschaft dar. Stuttgart, Oberbayern und die Region Braunschweig – zu der auch Wolfsburg [d.h. VW] gehört – werden wahrscheinlich am stärksten betroffen sein.“ Autowerke und Autozulieferer in Deutschland und ganz Europa, vor allem in der Slowakei, Ungarn und Österreich, würden ebenfalls schwer getroffen werden.
Vertreter der EU und große Teile des wirtschaftlichen und politischen Establishments Europas appellieren an Trump, zur Vernunft zu kommen und einem Abkommen zuzustimmen, das die Interessen der USA und Europas wieder in Einklang bringt.
Der EU-Ratspräsident und ehemalige portugiesische Ministerpräsident António Costa erklärte gegenüber Euronews:
Die Handelsbeziehungen [zwischen den USA und der EU] machen 30 Prozent des Welthandels [und] 40 Prozent des globalen BIP aus; daher werden nicht nur Europa und die USA betroffen sein, sondern alle. Deshalb ist es ein großer Fehler. ... Wir müssen entschlossen, aber auch klug reagieren. Das bedeutet, wir brauchen eine Verhandlungslösung... im gemeinsamen und gegenseitigen Interesse der USA und Europas.
Welche Vereinbarungen die EU auch immer mit Trump treffen mag, sie werden das amerikanisch-europäische Bündnis und das wirtschaftliche Gleichgewicht, wie es in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte, nicht wiederherstellen. Es prallen nicht nur die imperialistischen Interessen der USA und der europäischen Mächte aufeinander, sondern die Handelskriegsmaßnahmen werden auch die wirtschaftlichen Probleme der Arbeiter auf beiden Seiten des Atlantiks drastisch verschärfen.
Die Außenpolitik der Trump-Regierung ist ohne Zweifel europafeindlich. Neben ihren Zöllen droht sie auch damit, Dänemark Grönland wegzunehmen, und will in der Ukraine Mineralienvorkommen im Wert von hunderten Milliarden Dollar plündern, welche die EU nach dem Ende des Ukraine-Kriegs gegen Russland ebenfalls an sich reißen wollte. Doch der Konflikt zwischen den USA und der EU entspringt nicht einfach der Denkweise des rechtsextremen US-Präsidenten, sondern hat objektive Wurzeln in den inter-imperialistischen Widersprüchen zwischen Amerika und Europa.
In Trumps Handelskrieg entladen sich die amerikanisch-europäischen Spannungen, die im 20. Jahrhundert zu zwei Weltkriegen geführt haben. Sein Handelskrieg soll Amerikas relativen wirtschaftlichen Niedergang rückgängig machen, seine zunehmenden Haushalts- und Außenhandelsdefizite verringern und gleichzeitig die militärische Vorherrschaft der USA durch eine Konsolidierung der Versorgungsketten des US-Militärs verteidigen. Die EU-Mächte wiederum haben seit fast einem Jahrzehnt darüber diskutiert, wie sie ihre Industrien konsolidieren und europäische Streitkräfte aufbauen können, die letztendlich mit den amerikanischen konkurrieren können.
Während sich die Regierungen auf beiden Seiten des Atlantiks offiziell auf Verhandlungen vorbereiten, mehren sich auf beiden Seiten feindselige Äußerungen. Der geschäftsführende Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck verglich Trumps Zölle am Donnerstag mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine, den die EU militärisch bekämpft hat. Er erklärte, die Zölle seien durchaus vergleichbar „mit dem Beginn der Amtszeit, nämlich mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine und der drohenden Gasmangellage.“
US-Finanzminister Marco Rubio traf sich am Donnerstag in Brüssel mit den Nato-Außenministern, die sich auf das Ziel einigten, fünf Prozent des BIP für das Militär auszugeben, was brutale soziale Angriffe auf die Arbeiter in Europa erfordern würde. Doch Berichten zufolge lehnten Vertreter der USA die Pläne der EU ab, ihre Verteidigungsindustrie durch ein Aufrüstungspaket im Wert von 800 Milliarden Euro auszubauen, indem sie die EU-Käufe von US-Waffensystemen blockieren. Europäische Diplomaten forderten, bei den Plänen der USA konsultiert zu werden, Waffensysteme aus Europa in den Pazifik zu verlegen, um China anzugreifen.
Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot war bereits letzte Woche nach China gereist, um engere handelspolitische Beziehungen zu Peking aufzubauen. Er bat seinen chinesischen Amtskollegen Wang Yi um Unterstützung dabei, die Zölle für französische alkoholische Getränke zu beseitigen, die China eingeführt hatte, nachdem Frankreich für EU-Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge gestimmt hatte. Außerdem solle China Druck auf Moskau ausüben, die EU-Mächte an den Ukraine-Verhandlungen zu beteiligen. Wang forderte „Multilateralismus statt Unilateralismus“ in der Weltpolitik, während Bardot erklärte: „Eine Reihe wichtiger Prinzipien, vor allem die des Multilateralismus, sind ins Wanken geraten.“
Während sich die Konflikte zwischen den imperialistischen Staaten verschärfen, sind Arbeiter auf beiden Seiten des Atlantiks auf ähnliche Weise mit zunehmenden Angriffen auf ihre grundlegenden sozialen und demokratischen Rechte konfrontiert. Im ersten Stadium des Handelskriegs drohen US-amerikanischen Arbeitern verheerende Preiserhöhungen sowie Entlassungen, und den europäischen Arbeitern enorme Arbeitsplatzverluste. Laut Schätzungen der EU sind europaweit fünf Millionen Arbeitsplätze von Exporten in die USA abhängig, während in den USA 2,4 Millionen Arbeitsplätze von Exporten nach Europa abhängen.
Der Handelskrieg konfrontiert die Arbeiterklasse mit der fundamentalen Unvereinbarkeit des modernen Wirtschaftslebens und der globalisierten Produktivkräfte mit dem kapitalistischen Nationalstaatensystem. Angesichts der bevorstehenden sozialen und wirtschaftlichen Angriffe ist es von entscheidender Bedeutung, die Versuche der Bourgeoisie zurückzuweisen, die Arbeiterklasse entlang nationaler Grenzen zu spalten, indem sie die Arbeiter dazu drängt, die Handelskriegspolitik ihrer eigenen kapitalistischen Regierungen unterstützen.
Es wird zu explosiven Klassenkämpfen kommen, wenn sich die Arbeiter gegen die sozialen Angriffe in Folge des Handelskriegs und der Militarisierung wehren. Die entscheidende Aufgabe ist es, diese Kämpfe über nationale Grenzen hinweg zu vereinen, vor allem indem die amerikanischen und europäischen Arbeiter in einem sozialistischen Kampf der Arbeiterklasse mit dem Ziel vereint werden, den rivalisierenden kapitalistischen Oligarchien die Kontrolle über die Produktion zu entreißen und sie den sozialen Bedürfnissen und nicht dem privaten Profit unterzuordnen.