1. Resolution:
Perspektiven der Socialist Equality Party
1. Die im September 2008 durch den Zusammenbruch von Lehman Brothers ausgelöste Wirtschaftskrise hat weitreichende soziale, politische und historische Auswirkungen. Begriffe wie „Abschwung“, „Rezession“ und sogar „Depression“ fassen nur schwerlich die volle Größenordnung der Situation. Optimistische Andeutungen professioneller Ökonomen und Medienkommentatoren auf eine künftige „Erholung“ sind zunehmend schwierig aufzufinden. The Economist, ein erzkonservatives Publikationsorgan, gestand kürzlich ein, dass „etwas mit der Weltwirtschaft sehr falsch läuft.“ Unverblümt erklärte das Blatt: „Dieses Etwas ist eine Kombination aus stagnierendem Wachstum und der zunehmenden Gefahr einer Finanzkatastrophe.“[1]
2. Vor etwas mehr als zwanzig Jahren wurde von bürgerlichen Ideologen die Auflösung der Sowjetunion vom Dezember 1991 als unwiderlegbarer Beweis für das Scheitern des Sozialismus und für die Unmöglichkeit einer Alternative zum historisch siegreichen Kapitalismus proklamiert. Die gesamte revolutionäre Erfahrung des 20. Jahrhunderts – zu der weltweite Kämpfe Hunderter Millionen Menschen gegen den Kapitalismus zählen – wurde zu einer zwecklosen, und sogar irrationalen Suche nach einem unerreichbaren Utopia erklärt. Diese Behauptungen erforderten einerseits die grob vereinfachende und falsche Identifikation der Sowjetunion mit Sozialismus und andererseits die Leugnung des Kampfes, den die marxistische Opposition mit Leo Trotzki an ihrer Spitze gegen den stalinistischen Verrat an den Prinzipien führte, aus denen die Oktoberrevolution von 1917 hervorging.
3. Doch während sie darauf beharren, dass die Wirtschaftskrise, die der Auflösung der Sowjetunion voranging, das Scheitern des Sozialismus beweise, ziehen die Apologeten der herrschenden Klasse keine vergleichbaren Schlüsse aus der gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise und ihrer Bedeutung für die Zukunft des Kapitalismus! Die Krise, die im Jahr 2008 ausgebrochen ist, signalisiert indessen eine Störung des Gleichgewichts des kapitalistischen Weltsystems, die in ihrer historischen Bedeutung dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914, dem Wall-Street-Zusammenbruch von 1929 und dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 gleichkommt. Diese Krise erweist sich als gigantisches historisches Versagen des kapitalistischen Systems und stellt die Menschheit vor die Notwendigkeit, eine sozialistische Alternative zum Kapitalismus zu schaffen und zu erkämpfen.
4. Der wirtschaftliche Einbruch pflanzt sich von Land zu Land, von Kontinent zu Kontinent fort. In einem Zeitalter global eingebundener Finanzmärkte und Produktion kann sich kein einziges Land von den Auswirkungen einer ökonomischen Krise schützen, wenn diese einen großen geographischen Bereich erfasst. Der Zusammenbruch des Subprime-Hypothekenmarktes im Jahr 2008 in den Vereinigten Staaten destabilisierte Europa. Etwas zeitverzögert erfassen die Auswirkungen der Krise zunehmend deutlicher China, Indien und Brasilien, die stark abhängig von ihren Exportmärkten in den kapitalistischen Hauptzentren sind.
5. Das Projekt eines “vereinten” Europas mit seiner gemeinsamen Währung hat sich bereits in seinem zweiten Jahrzehnt als einer der größten Wirtschaftsschwindel in der Geschichte erwiesen. Aus dem Maastricht-Vertrag von 1992 ging ein Europa der Banker hervor. Die „Soziale Marktwirtschaft“ – lange Zeit als humane europäische Alternative zum „freien Unternehmertum“ feilgeboten, wie es in den Vereinigten Staaten praktiziert wird – wich einer Form des Kapitalismus, die Thomas Malthus entzückt haben würde. „Sparpolitik“ ist in jedem Land der Europäischen Union das Schlagwort. In Griechenland wurde die Arbeiterklasse ins Elend gestoßen. In Spanien steht die Arbeitslosenrate bei 25 Prozent. Die Hälfte der jungen Menschen zwischen 16 und 25 Jahren sind ohne Beschäftigung. Die Arbeiter in Portugal, Großbritannien, Irland und Italien stehen vor zunehmend hoffnungslosen Bedingungen. Die neue französische Regierung der Sozialistischen Partei wird nur wenig Zeit verlieren, bevor sie mit Maßnahmen weitermacht, die den Lebensstandard der Arbeiter absenken werden. Trotz diesem Angriff auf die Arbeiterklasse war die europäische Bourgeoisie unfähig, eine gemeinsame, geschweige denn effektive, Antwort auf die Krise zu geben. Die Existenz einer Einheitswährung war außerstande, die Unterschiede in der Wirtschaftspolitik zu überwinden, die historisch in der kapitalistischen Nationalstaatsstruktur wurzeln. Der Versuch, Europa auf Grundlage bürgerlicher Herrschaft und kapitalistischer Wirtschaft zu vereinen, ist ein reaktionäres Vorhaben, das nur mittels militärisch-polizeilicher Gewalt, politischer Diktatur und dramatischem Absenken des Lebensstandards der Arbeiterklasse umzusetzen ist. Die herrschende Klasse eines jeden europäischen Landes wünscht eine Lösung, die in Einklang mit ihren eigenen nationalen Interessen steht. Trotz der 1945 geschaffenen Wirtschaftsstrukturen und politischen Institutionen, die Konflikte zwischen den europäischen Staaten verhindern sollten, ist das kapitalistische Europa heute genauso zerrissen wie am Vorabend des Zweiten Weltkriegs.
6. Als er Ende der 1930er Jahre die politische Orientierungslosigkeit beschrieb, die durch die Weltwirtschaftskrise erzeugt wurde, stellte Trotzki fest: „Alle traditionellen Parteien des Kapitals [befinden sich] in einem Zustand der Ratlosigkeit, der an Willenslähmung grenzt.“[2] Mit verblüffender Genauigkeit treffen diese Worte die Situation, in der Europa sich befindet. Selbst die besonnensten bürgerlichen Kommentatoren sehen keinen Ausweg aus der Krise. Martin Wolf von der Financial Times schrieb in einer Kolumne unter dem Titel „Panik ist nur allzu rational geworden“:
“Wieviel Schmerz können die Länder unter Druck aushalten? Niemand weiß es. Was wird passieren, wenn ein Land die Eurozone verlässt? Niemand weiß es. Was ist die langfristige Strategie für einen Ausweg aus der Krise? Niemand weiß es. Angesichts solcher Ungewissheit ist Panik leider allzu rational (…) Bisher habe ich nie wirklich verstanden, wie es zu den Zuständen in den 1930er Jahren kommen konnte. Jetzt verstehe ich es. Alles was dafür nötig ist, sind fragile Volkswirtschaften; ein rigides Finanzregime; heftige Debatten darüber, was getan werden muss; die Ansicht, Leiden sei etwas Gutes; kurzsichtige Politiker; die Unfähigkeit zur Kooperation und zum Mithalten mit den Ereignissen.“ [5. Juni 2012]
7. Es war kaum ein Zufall, dass die Weltkrise von einem Zusammenbruch an der Wall Street ausgelöst wurde. Das wirtschaftliche Schmarotzertum in Verbindung mit dem Phänomen der „Finanzialisierung“ war eine Auswirkung der Bewegung fort von Investitionen in die verarbeitende Industrie, welche ihrerseits vom langfristigen Fall der Profitrate angetrieben wurde. Die Tatsache, dass „Finanzialisierung“ am schnellsten in den Vereinigten Staaten fortschritt, ist untrennbar verbunden mit dem Niedergang der Position des Landes als dominierende Industriemacht in der Welt. Das Phänomen des Anwachsens des Parasitismus zeugt vom Niedergang des amerikanischen Kapitalismus. Die Erzeugung von Collateralized Debt Obligations und anderer betrügerischer Finanzinstrumente im Zusammenhang mit Subprime-Hypotheken ergab sich direkt aus der Abkoppelung des Prozesses der wirtschaftlichen und privaten Reichtumsakkumulation vom Produktionsprozess. Innerhalb einer Generation, beginnend in den frühen 1980er Jahren, erhöhte die Finanzindustrie ihren Anteil an allen Konzerngewinnen von sechs auf etwa 50 Prozent. Das explodierende Anwachsen von Finanzunternehmen begünstigte die Konzentration schwindelerregender Reichtümer in der Hand der Eliten der Wall Street, die ihrerseits ihre grenzenlosen Ressourcen dafür verwendeten, sich die vollständige Unterordnung des kapitalistischen Staates unter ihre Interessen zu sichern. Gleichzeitig trachteten die Finanzeliten danach, öffentliche Vermögen und Dienste – wie staatliche Bildung und Krankenversicherung – zu plündern und diese direkter als jemals zuvor der Akkumulation privaten Profits unterzuordnen.
8. Eine Atmosphäre der Irrealität schwebt über den Präsidentschaftswahlen von 2012 in den Vereinigten Staaten. Präsident Obama und sein republikanischer Herausforderer Mitt Romney treten als gleichlautendes Echo ihrer Auftraggeber auf: mit den gleichen Plattheiten und Klischees huldigen sie dem amerikanischen Kapitalismus und seinem rastlosen Unternehmertum. Beide versprechen, die „Größe“ Amerikas als Land der „unbegrenzten Möglichkeiten“ zu erhalten. Doch das Federal Reserve Bulletin vom Juni 2012 liefert eine vernichtende und mit Fakten untermauerte Widerlegung der Realitätsverdrängung der beiden Kandidaten. Das Bulletin berichtet:
„Im Zeitraum zwischen 2007 und 2010 erlitt die Wirtschaft der Vereinigten Staaten ihren größten Rückgang seit der Großen Depression. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) fiel zwischen dem dritten Quartal 2007 und dem zweiten Quartal 2009 um etwa 5,1 Prozent. Diese Periode wird vom National Bureau of Economic Research (NBER) offiziell als Rezession definiert. Während dieses Zeitraums erhöhte sich die Arbeitslosenrate von fünf auf 9,5 Prozent, den höchsten Wert seit 1983. Die Erholung von der sogenannten Großen Rezession ging ebenfalls besonders langsam voran; das BIP erreichte Vorrezessionsniveau erst im dritten Quartal 2011. Die Arbeitslosenrate wuchs nach dem dritten Quartal 2009 weiter und blieb während des Jahres 2010 auf über 9,4 Prozent.“[3]
9. Die aussagekräftigsten Daten betreffen den Einfluss der Krise auf die Vermögenswerte der Mehrheit der Amerikaner.
„Von 2007 bis 2010 fielen die inflationsbereinigten Vermögenswerte – die Differenz zwischen dem Vermögen der Familien und ihren Schulden – dramatisch, sowohl in ihrem Median (Mittelwert) als auch im Durchschnittswert. Der Mittelwert fiel um 38,8, der Durchschnittswert um 14,7 Prozent. (…) Der durchschnittliche Vermögenswert sank etwa auf das Niveau der Untersuchung aus dem Jahr 2001, ein vergleichbarer Medianwert wurde seit der Untersuchung von 1992 nicht ermittelt (…).“[4]
10. Das inflationsbereinigte Einkommen der Arbeiter stagniert seit etwa vierzig Jahren. Die Auswirkungen der Erosion des Lohnniveaus wurden teilweise durch den schnellen Anstieg der Immobilienpreise in den 1990er Jahren und im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts gedämpft. Der Zusammenbruch der Immobilienblase 2008 brachte indessen die gesellschaftliche Tragweite des langfristigen Niedergangs des amerikanischen Kapitalismus zur Oberfläche. Die Größenordnung des Rückgangs des Medianwertes – nahe 40 Prozent – repräsentiert die brutale Herabsetzung des Lebensstandards der Arbeiter, die der Abstieg der Vereinigten Staaten von ihrer Position in der Weltwirtschaft diktiert.
11. Der Rückgang der Vermögenswerte der großen Mehrheit der Amerikaner – der Arbeiterklasse und beträchtlicher Teile der Mittelschichten – wurde von der Entwicklung extremer sozialer Ungleichheit begleitet. In den drei vergangenen Jahrzehnten fand eine gewaltige Einkommensübertragung von der arbeitenden Bevölkerung zur finanzkapitalistischen Elite statt. Der überwiegende Anteil des Einkommens und der Vermögenswerte konzentriert sich bei den zehn reichsten Prozent der Bevölkerung. Innerhalb dieser privilegierten Gesellschaftsgruppe wird wiederum der Löwenanteil der persönlichen Reichtumszunahme vom reichsten Prozent der Bevölkerung beansprucht.
12. Zwei miteinander verbundene Faktoren stellen die Grundlage der Strategie der amerikanischen herrschenden Klasse dar: erstens die Verschlechterung der globalen ökonomischen Position der Vereinigten Staaten; zweitens die Reichtumskonzentration in einem Ausmaß, wie es bis vor relativ kurzer Zeit in hochentwickelten bürgerlichen demokratischen Staaten nicht vorstellbar war. Auf den ersten Faktor reagiert die amerikanische herrschende Elite, indem sie ihre überwältigende militärische Macht nutzt, um weltweit eine unangreifbare geopolitische Dominanz – faktisch eine hegemoniale Position – wiederherzustellen. Washington ist entschlossen, auf diese Weise die langfristigen Auswirkungen des Niedergangs der amerikanischen Wirtschaft wieder umzukehren. Auf den zweiten Faktor reagiert die herrschende Klasse, indem sie ihre Angriffe auf die demokratischen Rechte der amerikanischen Bevölkerung verschärft. Diese beiden wesentlichen Aspekte ihrer Strategie – Militarismus und Repression – kommen innerhalb des Rahmens des „Krieges gegen den Terror“ zur Anwendung.
13. Zu einem viel früheren Zeitpunkt des Aufstiegs des amerikanischen Imperialismus, im Jahr 1928, warnte Leo Trotzki: „Während der Krise wird sich die Hegemonie der Vereinigten Staaten noch viel vollständiger, offener, schärfer und rücksichtsloser auswirken als während der Aufstiegsperiode.“[5] Diese Worte sind prophetisch. Es liegt jetzt auf der Hand, dass die Vereinigten Staaten die Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991 als Möglichkeit interpretierten, ihrer militärischen Gewalt auf dem ganzen Globus freien Lauf zu lassen. Die Zurückhaltung, die den Vereinigten Staaten während des Kalten Krieges auferlegt wurde – eine Zurückhaltung von nur begrenztem Charakter – war nicht mehr notwendig. Aus den Maßnahmen, die in den vergangenen zwanzig Jahren von den USA ergriffen worden sind, kann man eine Vorstellung erhalten, wie die Welt aussehen würde, hätte es die Oktoberrevolution von 1917 nicht gegeben. Die gewaltigen nationalen Selbstbestimmungsbewegungen, die im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg die direkte koloniale Herrschaft in weiten Teilen Asiens, des Nahen Ostens und Afrikas beendet hatten, würden mit der vollen Wucht des amerikanischen Imperialismus konfrontiert werden. Washington, das seine barbarische Schonungslosigkeit bereits durch den Abwurf zweier Atombomben auf die wehrlosen Städte Hiroshima und Nagasaki bewies, würde keine Gelegenheit ausgelassen haben und sich von nichts davon abhalten lassen, den Platz der alten europäischen Kolonialmächte einzunehmen.
14. Die Auflösung der Sowjetunion bereitete den Weg für ein Programm des ewigen Krieges der Vereinigten Staaten. Seit 1991 haben sich ihre bewaffneten Einheiten in fast jedem Teil der Welt an Militäreinsätzen beteiligt. Sie streben nach einer, um die Sprache des klassischen Marxismus zu verwenden, „Aufteilung der Welt“ unter Bedingungen, welche die amerikanische Hegemonie sicherstellen. Es gibt nicht eine einzige Region auf der Welt, die von den Vereinigten Staaten nicht als Bestandteil ihrer strategischen Interessen betrachtet wird. Was will der amerikanische Imperialismus? Alles! Er ist entschlossen, seine Herrschaft über jedes Land, jeden Kontinent, jede Seefahrtsstraße, jeden Ozean und den Weltraum zu errichten. Dieser geopolitische Größenwahn kann nicht mittels friedlicher Maßnahmen realisiert werden. Ein Land nach dem anderen wurde zur Invasion oder Bombardierung ausgewählt: Afghanistan, Irak, Pakistan, Jemen und Libyen. Die USA haben einen Bürgerkrieg in Syrien entfacht und bedrohen den Iran. Zur selben Zeit richtet die Obama-Regierung größere Aufmerksamkeit darauf, China zu isolieren und einzukreisen. Der Ausbruch des amerikanischen Imperialismus führt unaufhaltsam in Richtung eines Weltenbrandes, an dem alle Weltmächte beteiligt sind und der die Gefahr atomarer Vernichtung ansteigen lässt.
15. Der Beginn des “Krieges gegen den Terror“ – für den die Ereignisse des 11. September als Vorwand dienten – markiert die Institutionalisierung militärischer Gewalt als dauerhaftes Instrument der Staatspolitik. Die offizielle Verherrlichung des Krieges und des Mordens nimmt groteske Züge an; die Person des amerikanischen Präsidenten wird in einer absonderlichen Kombination aus imperialem Cäsar und Mafiapaten verschmolzen. Obama prahlt damit, dass er einen beträchtlichen Teil seiner persönlichen Zeit der Selektion der Personen widmet, die durch Drohnen getötet werden sollen, und dass er diese Tötungen selbst dann bewilligt, wenn unter den Opfern auch Zivilisten sein werden, die vollkommen unbeteiligt an jedweden militärischen und terroristischen Aktivitäten sind. Unter den Getöteten sind auch amerikanische Staatsbürger, deren Schicksal ohne faires Gerichtsverfahren und in offenkundiger Missachtung der Verfassung der Vereinigten Staaten entschieden wurde. Um es freiheraus zu sagen: der Präsident ist des Mordes schuldig. Die Regierungen Bush und Obama haben das Konzept des „Ausnahmezustands“ zur Grundlage ihrer Handlungen genommen, das Carl Schmitt, der führende „Rechts“-Theoretiker des nationalsozialistischen Dritten Reichs, ausgearbeitet hatte.
16. Der “Krieg gegen den Terror” diente als Vorwand zur de facto-Aufhebung demokratischer Grundrechte. Alle von der Bill of Rights garantierten demokratischen Schutzvorkehrungen wurden angegriffen, unter ihnen das Habeas Corpus, das faire Gerichtsverfahren und der Schutz vor unangemessenen Durchsuchungen und Beschlagnahmungen.
17. Der Bruch mit fundamentalen Verfassungsprinzipien und -verfahrensweisen kann nicht erklärt werden, indem man sich auf persönliche Eigenschaften des Präsidenten konzentriert, wie abstoßend diese auch sein mögen. Der Ursprung dieses Wandels ist zu finden in den ökonomischen Imperativen des Imperialismus sowie in der Klassenstruktur der amerikanischen Gesellschaft, mit ihrer beispiellosen sozialen Polarisation. Die herrschende Klasse erkennt nur allzu klar, dass die sich verschlechternden Lebensbedingungen der Mehrheit der Menschen zu sozialen Unruhen führen müssen. Von ihrem Standpunkt aus ist die Unterhöhlung von Verfassungsgarantien die Vorbereitung auf die Unterdrückung der Kämpfe der Arbeiterklasse und Jugendlichen gegen nicht hinnehmbare soziale Bedingungen, Ungleichheit und Militarismus.
18. Die Intensivierung der Weltwirtschaftskrise führt unausweichlich zu einem Wiederaufleben der Klassenkämpfe in den Vereinigten Staaten und auf der ganzen Welt. Der Ausbruch der Massenproteste in Tunesien und in Ägypten 2011 war ein Vorbote des sich entwickelnden revolutionären Aufschwungs. Zudem hatten die Kämpfe von 2011 einen tiefgreifenden Einfluss auf das Bewusstsein der internationalen Arbeiterklasse. Nur einige Wochen nachdem die Massendemonstrationen von Kairo die Diktatur Mubaraks niedergeworfen hatten, wurde der Tahrir-Platz von amerikanischen Arbeitern in Wisconsin zum Vorbild genommen, als sie gegen die reaktionäre Politik von Gouverneur Walker protestierten.
19. Es reicht nicht aus, die Unvermeidlichkeit revolutionärer Kämpfe vorherzusagen und dann ihre Entwicklung abzuwarten. Solch eine Passivität hat nichts mit Marxismus gemein. Marxismus fordert die Einheit von theoretisch angeleiteter Erkenntnis und revolutionärer Praxis. Darüber hinaus – wie das Nachspiel zu Mubaraks Sturz nur allzu klar darlegt – ist für den Sieg der sozialistischen Revolution eine revolutionäre Partei erforderlich. Die Socialist Equality Party muss alles in ihrer Macht stehende tun, um vor dem Ausbruch von Massenkämpfen eine bedeutsame politische Präsenz innerhalb der Arbeiterklasse zu etablieren – vor allem unter ihren fortgeschrittensten Elementen. Sie muss die zentralen Probleme der revolutionären Perspektive ausgearbeitet haben. Die kapitalistische Krise radikalisiert die Arbeiterklasse und liefert die objektiven Bedingungen für die sozialistische Revolution. Die Verantwortung der Socialist Equality Party besteht darin, die Strategie und Taktik zu entwickeln, mit denen die Arbeiterklasse im Kampf um die Macht geführt wird.
20. Der amerikanische Imperialismus ist eine gewaltige Macht. Doch die amerikanische herrschende Klasse ist nicht unbezwingbar. Die ökonomischen, politischen, sozialen und kulturellen Fundamente ihrer Herrschaft sind bis ins Mark verrottet. Die sozialistische Bewegung steht vor der Herausforderung, ihre Kräfte unter den Arbeitern und Jugendlichen zu entwickeln und die entstehende Massenbewegung mit einem Verständnis der politischen Auswirkungen der Krise des kapitalistischen Weltsystems zu durchdringen. Trotzki erklärte in einer früheren Periode des revolutionären Kampfes: „Die Arbeiterklasse – in Europa und auf der ganzen Welt – hat die Aufgabe, der gründlich durchdachten konterrevolutionären Strategie der Bourgeoisie ihre eigene revolutionäre Strategie entgegen zu stellen, die gleichermaßen bis zum Ende ausgearbeitet worden ist.“[6]
21. Extreme soziale Ungleichheit hat die Klassenspaltungen in den Vereinigten Staaten und weltweit verschärft. Antikapitalistische Stimmungen innerhalb der Arbeiterklasse nehmen rasch zu. Wie immer in Perioden wachsender Unzufriedenheit der Massen, versucht die herrschende Klasse, ihre politische und ideologische Dominanz über die Menschen aufrechtzuerhalten. Sie bedient sich hierzu nicht allein der Unterhaltungsindustrie, der Nachrichtenmedien, des akademischen Establishments und des politischen Apparates des reaktionären Zweiparteiensystems von Demokraten und Republikanern. Die Konzern- und Finanzelite benötigt und stützt sich ebenso auf die politischen Dienste zahlloser „linker“ Parteien, Organisationen und Tendenzen, welche die Interessen der kapitalistischen Klasse vertreten und deren Einfluss auf die Arbeiterklasse ausüben. Ihre Rolle besteht darin, den Klassenkampf in Schach zu halten und in Kanäle zu lenken, die keine Gefahr für den Kapitalismus darstellen. Jahrzehntelang repräsentierte das, was als „linke“ Politik ausgegeben wurde, nicht die Interessen der Arbeiterklasse, sondern vielmehr diejenigen einer privilegierten Schicht innerhalb der Mittelklasse. Die politische Orientierung dieses wohlhabenden Milieus kann am besten im Kontext der Besonderheiten der Reichtumsverteilung innerhalb der gegenwärtigen kapitalistischen Gesellschaft verstanden und erklärt werden.
22. Zahlreiche Studien haben erwiesen, dass die reichsten zehn Prozent der Gesellschaft, als Ganzes genommen, einen Lebensstandard aufweisen, der bedeutend komfortabler und sicherer ist, als jener der übrigen 90 Prozent. Natürlich können hierbei die exakten Prozentziffern und „Schwellenwerte“ von Land zu Land variieren. Doch besonders in den weitestentwickelten Ländern existiert eine beträchtliche gehobene Mittelschicht, die sich innerhalb der obersten zehn Prozent befindet. Es gibt indessen ein bezeichnendes Missverhältnis der Reichtumsverteilung innerhalb dieser privilegierten Schicht. Extremer Reichtum konzentriert sich im obersten Prozent (und besonders in den reichsten Teilen an der Spitze dieser Gruppe). Eine Kurve, die das Gesamtvermögen und das Jahreseinkommen der obersten zehn Prozent der Bevölkerung darstellte, würde in einem Steilhang von der Spitze zum Boden dieser sozialen Schicht führen. Gemäß den Daten, welche die Ökonomen Atkinson, Piketty und Saez zusammengetragen haben, ist ein Jahreseinkommen (für das Jahr 2007 ermittelt) von mindestens 398.900 Dollar erforderlich, um zum Spitzenprozent der Haushaltseinkommen gezählt zu werden. Hingegen ist ein jährliches Einkommen von „nur“ 109.600 Dollar aufzuweisen, um zu den zehn obersten Prozent gezählt zu werden. Um zu den obersten fünf Prozent zu gehören, ist ein Mindesteinkommen von 155.000 Dollar erforderlich, was immer noch annähernd 40 Prozent des Mindesthaushaltseinkommens des Bodensatzes innerhalb des Spitzenprozents darstellt. Richtet man die Aufmerksamkeit auf die obszönen Vermögens- und Einkommensabstufungen innerhalb des obersten Zehntel- und Hundertstelprozents der Bevölkerung, wird das extreme Ungleichgewicht der Reichtumsverteilung selbst innerhalb der obersten zehn Prozent des Haushaltseinkommens noch offensichtlicher.[7]
23. Es besteht also eine substanzielle Basis für Unzufriedenheit selbst innerhalb relativ wohlhabender Teile der Bevölkerung. Eine große Anzahl Menschen, besonders wenn sie etwas unterhalb der obersten fünf Prozent abfallen, fühlen sich ökonomisch verwundbar. Sie müssen sich nicht unbeträchtliche Summen borgen, um in einem Haus zu wohnen, das ihrem sozialen Status entspricht, um für die Ausbildung ihrer Kinder aufzukommen, um auswärts in Restaurants zu essen, in Ferien zu fahren und so weiter. Aus ebendieser Schicht – die sich zusammensetzt aus Angehörigen der freien Berufe, mäßig erfolgreichen Akademikern, Gewerkschafts- und Arbeiterorganisationsfunktionären, Angehörigen der mittleren und gehobenen Ränge dessen, was von der Sozialstaatsbürokratie übrigblieb sowie aus jungen Studenten aus vermögenden Elternhäusern – rekrutieren sich die Anhänger einer Art reformistischer „linker“, oder genauer gesagt, „pseudo-linker“ Politik, deren äußerstes Bestreben letzten Endes auf nichts anderes als eine gerechtere Wohlstandsverteilung innerhalb der obersten zehn Prozent hinausläuft.
24. Der “Antikapitalismus” dieser Schicht speist sich weit mehr aus Neid auf die Reichen, als aus Solidarität mit der Arbeiterklasse. Er begehrt nicht die Vernichtung des Privateigentums (in Form des Besitzes an Produktionsmitteln), sondern einen größeren Anteil des Einkommens, der aus ihm gezogen wird. Die kleinbürgerlichen Pseudolinken weisen die Forderung nach Gleichheit zurück, welche das Ringen der Massen der Arbeiterklasse um Sozialismus darstellt. Die Spannbreite der verschiedenen Formen ihrer affirmativen Aktionen – vorrangig um auf Hautfarbe, Ethnizität und Geschlecht basierende Quoten – reflektiert hingegen ihr Bedürfnis nach individuellem Zugang privilegierter Eliten zu Karrieregelegenheiten und größerem Wohlstand innerhalb des kapitalistischen Rahmens. Die obsessive Ausrichtung auf Themen, die in Verbindung mit persönlicher Identität stehen – besonders mit der Sexualität – ist charakteristisch für kleinbürgerliche Organisationen, die entschlossen sind, individuelle Interessen über Klassenfragen zu stellen und die Verteidigung demokratischer Rechte vom Kampf um Sozialismus zu trennen.
25. Die “Occupy Wall Street”-Bewegung hat verständlicherweise die Sympathie weiter Teile der Arbeiterklasse gewonnen, welche die Proteste als Ausdruck der Feindschaft gegenüber dem bestehenden wirtschaftlichen System interpretierten. Aber diese Bewegung bot der Arbeiterklasse keinen Weg vorwärts. Die “Occupy“-Bewegung wurde politisch von Vertretern der relativ wohlhabenden Teile der Mittelschicht dominiert und drückte deren Unwohlsein aus. Sie verblieb im Dunstkreis der Demokratischen Partei und hoffte, ihre Proteste würden irgendwie die Politik der Obama-Regierung beeinflussen. Niemals unternahm sie den Versuch, eine unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse auf Grundlage sozialistischer Forderungen zu starten. Es war kein Zufall, dass sie als politischen Parole „Wir sind die 99 Prozent!“ wählten. Ihre Führer wollten keiner genaueren Differenzierung der klassenbasierten sozio-ökonomischen Tendenzen innerhalb der amerikanischen Gesellschaft Vorschub leisten, besonders nicht hinsichtlich ihrer eigenen privilegierten Stellung im Vergleich mit den Bedingungen, denen die unteren 90 Prozent der Bevölkerung ausgesetzt sind. Der proklamierte Imperativ der Protestführer wirft pikanterweise Licht auf ihre eigene soziale Orientierung. Die wohlhabenden Teile der Mittelschicht wollen größeren Zugang zum Reichtum der Finanzindustrie. Daher ihr Slogan „Besetzt die Wall Street!“ Dies ist weit entfernt von einem sozialistischen Programm, welches die Überwindung der Diktatur der Wall Street und die Enteignung des von ihr angehäuften Reichtums befürwortet.
26. Ebenso wie frühere “Anti-Globalisierungs”-Demonstrationen (in Seattle und anderen Städten), war die “Occupy Wall Street”-Bewegung von politischen und theoretischen Konzeptionen gesteuert, die in zahlreichen anarchistisch-reformistischen Tendenzen gängig sind. Der Anarchismus findet mit seinem Zelebrieren des uneingeschränkten Individualismus leicht ein aufnahmebereites Publikum innerhalb der Mittelschicht. Diese Tendenzen, die sich aus einer breiten Palette subjektivistisch-idealistischer und irrationaler Denker speisen, die in Verbindung mit der Frankfurter Schule, dem Postmodernismus, Strukturalismus und Poststrukturalismus stehen (wie Horkheimer, Adorno, Foucault, Derrida. Lyotard, Lacan und Badiou), lehnen alle wesentlichen programmatischen Konzeption des Marxismus ab – vor allem sein Insistieren auf der ausschlaggebenden revolutionären Rolle der Arbeiterklasse. Ein Repräsentant des modernen „Post-Anarchismus“ schrieb kürzlich:
„Diese Form der Politik unterscheidet sich von den marxistischen Kämpfen der Arbeiterklasse: sie fußt nicht mehr auf der zentralen Subjektivität des Proletariats und deshalb ist diese Bewegung, obwohl traditionelle Organisationen der Arbeiterklasse auf wichtige Weise in ihre Kämpfe eingebunden sind, nicht mehr unter der Rubrik des Klassenkampfes verstehbar. Zweifellos ist es ein anti-kapitalistischer Kampf [sic!], doch nicht in einem marxistischen Sinne: vielmehr operiert der globale Kapitalismus als offener Horizont, der eher politisch als nur ökonomisch interpretiert wird und der von verschiedenen Menschen auf verschiedene Weise verstanden wird. Überdies basiert er nicht mehr auf dem marxistischen Modell politischer Mobilisierung –der zentralistisch organisierten Massenpartei – sondern verkörpert vielmehr, wie wir gesehen haben, einen „Netzwerk“-Aktivismus locker verbundener Affinitätsgruppen und diverser Organisationen, die sich sowohl in traditionellen Demonstrationen als auch innovativeren Formen direkter Aktion engagieren.“[8]
In seiner Zusammenfassung des post-anarchistischen Programms betont dieser Theoretiker, dass “es eine Form der Politik ist, die nicht länger an einzelne Meta-Erzählungen gebunden ist – an diejenige der Emanzipation der Arbeiterklasse beispielsweise.“[9]
27. Die Unzahl pseudo-linker Organisationen und Theoretiker, die ihre Programme rechtfertigen, haben eine bösartige Feindschaft gegen den Marxismus sowie gegen die Perspektive einer sozialistischen Revolution gemein, deren Träger die Arbeiterklasse ist. Ihre fortgesetzte Verleumdung aller Anstrengungen zum Aufbau einer revolutionären Partei – bei ihren Denunziationen greifen sie auf Begriffe wie „Sektiererei“, „Autoritarismus“, „Elitedenken“ und sogar „Totalitarismus“ zurück – , drückt ihre Angst aus, dass die Arbeiterklasse, sobald sie sozialistisches Bewusstsein entwickelt hat, sich von der politischen Dominanz der Mittelschicht befreien werde.
28. Die pseudo-linken Organisationen stellen in ihrer Gesamtheit eine Tendenz innerhalb der bürgerlichen Politik dar. In den Vereinigten Staaten wird diese Tendenz von der International Socialist Organization (ISO) verkörpert, deren Ausrichtung durch das Bedürfnis der Demokratischen Partei nach einer „linken“ Präsenz bestimmt wird. Die Pseudo-Linke ist allerdings ein internationales Phänomen. Außerhalb der US-amerikanischen Grenzen, wo der Klassenkampf weiter entwickelt ist, wird die reaktionäre Rolle der Pseudo-Linken noch deutlicher. In der Folge des Sturzes von Hosni Mubarak in Ägypten verstärkten die Revolutionären Sozialisten (politisch verschwistert mit der ISO) ihr Vertrauen in das Militär und biederten sich darüber hinaus der Muslimbruderschaft an. Diese reaktionäre Ausrichtung gründete auf der absurden Vorstellung, die von den britischen Gesinnungsgenossen der Revolutionären Sozialisten vertreten wird, dass ein linkes Programm auf der Basis eines Amalgams von „Marx und dem Propheten“ ausgearbeitet werden könne! Wie vorherzusehen, waren die Ergebnisse katastrophal. Nachdem sie sich gegen alle Bestrebungen gestellt hatte, eine politisch unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse aufzubauen, war diese pseudo-linke Organisation vollständig unvorbereitet, als das ägyptische Militär am 14. Juni 2012 seinen antiparlamentarischen Putsch ausführte. Als Reaktion auf den Putsch veröffentlichten die Revolutionären Sozialisten eine Stellungnahme auf der Website der ISO, die auf ein pathetisches Eingeständnis politischer Demoralisierung und auf eine Bankrotterklärung hinausläuft. Ohne eine Erläuterung ihrer eigenen politischen Aktivitäten der vorangegangenen Monate zu liefern, erklärten die RS:
„Es verwundert nicht, dass sich ein Zustand der Frustration unter den Revolutionären, Genossen, Kollegen und Freunden breit macht, ein Zustand der Fassungslosigkeit über die gegenwärtigen Entwicklungen, denn es sieht aus wie ein k.o.-Sieg für die Konterrevolution.“[10]
29. Liest man solche Bekundungen politischer Feigheit, wünscht man, die Autoren fragen zu können: “Und was, meine Damen und Herren, haben Sie während der vielen Monate getan, die auf den Sturz Mubaraks im Februar 2011 folgten? Inwieweit fühlen Sie sich dafür verantwortlich, dem Militär erlaubt zu haben, seinen Konter-Putsch auszuführen?“ Doch die Autoren werden diese Fragen nicht beantworten. Sie akzeptieren für nichts Verantwortung.
30. In Griechenland hat die Rolle der pseudo-linken Tendenz innerhalb bürgerlicher Politik offenkundig die SYRIZA übernommen. Diese Organisation – eine Koalition pseudo-linker Gruppen, zu denen Ex-Stalinisten, die Pablisten (langjährige Renegaten vom Trotzkismus), verschiedene “staatskapitalistische“ Formationen und Umweltschützer gehören – hat sich auf der Basis ihrer Anklagen gegen die von europäischen Banken durchgesetzten Sparpolitik eine breite Unterstützung in der Bevölkerung gesichert. Doch sobald SYRIZA vor der Möglichkeit stand, an die Macht zu kommen, eilte ihr Vorsitzender Alexis Tsipras nach Deutschland, um den Banken zu versichern, dass seine Partei nicht die Absicht habe, aus der Eurozone auszutreten. Was sie erstrebt, ist nichts Radikaleres als eine Neuverhandlung des Austeritätsprogramms der europäischen Banken.
31. Jede Frage nach dem reaktionären Charakter der pseudo-linken Tendenzen beantwortet sich endgültig selbst durch die Unterstützung, die sie unter dem betrügerischen Banner der „Menschenrechte“ den neokolonialen Feldzügen des Imperialismus gaben und geben. Der International Viewpoint, die Website der internationalen pablistischen Bewegung, veröffentlichte in hervorgehobener Form Stellungnahmen, mit denen die blutige imperialistische Intervention in Libyen unterstützt wurde. Die reaktionären Beifallsrufe der Pseudo-Linken für die imperialistischen Militärüberfälle auf Länder, die einst jahrzehntelang unter Kolonialherrschaft litten, finden nun ihre Wiederholung in Syrien.
32. In einem der großartigsten seiner frühen Werke, veröffentlicht vor 160 Jahren, schrieb Karl Marx: “Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen.“ [11] Die „unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umstände“ der heutigen Epoche wurden ausgestaltet durch die Revolutionen, Kriege und wissenschaftlich-technologischen Umformungen des vergangenen Jahrhunderts. Die strategischen Erfahrungen der gigantischen Klassenkämpfe des 20. Jahrhunderts müssen studiert werden. Die fortgeschritteneren Teile der Arbeiterklasse und der Jugendlichen müssen ein Verständnis der Rolle entwickeln, die Stalinismus, Sozialdemokratie, die Gewerkschaftsbürokratie und andere politische Opportunisten bei der Niederschlagung der revolutionären Bewegungen und des Überlebens des Kapitalismus spielten.
33. Die Notwendigkeit einer solchen Ausbildung zeigt sich umso dringender, als tatsächlich mehrere Jahrzehnte seit der letzten großen Periode bedeutsamer Klassenkämpfe verflossen sind. Die offiziellen Gewerkschaften betreiben uneingeschränkt Klassenzusammenarbeit und widmen sich gänzlich der Hilfestellung bei der Ausbeutung ihrer Mitglieder durch die Konzerne. Eine ganze Generation von Arbeitern wurde unter diesen Bedingungen jeder Möglichkeit beraubt, sich im direkten Kampf gegen den Kapitalismus zu engagieren. Diese lange andauernde Unterdrückung des Klassenkampfes hielt die Entwicklung des politischen Bewusstseins der Arbeiter zurück. Doch es wäre falsch zu schließen, dass der Rückgang des Klassenbewusstseins während der Jahrzehnte sozialer und politischer Stagnation unumkehrbar sei. Die herrschende Klasse würde nicht solche kolossalen Ressourcen dafür aufwenden, um das Massenbewusstsein zu desorientieren und zu betäuben, wenn sie Zuversicht in die Popularität des kapitalistischen „American Way“ besäße. Sie weiß sehr gut, dass die Propagandamaschine die soziale Realität nicht verbergen kann: der „amerikanische Traum“ löst sich in den „amerikanischen Alptraum“ auf.
34. Das gesellschaftliche Sein formt die wesentliche Grundlage für die Entwicklung des gesellschaftlichen Bewusstseins. Die revolutionäre Rolle der Arbeiterklasse ist letztlich bestimmt durch ihre objektive Stellung im kapitalistischen Produktionsprozess. Die sich verschärfende Krise des Kapitalismus muss unabwendbar die sozialistischen Tendenzen zur Oberfläche bringen, die latent im Bewusstsein der Arbeiter schlummern. Leo Trotzki erklärte: „Der wissenschaftliche Sozialismus ist der bewusste Ausdruck des unbewussten historischen Prozesses, nämlich der instinktive und elementare Trieb des Proletariats, die Gesellschaft auf kommunistischer Grundlage neu aufzubauen. Diese organischen Tendenzen in der Psychologie des Arbeiters entwickeln sich heute in der Epoche von Krisen und Kriegen mit größter Schnelligkeit.“[12]
35. Die Existenz dieser “organischen Tendenzen” wird ihren Ausdruck im Ausbruch sozialen Widerstandes finden und darüber hinaus in der Empfänglichkeit der Arbeiterklasse für sozialistische Ideen. Doch diese Tendenzen müssen kultiviert und zu authentischem sozialistischen Bewusstsein erhoben werden.
36. Die zentrale politische Aufgabe, vor der die Socialist Equality Party steht, ist die Hinwendung zur Arbeiterklasse. Wir antizipieren einen beispiellosen Aufschwung der amerikanischen Arbeiterklasse. Unsere Ausrichtung geht eindeutig auf die Arbeiterklasse. Sie ist die gewaltige Kraft, in der wir diese Partei aufbauen werden. Nur die Massenbewegung der Arbeiterklasse, gestützt auf ein internationales sozialistisches Programm, kann mit der amerikanischen herrschenden Klasse Rechnungen begleichen. Die Socialist Equality Party muss die politische Perspektive entwickeln, ohne die ernsthafter und ausdauernder, geschweige denn siegreicher, Kampf unmöglich ist. Sie muss versuchen, die weitsichtigsten und aufopferungsbereitesten Arbeiter und Jugendlichen zu rekrutieren. Auf der Grundlage eines unverfälschten revolutionären Programms wird die Socialist Equality Party Kräfte aus der Mittelschicht willkommen heißen, die im Kampf gegen Kapitalismus und Imperialismus vorbehaltlos auf die Seite der Arbeiterklasse getreten sind. Solche Kräfte können und werden eine wichtige Rolle in der Entwicklung der revolutionären Bewegung einnehmen, doch nur insoweit sie politisch und intellektuell mit dem kleinbürgerlichen Milieu gebrochen haben. Die Socialist Equality Party wird in engster politischer Zusammenarbeit mit ihren Genossen im Internationalen Komitee der Vierten Internationale alle für die Partei gewonnenen Kräfte auf der Grundlage der Geschichte und des theoretischen Erbes der marxistisch-trotzkistischen Bewegung heranbilden. Sie muss in den fortgeschrittenen Teile der amerikanischen Arbeiterklasse ein umfassendes Verständnis des internationalen Charakters der Klassenkämpfe und der sozialistischen Revolution schaffen.
37. Die Zukunft der gesamten Menschheit hängt von der Entwicklung einer unverfälscht revolutionären Bewegung der Arbeiterklasse ab. Es gibt keinen anderen Ausweg aus der Sackgasse der Krise des Kapitalismus. Die Worte Leo Trotzkis aus dem Gründungsdokument der Vierten Internationale fassen die Aufgaben und die Perspektive der Socialist Equality Party außerordentlich zeitgemäß zusammen:
„Alles Gerede, dass die geschichtlichen Bedingungen noch ‚nicht reif‘ seien für den Sozialismus, ist ein Erzeugnis von Unwissenheit oder bewusstem Betrug. Die objektiven Voraussetzungen für die proletarische Revolution sind nicht nur ‚reif‘, sondern beginnen bereits zu verfaulen. Ohne eine sozialistische Revolution, und zwar in der nächsten geschichtlichen Periode, droht der gesamten menschlichen Kultur eine Katastrophe. Alles hängt nunmehr vom Proletariat ab, das heißt vor allem von seiner revolutionären Vorhut. Die geschichtliche Krise der Menschheit läuft auf die Krise der revolutionären Führung hinaus.“[13]
Resolution 2:
Über die Wahlen 2012 und den Wahlkampf der SEP
Dies ist die zweite Resolution, die auf dem 2. Parteitag der Socialist Equality Party (USA) vom 8. bis 12. Juli 2012 einstimmig angenommen wurde.
1. Die Socialist Equality Party und ihre Kandidaten – Jerry White (Präsidentschaft) und Phyllis Scherrer (Vizepräsidentin) – beteiligen sich an der Wahl 2012, um eine sozialistische Führung in der Arbeiterklasse aufzubauen, die Kämpfe der Arbeiter und Jugendlichen miteinander zu vereinen und politisch zu organisieren, um die revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft durchzuführen.
2. Die Wahlen 2012 finden in der schwersten Wirtschafts- und sozialen Krise der Vereinigten Staaten seit der Großen Depression statt. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist bereits desaströs und wird noch schlimmer. Millionen Menschen sind arbeitslos, erleiden Lohnsenkung, oder sie wurden aus ihren Häusern geworfen. Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit bleibt nach dem Zusammenbruch von 2008 auf Rekordhöhe. Die Hälfte der Bevölkerung gilt als arm oder nahe an der Armutsgrenze, vier Millionen Menschen leben von weniger als zwei Dollar am Tag.
3. Das offizielle Zwei-Parteien-System lässt der Arbeiterklasse keine Wahl. Demokraten und Republikaner sind gleichermaßen entschlossen, die Wirtschafts- und Finanzaristokratie zu verteidigen. Sie geben zusammen drei Milliarden Dollar für ihre Wahlkämpfe aus. Die „Wahl“ besteht zwischen Romney, einem erzreaktionären Multimillionär und Unternehmensplünderer, und Obama, ebenfalls Multimillionär, der sich in seiner dreieinhalbjährigen Amtszeit als gnadenlosen Vertreter der Banken erwiesen hat. Die Differenzen zwischen den beiden Parteien sind taktischer Natur. Wenn es um die Verteidigung der grundlegenden Interessen der Wirtschafts- und Finanzelite geht, stehen sie Seite an Seite.
4. Die Erfahrungen mit der Obama-Regierung haben dabei geholfen, Millionen Menschen die Gleichgültigkeit des politischen Systems gegenüber den Interessen der großen Mehrheit der Bevölkerung vor Augen zu führen. Ihre Bilanz zeigt, dass die amerikanische herrschende Klasse keine Reformpolitik hat. Die Reaktion der herrschenden Klasse auf das Entstehen sozialen Widerstandes ist nicht Reform, sondern Unterdrückung.
5. In der Innenpolitik begann Obama seine Amtszeit damit, dass er die Rettung der Banken ausweitete, Billionen von Dollar bereitstellte, aber staatliche Programme zur Schaffung von Arbeitsplätzen für die Arbeitslosen ablehnte. Die Rettung der Autoindustrie, die auf der Halbierung der Löhne für neu eingestellte und dem Abbau von Rentenleistungen der Autounternehmen basierte, war das Signal für ähnliche Angriffe der Konzerne, sowie staatlicher und kommunaler Regierungen. Die wichtigste „Reform“ der Regierung, die Gesundheitsreform, war in Wirklichkeit der Beginn einer noch nicht beendeten Kampagne zur Senkung von Gesundheitskosten für Unternehmen und die Regierung. Unter Obamas „Aufschwung“ sind 93 Prozent der Einkommenszuwächse an das oberste Prozent gegangen.
6. In der Außenpolitik hat Obama die Besetzung des Iraks und Afghanistans fortgesetzt, die Drohnenangriffe in Pakistan, im Jemen und in anderen Ländern ausgeweitet und einen neuen Krieg gegen Libyen begonnen; jetzt schürt er Konflikte mit Syrien und dem Iran. Die Logik dieses leichtsinnigen Militarismus ist ein offener Konflikt mit den Atommächten China oder Russland, der verheerende Folgen haben würde.
7. Die Obama-Regierung hat die Angriffe auf demokratische Rechte verschärft, die unter Bush begannen: Sie behielt Guantanamo bei, schützte die Folterer der CIA und verfolgte diejenigen, die amerikanische Kriegsverbrechen enthüllten, wie den Gefreiten Bradley Manning. Das Weiße Haus beansprucht jetzt das Recht des Präsidenten, Drohnenangriffe auf jeden überall auf der Welt anzuordnen, auch auf amerikanische Staatsbürger.
8. Diese Angriffe sind der Höhepunkt eines schleichenden Verfalls der bürgerlichen Demokratie in Amerika über viele Jahrzehnte hinweg. Ein wichtiger Wendepunkt war der Wahlbetrug im Jahr 2000, als der Oberste Gerichtshof die Stimmauszählung in Florida beendete und George W. Bush ins Weiße Haus brachte. Die Kapitulation der Demokraten vor diesem verfassungswidrigen Putsch zeigte, dass in keinem Teil der herrschenden Elite mehr ein bedeutender Rückhalt für demokratische Prinzipien herrscht. Diese politische Wende ist selbst Ausdruck eines tieferen sozialen Prozesses: Es ist unmöglich, demokratische Herrschaftsformen in einer Gesellschaft zu bewahren, in der die Verteilung von Reichtum und Einkommen so einseitig und ungleich ist.
9. Die letzten dreieinhalb Jahre haben die Einschätzung der SEP bestätigt, dass Obamas Wahl nicht die Wiederbelebung des Sozialreformismus bedeutete, sondern ein neues Stadium im Angriff der Konzerne auf die Arbeitsplätze, den Lebensstandard und die sozialen Rechte der arbeitenden Bevölkerung. Wir lehnten die Behauptungen von Gruppen wie der International Socialist Organization ab, die die Wahl des ersten afroamerikanischen Präsidenten als „transformierendes Ereignis“ bezeichneten, das einen Bruch mit der „rechten Agenda bedeutet, die die amerikanische Politik in den letzten drei Jahrzehnten dominiert hat.“
10. In der amerikanischen Politik spielt ein Netzwerk von Organisationen privilegierter Schichten des Kleinbürgertums, der Gewerkschaften und liberaler Publikationen eine wichtige Rolle. Sie propagieren die Demokratische Partei und verhindern, dass die immensen sozialen Spannungen, die sich in der amerikanischen Gesellschaft aufbauen, einen unabhängigen politischen Ausdruck finden. Die gleichen politischen Kräfte rufen gleichzeitig zur Wiederwahl von Barack Obama und der Demokraten ins Weiße Haus und den Senat auf. Trotz ihrer milden und heuchlerischen Kritik unterstützen diese Pseudolinken Obama und die Demokraten nicht trotz, sondern wegen ihrer rechten Agenda. Sie sprechen im Namen einer schmalen Schicht der privilegierten oberen Mittelschicht, die der Arbeiterklasse gegenüber feindselig eingestellt ist.
11. Die SEP lehnt die Behauptung mit Verachtung ab, die arbeitende Bevölkerung solle den Demokraten als „kleineres Übel“ wählen da nur ein Demokrat oder ein Republikaner die Wahl am 6. November gewinnen könne. Das war mehr als ein Jahrhundert lang die letzte Verteidigungslinie für die politische Herrschaft des amerikanischen Großkapitals. Das Zweiparteienmonopol ist durch und durch undemokratisch und muss beseitigt werden.
12. Das Programm der Socialist Equality Party bietet der Arbeiterklasse den einzigen Ausweg. Die SEP kämpft dafür, den Kampf der arbeitenden Bevölkerung für ihre grundlegenden sozialen, wirtschaftlichen und politischen Rechte mit dem Programm des revolutionären Sozialismus zu verbinden. Die Kontrolle der Wirtschafts- und Finanzaristokratie über den Reichtum der Gesellschaft ist das größte Hindernis für sozialen Fortschritt. Die SEP betont, dass die Rechte der Arbeiterklasse nur durch ihre unabhängige Mobilisierung im Kampf um die politische Macht und die radikale Umverteilung des Reichtums, die Herstellung echter sozialer Gleichheit und die Umorganisierung der Wirtschaft unter der demokratischen Kontrolle der Arbeiterklasse gesichert werden können. Das Ziel muss die Bedienung sozialer Bedürfnisse und nicht privater Profit.
13. Der Wahlkampf der SEP basiert auf dem Prinzip des Internationalismus. In einer globalisierten Wirtschaft – und im Kampf gegen eine herrschende Wirtschaftselite, die die Arbeiter in allen Ländern ausnutzt und auf der Grundlage von Hautfarbe, ethnischer Zugehörigkeit, Religion und Nationalität gegeneinander aufhetzen will – kann die Arbeiterklasse ihre Interessen nur auf Grundlage der größten internationalen Einigkeit verteidigen. Die amerikanischen Arbeiter sind Teil der internationalen Arbeiterklasse und müssen ihre Kämpfe auf der Grundlage einer internationalen Strategie führen. Im Zentrum des Weltimperialismus, wo die herrschende Klasse über die stärkste Militärmaschinerie der Welt verfügt, haben die amerikanischen Arbeiter die Verantwortung, ihre Klassenstärke gegen den amerikanischen Militarismus und seine beispiellose weltweite Aggression zu mobilisieren.
14. Jerry White und Phyllis Scherrer werden in den meisten Staaten als Write In-Kandidaten zur Wahl stehen. Das amerikanische Wahlsystem ist nur dem Namen nach demokratisch. In Wirklichkeit üben die beiden Parteien des Großkapitals einen Würgegriff über den ganzen Prozess aus. Die Teilnahme an der Wahl erfordert in vielen Staaten zehntausende Unterschriften, um auch nur den Namen auf den Stimmzettel zu bekommen. Die Mainstream-Medien arbeiten vorsätzlich daran, jede Diskussion über alternative Ansichten zu verhindern. Und der ganze Prozess ist dominiert von unvorstellbaren Geldbeträgen. Die SEP verurteilt den undemokratischen Charakter des bestehenden Wahlsystems und versucht, ihn bloß zu stellen. Aber die Partei wird versuchen, in Staaten auf den Wahlzettel zu kommen, in denen die Anforderungen weniger hoch sind. Wo das nicht möglich ist, rufen wir Arbeiter und Jugendliche im ganzen Land auf, die Namen unserer Kandidaten als klassenbewusste Unterstützungserklärung für ein revolutionäres, sozialistisches Programm auf den Wahlzettel zu schreiben.
15. In den Monaten seit Beginn des Wahlkampfes der SEP hat sie starken Anklang bei Arbeitern und Jugendlichen im ganzen Land gefunden. Wichtige Wahltreffen wurden im Mittleren Westen, im Nordosten, Süden und Westen, sowie in Kanada organisiert. Jerry White und Phyllis Scherrer haben unter Arbeitern geworben, die in erbitterten Kämpfen gegen Aussperrungen gestanden haben, darunter bei Cooper Tire und Caterpillar, und gegen Kürzungen bei Sozialprogrammen wie im Bildungswesen, dem Gesundheitswesen und dem öffentlichen Verkehr.
16. Überall besteht ein Interesse am Sozialismus und ein starkes Verlangen nach einer politischen Alternative zu den Parteien des Großkapitals. Die Wirtschaftskrise hat tiefgehende Auswirkungen auf das Bewusstsein von Arbeitern und Jugendlichen. Die amerikanische Arbeiterklasse verliert das Vertrauen in das kapitalistische System. Die objektive Entwicklung der Krise und die Erfahrungen der Arbeiterklasse schaffen die Grundlage für das Entstehen einer revolutionären Massenbewegung in den Vereinigten Staaten, dem Herzen des Weltkapitalismus.
17. Wie die Wahlkampagne der SEP gezeigt hat, belegt das Anwachsen des Klassenkampfes und die Krise des Kapitalismus die entscheidende Bedeutung der politischen Führung und der Intervention der Partei. Grundlegende theoretische, historische und politische Fragen müssen geklärt werden. Was ist Sozialismus? Was war die Sowjetunion? Wie kann die Arbeiterklasse eine politische Bewegung unabhängig von der herrschenden Elite aufbauen? Es gibt definitiv ein wachsendes Interesse an den Lehren aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts und dem langen Kampf zum Aufbau einer revolutionären Bewegung der Arbeiterklasse, die sich im Leben und Werk von Leo Trotzki personifizierte. Der Wahlkampf der SEP ist notwendig mit dem Kampf zur Aufklärung der Arbeiterklasse über diese großen historischen Fragen verbunden. Die Machenschaften bürgerlicher und stalinistischer Fälscher müssen bekämpft werden.
18. In den vier Monaten, die noch bis zur Wahl bleiben, muss die SEP dafür kämpfen, ihr Programm zu möglichst vielen der Arbeitern und Jugendlichen zu bringen. Die Wahlkampagne wird der zentrale Punkt unserer Wendung zur Arbeiterklasse sein. Das bedeutet die größtmögliche Verbreitung von Wahlmaterial, die Nutzung jeder Gelegenheit, ein Publikum für das Programm und die Perspektive der SEP zu gewinnen, und das Abhalten von Treffen von Unterstützern im ganzen Land. Diese Kampagne wird sowohl die Partei als auch die Arbeiterklasse auf die Kämpfe vorbereiten, die sich mit Sicherheit während und nach der Wahl 2012 entwickeln werden.
Resolution 3:
Die Organisierung der Arbeiterklasse und der Kampf für den Sozialismus
1. Die Vorgängerin der SEP, die Workers League, unterschied sich seit ihrer Gründung 1966 von allen anderen politischen Tendenzen, indem sie auf der revolutionären Rolle der amerikanischen Arbeiterklasse beharrte, der einzigen gesellschaftlichen Kraft, die fähig ist, mit der herrschenden Klasse abzurechnen. Gerry Healy, der Vorsitzende der Socialist Labour League, erklärte den amerikanischen Trotzkisten damals: „Nicht Black Power oder eine der zahlreichen Friedens- und Bürgerrechtsbewegungen, die im ganzen Land aktiv sind, werden die grundlegenden Fragen unserer Zeit lösen, sondern die Arbeiterklasse unter Führung einer revolutionären Partei.“
2. Der Kampf zur Verankerung der SEP in der Arbeiterklasse erfordert einen entschlossenen Kampf für sozialistisches Bewusstsein und gegen alle Formen politischer Rückständigkeit und Illusionen, die das kapitalistische System und seine Diener in den Gewerkschaften, den Parteien des Großkapitals, in liberalen und pseudolinken Gruppen schüren. Sozialistisches Bewusstsein erwächst nicht spontan aus dem Klassenkampf, sondern muss von den Kadern der SEP in die Arbeiterklasse gebracht werden. Wie Lenin erklärte: „Ohne revolutionäre Theorie kann es auch keine revolutionäre Bewegung geben.“
3. Die Revolution, die die politische Grundlage für den Sozialismus legen wird, erwächst aus den Kämpfen der Arbeiterklasse für ihre unabhängigen Klasseninteressen und ihre grundlegenden sozialen, wirtschaftlichen und politischen Rechte. Die SEP muss daran arbeiten, vor dem Ausbruch von Kämpfen eine politische Präsenz in der Arbeiterklasse und ihren fortschrittlichsten Elementen aufzubauen. Sie muss systematisch eine politische Avantgarde aufbauen, die diese Kämpfe miteinander vereint und sie zu einer politischen Offensive gegen das kapitalistische System ausrichtet. Die Erfahrungen der neuen Welle von Streiks und Kämpfen der Arbeiterklasse – von Ägypten über Griechenland bis in die Vereinigten Staaten – haben gezeigt, dass die Arbeiterklasse ohne revolutionäre politische Führung den politischen Machenschaften der herrschenden Klasse und ihrer Vertreter ausgeliefert ist.
4. Die SEP kämpft dafür, den politischen und organisatorischen Würgegriff der bestehenden Gewerkschaften durch den Aufbau unabhängiger Basiskomitees zu brechen. Die Arbeiterklasse kann nicht ohne Organisation kämpfen. Aber die AFL-CIO und die Change to Win Coalition sind keine Organisationen der Arbeiterklasse, sondern Hilfsorgane der Konzernleitungen. Es verschleiert bereits die soziale Realität, diese Organisationen als „Gewerkschaften“ zu bezeichnen. Sie fungieren nicht mehr als elementare Verteidigungsorganisationen der Arbeiterklasse. Sie schützen Arbeiter nicht vor Entlassungen, Werksschließungen, Lohn- und Leistungskürzungen, Produktivitätssteigerungen oder anderen Forderungen des Managements. Sie vereinen die Arbeiter nicht, um ihre gemeinsamen Interessen zu verteidigen, im Gegenteil: Sie sabotieren jeden Kampf der Arbeiter, mit dem sie sich verteidigen wollen und halten die Arbeiterklasse uneins. Sie haben die Doktrin des Klassenkampfes schon lange aufgegeben zugunsten von Korporatismus, Partnerschaft mit dem Management und wirtschaftlichem Nationalismus. Die Arbeiter müssen Mitgliedsbeiträge zahlen, haben aber keine Kontrolle über diese Organisationen, die die Diktate des Managements regelmäßig mit Einschüchterungen, Abstimmungsfälschungen und Gewalt umsetzen.
5. Diese Organisationen sind eine wichtige Stütze der Demokratischen Partei. Wenn tatsächlich Arbeitskämpfe ausbrechen, machen sie sich daran, vorsätzlich und bewusst zu verhindern, dass sie aus dem Rahmen des Kapitalismus mit seinem Zweiparteiensystem ausbrechen. Bei den Massenprotesten gegen Haushaltskürzungen in Wisconsin im letzten Jahr arbeitete die AFL-CIO eng mit der Demokratischen Partei und ihren Hilfsorganisationen zusammen, um den Arbeitskampf für eine Neuwahlkampagne gegen den republikanischen Gouverneur Scott Walker und für seinen demokratischen Herausforderer einzuspannen. Die Gewerkschaften haben die Obama-Regierung bei ihren Angriffen auf die Arbeiterklasse eng unterstützt; beispielsweise hat die UAW bei der Sanierung der Autoindustrie durch Armutslöhne für neu eingestellte Arbeiter kollaboriert. Sie stehen jetzt vollständig hinter Obamas Wahlkampf.
6. Die SEP hat nicht nur in den Kämpfen der Arbeiterklasse interveniert, um die Verrätereien der alten Organisationen zu enthüllen und zu verurteilen, sondern um für ein Programm und ein praktisches Vorgehen zu kämpfen, die diese Kämpfe vorwärts bringen können. In Wisconsin rief die SEP auf dem Höhepunkt der Massenbewegung zu einem Generalstreik der Arbeiter auf. Wie korrekt diese Forderung war, zeigte sich tragischerweise im negativen Sinne. Die Gewerkschaftsführung lehnte einen Generalstreik ab und forcierte stattdessen als vorsätzliche Ablenkung die Neuwahlkampagne. Dadurch wurde die Arbeiterklasse demobilisiert, Arbeiter und Jugendliche wurden in die Sackgasse der Politik der Demokraten geführt und die rechte Regierung des republikanischen Gouverneurs Walker gestärkt.
7. In einer Reihe von Kämpfen der Arbeiterklasse ist die SEP dafür eingetreten, die Arbeiter unabhängig von bürokratischen Hüllen wie der UAW zu organisieren. Als die Arbeiter des GM-Werkes in Indianapolis gegen einen Tarifvertrag stimmten, durch den die Löhne gekürzt worden wären, und die UAW-Funktionäre dafür kritisierten, ihn akzeptiert zu haben, organisierte die SEP ein Basiskomitee, um die Rebellion vorwärts zu bringen. Bei Cooper Tire in Findlay, Ohio drängte die SEP die ausgesperrten Arbeiter dazu, die Zwangsjacke der Isolation zu zerreißen, die ihnen die United Steelworkers angelegt hatten und den Kampf auf die Arbeiter im ganzen mittleren Westen auszudehnen. Egal ob es sich um Fabrikarbeiter in Grundindustrien handelt, um Angestellte im öffentlichen Dienst, wie Lehrer, oder Arbeiter ohne Erfahrung mit Gewerkschaften, die SEP sagt ihnen die Wahrheit: Die alten Organisationen können weder reformiert noch wiederbelebt werden. Der Klassenkampf muss vorwärts gebracht werden, durch den Aufbau neuer Organisationen.
8. Die Führungsschicht, die den Gewerkschaftsapparat leitet, hat schon seit langem andere materielle Interessen als die Arbeiter, die sie angeblich repräsentieren. Sie hat neue Wege gefunden, ihr Einkommen und ihre Privilegien durch den Verrat an der Arbeiterklasse zu sichern. Die Mittel der UAW stiegen beispielsweise auf über eine Milliarde Dollar, obwohl sie 80 Prozent ihrer Mitglieder verloren hat. Heute verfügt die UAW über Aktien der Detroiter Autobauer im Wert von Milliarden Dollar. Diese Organisationen sprechen im Namen einer privilegierten Schicht des Kleinbürgertums, deren Interessen denen der Arbeiterklasse grundsätzlich feindselig gegenüberstehen.
9. Je mehr sich die Gewerkschaften in arbeiterfeindliche Organisationen verwandelt haben, desto mehr haben kleinbürgerliche pseudolinke Gruppen wie die International Socialist Organization betont, man dürfe die Autorität dieser Organisationen über die Arbeiterklasse nicht anfechten. Ein wichtiger Aspekt der Rechtswende von Gruppen wie der ISO war der Aufstieg ihrer Mitglieder in gutbezahlte Positionen des Gewerkschaftsapparates, wo sie die Arbeiterklasse unweigerlich verraten und der Demokratischen Partei und den Diktaten des Großkapitals untergeordnet haben. Wenn es zu Kämpfen kam, in denen die Kontrolle der Gewerkschaften zu brechen drohte – wie bei der Bildung des Basiskomitees in Indianapolis durch die SEP – versuchten die Ex-Radikalen militante Arbeiter mit Hetzkampagnen einzuschüchtern und machten sie zu Opfern der Gewerkschaftsbürokratie.
10. Die pseudolinken Gruppen betreiben Geschichtsfälschung, wenn sie behaupten, der AFL-CIO und die Change to Win Coalition seien die einzigen realistischen „Arbeiter“organisationen, um deren organisatorische Kontrolle zu rechtfertigen. Der Ausbruch des Klassenkampfes hat allgemein die Form einer Rebellion gegen alte Organisationen angenommen, die sich an den von der Wirtschaft bestimmten Status Quo angepasst haben. In den USA war die Gründung von Gewerkschaften in den 1930ern nur durch einen erbitterten Kampf mit der American Federation of Labor möglich, der Organisation der Zunftgewerkschaften. In der marxistischen Bewegung brach damals eine Debatte aus, ob die Partei die Gründung neuer Organisationen als Gegner der AFL unterstützen sollte. Letzen Endes zeigte die explosive Streikwelle Mitte der 1930er Jahre und die Gründung des Congress of Industrial Organizations (CIO), dass die Befürworter einer Offensive gegen die AFL recht hatten. Trotzdem konnte man die AFL in den 1930er Jahren noch als Arbeiterorganisation bezeichnen, obwohl sie den Industriearbeitern gegenüber feindselig eingestellt war.
11. Der derzeitige Zustand der AFL-CIO und der Change to Win Coalition sind das Ergebnis der jahrzehntelangen Unterordnung der Gewerkschaften unter die Demokratische Partei, der antikommunistischen Säuberungen nach dem Zweiten Weltkrieg und ihrer Verteidigung des Kapitalismus und des amerikanischen Imperialismus. Gerade diese essenziell nationalistische Orientierung führte in der Zeit der Globalisierung zu ihrem Kollaps. Das Wachstum und die zunehmende Mobilität des Finanzkapitals und die Gründung transnationaler Konzerne haben dem nationalen, reformistischen Programm der Gewerkschaften den Boden entzogen. Als Reaktion hat sich die Gewerkschaftsbürokratie noch mehr zur Waffe der Unternehmen entwickelt, um ihre Privilegien auf Kosten der Arbeiter zu verteidigen, die sie angeblich repräsentieren.
12. Die Socialist Equality Party kämpft für den Aufbau von Fabrik- und Stadtteilkomitees, angetrieben vom Geist revolutionärer Unnachgiebigkeit und des Widerstandes gegen die beiden Parteien des Großkapitals. Diese Organisationen müssen sich nach den Bedürfnissen der Arbeiterklasse richten und von dieser demokratisch kontrolliert werden. Sie müssen immer größere Verantwortung dafür übernehmen, die Arbeiterklasse zu vereinigen – Arbeitende, Arbeitslose, Facharbeiter, Ungelernte, Einheimische, Ausländer, in verschiedenen Branchen und Unternehmen – und ihre gemeinsamen Kämpfe gegen die Kapitalistenklasse organisieren.
13. Die Verwandlung der offiziellen Gewerkschaften in Syndikate mit den Unternehmen macht die Arbeit der Partei unter den Arbeitern, die noch in diesen Organisationen gefangen sind, noch wichtiger. Die SEP greift in alle Kämpfe ein, auch in die, die im bestehenden Apparat ausbrechen, mit der Absicht, die Arbeiterklasse unabhängig zu mobilisieren und dafür zu kämpfen, aus der Isolation durch die unternehmensfreundlichen Syndikate auszubrechen und die allgemeineren politischen und sozialen Hintergründe jedes einzelnen Kampfes deutlich zu machen.
14. Die SEP möchte nicht nur neue Organisationen in den Betrieben und Verwaltungen schaffen, sondern auch Bürgergruppen und Stadtteilkomitees, um gegen schlechter werdende soziale Bedingungen und Ausgabenkürzungen zu kämpfen. Ein wichtiges Beispiel für solch einen Kampf ist die Erfahrung des Committee Against Utility Shutoffs (CAUS), das auf Initiative der SEP gegründet wurde, nachdem es durch Strom- und Gassperrungen des Detroiter Energiemonopolisten DTE zu mehreren Hausbränden gekommen war. Das CAUS mobilisierte die Einwohner von Detroit gegen die Sperrungen, kämpfte bei den Arbeitern von DTE, organisierte eine Demonstration im Westbezirk der Stadt und griff auf Gemeindeforen und anderen Treffen im Namen der Arbeiterklasse ein.
15. Diese Organisationen müssen dafür kämpfen, die Arbeiterklasse mit definitiven Forderungen zu vereinigen, dazu gehört die Abschaffung der Zweiklassenlöhne, das Recht auf einen Arbeitsplatz, ein angemessenes Einkommen, eine sichere Rente und angemessene Gesundheitsversorgung. Sie müssen alle Versuche zurückweisen, junge Arbeiter gegen alte aufzuhetzen, schwarze gegen weiße, das Stadtzentrum gegen die Vororte oder amerikanischstämmige gegen Einwanderer. Sie müssen auf der politischen Unabhängigkeit der Arbeiterklasse von der Demokratischen Partei und dem Zweiparteiensystem bestehen und sich weigern, die Forderungen der Arbeiter den Profitinteressen der Konzerne unterzuordnen.
16. Dreh- und Angelpunkt der Intervention der SEP in alle Kämpfe ist ihr revolutionäres sozialistisches Programm. Der Kampf für neue Organisationen ist Teil – aber niemals Ersatz für – die strategische Hauptaufgabe: Den Aufbau der Socialist Equality Party in der Arbeiterklasse. Tatsächlich können unabhängige Komitees nur dann gehalten werden, wenn sie von Arbeitern geführt und geleitet werden, die begonnen haben, ein sozialistisches Bewusstsein zu entwickeln und zu einem politischen Verständnis der Rolle der Gewerkschaften und der Demokratischen Partei gekommen sind.
17. Jeder Ortsverband der SEP muss dafür kämpfen, in den wichtigsten Sektionen der Arbeiterklasse eine Führung aufzubauen – darunter in der Industrie, dem Dienstleistungssektor, im Gesundheits- und Bildungswesen, im Öffentlichen Dienst und im Transportwesen. Die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse müssen durch systematische Propaganda enthüllt werden. Die besonderen Interessen verschiedener Schichten der Arbeiterklasse müssen mit den allgemeinen Interessen der Arbeiterklasse durch einen gemeinsamen politischen Kampf gegen das kapitalistische System verbunden werden.
Resolution 4:
Baut die International Youth and Students for Social Equality auf
Außerdem wurde beschlossen, den Namen der Studenten- und Jugendorganisation der Socialist Equality Party von International Students for Social Equality zu International Youth and Students for Social Equality zu ändern.
1. Der Kampf zum Aufbau einer sozialistischen Bewegung der Arbeiterklasse erfordert die Ausbildung einer neuen Generation von Studenten und Arbeiterjugendlichen in der Geschichte und den Prinzipien des Marxismus und der Vierten Internationale.
2. Die Krise, die im Jahr 2008 begonnen hat, hat in den Vereinigten Staaten und weltweit unerträgliche Bedingungen geschaffen und Millionen junger Menschen in den politischen Kampf geworfen. Junge Menschen gehören zu den Bevölkerungsgruppen, die am stärksten von der wachsenden Massenarbeitslosigkeit betroffen sind. Seit dem Jahr 2000 hat die amerikanische Wirtschaft mehr als ein Viertel aller Vollzeitstellen für unter 25-jährige verloren. Nur sechzehn Prozent der Jugendlichen, die von 2009 bis 2011 die Schule abgeschlossen haben, aber nicht aufs College gegangen sind, haben Vollzeitstellen gefunden. Insgesamt haben nur 47,3 Prozent der Amerikaner zwischen sechzehn und vierundzwanzig, die nicht in der Schule sind, Vollzeitstellen.
3. Auf der ganzen Welt hat die Jugend keine Zukunft. Junge Arbeiter verdienen kaum genug, um am Leben zu bleiben. Sie wird von Krieg, Polizeibrutalität und staatlicher Unterdrückung bedroht. Laut der International Labor Organization sind zwölf Prozent der Jugendlichen zwischen fünfzehn und vierundzwanzig arbeitslos. In Griechenland und Spanien sind mehr als die Hälfte aller Jugendlichen arbeitslos, im Nahen Osten und Nordafrika ein Viertel.
4. Die Obama-Regierung war als Erfüllungsorgan der herrschenden Klasse bestrebt, den Lebensstandard junger Arbeiter zu senken, um sie als Rammbock gegen den Lebensstandard der ganzen Arbeiterklasse einzusetzen. Deshalb hat die Regierung die Ausweitung von Zweiklassenlöhnen als Vorbedingung für die Rettung der Autoindustrie durchgesetzt.
5. Auch der Lebensstandard der Studenten hat sich drastisch verschlechtert. Die Möglichkeit einer höheren Bildung zu einem für Arbeiterjugendliche erschwinglichen Preis wird zerstört. Eine anständige staatliche Bildung wird zum exklusiven Vorrecht der Kapitalisten und des oberen Teils der Mittelschicht. Studenten aus weniger privilegierten Verhältnissen, die eine Ausbildung machen wollen, müssen Schulden machen, die sie jahrzehntelang nicht zurückzahlen können, auch wenn sie sich verausgaben, nur um zu überleben.
6. Die schlechten wirtschaftlichen Aussichten, vor denen junge Menschen heute stehen, werden durch beispiellose Kürzungen im Bildungswesen noch weiter verschlechtert. In den letzten vierzehn Monaten wurden in den USA im Bildungswesen 470.000 Angestellte entlassen. Im ganzen Land kürzen städtische und bundesstaatliche Behörden die Ausgaben, was zur Schließung von Schulen, steigenden Klassengrößen und dem Wegfall wichtiger Bestandteile einer angemessenen Ausbildung führt. Jahr für Jahr kürzen die Bundesstaaten die Mittel für höhere Bildung, sodass die Hochschulen Gebühren erhöhen müssen.
7. Die steigenden Studiengebühren erlegen den Jugendlichen eine wachsende Schuldenlast auf. Die Gesamtmenge der Bildungskredite in den USA ist auf mehr als eine Billion Dollar gestiegen, mehr als Schulden für Autos und Kreditkarten zusammen. Im Jahr 2010 beendete ein Student sein Studium mit Schulden in Höhe von 25.250 Dollar, 29 Prozent mehr als im Jahr 2006 (19.646 Dollar). Gleichzeitig sind die Löhne für Collegeabgänger gesunken. Der Stundenlohn für Collegeabgänger von 23 bis 29 Jahren ist seit dem Jahr 2000 um mehr als sechs Prozent gesunken. Das bedeutet, zehntausende junger Menschen können ihre Studiendarlehen nie zurückzahlen.
8. Die Verarmung der jüngeren Generation ist ein weltweites Phänomen, aber auch der Eintritt der Jugend in den politischen Kampf. Bedeutende soziale Bewegungen haben sich unter Jugendlichen gebildet, darunter Massenproteste zur Verteidigung des öffentlichen Bildungswesens in Kanada, Großbritannien, Mexiko, Chile und den USA. Mehr als ein offizieller Kommentator hat die Beobachtung gemacht, dass diese Massen von arbeitslosen jungen Arbeitern und Collegeabsolventen eine soziale Basis für revolutionäre Unruhen seien.
9. Abgesehen von der wirtschaftlichen Katastrophe stehen der Jugend außerdem endlose Kriege bevor, in denen sie als Kanonenfutter dienen soll, damit die imperialistischen Mächte die Welt erobern können; oder sie wird selbst zum Ziel dieser Eroberungskriege. Während die USA Dauerkriege in jeder Region der Welt führen, erheben militärische und politische Entscheidungsträger wieder die Forderung nach der Wehrpflicht.
10. Kein Teil des politischen Establishments in den USA bietet einen Ausweg an. Im Jahr 2008 appellierte Obama mit seinem Ruf nach „Wandel“ besonders an junge Menschen. Aber die letzten dreieinhalb Jahre haben gezeigt, dass die Demokratische Partei genauso wie die Republikaner ein Werkzeug der Wirtschafts- und Finanzelite ist. Das revolutionäre Potenzial der jüngeren Generation kann nur durch eine Hinwendung zur Arbeiterklasse realisiert werden. Studenten und Jugendliche müssen für ein politisches Programm gewonnen werden, das die unabhängigen Interessen der Arbeiterklasse artikuliert und für die Bildung von Arbeiterregierungen kämpft, die die sozialistische Umgestaltung der Weltwirtschaft durchführen werden. Nur die völlige Umgestaltung der Gesellschaft kann das Recht auf kostenlose Bildung bis zur Universität, die Abschaffung von Studiendarlehen und die Garantie für angemessen bezahlte Arbeitsplätze für junge Menschen durchsetzen.
11. Die IYSSE betont, dass die Arbeiterklasse die wichtigste revolutionäre Kraft der Gesellschaft ist. Eine Orientierung zur Arbeiterklasse und ihrer Jugend bedeutet einen unablässigen Kampf gegen die reaktionären subjektiv-idealistischen und irrationalen politischen Philosophien, die die pseudolinke Politik dominieren und an Universitäten weit verbreitet sind. Theoretische Tendenzen, die mit der Frankfurter Schule, den Abwandlungen des Postmodernismus, des Neoanarchismus und der Identitätspolitik verbunden sind, haben ihre Wurzeln allesamt in der Zurückweisung des Marxismus und der revolutionären Rolle der Arbeiterklasse. Der Aufbau der IYSSE erfordert einen Kampf für Marxismus und die Anerkennung des gesamten revolutionären Erbes der internationalen sozialistischen Bewegung. Durch diesen Kampf wird die IYSSE in der Lage sein, die Arbeiterjugend und die besten Teile der Mittelschicht für sich zu gewinnen, die den Standpunkt der Arbeiterklasse im Kampf für den Sozialismus übernehmen.
12. Die Hinwendung der Studenten und Jugendlichen zur Arbeiterklasse kann nur durch einen systematischen Kampf für ein sozialistisches Bewusstsein erfolgen. Die junge Generation ist in einer Jahrzehnte dauernden Periode aufgewachsen, in der der Klassenkampf unterdrückt war. Das macht es noch wichtiger, diese Generation in den Lehren der großen historischen Kämpfe des 20. Jahrhunderts und den Erfahrungen der internationalen Arbeiterklasse auszubilden, und ihr die Bedeutung der Russischen Revolution und den Charakter des Stalinismus nahe zu bringen. Das theoretische Erbe des Marxismus und der Vierten Internationale muss einer neuen Generation von Jugendlichen vermittelt werden.
13. Dieser Parteitag der SEP ruft auf zum Aufbau der International Youth and Students for Social Equality, der Jugendbewegung der Socialist Equality Party und des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, um unter jungen Menschen für diese Perspektive zu kämpfen.
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Anmerkungen:
[1] The Economist, 9.-15. Juni 2012
[2] Leo Trotzki: Der Todeskampf des Kapitalismus und die Aufgaben der Vierten Internationale (1938), in: Das Übergangsprogramm, Essen 1997, S. 183
[3] Federal Reserve Bulletin, Juni 2012, S. 4
[4] ebd., S. 17-18
[5] Leo Trotzki: Der Programmentwurf der Kommunistischen Internationale, in: Die Dritte Internationale nach Lenin, Essen 1993, S.29.
[6] Leo Trotzki: “A School for Revolutionary Strategy,” in: The First Five Years of the Communist International, Band 2, London, 1974, S. 7 [Aus dem Englischen]
[7] Anthony B. Atkinson, Thomas Piketty, und Emmanuel Saez: “Top Incomes in the Long Run of History” [Spitzeneinkommen in langfristiger historischer Sicht], in: Journal of Economic Literature, 2011, 49:1, S. 6-7.
[8] Saul Newman: Unstable Universalities: Poststructuralism and Radical Politics [Unstabile Universalitäten: Poststrukturalismus und radikale Politik], Manchester und New York 2007, S. 176. [Aus dem Englischen]
[9] Ebd. S.180.
[10] “An Attack on the Revolution” [Ein Angriff auf die Revolution], gepostet auf socialistworker.org [aus dem Englischen].
[11] Karl Marx: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte (1852), in: MEW Bd.8, Berlin 1972, S. 115).
[12] Leo Trotzki: Von einem Kratzer – zur Gefahr von Wundbrand (1940), in: Verteidigung des Marxismus, Essen 2006, S.121.
[13] Leo Trotzki: Der Todeskampf des Kapitalismus und die Aufgaben der Vierten Internationale (1938), in: Das Übergangsprogramm, Essen 1997, S. 84