Fast 18.000 Tote: Corona-Fälle in Griechenland auf Rekordniveau

In Griechenland sind allein im Monat November fast 2.000 Menschen an Covid-19 gestorben. Damit steigt die Gesamtzahl der Corona-Toten seit Pandemiebeginn auf 17.959 – bei einer Bevölkerung von 10,3 Millionen.

Die Zahl der täglichen Neuinfektionen ist in den letzten anderthalb Monaten nach oben geschnellt. In den ersten sieben Tagen des Oktobers wurden täglich durchschnittlich 2.174 Fälle registriert. Jetzt ist diese Zahl im Schnitt mehr als dreimal so hoch. Der Rekord für die höchste Zahl der Neuinfektionen wurde am 9. November mit 8.623 Fälle erreicht.

Griechenland steuert auf eine Million Covid-Fälle zu, mit aktuell 924.506 offiziell gemeldeten Infektionen. Seit dem Schulbeginn mit vollem Präsenzunterricht Mitte September wurden mehr als 72.000 Fälle unter Kindern registriert, berichtet die Bildungswebsite Alfavita.

Eine Lehrerin mit Maske in einer Mittelschule in Athen, 13. September 2021 (AP Photo/Petros Giannakouris)

Besonders betroffen ist Nordgriechenland, wo Krankenhäuser wie das Papanikolaou-Krankenhaus am Rande von Thessaloniki, der zweitgrößten Stadt Griechenlands, Menschen abweisen mussten. In einem Gespräch mit Skai TV sagte der Leiter der Intensivstation des Krankenhauses Nikos Kapravelos am 20. November, dass in seiner Abteilung zu Beginn des Tages alle Betten belegt waren. „Das hat es noch nie gegeben... Wir befinden uns in einer Notsituation und das Gesundheitssystem, die Ärzte und das Pflegepersonal sind alle am Limit.“

Der Kollaps des griechischen Gesundheitssystems unter der erneuten Pandemiewelle ist eine direkte Folge der brutalen Sparmaßnahmen, die von Regierungen aller Couleur, einschließlich der pseudolinken Syriza, auf Geheiß der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds in den vergangenen zehn Jahren umgesetzt wurden. Die Gesundheitsausgaben sanken von 9,52 Prozent des BIP im Jahr 2010, als das erste Sparpaket unterzeichnet wurde, auf 7,72 Prozent im Jahr 2018. Einem OECD-Bericht aus dem Jahr 2020 zufolge verfügte Griechenland im Jahr 2019, kurz vor Beginn der Pandemie, über 5,3 Intensivbetten pro 100.000 Einwohner und lag damit deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 12,9 Intensivbetten pro 100.000 Einwohner.

Die Regierung unter Nea Dimokratia (ND) spielt die Krise im Gesundheitswesen herunter. Kürzlich prahlte das Gesundheitsministerium in einem Statement damit, dass „die Regierung die Zahl der Betten auf der Intensivstation unter Einhaltung aller erforderlichen Verfahren mehr als verdoppelt hat. Die beschafften Betten erfüllen alle erforderlichen Voraussetzungen, verfügen über die notwendige Ausstattung und sind mit Fachpersonal besetzt.“

Die Prahlerei der Regierung wird durch andere offizielle Zahlen widerlegt. 93 Prozent aller Covid-Intensivbetten sind derzeit landesweit belegt, und die Zahl der Patienten an Beatmungsgeräten lag am 28. November bei 647 – ein Anstieg von rund 62 Prozent seit Monatsbeginn.

Die Pflege in vielen dieser neu eingerichteten Abteilungen ist nur dem Namen nach „intensiv“. In einem Interview mit der medizinischen Nachrichtenseite iatronet.gr sagte Ioannis Kioumis, ein Spezialist für Lungen- und Infektionskrankheiten, der an der Universität von Thessaloniki lehrt: „Wenn man neue Intensivbetten schafft, die es vorher nicht gab, ist es nur logisch, dass diese und vor allem das Personal dort nicht dasselbe Niveau haben wie auf den etablierten Intensivstationen.“

Am Sonntag fand zum zweiten Mal in Folge ein Protest in Thessaloniki vor dem ehemaligen Krankenhaus für Infektionskrankheiten im Stadtteil Toumba statt. Die Demonstranten forderten die vollständige Wiedereröffnung des Krankenhauses, das 2013 unter dem damaligen Gesundheitsminister Adonis Georgiadis (ND, heute Entwicklungsminister) im Zuge der Spardiktate geschlossen wurde.

In einem Statement erklärte die gemeinnützige Gesundheitsorganisation Soziale Praxis für Solidarität Thessaloniki: „Wir stehen kurz vor dem Höhepunkt der vierten Welle der Pandemie und erwarten einen Anstieg der Krankenhauseinweisungen, nicht nur wegen der starken Verbreitung des Virus aufgrund des kriminellen Managements der Regierung, sondern auch wegen des völligen Fehlens von Strukturen der primären Gesundheitsfürsorge, die bei der rechtzeitigen Diagnose und Behandlung von Corona-Patienten helfen würden. Wir rufen alle Einwohner von Thessaloniki auf, die Öffnung des Krankenhauses zu fordern.“

Um von ihrem kriminellen Umgang mit der Pandemie abzulenken, betont die Regierung, dass die meisten hospitalisierten Patienten nicht geimpft sind. In einer Fernsehansprache sprach Premierminister Kyriakos Mitsotakis letzte Woche von einer „Pandemie der Ungeimpften“.

Nur 61,1 Prozent aller Erwachsenen sind in Griechenland vollständig geimpft, was unter dem EU-Durchschnitt von 65,5 Prozent liegt und zweifellos zu vermeidbaren Todesfällen beträgt. Die Schuld dafür liegt jedoch bei der Regierung.

Auch die Zahl der vollständig geimpften Personen, die in den letzten Monaten ins Krankenhaus eingeliefert wurden, ist stetig gestiegen. Die Immunität durch den Impfstoff nimmt mit der Zeit ab, so dass Millionen Menschen anfällig für eine Durchbruchsinfektion oder Wiederansteckung sind. Am 30. August lag der Anteil der vollständig geimpften Menschen an Beatmungsgeräten bei 8,58 Prozent. Nur zwei Monate später, am 31. Oktober, hatte sich dieser Anteil mit 15,2 Prozent fast verdoppelt. In der vergangenen Woche lag der Anteil der Geimpften an den Beatmungsgeräten bei 17,59 Prozent.

Die griechische Regierung präsentiert den Impfstoff nicht als eines von mehreren Instrumenten zur Bekämpfung der Pandemie, sondern als Allheilmittel, das eine Rückkehr zum normalen Leben ermöglichen würde. Damit folgt sie dem Mantra der Regierungen in ganz Europa und weltweit. Die Covid-Impfstoffe werden als Rechtfertigung genutzt, um alle anderen Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit aufzuheben, weil sie den Profitinteressen der herrschenden Elite zuwiderlaufen. Dabei zeigen immer mehr Erkenntnisse, dass eine Impfung allein nicht ausreicht, um die ansteckendere Delta-Variante zu bekämpfen.

Pseudowissenschaftliche Propaganda aller Art wurde legitimiert, und eine Reihe selbst ernannter „Experten“ erhielten Sendezeit in den Medien, um ihre Theorien gegen Lockdowns, Masken und Impfungen zu verbreiten.

Einer von ihnen ist der Kardiologe Faidon Vovolis, der im vergangenen Jahr seinen Ruf als Mediziner genutzt hat, um Ängste über die Sicherheit von Masken und Impfstoffen zu schüren, die er als „experimentell“ ablehnt. Er hat seine eigene politische Partei mit dem Namen „Wieder frei“ gegründet. Impfgegner wie Vovolis werden in den Medien als Opposition zur Regierung dargestellt, aber in Wirklichkeit erhalten sie eine Plattform, weil sie die Durchseuchungspolitik der ND fördern.

In seiner Fernsehansprache versuchte Mitsotakis, sich auf die Seite der Wissenschaft zu stellen: „Ich rufe Sie auf, der Angst und den Scharlatanen den Rücken zu kehren, die aus Unwissenheit Kapital schlagen, um ihre Bekanntheit zu steigern und sich zu profilieren.“ Doch statt die wissenschaftliche Community zu mobilisieren, um die Lügen von Vovolis und seinesgleichen zu widerlegen, hofiert die Regierung Mitsotakis dieselben rechten Kreise. Am deutlichsten zeigte sich das Ende August, als Thanos Plevris, ein berüchtigter Rechtsextremer und bekannter Impfskeptiker, im Rahmen einer Kabinettsumbildung zum Gesundheitsminister ernannt wurde.

Als sich 2009/10 die H1N1-Grippe-Pandemie ausbreitete, ermutigte Plevris rechte Impfgegner und wetterte damals als Abgeordneter der rechtsextremen Partei LAOS im Parlament gegen Ärzte, die die Bürger zur Impfung aufriefen. Er warf ihnen vor, „Panik“ zu schüren. Anfang Juli dieses Jahres sagte Plevris in einem Interview mit dem Radiosender Alpha, dass es nicht Aufgabe der Regierung sei, die Menschen zu überzeugen, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen! Jetzt ist derselbe Mann für die Impfkampagne der Regierung zuständig.

Mitsotakis machte deutlich, dass keine Maßnahmen ergriffen werden, die den Profitinteressen der herrschenden Elite zuwiderlaufen: „Griechenland hat unnötige Todesfälle zu beklagen, weil es nicht die Impfquoten anderer Länder hat – und das trotz der perfekten Kampagne der Regierung. Doch die Regierung und die Gesellschaft haben eine ehrenvolle Vereinbarung getroffen: nichts zu schließen, mit dem Impfstoff als unser Schutzschild. Und wir müssen uns an die Bedingungen dieser Vereinbarung halten.“

Angesichts der steigenden Infektionen traten letzte Woche verschärfte Regeln für Ungeimpfte in Kraft. Sie haben keinen Zutritt mehr zu geschlossenen Kultur- und Sporteinrichtungen wie Kinos, Theatern und Fitnessstudios.

Aber es werden keine ernsthaften Maßnahmen ergriffen, um die allgemeine Verbreitung des Virus zu stoppen. Schulen und nicht lebensnotwendige Betriebe bleiben weiterhin geöffnet. Die einzige Maßnahme gegen die Überfüllung der öffentlichen Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeit besteht darin, dass die Unternehmen einen gestaffelten Zeitplan einhalten müssen. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind regelmäßig voll ausgelastet, obwohl die von der Regierung vorgeschriebene Kapazitätsgrenze von 85 Prozent bereits erreicht ist.

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