Die Bewegung von Schülerinnen und Schülern gegen die Profite-vor-Leben-Politik, die sich unter dem Schlagwort #WirWerdenLaut entwickelt, trifft unter Eltern, Lehrern und anderen Arbeitern auf überwältigende Solidarität. Ein Reporter-Team der World Socialist Web Site hat aus Frankfurt über die jüngsten Streiks von Schülern gegen die Durchseuchung berichtet und daraufhin unzählige Unterstützungsstatements erhalten.
„Endlich!“, schreibt etwa Susanne L. auf Facebook: „So ist es richtig, ihr müsst das alle machen, jeder Schüler, jeder Lehrer!“ Uwe S. aus Landshut fügt hinzu: „Groß von den Kleinen! Das macht Hoffnung auf eine brauchbare Zukunft!“ Ein User kommentiert auf Tiktok: „Ich finde es richtig klasse und sehr vernünftig, wie ihr denkt! Ich bin voll auf eurer Seite und verstehe euch!“
Auf Facebook wurden die Berichte der WSWS über die Schülerproteste in verschiedenen Gruppen von hunderten Nutzern mit „Gefällt mir“ markiert und von dutzenden kommentiert. Ulrike W. schreibt etwa:
„Die Schüler sind während der ganzen Coronazeit zu kurz gekommen. Die Schule sei offen zum Wohl der Kinder, hörte man immer. Es klingt wie Hohn. Äußerungen wie ‚Schule ist kein Pandemie-Treiber‘ wurden mit voller Überzeugung vorgetragen – ein Witz. Die Ausstattung der Schulen für digitalen Distanzunterricht ein Lippenbekenntnis. Bei dem jetzigen Ausfall durch Quarantäne und Krankheit von Lehrern und Schülern ist es wohl kaum noch möglich, das Lernpensum zu erreichen. Wie viele Schüler sind durch diese belastende Situation abgehängt worden, weil sie keine Unterstützung erhalten haben und nicht gefördert werden konnten? Wie viele Schüler werden ohne Abschluss die Schule verlassen? Was gedenkt man für sie zu tun?“
Monika M., ein Mitglied des Netzwerks der Aktionskomitees für sichere Bildung, schreibt zu den Protesten der Schüler: „Was diese Regierung gerade macht, ist kinderfeindlich und familienfeindlich. In der Hoffnung, dass ein Karl Lauterbach meine Enkelkinder und Kinder schützt, habe ich tatsächlich bei der letzten Wahl – nach vielen Jahren wieder – SPD gewählt. Was soll ich sagen: Es tut wirklich weh, wenn man erkennen muss, dass unsere Regierung die Gesundheit und Bildung unserer Kinder lediglich durch Präsenzpflicht an maroden Schulen definiert, statt innovative Bildungskonzepte einzuführen.“
Jennifer, eine Erzieherin aus Hessen, stellt fest: „Würde man wenigstens Kinder der vulnerablen Gruppe die Möglichkeit von Homeschooling in Aussicht stellen, könnte man ‚vielleicht‘ noch den Glauben an eine vorsätzliche Durchseuchung zum Wohle der Wirtschaft verlieren. Da aber auch hier mit Zwang gehandelt wird und Eltern mit Repressalien bis hin zur Inobhutnahme durch den Staat gedroht wird, obwohl alles für die Beschulung im Distanzunterricht zur Verfügung steht, haben die Verantwortlichen jegliche Glaubwürdigkeit verspielt.“
Besonders groß ist in den sozialen Medien die Wut auf Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU), die als Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) auch bundesweit die profitgetriebene Durchseuchungspolitik an den Schulen und Kitas verantwortet. Dazu erklärt Kirsten E. auf Facebook unter dem Bericht der WSWS:
„Letzten Endes geht es nur darum, dass die Eltern arbeiten gehen. Was Frau Prien anbetrifft, so interessierte sie von Anfang an die Gesundheit der Kinder nicht eine müde Mark. Bis die heute erkrankten Kinder ihre Diagnosen der dauerhaften Schäden durch Long Covid erhalten haben, ist ihr Platz neu besetzt und sie freut sich mit ihren ganzen anderen Ministern über ihre Bezüge, während diese Kinder von der Schulbank weg gleich verrentet werden und somit für den Rest ihres Lebens ihr Dasein am Existenzminimum fristen müssen.“
Yessi H. berichtet davon, wie Kinder und ihre Angehörigen trotz größter Anstrengungen regelrecht dazu gezwungen werden, sich anzustecken:
„Weil Frau Prien auf Biegen und Brechen die Schulen offen haben will, haben sich meine Kinder mittlerweile auch angesteckt. Meine Tochter kurz vor der Impfung und mein Sohn kurz vorm Booster. Zwei Jahre hat man alles versucht, damit es nicht passiert. Jetzt wurde den Eltern und Kindern nicht mal eine Wahl gelassen. Die Impfung unter 12 Jahren wurde bei uns erst kurz vor Weihnachten freigegeben. Somit hat man einen Termin im Januar bekommen und dann darum gebeten, das Kind bis nach der Impfung im Homeschooling zu lassen. Das wurde nicht genehmigt – nur im Härtefall. Und genau vier Tage vor dem Termin wurde meine Tochter krank. Welche Wahl hatte ich denn als Elternteil gehabt?“
Eine von mehreren Elterninitiativen verfasste Petition, die den Rücktritt von Prien als Bildungsministerin und KMK-Präsidentin fordert, hat innerhalb weniger Stunden bereits hunderte Unterschriften erhalten. Prien hatte gefordert, „Tests und Masken in Schulen“ systematisch zu beenden und die längst widerlegte Lüge verbreitet, dass Kinder „mit Covid-19 und nur extrem selten wegen Covid-19“ sterben würden. Dass „Kinder sterben“, so die Politikerin, sei „tragisch“, doch müsse man gemäß der Vorerkrankungen dieser Kinder „differenzieren“.
Der überwältigenden Kritik an ihren Standpunkten entzog sich die Ministerin, indem sie ihren Twitter-Account deaktivierte. Unterstützung erhielt sie von rechten Medien und Kommentatoren, die kritische Eltern und Lehrer als „verrückte Terroristen“ und „völlig entfesselte Twittermeute“ verleumdeten und forderten, sie „einzusperren“ und zu „therapieren“.
Anlass von Priens atemberaubenden Äußerungen war der Beitrag einer Twitter-Nutzerin, die festgestellt hatte, dass den offiziellen Daten des RKI zufolge die Zahl der an Covid gestorbenen Kinder immer schneller wächst: Allein seit Oktober starben mehr Kinder als im gesamten vorangegangenen Zeitraum der Pandemie. Von den offiziell 65 Covid-19-Toten unter 20 Jahren starben 17 in den vergangenen vier Wochen. Die Autoren der Petition weisen darauf hin, dass „Todesfälle bei unter 20-Jährigen vom RKI sogar einzeln geprüft und validiert“ werden, so dass in die Statistik des RKI nur diejenigen Kinder eingehen, deren Tod „ursächlich auf Covid-19 zurückgeführt“ werden könne.
Tatsächlich ist die offizielle Zahl der Covid-Toten unter den Kindern jedoch nur die traurige Spitze des sprichwörtlichen Eisbergs. Das britische Office for National Statistics schätzt, dass 12,9 Prozent der infizierten Kinder zwischen 2 und 11 Jahren und 14.5 Prozent der Jugendlichen zwischen 12 und 16 Jahren selbst fünf Wochen nach der Infektion noch Symptome beklagen. Wissenschaftler und Mediziner betonen seit langem, dass Covid-19 eine der gefährlichsten Krankheiten für Kinder überhaupt ist:
„Wir kennen keine Kinderkrankheit, die so belastend ist wie die Covid-Erkrankung“, erklärte Karl Zwiauer, Kinderarzt und Mitglied des österreichischen Impfgremiums, bereits im September letzten Jahres gegenüber dem österreichischen Sender ORF. „Keine der herkömmlichen und derzeit durch Impfungen bekämpfbaren Kindererkrankungen hat eine so große Krankheitslast wie die SARS-CoV2-Infektion“, so der langjährige Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde im Universitätsklinikum St. Pölten.
Die aggressive Leugnung wissenschaftlicher Erkenntnisse kennzeichnet seit Beginn der Pandemie das Vorgehen aller Regierungspolitiker, unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit. Um ihrem Auftrag nachzukommen, „alles zu tun, damit die Schulen geöffnet bleiben“, haben insbesondere die Bildungsminister wiederholt auf pseudowissenschaftliche Studien zurückgegriffen, während sie kritische Schüler, Eltern und Lehrer mit behördlichen Einschüchterungsversuchen überziehen. Prien selbst hatte zuletzt versucht, die Anliegen der Schüler und die Interessen besonders gefährdeter Risikopatienten gegeneinander auszuspielen.
Vor diesem Hintergrund ist es bezeichnend, dass Priens Bundesland Schleswig-Holstein bereits besonders weitgehende Öffnungsschritte plant, die dazu führen werden, die verheerende Entwicklung in Dänemark nachzuzeichnen. In dem Land, das an Schleswig-Holstein angrenzt, übertreffen die exponentiell ansteigenden Todeszahlen bereits fast alles bisher Dagewesene. Wenn die Todeszahlen den Infektionszahlen um ca. zwei Wochen nachlaufen – wie sich dies in Dänemark zeigt –, so ist in wenigen Wochen auch hier in Deutschland von rund 1000 Toten täglich auszugehen.
Die adjustierte Hospitalisierungsinzidenz lag zuletzt mit 11,75 an der Schwelle der höchsten Warnstufe des RKI. Am stärksten steigt die Hospitalisierungsinzidenz derzeit in der Altersgruppe der über-80-jährigen (23,9 – ein Anstieg um 4,35 im Vergleich zur Vorwoche), doch sie nimmt auch in der zweithöchsten Altersgruppe und unter den 0- bis 4-jährigen rasch zu.
Der noch ansteckendere Omikron-Subtyp BA.2, der zuerst in Dänemark festgestellt wurde, war laut aktuellem RKI-Wochenbericht Ende Januar bereits für 8,1 Prozent aller Neuinfektionen verantwortlich und droht, das massenhafte Sterben weiter zu verlängern. Auch Israel, das der europäischen Entwicklung in der Regel einige Wochen vorausgeht, verzeichnete zuletzt mehr tägliche Tote als zu jedem anderen Zeitpunkt der Pandemie.
Die menschenverachtenden Standpunkte, die von KMK-Präsidentin Prien zum Ausdruck gebracht wurden, sind in Wirklichkeit diejenigen der gesamten herrschenden Klasse. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte Ende Januar in einem rasch gelöschten Twitter-Beitrag von einer „vertretbaren Bilanz an Sterbefällen“ gesprochen, die der gegenwärtige „Plan“ seines Ministeriums vorsieht. Bundesjustizminister Marco Buschmann erklärte letzte Woche in der Talkshow „Sandra Maischberger“, es sei nie Ziel des Regierungshandelns gewesen, die Zahl der Toten zu minimieren, sondern alles zuzulassen, was nicht zu einer „Überlastung des Gesundheitssystems“ führen würde.
Am Montag berichtete das Ärzteblatt über die Vorlage eines „Stufenplans“, der am Mittwoch von Bund und Ländern beschlossen werden soll. Der neue „Plan“ sieht vor, sämtliche Schutzmaßnahmen „schrittweise“ bis zum 20. März zu beseitigen – beginnend mit der Aufhebung der Zugangsbeschränkungen zum Einzelhandel.
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