„Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“ – ein Netzwerk zur Rehabilitierung Hitlers

70 deutsche Akademiker haben am 3. Februar das „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“ gegründet. Obwohl es bisher nur aus einer leeren Website, einem kurzen Pressestatement und einer Namensliste besteht, erhält es große Publizität. Die „Netzwerk-Gründung fand so viel Beachtung in der Mainstream-Presse wie kaum ein wissenschaftspolitisches Ereignis der vergangenen Monate“, schreibt die Süddeutsche Zeitung.

Wären die Gründer ehrlich, würden sie ihren Zusammenschluss „Netzwerk zur Rehabilitierung Adolf Hitlers“ nennen. Sie wirbeln zwar viel Staub auf, um seinen wahren Zweck zu verschleiern. Sie gebärden sich als verfolgte Minderheit, deren „Positionen und Meinungen an den Rand gedrängt und moralisch sanktioniert werden“, und jammern über „Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit“, die „häufig einer ideologischen oder politischen Agenda“ folgen.

Tatsächlich handelt es sich bei den Gründern vorwiegend um Professoren, die ihre Meinung äußern können, wann und wo es ihnen passt. Sie verfügen über gut finanzierte Lehrstühle, sind als Beamte unkündbar und haben unbeschränkten Zugang zu den Medien. Ihr Netzwerk dient nicht der Verteidigung der Wissenschaftsfreiheit, sondern der Unterdrückung jeder Kritik an ihrer rechten Agenda.

Fragt man sie nach „konkreten Beispielen“ für Personen, die wegen „unliebsamen Meinungen“ ausgegrenzt werden, fällt unweigerlich der Name von Jörg Baberowski, der sich in den vergangenen Jahren zur führenden Stimme des akademischen Rechtsextremismus entwickelt hat und selbst Mitglied des Netzwerks ist.

Den Berliner Historiker als Opfer eines Angriffs auf die Wissenschaftsfreiheit darzustellen, ist grotesk. Er selbst geht gegen Kritiker mit äußerster Rücksichtslosigkeit vor. Er hat Studierende aus Veranstaltungen ausgesperrt, vor Gericht gezerrt, aufs Übelste beschimpft und mit Gewalt bedroht, weil sie seinen rechtsextremen Ansichten widersprachen. Ein Video, das weite Verbreitung fand, zeigt, wie er an der Humboldt-Universität Wahlplakate der trotzkistischen Jugendorganisation IYSSE abreißt und deren Sprecher Sven Wurm mit erhobener Faust droht: „Soll ich dir was in die Fresse hauen?“

Auch Kollegen des eigenen Fachbereichs verleumdet Baberowski, wenn sie es wagen, ihn zu kritisieren. Es hat denn nach der Gründung des Netzwerks auch keine Woche gedauert, bis sich der erste von ihnen zu Wort meldete. Am 9. Februar schilderte Jan Plamper, Professor für Geschichte am Londoner Goldsmiths College, im Blog der Zeitung Merkur, wie er von Baberowski „gecancelt“ wurde. Baberowski hatte versucht, Plamper aus der Redaktion einer gemeinsamen wissenschaftlichen Publikation zu werfen, nachdem er sich kritisch über ihn geäußert hatte.

Das öffentliche Radio Deutschlandfunk Kultur sendete am 1. und 2. Februar einen Beitrag mit dem Titel: „Streit um Berliner Historiker: ‚Sie versuchen, Jörg Baberowski mundtot zu machen‘.“ Es handelte sich um einen wüsten Angriff auf die IYSSE, der auf Verdrehungen, Fälschungen und glatten Lügen beruht und die elementarsten Regeln journalistischer Sorgfaltspflicht verletzt. Der Beitrag war offensichtlich mit den Gründern des Netzwerks abgestimmt. Einen aktuellen Anlass dafür gab es nicht; die Ereignisse, mit denen er sich befasst, liegen teils Jahre zurück. Der Autor, Sebastian Engelbrecht, war schon früher als Verteidiger Baberowskis in Erscheinung getreten.

Baberowski und seine Anhänger sind wütend auf die IYSSE, weil sie vor sieben Jahren als erste und einzige Alarm schlugen, als Baberowski im Spiegel Adolf Hitler bescheinigte, er sei „nicht grausam“ gewesen. Dank der intensiven Aufklärungsarbeit der IYSSE und der Sozialistischen Gleichheitspartei, wird Baberowski heute von einer großen Mehrheit der Studierenden und der Öffentlichkeit als das wahrgenommen, was er wirklich ist: Als rechtsextremer Professor, der die Verbrechen der Wehrmacht verharmlost, Hitler verteidigt, gegen Flüchtlinge hetzt und von der AfD, Neonazis und Breitbart News gelobt wird. Auch Gerichte, bei denen Baberowski den Bremer Asta und die IYSSE verklagte, haben bestätigt, dass man ihn als Rechtsextremen bezeichnen darf.

Trotz aller Bemühungen von Universitätsleitung, Professoren, Politik und Medien, den rechtsextremen Professor zu verteidigen, ist sein Ruf weitgehend ruiniert. Dem neuen Netzwerk geht es denn auch weniger um Baberowski an sich, als um das Projekt, dem er sich seit Jahren verschrieben hat – um die Rehabilitierung Hitlers. Man muss zum Anfang der Auseinandersetzung mit Baberowski im Frühjahr 2014 zurückkehren, um die Bedeutung dieser Frage zu verstehen.

Baberowski verteidigt Hitler

Am 10. Februar 2014 veröffentlichte Der Spiegel den Artikel „Wandel der Vergangenheit“ von Dirk Kurbjuweit. Er setzte sich nach eigener Aussage zum Ziel, 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten und 75 Jahre nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs „die Frage nach der deutschen Schuld“ neu zu stellen – also die deutschen Verbrechen in beiden Weltkriegen neu zu bewerten.

Die Veröffentlichung fiel mit einem entscheidenden Wendepunkt der deutschen Außenpolitik zusammen. Im Jahr davor hatten rund 50 Vertreter von Politik, Wissenschaft und Medien unter Federführung der Stiftung Wissenschaft und Politik das Papier „Neue Macht, Neue Verantwortung“ ausgearbeitet, das für eine Rückkehr Deutschlands zu Militarismus und Großmachtpolitik eintrat. Auf der Münchener Sicherheitskonferenz, die zeitgleich mit der Veröffentlichung des Spiegel-Artikels stattfand, warben dann Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Bundespräsident Joachim Gauck intensiv für diesen Kurs.

Wie die IYSSE damals in einem Offenen Brief an die Leitung der Humboldt-Universität bemerkten, erforderte „die Wiederbelebung des deutschen Militarismus eine neue Interpretation der Geschichte, die die Verbrechen der Nazizeit verharmlost“. Darin bestand die Aufgabe des Spiegel-Artikels.

Kurbjuweit interviewte den Politikwissenschaftler Herfried Münkler, um die deutsche Verantwortung für den Ersten Weltkrieg herunterzuspielen. Wesentlich schwieriger gestaltete sich dies in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg, da sich schlichtweg nicht bestreiten lässt, dass die Initiative zum Krieg von Deutschland ausging. In dieser Frage stützte sich Kurbjuweit auf Ernst Nolte und Baberowski.

Der mittlerweile verstorbene Nolte hatte 1986 mit der Behauptung, der Nationalsozialismus sei eine bedauernswerte, aber letztlich verständliche Reaktion auf den Bolschewismus, den Historikerstreit ausgelöst und sich seither vorwiegend in rechtsextremen Kreisen bewegt. Im Spiegel beschuldigte er nun Großbritannien und Polen, sie hätten eine Mitverantwortung für Hitlers Überfall auf Polen, der 1939 den Zweiten Weltkrieg eröffnete. Dem Judentum unterstellte er einen „eigenen Anteil am Gulag“, weil einige Bolschewisten Juden gewesen seien.

Baberowski verteidigte Nolte. „Nolte wurde Unrecht getan. Er hatte historisch recht,“ sagte er dem Spiegel. Er ging aber noch wesentlich weiter, als Nolte jemals gegangen war, indem er Hitler bescheinigte: „Hitler war kein Psychopath, er war nicht grausam. Er wollte nicht, dass an seinem Tisch über die Judenvernichtung geredet wird. Stalin dagegen hat die Todeslisten voller Lust ergänzt und abgezeichnet, er war bösartig, er war ein Psychopath.“

Dass Stalin ein grausamer Mörder war, wusste die trotzkistische Bewegung bereits, als Baberowski noch Stalin verteidigte und Geld für den Massenmörder Pol Pot sammelte, gehörten ihre Mitglieder doch zu Stalins vorrangigen Opfern. Daraus aber einen für Hitler positiven Vergleich abzuleiten, ist übelste Geschichtsfälschung, vergleichbar mit der Leugnung des Holocaust.

Es ist bezeichnend, dass 2014 außer der IYSSE und der Sozialistischen Gleichheitspartei niemand an Baberowskis Aussage Anstoß nahm. 1986 hatten Noltes wesentlich schwammigeren Äußerungen noch einen Sturm der Entrüstung ausgelöst, der zu seiner vollständigen Diskreditierung als Wissenschaftler führte. Heute würde das „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“ Nolte als Ehrenmitglied und angebliches Opfer der Cancel Culture aufnehmen.

Baberowskis Behauptung war nicht nur eine dreiste Geschichtsfälschung, sie verharmloste auch die Nazi-Diktatur, bei deren Verbrechen Hitlers persönliche Grausamkeit eine bedeutende Rolle spielte.

Peter Longerich schreibt in seiner 2015 veröffentlichen Hitler-Biografie, dass Hitlers Persönlichkeit „nicht nur bei wichtigen politischen Entscheidungen eine nicht zu unterschätzende Rolle (spielte), sondern seine Politik wesentlich mit(bestimmte)“. An einer Stelle schildert er anschaulich, wie Hitler anlässlich des „Röhm-Putsches“ persönlich nach München fuhr, um willkürliche Todesurteile gegen einstige Kampfgefährten zu verhängen.

Ian Kershaw beschreibt in seiner Hitler-Biografie, mit welcher Grausamkeit Hitler die Attentäter vom 20. Juli 1944 töten ließ, nachdem sie im Gefängnis gefoltert und vor dem Volksgerichtshof gedemütigt worden waren:

Die Hinrichtungsmethode für Kapitalverbrechen von Zivilisten war im Dritten Reich das Köpfen. Aber Hitler hatte für jene, die hinter der Verschwörung des 20. Juli 1944 standen angeordnet: „Ich will, dass sie gehängt werden, aufgehängt wie Schlachtvieh.“

Die Exekutionen wurden auf Anweisung von Hitler und Goebbels gefilmt und fotografiert.

Die verurteilten Männer wurden mit Handschellen und in Gefängnishosen hereingeführt. … Die Erhängung wurde innerhalb von 20 Sekunden, nachdem der Gefangene den Raum betreten hatte, durchgeführt. Der Tod jedoch trat nicht sofort ein. Manchmal kam er schnell; in anderen Fällen dauerte der Todeskampf lange, manchmal mehr als 20 Minuten. Als weitere Obszönität wurde einigen Verurteilten von ihren Henkern die Hosen heruntergezogen, bevor sie starben. Währenddessen surrte immerzu die Kamera. Die Fotos und der schauerliche Film wurden ins Führerhauptquartier gebracht. Speer berichtete später, er habe gesehen, dass ein Stapel solcher Fotos auf Hitlers Kartentisch lag…

Baberowski, dessen Arbeitsschwerpunkt die Erforschung von Gewalt ist, kennt sich in dieser Frage bestens aus. Wenn er wider besseres Wissen behauptet, „Hitler war nicht grausam“, ist dies eine gezielte Verharmlosung Hitlers und der Nazi-Diktatur.

Auch seine Behauptung, an Hitlers Tisch sei nicht über die Judenvernichtung geredet worden, ist eine dreiste Lüge. So finden sich in den Aufzeichnungen der „Tischgespräche“, die Hitler vom Sommer 1941 bis zum Frühjahr 1942 im Führerhauptquartier führte, massenhaft Wutausbrüche gegen Juden und Beteuerungen, dass Europa bei Kriegsende „judenfrei“ sein werde.

Das größte Verbrechen der Nazis, die systematische Ermordung von sechs Millionen Juden, ging direkt auf Hitlers Anweisung und Initiative zurück, wie Longerich nachweist. Er schreibt in der Schlussbilanz seiner Biografie:

Es war Hitler, der die grundsätzlichen Entscheidungen über die Kolonisierung des eroberten Raumes durch deutsche und „germanische“ Siedler sowie über die Verdrängung der einheimischen Menschen traf, und es war auch er, der im Frühjahr und Frühsommer 1942 die Entschlüsse fällte, die zur Ermordung der europäischen Juden noch während des Krieges führen sollten.

Die Rückkehr des Faschismus

Das neue Netzwerk ist gegründet worden, um diese beispiellosen historischen Verbrechen unter dem falschen Etikett der „Wissenschaftsfreiheit“ zu rechtfertigen. Dass sich ihm über 70 Professoren angeschlossen haben, zeigt, dass rechte und faschistische Ideen auch unter Akademikern wieder Einfluss gewinnen.

Die Mitgliederliste überschneidet sich teilweise mit den Erstunterzeichnern des „Appells für freie Debattenräume“ vom Dezember letzten Jahres, den auch Rechtsextreme wie Monika Maron, Vera Lengsfeld und Matthias Matussek unterschrieben hatten. Unter den Gründern des Netzwerks finden sich neben bekannten Rechten – wie den Historikern Peter Hoeres, Egon Flaig und Andreas Rödder – auch Akademiker, die sich unter dem Druck der gesellschaftlichen Krise nach rechts bewegen.

Wer glaubt, eine Rückkehr des Faschismus in Deutschland sei nicht möglich, ist blind. Mit der AfD spielt erstmals wieder eine rechtsextreme Partei eine maßgebliche Rolle in der deutschen Politik. Hitler hat viele Bewunderer in der herrschenden Klasse, die nun Schritt für Schritt seine Rehabilitierung vorbereiten.

Auf der ganzen Welt wendet sich die Bourgeoisie autoritären und faschistischen Herrschaftsmethoden zu. In den USA, der ältesten westlichen Demokratie, hat erstmals ein amtierender Präsident aus dem Weißen Haus heraus einen Putschversuch organisiert, um die Machtübernahme seines demokratisch gewählten Nachfolgers zu verhindern. Die faschistische Verschwörung, die tief in die Republikanische Partei und den Staatsapparat hineinreicht, geht auch nach Trumps Ablösung weiter.

Die Bourgeoisie reagiert damit auf die heftigen gesellschaftlichen Spannungen, die durch die Corona-Pandemie und eine kriminelle Politik, die Profite höher als Menschenleben stellt, weiter verschärft werden. Sie hat Angst vor einem sozialen Aufstand und setzt wie in den 1930er Jahren auf faschistische Kräfte, um ihn zu unterdrücken.

Hinzu kommt die massive militärische Aufrüstung, die in der Bevölkerung auf breite Ablehnung stößt. Obwohl die Militärausgaben seit 2014 massiv erhöht wurden, bestehen die herrschenden Kreise darauf, dass dies bei weitem nicht ausreicht, um Deutschland und Europa zu einer militärischen Weltmacht zu entwickeln. Auch dagegen entwickelt sich breiter Widerstand.

Es ist bekannt, welch elende Rolle die Mandarine auf den Lehrstühlen der deutschen Universitäten, die jede kritische Studentenstimme als Majestätsbeleidigung empfanden, im Dritten Reich spielten. Einige hatten sich bereits vor 1933 den Nazis angeschlossen, doch als Hitlers Sieg außer Frage stand, kannten auch die anderen kein Halten mehr. Während ihre jüdischen Kollegen ins Exil wanderten, legten hunderte Gelehrte ein schriftliches „Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat“ ab.

Der Jurist Carl Schmitt rechtfertigte in seiner Schrift „Der Führer schützt das Recht“ den Röhm-Putsch, die Ermordung von 200 Menschen auf den bloßen Befehl Hitlers. Baberowski hat sein jüngstes Buch „Der bedrohte Leviathan“ Carl Schmitt gewidmet.

Die IYSSE und die SGP haben gezeigt, dass man dem Anwachsen der Rechtsextremen wirksam entgegentreten kann. Obwohl Baberowski in Politik und Medien mächtige Unterstützer hat, fand ihr Kampf gegen seine rechten Standpunkte unter Studierenden und Arbeitern große Resonanz. Ein solcher Kampf erfordert die vollständige Unabhängigkeit von allen etablierten Parteien, einschließlich der Linken, und ein sozialistisches Programm.

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