StuPa-Wahlkampf der IYSSE an der Humboldt-Universität

Studierende in Berlin verurteilen Geschichtsfälschung und rechte Gewalt

Der Wahlkampf der IYSSE zum Studierendenparlament (StuPa) der Humboldt-Universität (HU) trifft unter Studierenden in Berlin auf große Resonanz. Inmitten des eskalierenden Kriegs in der Ukraine und der beispiellosen Aufrüstung der Bundeswehr wächst das Interesse an einer sozialistischen und internationalistischen Perspektive gegen Geschichtsfälschung und Militarismus an den Universitäten. Der offene Brief des IYSSE-Abgeordneten Sven Wurm an das HU-Präsidium wird in den Hörsälen, vor der Bibliothek und in der Mensa lebhaft diskutiert.

Im Vorfeld der heutigen Online-Veranstaltung „Wie die Rückkehr des deutschen Militarismus an der HU vorbereitet wurde“ (7. Juli, 18:30 Uhr) sprachen Mitglieder und Unterstützer der IYSSE erneut mit hunderten Studierenden über die deutsche Kriegs- und Großmachtpolitik und die konkrete Gefahr eines dritten Weltkriegs. Unzählige sprachen sich vehement gegen die rechten und militaristischen Standpunkte der Professoren Herfried Münkler und Jörg Baberowski aus, verurteilten die Angriffe auf kritische Studierende und die Komplizenschaft der Universitätsleitung.

Ahmad studiert Agrarwissenschaften an der Humboldt-Universität und ist im Jahr 2015 als Flüchtling aus Syrien gekommen. „Ich merke, dass Nazis hier viel Macht haben“, sagt er uns. Baberowskis Standpunkte, die den Holocaust relativieren und Hitler verharmlosen, vergleicht Ahmed mit den Standpunkten eines „Nazis“. Der Professor selbst sei „offensichtlich ein Extremist“.

Vom Verhalten der Uni-Leitung zeigt sich Ahmad „absolut geschockt“: „Wie können sie ihn verteidigen? Er hat einen Studenten körperlich angegriffen und dafür 4000 Euro gezahlt. Das ist unglaublich! Ein verbaler Angriff wäre schon schlimm genug gewesen. Wenn nichts gegen Baberowski unternommen wird, haben wir hier ganz klar eine rechte Uni-Leitung.“

Finn studiert Jura an der Humboldt-Universität. Er bezeichnet Professor Jörg Baberowskis rechtsradikalen Geschichtsrevisionismus als „schockierend“: „Es geht schon sehr nah in Richtung von Holocaust-Leugnung, wenn man Nazi-Strategien verniedlicht. So etwas ist bodenlose Geschichtsfälschung, widerspricht einem wissenschaftlichen Weltbild und hat an einer deutschen Universität nichts zu suchen.“

„Ich finde es gefährlich, dass Professor Baberowski mit seiner Reichweite viele Menschen prägen kann. Dass er gegenüber einem Studenten handgreiflich wird, sollte spätestens der Grund sein, sich von ihm zu trennen – 4000 Euro zu zahlen, finde ich für so etwas noch harmlos. Offen rechtsradikale Positionen werden wieder salonfähig und das finde ich beschämend. Hier am Bebelplatz haben die Bücherverbrennungen stattgefunden. Für die jüdischen Professoren gibt es bis heute keine Gedenktafeln. Das ist alles hier passiert.“

Zur Aufrüstung der Bundeswehr mit einem „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro sagt Finn: „Es gibt tiefe historische Gründe dafür, dass Deutschland sich nach dem Krieg vom Militär abgewendet hat. Das darf nicht einfach über Nacht verworfen werden. Die Bundeswehr hat Schattenarmeen in ihren Rängen – man kann nicht einfach 100 Milliarden in so einen rechten Verein stecken und schauen, was passiert.“

Celina, die an der HU Biologie studiert, sagt zu den Standpunkten von Baberowski und Münkler: „Das ist Bullshit. Es kann nicht sein, dass jemand weiß, was da passiert ist und trotzdem sagt, ‚Hitler war nicht grausam‘. Das ist eine abstoßende Meinung, finde ich. Solche Leute haben aus der deutschen Geschichte nichts gelernt.“ Die Diskussion über deutsche und europäische Atomwaffen sei „eine Frechheit“: „Sie müssen weltweit verschwinden.“

Enrico, der an der Technischen Universität studiert, sagt: „Das Geld für die Bundeswehr wird an anderen Orten fehlen, an denen es sowieso schon an Geld mangelt. Viel mehr Geld sollte in soziale Hilfe und in Schulen fließen. Denn wenn die Schulen nicht ausgestattet sind, werden immer mehr Leute nicht erfahren, was geschehen ist und was nie wieder passieren darf. Das darf nicht in Vergessenheit geraten.“

Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine fügt Celina hinzu: „Kriege sind letztlich auch für viele Leute profitabel. Die Wirtschaft verdient daran. Die Menschen, die die richtige Arbeit machen, leiden darunter und bezahlen dafür mit ihrem Leben und dem Leben ihrer Angehörigen.“

Zoe studiert an der Humboldt-Universität ebenfalls Jura und ist in Hamburg zur Schule gegangen. „Jeder weiß, dass Baberowski ein rechter Typ ist“, sagt sie uns. „Wir haben seine rechten Theorien über die russische Revolution im Abitur durchgenommen. Unser Lehrer hat das kritisiert, aber das Material wurde von oben vorgegeben. Es ist mir peinlich, dass ich an der gleichen Uni studiere. Dieser Typ muss sofort entfernt werden. Die HU tut fortschrittlich, aber das ist das genaue Gegenteil.“

„Rechte Gewalt wird in dieser Gesellschaft offenbar nicht ernst genommen“, findet Zoe. „Es ist respektlos und schrecklich, den Holocaust so zu relativieren – gegenüber den Studierenden, aber auch gegenüber den Menschen, die unter Hitler gelitten haben.“

Die deutsche Aufrüstung und die Waffenlieferungen an das ukrainische Militär lehnt Zoe ab: „Ich glaube, dass dahinter Wirtschaftsinteressen und andere negative Interessen stehen. Als normaler Bürger kann man das kaum durchblicken. Die Waffenindustrie profitiert jedenfalls.“

„Für Studierende sind rechtsextreme Professoren ein zentrales Thema und das begrüße ich“, sagt Nicola, die an der HU Kultur- und Sozialwissenschaften studiert. „Kritische Studierende zu unterdrücken, hatten wir schon einmal. Eine neue Welle von Studierenden lehnt sich dagegen auf.“

„Das Ausmaß von Machtmissbrauch und Diskursverschiebung ist unheimlich. An einer staatlichen Universität im ‚Täterland‘ wird Geschichtsrevisionismus wieder sagbar. Es ist krass, dass an der Uni anscheinend eine Kultur existiert, die das normalisiert und ohne Folgen lässt.“

„Der deutsche Militarismus flammt wieder auf. Die weltpolitische Situation wird genutzt, um die Aufrüstung ohne demokratische Diskussion zu verabschieden. Das war schon lange geplant“, erklärt sie und warnt:

„Wenn ich den Skandal um das Nordkreuz-Netzwerk sehe, frage ich mich, wer da finanziert wird und was da aufgebaut wird. Das ist richtig bedrohlich: Namenslisten werden angefertigt, immer wieder kommen Waffen weg. Es gibt keine Kontrollorgane. Die ganzen Sicherheitsbehörden sind ein Apparat der Faschisten.“

Die Mitglieder und Unterstützer der IYSSE sprachen auch mit Studierenden anderer Universitäten über diese Fragen.

Leonie studiert Kultur und Gesellschaft Afrikas in Bayreuth und sagt: „Es ist heuchlerisch von der Unileitung, sich gegen Rassismus zu positionieren und dann so einen Professor zu tolerieren. Die Konsequenz ist, dass weiter geschichtsrevisionistische Ideologie vermittelt wird. Es ist verrückt, dass selbst bei so etwas [einem tätlichen Angriff] keine Konsequenzen folgen.“

„Allgemein werden rechte Strukturen in der Gesellschaft verdeckt. Es macht Angst, wenn Polizei und Bundeswehr aufgerüstet werden, besonders mit Blick auf Ausländer und People of Color. Man kann sich nur schämen für die Aufrüstung. Für mich waren die USA immer das schlimmste Beispiel. Deutschland eifert den USA in jeder Hinsicht nach und spielt sich immer mehr als Weltpolizist auf. Es ist unfassbar, das wir uns das Recht rausnehmen, überall militärisch einzugreifen.“

„Der Krieg in der Ukraine war nicht überraschend und unterscheidet sich nicht von den Kriegen, die von den USA, Europa und Russland in den letzten Jahrzehnten geführt wurden“, stellt Leonie fest. „Anstatt die sozialen Probleme zu lösen, gibt Deutschland Milliarden Euro aus, um Menschen in anderen Ländern zu töten. Mit 100 Milliarden Euro könnte man die Löhne von so vielen Pflegkräften erhöhen.“

„Ich finde es nicht verwunderlich, dass es in Deutschland rechtsextreme Professoren gibt“, sagt Monica, die Interdisziplinäre Lateinamerikastudien an der Freien Universität studiert. „Deutschland ist längst ‚Führungsmacht Europas‘, beutet den globalen Süden aus und profitiert von den meisten Kriegen. Die Regierung hat nur auf so einen Fall wie den Krieg zwischen Russland und der Ukraine gewartet. Damit wird gerechtfertigt, dass Milliarden in die Bundeswehr gesteckt werden, die in allen anderen Bereichen gekürzt werden.“

„Ich kann es gar nicht fassen, Geld in Waffen hineinzupumpen“, sagt Jura-Studentin Johanna: „Wann immer es um die Pandemie und um soziale Dinge geht, muss die ‚Schwarze Null‘ eingehalten werden – aber für Krieg ist das Geld dann da.“

„Als ob wir nicht andere Probleme hätten: Man könnte die erneuerbaren Energien ausbauen, sozialen Wohnungsbau fördern und die Inflation in den Griff bekommen. Man könnte auch Geld investieren, um rechte Gewalt zu bekämpfen. Die Milliarden hätten für alles andere besser investiert werden können.“

Zu den rechten Professoren und der ideologischen Kriegsoffensive an den Universitäten erklärt sie: „Münklers Aussagen klingen, als könnte er sofort in die AfD eintreten. Was meint er damit, dass Deutschland ‚Zuchtmeister Europas‘ sein soll? Was Baberowski sagt, ist einfach absurd, ihn kannst du direkt feuern. Das hat mit Lehre nichts mehr zu tun, sondern ist rechte Propaganda. Solche Leute haben in einem Uni-Kontext nichts verloren.“

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