Francis Fukuyama lässt die neonazistische Asow-Brigade an der Stanford-Universität aufmarschieren

Am 29. Juni bot die Stanford University Kalifornien, eine der renommiertesten Universitäten der Welt, der neonazistischen ukrainischen Asow-Brigade eine Plattform, als die Abteilung für slawische Sprachen und Literatur und die Ukrainische Studentenvereinigung in Stanford (USAS) zu einer Veranstaltung einluden. Sie nutzten zur Bewerbung auf dem Campus Insignien, die mit dem Faschismus in Verbindung stehen, wie das offizielle Logo der Asow-Brigade, das dem Wolfsangel-Symbol der Nazis nachempfunden ist.

Plakat für die Asow-Veranstaltung in Stanford, mit dem offiziellen Logo der Brigade Asow mit Wolfsangel, sowie auch dem Abzeichen der Organisation Ukrainischer Nationalisten-Bandera, die mit den Nazis im Zweiten Weltkrieg kollaborierten (Die ukrainische Studentenvereinigung in Stanford hat dies als offizielles Logo übernommen) [Photo: Facebook page of the Ukrainian Student Association at Stanford]

Die Redner waren Arsenyi Fedosiuk, Unteroffizier in der Asow-Brigade, seine Frau Julia Fedosiuk, Mitbegründerin der „Vereinigung der Familien der Verteidiger von Asowstal“, und Kateryna Prokopenko, Gründerin und Vorsitzende der „Vereinigung der Familien der Verteidiger von Asowstal“. Prokopenko ist die Ehefrau des Kommandanten der Asow-Brigade, Denys Prokopenko, der die Organisation bis zu seiner Gefangennahme im vergangenen Jahr leitete und dafür bekannt ist, dass er mit Stolz das Abzeichen der SS-Division Totenkopf und das Wolfsangel-Symbol der Wehrmacht trug.

Bevor Denys Prokopenko 2014 zu Asow stieß, war er Mitglied des White Boys Club, eines Neonazi-Fanclubs der Fußballmannschaft von Dynamo Kiew. Ihre Facebook-Posts enthalten Fotos von Graffiti mit dem Namen ihrer Organisation und der Zahl „88“, dem Neonazi-Code für „Heil Hitler“.

Dieselben Mitglieder und Familienangehörigen, die Asow unterstützen, haben sich auch mit Mitgliedern von beiden Parteien des US-Kongresses sowie mit Vertretern der Grünen in Deutschland getroffen.

Ein Graffiti des Nazi-Fanclubs von Dynamo Kiew „White Boys“ von 2019 mit dem Neonazi-Code für „Heil Hitler“ [Photo: Facebook page of the White Boys Club]

Francis Fukuyama, Professor in Stanford und Mitarbeiter des „Stanford Center on Democracy, Development and the Rule of Law“, begrüßte persönlich die Neonazis und leitete die Veranstaltung ein. Selbst nachdem das Ereignis eine öffentliche Gegenreaktion ausgelöst hatte, verteidigte Fukuyama die Asow-Brigade, indem er fälschlicherweise behauptete: „Sie entstammen dem ukrainischen Nationalismus, aber sie als Neonazis zu bezeichnen, hieße, Russlands Darstellung dessen zu akzeptieren, was sie heute darstellen. Als sie Mariupol verteidigten, waren sie bereits vollständig [in die Streitkräfte der Ukraine] integriert, und sie sind Helden, die ich mit Stolz unterstütze.“

Francis Fukuyama (links) mit Arsenyi Fedosiuk, Unteroffizier der Asow-Brigade, Julia Fedosiuk (seiner Ehefrau) und Kateryna Prokopenko, beides aktive Asow-Unterstützerinnen [Photo: Facebook page of the Ukrainian Student Association at Stanford]

Dies ist eine dreiste Lüge. Sogar das „Stanford Center for International Security and Cooperation“ (CISAC) sieht dies so: Auf der eigenen Website wird die Asow-Bewegung als ein rechtsextremes nationalistisches Netzwerk aus militärischen, paramilitärischen und politischen Organisationen mit Sitz in der Ukraine beschrieben.

Die Brigade Asow wurde 2014 von dem weißen Rassisten Andriy Biletsky gegründet, der für einen „Kreuzzug der weißen Nationen der Welt gegen die semitisch geführten Untermenschen“ eintrat. In der Organisation wimmelt es von Faschisten und Rassisten, die Stepan Bandera verehren, dessen Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN-B) während des Zweiten Weltkriegs mit den Nazis kollaborierte und den Holocaust in der Ukraine durchführte. Banderas Truppen verübten auch einen ethnischen Massenmord an Zehntausenden von Polen. Heute sind in der ganzen Ukraine Denkmäler für ihn errichtet worden, und die faschistische Parole „Slava Ukrainij“ (Ruhm der Ukraine) wird regelmäßig von westlichen Politikern verwendet. Die ukrainische Studentenvereinigung in Stanford hat als offizielles Logo das Emblem der OUN-B übernommen, das unter den Nazis zur Kennzeichnung von Offizieren der ukrainischen Hilfspolizei diente.

Die Rolle, die Francis Fukuyama bei der Förderung dieser Neonazis spielt, ist aufschlussreich. Als ehemaliger Berater der Reagan-Regierung und späterer Unterstützer von Barack Obama ist Fukuyama seit langem ein führender Ideologe der herrschenden Klasse der USA. Er ist vor allem dafür bekannt, dass er den Zusammenbruch des Stalinismus in den Jahren 1989-1991 als „das Ende der Geschichte“ bezeichnete. In einem Artikel für Foreign Affairs erklärte Fukuyama 1989, dass „der Endpunkt der ideologischen Evolution der Menschheit und die Universalisierung der westlichen liberalen Demokratie“ erreicht sei.

Das Internationale Komitee der Vierten Internationalen bekräftigte zu dieser Zeit, dass der Zusammenbruch der stalinistischen Regime in Osteuropa und der Sowjetunion eine neue Etappe in der Krise des Weltimperialismus und eine neue Periode imperialistischer Kriege und Revolutionen einläute. Die grundlegenden Widersprüche des Weltkapitalismus, die zu zwei Weltkriegen, zum Faschismus und zur Oktoberrevolution von 1917 geführt hatten, waren nach wie vor in vollem Umfang vorhanden. Das zwanzigste Jahrhundert war noch lange nicht vorbei: Es war „unvollendet“.

Diese Einschätzung hat sich in hohem Maße bestätigt. Die 30 Jahre, die auf die Zerstörung der UdSSR folgten, waren eine Zeit nicht enden wollender imperialistischer Kriege und einer rasant wachsenden sozialen Ungleichheit. In den USA, dem vermeintlichen Leuchtturm der kapitalistischen Demokratie, hat es einen faschistischen Putschversuch gegeben. Die imperialistischen Mächte führen jetzt einen nicht offiziell erklärten Krieg gegen Russland in der Ukraine und bereiten sich gleichzeitig auf einen Krieg gegen China im Rahmen einer neuen imperialistischen Neuaufteilung der Welt vor. Stolz gibt Fukuyama ukrainischen Neonazis eine Plattform, da diese einen Krieg im Namen des US-Imperialismus führen. So verkörpert Fukuyama, der einstige Prophet des Triumphs der „liberalen Demokratie“, inzwischen höchstpersönlich den Bankrott seiner eigenen Theorie.

Aber auch eine weitere Seite dieses Ereignisses ist eine Analyse wert.

Die Veranstaltung mit der Asow-Brigade, die während der Sommerpause stattfand und nur spärlich von Studierenden besucht war, richtete sich an rechtsextreme Kräfte und Elemente innerhalb des amerikanischen Staatsapparats und solche, die es werden wollen. Zuvor hatte die ukrainische Studentenvereinigung in Stanford schon den ukrainischen Präsidenten Selenskyj und Michael McFaul zu Gast, einen Professor in Stanford und ehemaligen US-Botschafter in Russland, der seit Jahrzehnten eine wichtige Rolle bei den imperialistischen Operationen der USA in Osteuropa spielt.

Die Veranstaltung war zwar nicht auf ein großes Publikum ausgerichtet, rief aber auch keinen ernsthaften Widerstand hervor. Die Fakultäten von Stanford oder auch anderer Universitäten begegnen dem Auftauchen ukrainischer Neonazis und faschistischer Insignien mit einem kollektiven Achselzucken. Die Leitung von Stanford hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, auf wiederholte Anfragen zu antworten, was denn die Haltung der Universität in Bezug auf die Asow-Veranstaltung sei, bei der Nazisymbole wie die Wolfsangel prominent gezeigt wurden.

Dies ist ein besonders deutlicher Ausdruck eines viel umfassenderen Phänomens. Anderthalb Jahre nach Beginn des Krieges in der Ukraine, der bereits Hunderttausende Menschenleben gekostet hat, hat es auf dem Campus noch keine einzige ernsthafte Diskussion über seine historischen und politischen Hintergründe gegeben, geschweige denn eine Veranstaltung, die sich gegen den Krieg gerichtet hätte. Stattdessen hat man Nato-Vertretern und Kriegshetzern sowie Mitgliedern der ukrainischen Regierung und Wolodymyr Selenskyj selbst eine Bühne an amerikanischen Hochschulen gegeben. Eine internationale Veranstaltungsreihe der IYSSE gegen den Krieg wurde im Frühjahr von rechtsextremen ukrainischen Nationalisten und dem Staatsapparat mit systematischen Zensurversuchen beantwortet.

Eine solche Entwicklung lässt sich nur auf der Grundlage einer Analyse der Klassenkräfte auf dem Campus und des üblen intellektuellen Klimas erklären, das durch einen jahrzehntelangen Antimarxismus und die Förderung des postmodernen Denkens entstanden ist.

Auf das Ende der UdSSR folgten in den letzten dreißig Jahren ununterbrochene imperialistische Kriege im Ausland und eine soziale Konterrevolution im Inland. Auch die akademischen Einrichtungen, insbesondere die so genannten „Elite“-Universitäten, wurden immer stärker in den Staats- und Militärapparat und die Wall Street integriert.

Die Stanford University ist ein gutes Beispiel dafür. Das Kuratorium der Universität setzt sich größtenteils aus Hedgefonds-Managern und Wall-Street-Führungskräften zusammen, zu denen auch Gene T. Sykes gehört, der Geschäftsführer von Goldman Sachs. Die Universität ist auch seit langem für den Einfluss berüchtigt, den die rechtsgerichtete Hoover Institution hier ausübt. Sie wird derzeit von der Kriegsverbrecherin Condoleezza Rice geleitet, einer Schlüsselfigur bei der US-Invasion im Irak 2003.

Die Hoover Institution ist seit Jahren eine zentrale Drehscheibe für die Förderung von rechtsgerichtetem Geschichtsrevisionismus und Geschichtsfälschungen. Sie hat Workshops mit rechtsextremen Akademikern wie Jörg Baberowski von der Berliner Humboldt-Universität veranstaltet. Dieser ist inzwischen zu einer zentralen Figur in den internationalen Bemühungen von Akademikern geworden, die Verbrechen des Nationalsozialismus zu verharmlosen. Ein weiterer Teilnehmer an den Hoover- Workshops war Robert Service, Autor einer Schmähbiografie über Leo Trotzki. Darin verfälschte Service systematisch Leben und Werk des Revolutionärs und verwendete ungeniert alte stalinistische und antisemitische Verleumdungen.

Das IKVI und die WSWS führen seit Jahrzehnten eine systematische Kampagne, um diese Geschichtsfälschungen aufzudecken und zu widerlegen. Doch schon vor Kriegsbeginn haben, von wichtigen Ausnahmen abgesehen, diese eklatanten politisch motivierten Lügen über Leo Trotzkis Rolle und die Geschichte der Oktoberrevolution unter Akademikern keine Reaktion ausgelöst. Auch Jörg Baberowskis pro-nazistische Fälschungen und Timothy Snyders systematische Legitimierung der Verbrechen des deutschen und osteuropäischen Faschismus stießen kaum auf Widerstand.

Die Postmoderne lehnte eine objektive und wissenschaftliche Geschichtsforschung ab und förderte stattdessen verschiedene irrationale und subjektivistische Vorstellungen. Dies hat wesentlich zu einem intellektuellen und politischen Klima beigetragen, das dieses Aufblühen eines unverhohlenen rechtsextremen Geschichtsrevisionismus und faschistischen Denkens erst möglich machte. Hinter diesen Veränderungen unter bedeutenden Teilen der akademischen Intelligenz stehen allerdings echte materielle Interessen.

Dieselbe gesellschaftspolitische Entwicklung, die Millionen Arbeitern in den vergangenen Jahrzehnten nur Krieg und soziales Elend bescherte, ging mit einer erheblichen Aufwertung des sozialen Status der akademischen Oberschicht einher. Diese ist Teil einer privilegierten oberen Mittelschicht, welche die oberen 10 oder sogar die oberen 5 Prozent der Einkommensklasse umfasst. Und diese Schicht sieht ihre sozialen Privilegien eng mit der Aufrechterhaltung des Kapitalismus verbunden und von Wohl und Wehe des US-Imperialismus abhängig.

Diese gesellschaftlichen Prozesse waren die materielle Grundlage für den immensen Rechtsruck von Teilen der Mittelschicht, welche früher die Antikriegsbewegungen dominierte. Zusammen mit ihrer Opposition gegen den imperialistischen Krieg, so begrenzt sie auch gewesen sein mag, haben sie nicht nur jede Form des kritischen Denkens, sondern auch jede echte Opposition gegen den Faschismus fallen lassen.

Seit Kriegsbeginn hat sich diese Schicht schamlos hinter die Kriegsziele und die Propaganda des US-Imperialismus gestellt. Intellektuell haben diese Akademiker fast völlig Bankrott erlitten. Sie versehen die Kriegspropaganda der Nato-freundlichen Medien mit zusammengebastelten Geschichtsfälschungen, die systematisch dazu benutzt werden, die „neuen alten Freunde“ des US-Imperialismus im Krieg gegen Russland, die ukrainischen Faschisten, zu beschönigen. Die New York Times zitiert in ihrer verlogenen „Berichterstattung“ über den Krieg regelmäßig Kommandeure der Asow-Brigade als Primärquellen. Sie hat auch effektiv das Narrativ des rechtsextremen Geschichtsrevisionismus übernommen und geht so weit zu behaupten, die Rote Armee der Sowjetunion habe den Zweiten Weltkrieg begonnen.

Die Tatsache, dass Neonazis jetzt auf dem Campus führender akademischer Einrichtungen in den USA aufmarschieren, muss als alarmierendes Zeichen für das Ausmaß des Rechtsrucks sowohl der Bourgeoisie als auch bedeutender Teile der Mittelschicht und der akademischen Welt angesehen werden. Seriöse Intellektuelle, Studenten und junge Menschen müssen aus dieser Entwicklung weitreichende Konsequenzen ziehen. Der Kampf gegen imperialistischen Krieg und Faschismus kann nur auf der Grundlage der Arbeiterklasse und eines entschlossenen Kampfes gegen alle Formen der Geschichtsfälschung entwickelt werden. Dies erfordert eine Rückbesinnung auf die Traditionen des Marxismus, die heute in der trotzkistischen Bewegung, dem Internationalen Komitee der Vierten Internationale und seiner Jugendorganisation, der IYSSE verkörpert sind.

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