Am Dienstag, den 15. April nahm der Vorsitzende der Internationalen Redaktion der World Socialist Web Site, David North, an einer Diskussion mit Professor Emanuele Saccarelli von der politikwissenschaftlichen Fakultät der San Diego State University teil. Die Veranstaltung mit dem Titel „Es geschieht hier: Faschismus im Deutschland von 1933 und heute“ war sehr zeitgemäß und behandelte dringende Fragen.
Während des Interviews ging North auf das marxistische Verständnis des Faschismus und die historischen Prozesse ein, die zum Aufstieg Hitlers führten. Er sprach über die Rolle der Arbeiterklasse im Kampf gegen den Faschismus und die Bedeutung der Lehren aus dieser Geschichte für die heutige Zeit, in der die Trump-Regierung versucht, in den USA eine faschistische Diktatur zu errichten.
North unterstrich, dass der Faschismus nicht mehr nur ein historisches Thema ist, sondern die Diskussion darüber „große Relevanz für die Gegenwart“ hat, da sich mittlerweile viele Menschen fragen, ob in den USA der Faschismus droht und was getan werden muss, um diese Entwicklung aufzuhalten.
Professor Saccarelli forderte North auf, den Begriff Faschismus für die Generation zu definieren, die gerade ins politische Leben eintritt. North betonte daraufhin die Notwendigkeit eines wissenschaftlichen und historischen Verständnisses, das die Ursprünge des Faschismus in die Zeit nach der Russischen Revolution von 1917 und die Radikalisierung der Arbeiterklasse nach dem Ersten Weltkrieg zurückverfolgt. Der Faschismus entstand als Massenbewegung des Kleinbürgertums, demoralisierter Arbeiter und des Lumpenproletariats, das im Dienste des Großbürgertums mobilisiert wurde, um die Organisationen der Arbeiterklasse zu zerschlagen.
Mussolinis Faschismus in Italien und Hitlers Nationalsozialismus in Deutschland, so North, waren direkte Reaktionen auf die revolutionären Bedrohungen, die von der Arbeiterklasse ausgingen. Er erklärte: „Das auffallendste Merkmal des italienischen Faschismus war, dass er als Bewegung mit dem Ziel entstand, die sich radikalisierende Bewegung der Arbeiterklasse zu unterdrücken und niederzuschlagen.“ Die Unfähigkeit der sozialistischen Parteien, die Arbeiterklasse an die Macht zu führen, schuf die Voraussetzungen für den Aufstieg des Faschismus. In Deutschland verschaffte der Verrat der SPD und der Kommunistischen Partei an den Revolutionen 1918-19 und 1923 der Bourgeoisie Zeit, sich neu aufzustellen, und ebnete Hitler damit den Weg.
Saccarelli stellte die Frage, ob Hitler durch einen Putsch oder mit demokratischen Mitteln an die Macht gekommen sei, und wie sich diese Frage heute stelle. Darauf antwortete North: „Es ist eine historische Tatsache, dass Hitler nicht durch einen Putsch an die Macht gekommen ist. Er hatte es 1923 erfolglos versucht.“ Vielmehr war „die deutsche Demokratie selbst am Ende“; das Land wurde zunehmend per Dekret regiert, die Formen der parlamentarischen Demokratie waren ausgehöhlt. Obwohl die NSDAP die stärkste Kraft im Reichstag war, hatte Hitler nie eine Mehrheit; sein Aufstieg wurde begünstigt durch die Weigerung der SPD und der KPD, der beiden Massenparteien der Arbeiterklasse, eine Einheitsfront gegen den Faschismus einzugehen.
North betonte die katastrophalen Folgen der stalinistischen Politik, die Sozialdemokraten als „Sozialfaschisten“ zu brandmarken und mit den Nazis gleichzusetzen. Diese Politik verhinderte einen gemeinsamen Widerstand der Arbeiterklasse.
„Der Faschismus“, so North weiter, „hatte die Aufgabe, die Arbeiterbewegung zu zerschlagen, alle Bestandteile der Arbeiterdemokratie und auch die Sozialdemokratie selbst zu vernichten und so den Kapitalismus zu retten.“ Trotzki habe darauf beharrt, dass die einzige Möglichkeit, den Faschismus aufzuhalten, darin bestand, dass die Kommunistische Partei den Sozialdemokraten eine Einheitsfront zur Verteidigung der Organisationen der Arbeiterklasse gegen die Bedrohung durch die Nazis anbietet.
Mit Blick auf die Gegenwart ging North auf die Frage ein, ob die Lehren aus der Einheitsfront heute noch gültig sind. Man müsse klar unterscheiden zwischen der Einheitsfront – einer Strategie für vereinte Aktionen der Arbeiterorganisationen – und einer Volksfront, bei der die Arbeiterklasse Bündnissen mit bürgerlichen Parteien untergeordnet wird.
North erklärte:
Wer den Faschismus an der Wurzel bekämpfen will, muss die wirtschaftlichen Grundlagen bekämpfen, aus denen sich der Faschismus entwickelt und für die der Faschismus steht.
Er kritisierte die heutigen pseudolinken Organisationen wie die Democratic Socialists of America (DSA), die für Bündnisse mit der Demokratischen Partei eintreten, und erklärte, dass dies „jeden ernsthaften Kampf gegen den Faschismus verhindert“.
Auf die Frage, ob von Donald Trump eine faschistische Bedrohung ausgeht, erklärte North:
Vieles an Trump selbst und seiner Bewegung erinnert an Faschismus. Er verströmt diesen typischen Geruch, besser gesagt, Gestank. Aber ihm fehlt eine Massenbewegung. Momentan hat er keine Massenbewegung von demoralisierten, verbitterten kleinbürgerlichen Elementen und Lumpenproletariern, die gegen Sozialismus und Kommunismus aufgehetzt sind.
Vielmehr, so North, „bewegt sich die Arbeiterklasse nach links. Ich glaube, das ist die vorherrschende Bewegung von unten.“ North warnte jedoch, dass die Gefahr des Faschismus nicht gebannt werden kann, wenn die politische Verwirrung, die der jahrzehntelange Antikommunismus in der Arbeiterklasse hinterlassen hat, nicht überwunden wird. Er rief eindringlich zum Aufbau einer revolutionären, in der Arbeiterklasse verwurzelten und von marxistischem Bewusstsein geleiteten Partei auf:
Wenn man kämpfen will, muss man verstehen, wogegen man kämpft. Man muss sich der Arbeiterklasse zuwenden. Das macht man nicht mit einem Kompass. Man muss den Kampf für marxistisches Bewusstsein in der Arbeiterklasse und für die Entwicklung von wissenschaftlich fundiertem Klassenbewusstsein in den Betrieben aufnehmen und in den Betrieben und Fabriken einen Kader sozialistischer Arbeiter aufbauen.
Über die pseudo-antikapitalistische Rhetorik des historischen Faschismus und der heutigen rechten Bewegungen erklärte North:
Eines der wichtigsten Merkmale aller faschistischen Bewegungen ist ihr extremer Nationalismus und die Verbreitung aller möglichen Wundermittel für die Gebrechen des Kapitalismus auf nationaler Basis. Zeitweise, und das galt selbst für bestimmte Elemente der Nazis, geben sie sich einen betrügerischen sozialistischen Anstrich. Doch letzten Endes bedeutet das nationale Element die Verteidigung des nationalen Kapitalismus.
North zog direkte Parallelen zwischen Trumps weitreichenden Angriffen auf demokratische Rechte und der Politik der Nazis:
Trump geht mittlerweile völlig illegal vor. Er erkennt den Rahmen der Verfassung nicht an. Er lässt sich weder von den Normen der Verfassung noch von juristischen Normen behindern. Wie wir auf der World Socialist Web Site geschrieben haben, richtet er sich nach den Konzeptionen des so genannten „Ausnahmezustands“, die mit dem Nazi-Juristen Carl Schmitt verbunden werden: „Der Führer schützt das Recht.“ Er hat die Macht und verfährt mit den Gesetzen, wie es ihm passt.
Der Oberste Gerichtshof hat das in gewisser Weise ratifiziert. Im Kongress stößt Trumps Vorgehen auf keinen nennenswerten Widerstand, dafür aber bei der Masse der Bevölkerung.
Abschließend rief North alle, die demokratische Rechte verteidigen und den Faschismus bekämpfen wollen, zum Beitritt zur Socialist Equality Party und zur Teilnahme an der kommenden Internationalen Maiveranstaltung auf, die auf der World Socialist Web Site übertragen wird:
Letzten Endes sind das keine akademischen Fragen, sondern Fragen auf Leben und Tod. Ich glaube, darüber müssen wir uns alle klar werden – jedenfalls alle, die wirklich darüber nachdenken, was bei den jetzigen Veränderungen auf der Welt vor sich geht. Und was im nächsten Jahr und den nächsten zwei oder drei Jahren passiert, könnte durchaus über das Schicksal der Menschheit entscheiden.