Frankreich: Pablistische NPA unterstützt die Kriegsbefürworter der Neuen Volksfront bei den vorgezogenen Wahlen

Die Nouveau Parti anticapitaliste (NPA, Neue Antikapitalistische Partei) hat sich durch ihren Beitritt zur Neuen Volksfront erneut als Werkzeug des Imperialismus erwiesen. Die Neue Volksfront wurde von Jean-Luc Mélenchons Partei La France insoumise (LFI, Unbeugsames Frankreich) und der konzernfreundlichen Parti Socialiste (PS, Sozialistische Partei) gegründet, nachdem Präsident Emmanuel Macron vorgezogene Parlamentswahlen angesetzt hatte. Die NPA treibt Arbeiter in die politische Falle, die Mélenchon und der ehemalige PS-Präsident François Holland gestellt haben, um den Krieg gegen Russland und den Klassenkampf im eigenen Land zu verschärfen.

Jean-Luc Mélenchon nach der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahl, 10. April 2022 (AP Photo/Michel Spingler)

Die NPA rechtfertigt ihre Unterstützung für dieses Bündnis mit der Behauptung, es diene der Schaffung einer linken Einheit gegen die Gefahr einer Machtübernahme durch den neofaschistischen Rassemblement National (RN, Nationale Sammelbewegung). Der RN bekommt mittlerweile zunehmend Rückhalt in der herrschenden Klasse, vor allem in der Fraktion der Partei Les Républicains (LR, Die Republikaner) von Eric Ciotti, die offen für Bündnisse mit dem RN eintreten. Die NPA erklärt:

Zum jetzigen Zeitpunkt, wo der RN und seine Verbündeten in der Lage sind, die Macht zu übernehmen, gibt die Volksfront der sozialen und politischen Linken Hoffnung im Kampf gegen neoliberale Reformen, für antirassistische, ökologische, feministische und LGBTI-Kämpfe und für alle Bewegungen für gleiche Rechte... Ein Sieg gegen die extreme Rechte und Macron ist nur möglich, wenn ein großer Anteil der Bevölkerung mobilisiert wird, vor allem in Betrieben, dicht besiedelten Stadtvierteln und der Jugend. Die Gewerkschaftsbewegung, die Kämpfe für Umweltschutz, die feministische Bewegung, die Solidaritätsbewegung mit Palästina und die Kämpfe gegen Kolonialismus und Rassismus müssen intensiv zum Programm der Volksfront beitragen. Sie müssen seine lebendige Kraft darstellen.

Doch die Neue Volksfront ist keine Hoffnung für Linke. Indem sie die Neue Volksfront unterstützt, beteiligt sich die NPA an der rechten Neustrukturierung des herrschenden Establishments, die Macron mit den vorgezogenen Parlamentswahlen erreichen will. Kurz bevor Macron Neuwahlen für den 7. Juli ansetzte, hatte der britische Premierminister Rishi Sunak Neuwahlen für den 4. Juli angekündigt, um das herrschende Establishment auf eine massive Eskalation des Kriegs gegen Russland und des Klassenkriegs im eigenen Land vorzubereiten.

Die neu gewählten britischen und französischen Regierungen werden Vertreter zum Nato-Gipfel am 9. Juli in Washington schicken, auf dem die Entsendung von Truppen in die Ukraine für den Krieg gegen Russland vorbereitet wird – ein Schritt, für den sich Macron mehrfach ausgesprochen hat. Tatsächlich diktiert der Kriegskalender der Nato den Wahlkalender in Frankreich und dem Vereinigten Königreich sowie die politischen Manöver der NPA.

Die Behauptung der Neuen Antikapitalistischen Partei, die Neue Volksfront werde von antikolonialen Kämpfen gespeist, ist eine politische Lüge. Sie ist ein Bündnis mit Kräften wie Hollande, einem unverhohlenen Feind der Arbeiterklasse, der soziale Proteste im eigenen Land brutal unterdrückt und gleichzeitig neokoloniale Kriege von Syrien bis Mali geführt hat. Das Programm der Neuen Volksfront fordert die Aufstockung der französischen Militärpolizei und der Geheimdienste sowie die Entsendung von „Friedenstruppen“ in die Ukraine.

Die Neue Volksfront ist nicht die Volksfront von 1934 bis 1938, obwohl auch diese keine antikoloniale Bewegung war. Sie war ein Bündnis aus stalinistischen und sozialdemokratischen Parteien und der liberalen bürgerlichen Radikalen Partei. Der Preis des Bündnisses mit den Radikalen war nicht nur der Verzicht auf die sozialistische Revolution, sondern auch die Duldung von Frankreichs Herrschaft über sein damals riesiges Kolonialreich, das sich von Indochina bis nach Syrien und Algerien erstreckte. Dennoch stand selbst die Volksfront viel weiter links als die Neue Volksfront.

Im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin in den 1930er-Jahren ist in der Neuen Volksfront keine Partei vertreten, die über eine Massenbasis in der Arbeiterklasse verfügt, und sie gibt nicht einmal vor, größere soziale Reformen wie den 8-Stunden-Tag oder bezahlten Urlaub vorzuschlagen. Sie ist ein Kriegsbündnis, das, sollte es unter Präsident Macron eine Regierung bilden, den Lebensstandard der Arbeiter senken würde, um Frankreich für einen „Krieg mit hoher Intensität“ gegen Russland aufzurüsten und vorzubereiten.

In den 1930er-Jahren konnte die trotzkistische Bewegung in die Massenbasis der französischen Sozialdemokratie in der Arbeiterklasse eindringen, um offen politische Arbeit gegen Imperialismus, Kolonialismus und Kapitalismus zu leisten.

Die Entscheidung der NPA, heute der Neuen Volksfront beizutreten, verdeutlicht ihre tief verwurzelte Feindschaft gegen den Trotzkismus. Sie verbündet sich mit der PS, einer 1971 gegründeten Partei des Großkapitals, die seither eine der wichtigsten Regierungsparteien des französischen Imperialismus war.

Raphaël Glucksmann, der Spitzenkandidat der PS bei den Europawahlen im Juni, leugnete öffentlich den Völkermord in Gaza und forderte die Bewaffnung der Ukraine gegen Russland. Tatsächlich steht die PS im Zentrum der imperialistischen Kriegsintrigen in der Ukraine. Unter Hollande, dem Macron als Wirtschaftsminister diente, arbeitete die PS mit Washington und Berlin zusammen, um den pro-russischen ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch durch einen rechtsextremen Putsch zu stürzen, was in der Ukraine einen Konflikt auslöste, der jetzt sehr schnell zu einem Atomkrieg eskaliert.

Die Hinwendung der NPA zu einem offenen Bündnis mit der PS ist das Ergebnis ihrer Unterstützung der militärischen Abenteuer des französischen Imperialismus und der Nato, seit sie im Jahr 2009 auf der Grundlage einer ausdrücklichen Zurückweisung des Trotzkismus gegründet wurde. Sie hat die Kriege in Libyen, Syrien und Mali und auch den Putsch in der Ukraine 2014 unterstützt. Kurz nach dem Ausbruch des Kriegs zwischen Russland und der Ukraine vor zwei Jahren besuchte NPA-Führer Olivier Besancenot die Ukraine. Nach seiner Rückkehr nach Frankreich sprach er sich für Nato-Waffenlieferungen an das ukrainische Regime und Finanzsanktionen gegen Russland aus, was er als antifaschistischen Widerstand darstellte. Er erklärte:

Wir verstehen, dass die Ukrainer Waffenlieferungen fordern, vor allem von Verteidigungswaffen, mit denen sie den Luftraum kontrollieren können. Diejenigen, mit denen wir dort gesprochen haben, betonen, sie wollen nicht von anderen Kräften als ukrainischer Widerstand abgelöst werden. Was die Frage der Wirtschaftssanktionen angeht, so kämpfen wir für Sanktionen gegen die Oligarchen, haben aber nicht viel erreicht. Im Vereinigten Königreich und Zypern wurde erst ein Prozent von dem geschafft, was möglich wäre.

Dieser Fahrplan für den Krieg gegen Russland ist eine Ansammlung von Lügen, der die antifaschistische Rhetorik der NPA und der gesamten Neuen Volksfront entlarvt. Das ukrainische Regime ist kein demokratisches, antifaschistisches Regime, sondern eine rechtsextreme Diktatur. Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Wahlen ausgesetzt und regiert auf der Grundlage eines Netzwerks von Geheimdiensten und rechtsextremen Milizen unter der Führung von Verehrern des ukrainischen Nazi-Kollaborateurs Stepan Bandera.

Angesichts der völlig betrügerischen Art, wie die NPA ihre Ukraine-Kriegspolitik als „Hoffnung für die Linke“ darstellt, können sich Arbeiter und Jugendliche nur orientieren, indem sie sich der Geschichte der großen Kämpfe der trotzkistischen Bewegung zuwenden. Eine Klassenkluft trennt die pablistische Unterstützung für die Nato-Kriege von der trotzkistischen Opposition des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) gegen den Nato-Imperialismus als auch gegen das postsowjetische kapitalistische Regime in Russland.

Der Pablismus ging 1953 aus einer internationalen Spaltung vom IKVI, den Verteidigern der Kontinuität des Trotzkismus, hervor. Michel Pablo und Ernest Mandel wiesen die marxistische Konzeption der Arbeiterklasse als unabhängige revolutionäre Kraft zurück und forderten die trotzkistische Bewegung auf, sie solle sich in stalinistischen, sozialdemokratischen oder bürgerlich-nationalistischen Bewegungen auflösen. Nachdem die stalinistische Bürokratie, die von den Pablisten als revolutionäre Kraft propagiert worden war, 1991 die Sowjetunion aufgelöst hatte, entwickelten sich die Pablisten zu Unterstützern des imperialistischen Kriegs und entsprachen damit den Interessen ihrer Basis im begüterten Kleinbürgertum.

Die Entwicklung der NPA seit ihrer Gründung im Jahr 2009 – durch die die Pablisten ihre Vorgängerorganisation, die Ligue communiste révolutionnaire öffentlich auflösten – hat die damalige Einschätzung des IKVI bestätigt. Im Jahr 2009 hieß es auf der WSWS:

Das wirkliche Angriffsziel der LCR bei ihrer Selbstliquidierung ist Trotzkis politisches Erbe: das Beharren auf der vollständigen Unabhängigkeit der Arbeiterklasse und dem revolutionären Internationalismus, der unversöhnliche Kampf gegen die Zusammenarbeit mit dem bürgerlichen Staat, den stalinistischen und sozialdemokratischen Bürokratien und allen Arten von bürgerlichem Nationalismus und kleinbürgerlichem Radikalismus.

Dass die LCR sich den Antikapitalismus als Richtschnur ihrer Ideologie ausgesucht hat, bedeutet im Rahmen der europäischen und speziell der französischen Politik einen gigantischen Schritt rückwärts und nach rechts in Richtung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Da er politisch verschwommen ist, können sich alle möglichen Unzufriedenen angesprochen fühlen, ohne Rücksicht auf ihre Klassenbasis oder -orientierung. Es ist ein Begriff, dem große Teile des Kleinbürgertums, rechte wie linke, zustimmen können – er umfasst alles vom Anarchismus Pierre-Joseph Proudhons in der Mitte des 19. Jahrhunderts, bis zu den gewalttätigen rechts-populistischen Protesten eines Pierre Poujade in der Mitte des 20. Jahrhunderts.

Die Eskalation der Nato und Macrons gegen Russland wird einen starken Widerstand der Massen hervorrufen. Laut einer Umfrage vom Februar lehnen 68 Prozent der Franzosen Macrons Forderung nach der Entsendung von Truppen in die Ukraine ab. Eine Umfrage der Eurasia Group ergab, dass 88 Prozent der Westeuropäer eine weitere Eskalation ablehnen und eine Verhandlungslösung des Ukraine-Kriegs wünschen. Doch diese Ereignisse sind eine nachdrückliche Warnung. Eine Bewegung gegen Krieg und Diktatur kann nur von unten aufgebaut werden. Hierzu müssen die Arbeiter unabhängig von den Gewerkschaftsbürokratien mobilisiert werden, die an pseudolinke Parteien wie die NPA gebunden sind.

Die politische Grundlage für eine solche Bewegung ist ein Kampf für den Trotzkismus und gegen den Stalinismus und die Neue Volksfront. Dies erfordert vor allem den Aufbau der Parti de l’égalité socialiste (PES), der französischen Sektion des IKVI, als trotzkistischer Opposition gegen die Neue Volksfront und die NPA. Genauso wie es keinen Sozialismus ohne Demokratie gibt, wird es auch keine Demokratie ohne einen trotzkistischen Kampf der Arbeiter in Frankreich und international für den Sozialismus geben.

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