Berlin verspricht Kiew weitere Milliarden und stationiert Kampftruppen in Litauen

Deutsche Soldaten in Litauen (AP Photo/Mindaugas Kulbis)

Nach der Bundestagswahl und der Verabschiedung der größten Kriegskredite seit den Nazis treibt die herrschende Klasse ihre Kriegsoffensive systematisch voran. Im Zentrum stehen dabei die militärische Expansion nach Osten und die Kriegsvorbereitungen gegen die Atommacht Russland.

Am Dienstag reiste die noch amtierende Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nach Kiew. Dort sicherte sie dem von rechtsextremen Kräften durchsetzen ukrainischen Regime weitere deutsche und europäische Unterstützung für den Nato-Krieg gegen Russland zu.

Während sie wahrheitswidrig behauptete, Kiew sei „zu einem Waffenstillstand ohne Vorbedingungen bereit“, erklärte sie drohend: „Putin hingegen spielt auf Zeit, setzt seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg fort. Putin kann man in dieser Situation nicht trauen.“ Eine „Aufhebung der Sanktionen“ könne es unter diesen Bedingungen nicht geben.

Gerade aus dem Munde Baerbocks sind alle Verweise auf das „Völkerrecht“, „Demokratie“ oder „Menschenrechte“ eine verlogene Provokation. Sie gehört zu den aggressivsten Unterstützern des israelischen Völkermords an den Palästinensern und rechtfertigt offen israelische Schläge gegen „zivile Orte“, bei denen regelmäßig hunderte Zivilisten ihr Leben verlieren – darunter viele Frauen und Kinder.

Erst vor wenigen Tagen machte Baerbock dem syrischen HTS-Regime und dessen Führer Abu Mohammad al-Dscholani (bürgerlicher Name Ahmed al-Scharaa) erneut ihre Aufwartung und sicherte ihm weitere 300 Millionen Euro Unterstützung zu. Sie überbrachte das „Gastgeschenk“, kurz nachdem al-Dscholanis Milizen, die al-Qaida nahe stehen, mehr als tausend Angehörige der alawitischen Minderheit in pogromartigen Massakern abgeschlachtet hatten.

Auch in Bezug auf Russland ist Baerbocks „Völkerrechts“-Propaganda völlig hohl. Tatsächlich sind die westlichen imperialistischen Mächte in der Ukraine und Osteuropa die Hauptaggressoren, und nicht Moskau. Mit der systematischen militärischen Einkreisung Russlands haben die Nato-Mächte den reaktionären Einmarsch des Putin-Regimes am 24. Februar 2022 zunächst bewusst provoziert. Seitdem heizen sie den Konflikt immer weiter an. Vor allem Deutschland und die EU reagieren auf die direkten Verhandlungen zwischen US-Präsident Donald Trump und Putin mit einer weiteren Eskalation des Kriegs.

In einem offiziellen Tweet des Auswärtigen Amts verkündete Baerbock: „Durch die Reform der Schuldenbremse können wir das ukrainische Militär in den nächsten Jahren weiter unterstützen & unsere europäische Sicherheitsarchitektur ausbauen. Wir wollen damit in den nächsten Jahren auf mehr als 3% BIP für unsere Verteidigungsfähigkeit kommen.“

Mit anderen Worten: das größte deutsche Aufrüstungspaket seit den Nazis dient ganz direkt der Kriegseskalation gegen Russland. Mit der – von Grünen und Linken mitgetragenen – Grundgesetzänderung sind alle Verteidigungsausgaben, die über der Höhe von 1 Prozent des BIP liegen, von der Schuldenbremse ausgenommen und können ohne Limit steigen. Die von Baerbock ins Spiel gebrachten 3 Prozent sind also lediglich der Anfang.

Nach dem Treffen in Kiew bedankte sich der ukrainische Präsident und faktische Diktator Wolodymyr Selenskyj für Baerbocks Unterstützung. Deutschland sei „in Europa führend, was den Umfang der Hilfe für die Ukraine betrifft – von finanzieller Unterstützung und Waffen bis hin zur Stärkung unserer Luftverteidigung“, schrieb er auf X. Dazu gehörten sechs IRIS-T-Systeme, drei Patriot-Systeme und Gepard-Flugabwehrkanonen. Er sei „dem Bundestag dankbar für die Entscheidung, der Ukraine weitere 3 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen“. Damit belaufe „sich die deutsche Unterstützung in diesem Jahr auf 7 Milliarden Euro“.

Mit Blick auf die neue Bundesregierung zeigte sich Selenskyj „hoffnungsvoll“, dass diese auch die berüchtigten Taurus-Marschflugkörper an Kiew liefern werde. „Wir werden daran arbeiten“, antwortete er auf die Frage, ob er erwarte, dass Friedrich Merz (CDU) als Kanzler zügig eine Entscheidung treffen werde. Man führe dazu bereits Gespräche. Zu Details wolle er sich aber nicht äußern, bevor Merz im Amt sei.

Merz hatte sich bereits zu Beginn des Wahlkampfs für die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern und damit für eine massive Eskalation der Kriegsoffensive gegen Russland ausgesprochen. Die Taurus verfügt über eine Reichweite von über 500 Kilometern und ist in der Lage, Ziele tief im Inneren Russlands anzugreifen, inklusive der Hauptstadt Moskau.

Am gleichen Tag, an dem Baerbock Kiew besuchte, wurde die geplante deutsche Kampfbrigade in Litauen formal in Dienst gestellt. Laut einer Pressemitteilung des deutschen Heeres geht der bisherige Aufstellungsstab „mit einem militärischen Antreten am Dienstort Vilnius zum regulären Brigadestab über“. Damit werde die neue Panzerbrigade 45 „offiziell als militärischer Großverband des deutschen Heeres aufgestellt“.

Darüber hinaus wurden in Rokantiskés das Sanitätszentrum der Brigade Litauen sowie in Nemenciné eine Stabsunterstützungs- und eine Fernmeldekompanie aufgestellt. Nun sollen die deutschen Verbände schnell aufwachsen.

Laut Angaben des Heeres sollen bis zum Ende des Jahres „rund 500 Angehörige der Brigade in Litauen ihren Dienst tun“. Dann sollen „nach und nach immer mehr Truppen aus Deutschland verlegt werden, bis die Zielgröße von 4.800 Soldatinnen und Soldaten und 200 zivilen Mitarbeitenden erreicht ist“.

Die Pressemitteilung des Heeres lässt dabei keinen Zweifel daran, dass die erste Entsendung deutscher Kampftruppen nach Osteuropa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs Bestandteil einer umfassenden Kriegsvorbereitung gegen Russland ist. Im Sommer 2023 habe Verteidigungsminister Pistorius entschieden, „eine einsatzbereit deutsche Kampftruppenbrigade fest in Litauen zu stationieren“, heißt es dort. Damit übernehme „Deutschland Verantwortung innerhalb der NATO“.

Auch „über die Brigade Litauen hinaus“ sei die Bundeswehr „in diesem Jahr bei zahlreichen Übungen in Litauen sichtbar“. So werde die „Division Schnelle Kräfte“ im Mai an der Übung „Griffin Lightning“ mit rund 700 Soldatinnen und Soldaten sowie an der Übung „Swift Response“ mit bis zu 500 Soldatinnen und Soldaten teilnehmen. Hinzu käme die Teilnahme der Panzerbrigade 37 „Freistaat Sachsen“ mit bis zu 1.000 Soldatinnen und Soldaten an der Übung „Grand Eagle II“ im September.

80 Jahre nach dem Untergang des Dritten Reichs und den fürchterlichsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte – dem Holocaust an 6 Millionen Juden und dem Vernichtungskrieg der Wehrmacht gegen die Sowjetunion – geht es erneut um nichts weniger als die vollständige Entfesselung des deutschen Militarismus, bis hin zur atomaren Bewaffnung. Daran lassen vor allem auch die Kriegshetzer in den Medien keinen Zweifel.

Ein Kommentar in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) wettert gegen die „Fesseln des Zwei-plus-vier-Vertrags“, also des am 12. September 1990 in Moskau zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik sowie Frankreich, der Sowjetunion, Großbritannien und den USA unterzeichneten Vertrags, der lange als endgültige Friedensregelung des Zweiten Weltkriegs galt.

Der Vertrag beschränke „Deutschlands Möglichkeiten, falls es sich gegen Russland verteidigen muss“, erklärt die FAZ. Die deutschen Kriegspropagandisten sprechen immer von Verteidigung, wenn sie Angriff meinen, und auch der Autor des zitierten Kommentars, Rainer Müller, macht aus seiner revanchistischen Geisteshaltung keinen Hehl.

Deutschland habe erst mit dem Zwei-plus-vier-Vertrag „die von vielen lange nicht mehr für möglich gehaltene Vereinigung von Bundesrepublik und DDR und staatliche Souveränität“ gewonnen, „aber zu einem Preis, der über die Ostgebiete hinausging“, klagt er. „Deutschland verpflichtete sich nämlich auf den Verzicht von atomaren, biologischen und chemischen Waffen und auf eine Obergrenze seiner Streitkräfte von 370.000 Soldaten.“

Die Stoßrichtung ist klar: um eine bis an die Zähne bewaffnete atomare Kriegsstreitmacht aufzubauen – Müller bringt die Zahl von 500.000 Soldaten in Spiel – muss der Vertrag notfalls gesprengt werden. Im Gegensatz zu Trump und Putin geriere sich Deutschland „gern als völkerrechtlicher Musterknabe“, dürfe „dabei aber selbst nicht untergehen“, mahnt die FAZ.

Auch die anderen etablierten Medien befinden sich im Kriegsmodus. So zeigt das Cover der aktuellen Ausgabe des Spiegel den Kanzler in spe Merz und die europäische Kommissionspräsidentin und frühere Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (beide CDU) in Bundeswehruniform vor einem Flecktarn-Hintergrund. Darunter prangt die Frage „Kriegstüchtig?“. Die Titelstory kommt zum Schluss, dass selbst die gerade auf den Weg gebrachten Kriegskredite nicht ausreichen, um Deutschland wirklich „kriegstüchtig“ zu machen. Die Autoren klagen:

Die Schwachstellen sind enorm: Bei Raketen, Flugabwehr, Cyberabwehr, Satelliten steht Europa weitgehend blank da. Jahrzehntelang wurde quasi alles vernachlässigt oder verschlafen oder den Amerikanern überlassen. Auf einmal klingt eine Billion Euro für neue Verteidigungsausgaben gar nicht so viel: Jeder neue Leopard-Panzer kostet rund 25 Millionen Euro, jeder Eurofighter um 140 Millionen.

Und selbst wenn nun „sehr viel Geld da“ sei: Es brauche „Menschen, um die Waffensysteme zu bauen, zu programmieren und schließlich zu bedienen“.

In einem weiteren Essay in der gleichen Ausgabe stellt der Redakteur Lothar Gorris die Frage: „Sind wir bereit, unsere Kinder in den Krieg zu schicken?“ Der frühere anti-Nato und anti-Atomkraft-Demonstrant beantwortet die Frage eindeutig mit „Ja“. Er spricht damit für ein ganzes wohlhabendes Mittelschichtenmilieu, das sich früher pazifistisch gab, aber heute bereit ist, für die räuberischen Interessen des deutschen Kapitalismus und Imperialismus selbst über die Leichen der eigenen Kinder zu gehen. Gorris nennt das zynisch „persönliche Zeitenwende“.

Gleichzeitig gibt er zu, dass sein 18-jähriger Sohn nicht gerade begeistert auf seine Frage reagierte, „ob er mal über die Bundeswehr nachgedacht“ habe. Die Opposition in der Bevölkerung und gerade auch unter jungen Menschen gegen Militarismus und Krieg ist enorm. Um dem Wahnsinn entgegenzutreten, müssen sie sich einer sozialistischen Perspektive zuwenden und sich auf die internationale Arbeiterklasse orientieren. Dafür kämpfen die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) und ihre Jugend- und Studierendenorganisation IYSSE.