Medienberichten zufolge hat die Bundesregierung den Verkauf von 100 Panzerhaubitzen 2000 an die Ukraine genehmigt. Die ohnehin schon massiven Waffenlieferungen potenzieren sich damit um ein Vielfaches. Die Kosten für die Haubitzen bezifferte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums auf 1,7 Milliarden Euro. Bisher hat Berlin Waffen im Wert von 600 Millionen Euro an Kiew geliefert.
Der massive Deal wurde bereits vor zwei Wochen hinter den Kulissen eingefädelt. Laut Informationen des Spiegel erteilte das von Robert Habeck (Grüne) geführte Wirtschaftsministerium am 13. Juli dem deutschen Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann (KMW) eine Genehmigung für die Herstellung der Panzerhaubitzen. Nur zwei Tage zuvor hatte KMW einen entsprechenden Antrag gestellt. Bei KMW solle „nun umgehend mit der Produktion der Waffensysteme begonnen werden“.
Ganz unmittelbar geht es bei der Lieferung der Haubitzen darum, den Nato-Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine zu eskalieren und über einen langen Zeitraum zu führen. „Die Produktion aller Haubitzen dürfte mehrere Jahre andauern, es geht also vor allem um die langfristige Stärkung der ukrainischen Armee“, kommentiert der Spiegel. Die bereits gelieferten Einheiten spielten aber bereits jetzt eine wichtige Rolle an der Front.
Ein Bericht auf der offiziellen Website der Bundeswehr preist die Effektivität der Haubitzen. „Da, wo sie regional eingesetzt sind, [erhöhen] sie durch ihre Reichweite, durch ihre Kampfkraft, durch ihre taktischen Fähigkeiten und auch durch moderne Munition den Gefechtswert der ukrainischen Streitkräfte“, zitiert die Armee einen gewissen Oberst Dietmar Felber, der ukrainische Soldaten in Idar-Oberstein an den Haubitzen ausbildet.
Der ganz Bericht unterstreicht, welche zentrale und aktive Rolle die Bundeswehr im Ukrainekrieg spielt. Man habe bei der Ausbildung der ukrainischen Soldaten „Vollgas gegeben“, und nun seien die von ihm geschulten ukrainischen Artilleristen an der Front, prahlt Felber. „Wir haben Verbindungen in dieses Bataillon. Sie standen im Gefecht von Beginn an, und sie sind erfolgreich im Gefecht.“ Das gebe „einem schon ein Gefühl der Zufriedenheit und vor allem des Stolzes“.
Aussagen wie diese machen deutlich, an welche militaristische und verbrecherische Tradition die herrschende Klasse wieder anknüpft. 81 Jahre nach dem Vernichtungskrieg der Wehrmacht gegen die Sowjetunion ergötzen sich deutsche Militärs und Politiker wieder am Tod russischer und ukrainischer Soldaten. Medienberichten zufolge sterben täglich Hunderte im Artilleriefeuer an der Front. Und trotzdem weitet die herrschende Klasse ihre militärische Unterstützung für das pro-westliche Regime in Kiew immer weiter aus.
Am Mittwoch verkündete das Verteidigungsministerium auf Twitter, man werde die Ukraine „mit der Lieferung von weiteren schweren Waffen, Munition und Ausbildung in Deutschland unterstützen“. Zehn Panzerhaubitzen 2000, drei Mehrfachraketenwerfer Mars II und fünf Flugabwehrkanonenpanzer Gepard seien Bereits in der Ukraine eingetroffen. „Weiteres Material wird in Kürze folgen.“
Laut der immer länger werdenden Übersicht der Bundesregierung „über deutsche letale und nicht-letale militärische Unterstützungsleistungen für die Ukraine“ ist in den letzten Tagen zusätzlich eine Lieferung über „33 M113 gepanzerte Truppentransporter mit Bewaffnung“ erfolgt. Im Abschnitt „Unterstützungsleistungen in Vorbereitung/Durchführung“ wurden seit Beginn der Woche die folgenden Posten ergänzt:
- 21 M113 gepanzerte Truppentransporter mit Bewaffnung
- 25 Flakpanzer GEPARD inklusive circa 6000 Schuss Flakpanzermunition
- 10 Fahrzeuge HMMWV (8x Bodenradarträger, 2x Jammer/Drohnenträger)
- 200 LKW Nutzfahrzeuge
- 4 Drohnenabwehrsysteme
Die mit den Waffenlieferungen verbundenen Kriegsziele sind klar. Nato und Bundesregierung verfolgen das Ziel, den Krieg bis zur militärischen Niederlage Russlands weiterzuführen. „Wir unterstützen die Ukraine – und zwar solange sie diese Unterstützung braucht: wirtschaftlich, humanitär, finanziell und durch die Lieferung von Waffen,“ schrieb Bundeskanzler Olaf Scholz jüngst in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Bereits im Ersten und Zweiten Weltkrieg verfolgte die herrschen Klasse das Ziel, Russland zu unterwerfen und auch die Ukraine, die damals Teil der Sowjetunion war, zu kontrollieren. Nun will sie erneut an der Spitze stehen, wenn es um die Aufteilung und Plünderung der rohstoffreichen und geostrategisch zentralen Regionen Eurasiens geht.
Dazu flutet Berlin nicht nur die Ukraine mit Waffen, sondern arbeitet systematisch daran, seinen militärischen Einfluss in ganz Osteuropa auszuweiten. Anfang der Woche besuchte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) Tschechien und die Slowakei. In Bratislava sicherte sie ihrem slowakischen Amtskollegen Ivan Korcok eine langfristige Stationierung deutscher Soldaten und Flugabwehr-Raketen zu. „Die Patriots werden so lange bleiben, wie ihr sie hier vor Ort braucht“, erklärte sie. Die Präsenz des deutschen Militärs in Osteuropa sei „keine Eintagsfliege“.
In der tschechischen Hauptstadt Prag verkündete Baerbock, dass die Verhandlungen zwischen Deutschland und Tschechien über einen sogenannten Panzer-Ringtausch zur Unterstützung der Ukraine vor dem Abschluss stünden. Berlin hatte sich bereits im Mai mit Prag geeinigt, der tschechischen Armee für die Lieferung von 20 Panzern aus sowjetischer Produktion an Kiew 15 deutsche Kampfpanzer vom Typ „Leopard 2“ bereitzustellen.
Laut Informationen der Luftwaffe verlegten am Mittwoch vier Eurofighter des Taktischen Luftwaffengeschwaders 71 „Richthofen“ aus Wittmund sowie ein Eurofighter des Taktischen Luftwaffengeschwaders 31 „Boelke“ aus Nörvenich auf den estnischen Luftwaffenstützpunkt Ämari. Sie übernehmen ab 1. August für neun Monate das sogenannte Baltic Air Policing, also die Überwachung des NATO-Luftraums im Baltikum. Für die Bundeswehr ist es der erste derartige Einsatz seit Beginn des Ukrainekriegs.
Die deutsche Militärpräsenz in Osteuropa – weitere Kampftruppen sind in Litauen und Rumänien stationiert – erhöht die Gefahr eines direkten Kriegs mit der Atommacht Russland. Gleichzeitig nutzt die Bundeswehr vor allem die Waffenlieferungen an Kiew, um die eigene Rüstungsindustrie hochzufahren. Dabei reiben sich die gleichen Konzerne die blutigen Hände, die bereits eine zentrale Rolle in der Kriegswirtschaft der Nazis spielten und die Wehrmacht binnen kürzester Zeit für den Zweiten Weltkrieg hochrüsteten.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
KMW, das die Panzerhaubitzen baut, firmierte zur Zeit des Nationalsozialismus unter dem Namen Krauss-Maffei. Laut Wikipedia wurden während der NS-Diktatur neben den sogenannten „Ostarbeitern“ Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge aus den über 400 Lagern und Unterkünften im Großraum München zur Zwangsarbeit verpflichtet. 1938 wurde der 60 Hektar große Standort München-Allach ausgebaut. Dort befindet sich noch heute die Unternehmenszentrale.
Auch der Rüstungsriese Rheinmetall, der KMW Teile wie die Chassis der Panzerhaubitzen zuliefern soll, beutete im Dritten Reich tausende Zwangsarbeiter aus und spielte eine Schlüsselrolle bei der Aufrüstung. Unter seinem damaligen Nahmen Rheinmetall-Borsig war der Konzern Teil des Staatsunternehmens Reichswerke Hermann Göring und dadurch direkt in die planmäßige Kriegsvorbereitung integriert.
Auch heute folgt die Aufrüstung einem Plan. Die Bundesregierung hat den durch die Nato-Einkreisung provozierten reaktionären Einmarsch Putins in die Ukraine genutzt, um die größte Aufrüstung seit Hitler in Gang zu bringen. Nur drei Tage nach Kriegsbeginn verkündete Scholz im Bundestag das „Sondervermögen Bundeswehr“ in Höhe von 100 Milliarden Euro. Es dient vor allem dazu, „nationale Großprojekte“ umzusetzen.
Seit dem Treffen werden die Rüstungskonzerne massiv gestärkt, und ein Rüstungsdeal jagt den anderen. Auf den Beschluss, Dutzende nuklearwaffenfähige F-35 Tarnkappenbomber zu beschaffen – der Verkauf in Höhe von 8,4 Milliarden US-Dollar wurde gestern von der US-Regierung gebilligt –, folgte der Plan für die Errichtung eines nationalen Raketenabwehrsystems. Nun kommen Panzer und Kriegsschiffe.
Mitte Juli verkündete Rheinmetall, das Verteidigungsministerium werde 111 Puma-Schützenpanzer bestellen. Der Auftrag, der im September finalisiert werden soll, ist Bestandteil der umfassenden Aufrüstung der Landstreitkräfte. Am Ende könnte die Zahl der „Puma“ sogar noch höher liegen, deutete Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) an. Die endgültige Stückzahl entscheide „sich erst, wenn die Struktur des Heeres fest steht“.
Ebenfalls im Juli erwarb die Bundesregierung die insolvente MV Werft in Mecklenburg Vorpommern. „Für das Verteidigungsministerium und die Bundeswehr ist dies ein großer Schritt in Richtung Verbesserung der materiellen Einsatzbereitschaft der Marine“, heißt es in der offiziellen Pressemitteilung des Verteidigungsministeriums vom 7. Juli.
Lambrecht spricht darin von einem „historischen Tag“. Mit dem Kauf der Werft betrete „der Bund Neuland“ und die „Herausforderungen“ seien bekannt. Aber sie habe bereits zu Beginn ihrer Amtszeit gesagt, es gebe „dicke Bretter zu bohren“. Und eines davon sei „die schlechte materielle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr. Insbesondere bei der Marine.“ Aber nun sollten „mangelnde Kapazitäten und lange Liegezeiten [...] der Vergangenheit angehören.“
All das ist ein Warnsignal. Doch wenn die herrschende Klasse meint, sie könne nach ihren fürchterlichen Verbrechen in zwei Weltkriegen das gesamte wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben erneut auf Krieg ausrichten, täuscht sie sich. Unter Arbeitern und Jugendlichen, die alle Kosten des Militarismus tragen – durch explodierende Preise, Sozialkahlschlag, die Zerstörung ihrer demokratischen Rechte und als Kanonenfutter an der Front – wächst der Widerstand. Bewaffnet mit einer internationalen sozialistischen Perspektive werden sie einen neuen Rückfall in Weltkrieg und Barbarei verhindern.