Wije Dias, Generalsekretär der sri-lankischen Socialist Equality Party (SEP), erläuterte am Freitag bei einer Pressekonferenz das sozialistische Aktionsprogramm der SEP für die Massenproteste der arbeitenden Bevölkerung und der Jugend gegen die Regierung von Präsident Gotabaya Rajapaksa.
Seit über einer Woche demonstrieren in ganz Sri Lanka hunderttausende Arbeiter, Schüler, Fachangestellte, Arbeitslose, Hausfrauen und Landarbeiter für den Rücktritt von Rajapaksa und seiner Regierung.
Die Pressekonferenz fand in der Konferenzhalle der Nationalbibliothek von Colombo statt, eine Liveübertragung über Facebook wurde von mehr als 160 Menschen angesehen. Zu den Teilnehmern vor Ort gehörten Journalisten der tamilischen Tageszeitung Virakesari und der World Socialist Web Site.
Einen Tag zuvor hatte die SEP eine Erklärung veröffentlicht mit dem Titel: „Für den Sturz der Rajapaksa-Regierung! Für die Abschaffung der Exekutivpräsidentschaft! Nein zu Austerität und Hunger! Bildet Aktionskomitees und kämpft für ein sozialistisches Aktionsprogramm für die gesicherte Versorgung mit Nahrungsmitteln, Treibstoff und Medikamenten für alle!“
Zu Beginn seiner Rede charakterisierte Dias die Situation als Massenaufstand: „In den letzten Tagen haben sich mehrere hunderttausende Menschen im ganzen Land – Arbeiter, Jugendliche, Unterdrückte, Bauern, sogar Hausfrauen mit Kleinkindern – an der Bewegung beteiligt.“
Dias zog eine historische Parallele zum Hartal (Generalstreik und Schließung von Unternehmen) im August 1953: „Erinnern wir uns an den Hartal von 1953. Damals gab es auch einen solchen landesweiten Aufstand. Aber die Lanka Sama Samaja Party, damals die führende Partei der Arbeiterklasse, hat ihn nach einem Tag beendet.
Obwohl Arbeiter und Jugendliche noch drei Tage lang versuchten, den Kampf eigenständig fortzusetzen, wurden neun Demonstranten erschossen und die kapitalistische Regierung konnte den Kampf beenden. Seitdem ist dies der heftigste Kampf, der in diesem Land ausgebrochen ist.
Auch wenn der heutige Kampf die Entschlossenheit der Arbeiter, der Jugend, der Bauern und der verschiedenen unterdrückten Teile der Gesellschaft zeigt, besteht eine große Lücke, wenn man sich die Perspektive und das Programm des Kampfs anschaut. Diese große Lücke wird gemeinsam von sämtlichen angeblich linken Organisationen, Gewerkschaften und Pseudolinken geschaffen.“
Dias erklärte: „Jetzt ist die Frage der Perspektive dieser bei Tag und Nacht stattfindenden Kämpfe in den Vordergrund gerückt. Die Massen wurden zwar mit der Parole ,Der Präsident muss fort‘ mobilisiert, aber sie brauchen eine Perspektive.
Die Socialist Equality Party und ihre Jugendbewegung, die International Youth and Students for Social Equality, sind die einzigen Organisationen, die sich mit der Frage der Perspektive für die Kämpfe der Arbeiterklasse, der Unterdrückten und der Jugend auseinandersetzen.“
Dias erklärte: „Die Menschen gehen auf die Straße gegen Mangel und lange Schlangen für Benzin, Kochgas oder Milchpulver und die stark steigenden Preise für Grundgüter.“ Um diese Bedürfnisse zu erfüllen, müsse die Arbeiterklasse die Staatsmacht übernehmen und eine Arbeiter- und Bauernregierung errichten, um ein sozialistisches Programm zu implementieren.
Weiter erklärte er, diese Fragen würden nicht breit diskutiert. Dieses Fehlen einer politischen Perspektive würden die Regierung, die Oppositionsparteien und die Pseudolinken ausnutzen, um die Massen auf die Bildung einer alternativen bürgerlichen Regierung zu beschränken.
Dias fuhr fort: „Die SEP warnt die Bevölkerung eindringlich, sich nicht in diese Falle locken zu lassen. Es wird die Bildung einer Übergangsregierung aus allen Parteien vorgeschlagen, unter Beibehaltung der Exekutivpräsidentschaft, die Notstandsdekrete und Ausgangssperren gegen Massenproteste verhängt hat und sie durch Polizei und Militär unterdrücken ließ.“
Im Gegensatz dazu fordert die SEP die Abschaffung der Exekutivpräsidentschaft und den Kampf für eine Arbeiter- und Bauernregierung: „Diese Art von Regierung wird nicht durch das Parlament errichtet werden. Dafür muss die Arbeiterklasse, mit der Unterstützung der Unterdrückten, ihre eigenen Organisationen bilden.
Die SEP schlägt zu diesem Zweck Aktionskomitees vor. Diese müssen von Arbeitern in allen Betrieben und auf allen Plantagen gegründet werden und unabhängig von den bürgerlichen Parteien und ihren Anhängseln agieren.“
Um die Arbeit der Aktionskomitees anzustoßen, stellte Dias Übergangsforderungen auf, die auf die drängenden Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung und der Landarbeiter eingehen.
„Die Regierung versucht jetzt, dem internationalen Finanzkapital eine Milliarde Dollar zurückzuzahlen. Das muss sofort gestoppt werden.“ Die Arbeiterklasse müsse die Angelegenheit in die eigene Hand nehmen und einschreiten, um alle Schuldenzahlungen beenden.
„In den 74 Jahren seit der so genannten Unabhängigkeit haben Regierungen jeder Couleur diese Schulden nicht zum Wohle der Bevölkerung angehäuft, sondern um Streitkräfte aufzubauen und die Forderungen der Investoren umzusetzen, um den Kapitalismus zu schützen.
Jetzt soll die Bevölkerung für die Tilgung dieser Schulden zahlen. Deshalb ist es völlig gerechtfertigt, Widerstand gegen die Tilgung der Schulden zu leisten... Dieses Geld muss benutzt werden, um die drängenden Probleme der Arbeiter, der Unterdrückten und der Jugend zu lösen.“
Dias warnte, die vom IWF diktierten Austeritätsmaßnahmen, welche die Regierung mit Unterstützung aller offiziellen Oppositionsparteien umsetzen wolle, würden zu Arbeitsplatzabbau, steigenden Lebenshaltungskosten, Privatisierungen und der Abschaffung von Sozialmaßnahmen führen. Die Aktionskomitees müssten daher gegen diese Austeritätsprogramme kämpfen.
„Alle großen Industriebranchen, Plantagen und Banken müssen verstaatlicht und unter die Kontrolle der Arbeiter gestellt werden.“ Dies würde den Arbeitern die demokratische Kontrolle über die Produktion und Verteilung aller Ressourcen geben, die für die Bevölkerung lebenswichtig sind.
Dias erklärte, die Verbündeten der sri-lankischen Arbeiter im Kampf gegen den Angriff der herrschenden Klasse auf ihre grundlegenden sozialen und demokratischen Rechte seien ihre Kolleginnen und Kollegen im Rest der Welt, u.a. in den USA, Europa, Afrika, Lateinamerika und Asien, die bereits den Kampf gegen ähnliche Angriffe aufgenommen haben.
Er erklärte weiter, das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) kämpfe „durch die WSWS dafür, die Aufmerksamkeit der internationalen Arbeiterklasse auf den Kampf der sri-lankischen Arbeiter zu lenken und die Unterstützung dieser Arbeiter zu mobilisieren“.
Dias fuhr fort, die imperialistische Intervention in der Ukraine könne einen dritten Weltkrieg auslösen. Er erklärte außerdem, wie der Kriegskurs der USA und der Nato gegen Russland die Wirtschaftskrise verschärft hat, mit der die herrschende Klasse Sri Lankas konfrontiert ist. Die sri-lankischen Arbeiter müssten Teil einer globalen Antikriegsbewegung auf der Grundlage des Kampfs für den Sozialismus sein.
Er beschrieb die Kämpfe der Arbeiterklasse in Indien und ganz Südasien und erläuterte die Bestrebungen der SEP, die Arbeiter in der ganzen Region auf der Grundlage eines sozialistischen Programms zu vereinigen und zu mobilisieren – auch im Norden und Osten Sri Lankas, den vom Bürgerkrieg gezeichneten Regionen.
Ein Journalist der tamilischen Zeitung Virakesari fragte, warum die SEP betont hat, dass sich im Norden und Osten der Insel Tamilen und Muslime an den Protesten beteiligen.
Dias erklärte, es sei sehr wichtig, die Einheit der Arbeiterklasse im Kampf gegen Unterdrückung herzustellen, da die herrschende Klasse Sri Lankas dafür berüchtigt ist, die Arbeiterklasse nach rassistischen Gesichtspunkten zu spalten.
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