Die Verfassungsbeschwerde der SGP gegen ihre geheimdienstliche Überwachung im Wortlaut

Wir dokumentieren hier die Verfassungsbeschwerde, die die Sozialistische Gleichheitspartei über ihren Anwalt, Peer Stolle, am 2. Juni beim Bundesverfassungsgericht gegen ihre Überwachung durch den Verfassungsschutz eingereicht hat. Die Partei reagiert damit auf das skandalöse Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts. Eine Stellungnahme der Partei findet sich hier.

Namens und in beigefügter Vollmacht der Verfassungsbeschwerdeführerin erheben wir Verfassungsbeschwerde gegen die Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten des Bundesministeriums des Inneren, Bau und Heimat aus den Jahren 2017 bis 2020 sowie gegen die vorgenannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin sowie des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg und beantragen, wie folgt zu erkennen:

1. Es wird festgestellt, dass die Erwähnung der Verfassungsbeschwerdeführerin in den Verfassungsschutzberichten des Bundes aus den Jahren 2017 bis 2020, sowie das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 18.11.2021 - VG 1 K 26.19 - und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 06.05.2022 - OVG 1 N 6/22 - die Grundrechte der Beschwerdeführerin, insbesondere das Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit, verletzen.

2. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin sowie der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg werden aufgehoben.

Zudem wird beantragt, wie folgt zu entscheiden:

3. Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin die Kosten und notwendigen Auslagen zu erstatten.

Begründung:

A. Sachverhalt

I. Die Beschwerdeführerin und ihre Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten

1. Die Beschwerdeführerin ist 2017 aus der Partei für Soziale Gleichheit (PSG) nach einer Umbenennung in „Sozialistische Gleichheitspartei, Vierte Internationale“, hervorgegangen.

Die Beschwerdeführerin ist die deutsche Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI). Sie setzt sich dafür ein, die Arbeiter in Deutschland für das Programm des Internationalen Sozialismus zu gewinnen und hofft, auf Grundlage dieses Programmes die Arbeiter zu vereinen und sie für die Eroberung der politischen Macht und die Errichtung eines Arbeiterstaates zu mobilisieren. Ziel ist es, die „objektiven Voraussetzungen für den Aufbau einer“ – so die Grundsatzerklärung – „wirklich demokratischen, egalitären und sozialistischen Gesellschaft“ zu schaffen (Anlage 7).

Zur Erreichung dieses Ziels führt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen Informations- und Vortragsveranstaltungen durch und veröffentlicht auf der Webseite World Socialist Web Site (www.wsws.org) täglich Analysen zur weltpolitischen ökonomischen Entwicklung.

In ihrer Grundsatzerklärung führt die Beschwerdeführerin weiter aus, dass sie für die Vergesellschaftung der Produktivkräfte, die Beseitigung nationaler Grenzen und die Schaffung einer geplanten, auf rationale Weise miteinander verwobenen globalen Wirtschaft eintritt sowie für den Aufbau vereinigter sozialistischer Staaten von Europa einsteht.

In der Grundsatzerklärung wird weiter ausgeführt, dass das wichtigste Werkzeug der Beschwerdeführerin für die Entwicklung des sozialistischen Bewusstseins der Arbeiterklasse die Webseite World Socialist Web Site ist. Mit ihren täglichen Analysen zur weltpolitischen ökonomischen Entwicklung, Enthüllungen zur gesellschaftlichen Realität des Kapitalismus, Kommentaren zu wichtigen Kulturfragen, Diskussion zu historischen und philosophischen Themen und Untersuchungen zu kritischen Fragen der revolutionären Strategie, Taktik und Praxis soll diese Webseite eine entscheidende Rolle dabei spielen, eine zeitgemäße marxistische Weltbewegung ins Leben zu rufen.

Die Beschwerdeführerin tritt auch zu Wahlen an, u.a. zur Bundestagswahl 2021 und zur Europawahl 2019. In dem diesbezüglichen Wahlprogramm wendet sie sich gegen Militarismus und Krieg, gegen Armut und Ausbeutung, für ein sozialistisches Europa, für soziale Gleichheit, für die Verteidigung von demokratischen Rechten.

Die Beschwerdeführerin setzt keine Gewalt zur Erreichung ihrer politischen Ziele ein und propagiert auch nicht einen solchen Einsatz.

2. In den von dem Bundesministerium des Innern für Bau und Heimat (jetzt Bundesministerium des Innern und für Heimat) herausgegebenen Verfassungsschutzberichten 2017 bis 2020 wird die Beschwerdeführerin in der Rubrik 'Linksextremismus' erwähnt.

In dem beschwerdegegenständlichen Verfassungsschutzbericht 2017 (Anlage 1) wird auf Seite 100 bezüglich des Phänomenbereichs „Linksextremismus“ ausgeführt, dass „Linksextremisten“ das Ziel verfolgen würden, die Staats- und Gesellschaftsordnung und damit die freiheitliche Demokratie abzuschaffen und durch ein kommunistisches oder „herrschaftsfreies, anarchistisches System“ zu ersetzen. Gewalt werde grundsätzlich als legitim angesehen. Die ideologische Grundlage sei die Ablehnung des kapitalistischen Systems als Ganzes, denn der Kapitalismus sei für „Linksextremisten“ verantwortlich für alle gesellschaftlichen und politischen Missstände wie soziale Ungerechtigkeit, Zerstörung von Wohnraum, Kriege, Rechtsextremismus, Rassismus sowie für Umweltkatastrophen.

Auf Seite 127 wird unter dem Gliederungspunkt IV „Linksextremistisches Parteienspektrum“ weiter ausgeführt, dass deren Ziel die Schaffung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung sei, um von dieser ausgehend eine klassenlose kommunistische Gesellschaft zu errichten, wobei sie sich rechtsstaatlicher Mittel wie der Beteiligung an Parlamentswahlen bedienen würden. Im Unterschied zu „militanten Linksextremisten“ würden diese die Anwendung von Gewalt grundsätzlich erst in einer revolutionären Situation für legitim und unverzichtbar halten.

Bezüglich der Beschwerdeführerin wird sodann auf Seite 131 ausgeführt, dass diese nach eigenen Angaben 261 Mitglieder habe, grundsätzlich der traditionellen trotzkistischen Theorie von einer sozialistischen Revolution als weltweiten ständigen Prozess unter Führung von Arbeiterräten folge und bei der Bundestagswahl am 24. September 2017 903 Erststimmen sowie 1291 Zweitstimmen (0,0 %) erzielt habe.

Weiterhin wird auf Seite 148 bezüglich der Beschwerdeführerin ausgeführt, dass sich die „Agitation“ der Beschwerdeführerin schon in ihrer Programmatik gegen die bestehende, pauschal als Kapitalismus verunglimpfte staatliche und gesellschaftliche Ordnung, gegen die EU, gegen vermeintlichen Nationalismus, Imperialismus und Militarismus sowie gegen die Sozialdemokratie, die Gewerkschaften und auch gegen die Partei DIE LINKE richten würde. Durch die Teilnahme an Wahlen sowie durch Vortragsveranstaltungen versuche die Beschwerdeführerin, für ihre politischen Vorstellungen öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen.

In den weiteren Verfassungsschutzberichten 2018 (Anlage 2), 2019 (Anlage 3) und 2020 (Anlage 4) wird im Wesentlichen inhaltlich gleich über die Beschwerdeführerin berichtet.

II. Der Gang des Verfahrens

1. Das außergerichtliche Verfahren

Mit Schreiben vom 11.12.2018 forderte der Unterzeichnende namens und in Vollmacht der Beschwerdeführerin das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat auf, den von ihm herausgegebenen Verfassungsschutzbericht 2017 nicht weiter zu verbreiten, soweit die Beschwerdeführerin in dem Bericht erwähnt wird (Anlage 8). Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin nicht die Voraussetzungen für die Aufnahme in einen Verfassungsschutzbericht nach § 16 Abs. 1 i.V.m. § 3 BVerfSchG erfüllt. Von der Beschwerdeführerin gehen keine Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung aus. Ihre Tätigkeit ist nicht auf die Außerkraftsetzung wesentlicher Verfassungsgrundsätze ausgerichtet.

Auf dieses Schreiben erfolgte keine Reaktion.

2. Das Klageverfahren

Daraufhin wurde unter dem 24.01.2019 Klage gegen die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht 2017 erhoben und beantragt, die damalige Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, den von ihm herausgegebenen Verfassungsschutzbericht 2017 in digitaler, schriftlicher oder sonstiger Form zu verbreiten, verbreiten zu lassen oder sonst der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, soweit die Beschwerdeführerin in dem Bericht genannt wird (Anlage 9).

Mit Schriftsatz vom 18.03.2019 hat sich die Kanzlei Redeker - Sellner - Dahs als anwaltliche Vertretung für die damalige Beklagte bestellt und beantragt, die Klage abzuweisen (Anlage 10). Mit Schriftsatz vom 15.05.2019 wurde der Abweisungsantrag begründet (Anlage 11).

Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin eine trotzkistische Partei sei, die behaupte, dass es eine Klassengesellschaft gäbe, und den Klassenkampf propagiere und über Einschluss von revolutionärer Gewalt über eine 'Diktatur des Proletariats' eine kommunistische Staats- und Gesellschaftsordnung etablieren möchte. Eine sozialistische Revolution und die Diktatur des Proletariats im klassisch marxistisch-leninistischen Sinne seien mit zentralen Verfassungswerten des Grundgesetzes nicht vereinbar. In einer sozialistisch-kommunistischen Staats- und Gesellschaftsordnung sei die Wahrung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte, die Freiheit und Gleichheit der Wahl, die Bindung an Recht und Gesetz unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft, das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition sowie die Ablösbarkeit der Regierung und deren Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung nicht oder allenfalls eingeschränkt gewährleistet. In der von der Beschwerdeführerin behaupteten 'Klassengesellschaft' stünden sich verschiedene Klassen unversöhnlich gegenüber. Die Beschwerdeführerin sehe ihre Aufgabe darin, das Klassenbewusstsein der Arbeiterklasse zu wecken und zu stärken und diese vom Klassenkampf zu überzeugen. Ihr Politikverständnis sei nicht auf Gegnerschaft, sondern auf Feindschaft ausgerichtet. Das marxistische Klassendenken widerspreche der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Zur Begründung verweist sie auf das sogenannte KPD-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 5, 85).

Die Beschwerdeführerin kämpfe weiterhin für den Sturz des 'Kapitalismus'. Mit Rückgriff auf das sogenannte 'Basis-Überbau-Modell' behauptet die anwaltliche Vertretung des BMI, dass die Verfassung und die Verfassungsprinzipien nach den Lehren des Marxismus-Leninismus zum sogenannten 'Überbau' gehören würden und mithin auch die Verfassung mit dem Sturz des Kapitalismus mit abgeschafft werden solle. Im Übrigen würde die Beschwerdeführerin auch im Rahmen der von ihr erstrebten sozialistischen Revolution Gewalt nicht ausschließen. Dies würden die historischen Erfahrungen zeigen. Unter Rückgriff auf historische Materialien, u.a. aus der Zeit des deutschen Faschismus, wird behauptet, dass der Einsatz von Waffen propagiert werde. Die sozialistische Revolution sei verfassungsfeindlich, insbesondere die Forderung nach der Errichtung der Diktatur des Proletariats.

Bezüglich der weiteren Begründung wird auf die Anlage verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 30.07.2019 wurde dazu Stellung genommen und die Klage weiter begründet und diese auf den zwischenzeitlich erschienenen Verfassungsschutzbericht 2018 erweitert (Anlage 12).

Seitens der Beschwerdeführerin wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin eine Partei ist, die sich auf die Lehren und das Werk von Leo Trotzki bezieht, und auf diese ein Urteil (namentlich des KPD-Urteil), das gegen die stalinistische KPD ergangen ist, nicht zur Anwendung kommen kann. Ausgeführt wurde weiterhin, dass die Prozessbevollmächtigten der damaligen Beklagten den historischen Rahmen, in dem Äußerungen, auf die die Beschwerdeführerin in ihren Grundsätzen Bezug nimmt, getätigt wurden, außer Acht gelassen haben. Dies betrifft u.a. eine Äußerung von Leo Trotzki aus dem Jahr 1938 zur 'Bewaffnung des Proletariats'. Dieser Text ist entstanden in einer Zeit des Faschismus und des drohenden zweiten Weltkrieges. Zu dieser Zeit gab es weltweit, vor allen Dingen nicht auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland, kein Gesellschaftssystem, das mit einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung der heutigen Zeit vergleichbar sein könnte. Des Weiteren wurde zu der Gleichsetzung von Kapitalismus und Demokratie ausgeführt. Ausführlich wurde darauf eingegangen, dass das Anstreben einer 'Arbeiterregierung' nicht gleichgesetzt werden kann mit der Aufgabe der Volkssouveränität. Vielmehr geht die Beschwerdeführerin davon aus, dass die Mehrheit der Bevölkerung zur Arbeiterklasse gerechnet wird und somit eine 'Arbeiterregierung' den Willen der Mehrheit ausdrückt. Ausgeführt wird weiter, dass die Beschwerdeführerin ihre Ziele nur mit legalen Mitteln verfolgt, keine Gewalt anwendet, keinen Putsch vorbereitet und nur dann ihr Programm umsetzen wird, wenn sie dafür die Mehrheit bekommt.

Zur weiteren Begründung wird auf den Schriftsatz in der Anlage verwiesen.

Dazu haben die Prozessbevollmächtigten der ehemaligen Beklagten mit Schriftsatz vom 18.09.2019 wiederum Stellung genommen (Anlage 13). Dort wurde im Wesentlichen der bereits erfolgte Vortrag wiederholt.

Mit Schriftsatz vom 10.10.2019 wurde dazu nochmals abschließend seitens des Unterzeichners Stellung genommen (Anlage 14).

Aufgrund des nicht im erforderlichen Maße betriebenen Verfahrens durch das Verwaltungsgericht Berlin erschienen während des Klageverfahrens die weiteren Verfassungsschutzberichte 2019 und 2020, in denen die Beschwerdeführerin erwähnt wurde, und die durch den Unterzeichner zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht worden sind (Anlagen 15 und 16).

3. Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 18.11.2021

Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung wurde mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 18.11.2021 die Klage abgewiesen.

Zur Begründung wird ausgeführt, dass es seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes im KPD-Verbotsverfahren 'allgemeine Auffassung' sei, dass eine sozialistische Revolution und die Diktatur des Proletariats im klassisch marxistisch-leninistischen Sinne einer sozialistisch-kommunistischen Gesellschaftsordnung nicht mit den in § 4 Abs. 2 BVerfG genannten zentralen Verfassungswerten vereinbar seien. In einer solchen Gesellschaft seien die Wahrung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte, das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung sowie allgemeine und gleiche Wahlen nicht gewährleistet. In einer solchen Gesellschaft sei die Staatsgewalt bei einer Staatspartei konzentriert, die Trägerin des Klassenkampfes sei. Da alles staatliche Handeln der Aufgabe der grundlegenden Neugestaltung der staatlichen Ordnung und Erreichung des Sozialismus untergeordnet sei, stünden auch den Mitgliedern der herrschenden Klasse Grundrechte nur insoweit zu, als sie der Festigung der Diktatur des Proletariats zumindest nicht entgegenstünden.

Es wird weiter ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin die staatliche und gesellschaftliche Ordnung als 'Kapitalismus' verunglimpfe. Die Forderung eines Sturzes des 'Kapitalismus' sei nicht allein bezogen auf das Wirtschaftssystem, sondern als Überwindung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu verstehen.

Weiter wird ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin den Klassenkampf propagiere. Die historische Erfahrung zeige, dass eine sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft im Rahmen der bestehenden bürgerlichen Institutionen nicht möglich sei. Die Beschwerdeführerin begreife die geltende verfassungsmäßige Ordnung - den Staat - mithin lediglich als 'Büttel' einer wie auch immer gearteten Kapitalistenklasse, die deren Machterhalt sichere und der Arbeiterklasse eine demokratische Teilhabe versage. Die von der Beschwerdeführerin aufgestellte Forderung nach Schaffung von Organen, die eine wirkliche demokratische Teilhabe der Arbeiterklasse erlaube, wird seitens des Gerichts so interpretiert, dass die Beschwerdeführerin Organe schaffen wolle, die außerhalb der verfassungsmäßig eingerichteten Organe der Gesetzgebung und Exekutive bestünden. Diese würden über keinerlei demokratische Legitimation verfügen und würden auch nicht auf den Willen des gesamten Volkes zurückzuführen sein.

Dass die Beschwerdeführerin ein von der Konzeption des Grundgesetzes abweichendes Demokratieverständnis besitze, zeige schließlich der Umstand, dass die Beschwerdeführerin im Grundgesetz legitimierte Einrichtungen des Staates, namentlich den Verfassungsschutz und die Bundeswehr, als undemokratisch und gegen die Bevölkerung gerichtet verunglimpfe. Der Beschwerdeführerin müsse weiter vorgehalten werden, dass sie einen gewalttätigen Umsturz plane.

Im Übrigen wird auf die Anlage 5 verwiesen.

4. Berufungszulassungsverfahren

Mit Schriftsatz vom 17.01.2022 (Anlage 17) wurde beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin zuzulassen. Dieser Antrag wurde mit Schriftsatz vom 15.02.2022 begründet (Anlage 18):

Ausgeführt wird, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen. Dies ergibt sich schon daraus, dass der rechtliche Maßstab falsch bestimmt worden ist. Seitens des Verwaltungsgerichts Berlin wurde die freiheitlich-demokratische Grundordnung mit der verfassungsmäßigen Ordnung gleichgesetzt, obwohl nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beide Begriffe nicht identisch sind und unter der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nur die Kernelemente des Grundgesetzes verstanden werden.

Des Weiteren wird ausgeführt, dass die Behauptung, die Beschwerdeführerin strebe eine Diktatur oder eine Ein-Parteien-Herrschaft an, fehlerhaft ist und in der Grundsatzerklärung auch nicht gefordert wird. Auch die Behauptung, die Beschwerdeführerin ziele auf die Abschaffung des Demokratieprinzips ab und plane einen gewalttätigen Umsturz, ist nicht zutreffend. Das Vertreten eines Konzeptes von Klassenkampf ist keine verfassungswidrige Bestrebung.

Dazu wurde seitens der Prozessbevollmächtigten der ehemaligen Beklagten mit Schriftsatz vom 28.03.22 (Anlage 19) nochmals Stellung genommen, worauf der Unterzeichner mit Schreiben vom 28.04.2022 noch eine Erwiderung abgab (Anlage 20).

Mit Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 06.05.2022 (Anlage 6) wurde der Antrag auf Zulassung abgelehnt. In diesem Beschluss wurde die Argumentation des Verwaltungsgerichts Berlin bestätigt. Es läge keine fehlerhafte Bezugnahme des Verwaltungsgerichts Berlin auf die verfassungsmäßige Ordnung vor. Außerdem sei zutreffend, dass die Beschwerdeführerin das Demokratieprinzip abschaffen wolle. Die Bezugnahme auf das KPD-Verbots-Urteil sei auch nicht fehlerhaft. Es sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin unter Umständen einen gewalttätigen Umsturz außerhalb der Ordnung des Grundgesetzes vornehmen würde.

B. Rechtliche Würdigung

Die vorliegende Verfassungsbeschwerde ist annahmefähig, zulässig und begründet.

I. Annahmefähigkeit der Verfassungsbeschwerde

Die Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung der hier als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt (§ 93 a Abs. 2 b BVerfGG). Dies ist der Fall, weil die geltend gemachte Rechtsverletzung besonderes Gewicht hat und die Beschwerdeführerin in existenzieller Weise betrifft. Besonders gewichtig ist die Grundrechtsverletzung dann, wenn sie auf eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten hindeutet und wegen ihrer Wirkung geeignet ist, von der Ausübung von Grundrechten abzuhalten. Die geltend gemachte Verletzung hat ferner besonderes Gewicht, weil sie auf einer groben Verkennung des durch die Grundrechte der Beschwerdeführerin gewährten Schutzes und einem geradezu leichtfertigen Umgang mit grundrechtlich geschützten Positionen beruht - rechtsstaatliche Grundsätze geradezu krass verletzt. Eine existentielle Betroffenheit der Beschwerdeführerin kann sich – wie hier – aus dem Gegenstand der angegriffenen Entscheidung und seiner aus ihr folgenden Belastung ergeben (BVerfGE 90, 22 (25); BVerfG NJW 1994, 993; Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge-Graßhof, BVerfGG, § 93a, Rn. 63).

Die Nennung einer Partei in einem Verfassungsschutzbericht und ihre damit verbundene öffentliche Stigmatisierung als verfassungsfeindlich stellt einen der schwerwiegendsten Eingriffe in Grundrechte dar, weil damit die betroffenen Partei nicht nur in ihren Möglichkeiten, am fairen Wettbewerb der Parteien teilzunehmen, erheblich eingeschränkt wird, sondern auch der Öffentlichkeit kommuniziert wird, keine Verbindungen mit der Partei aufzunehmen. Die in den Berichten erwähnten (Personen-)Zusammenschlüsse sollen gesellschaftlich und politisch isoliert werden (vgl. Murswiek, NVwZ 2004, 769 ff.)

Damit ist der gerügte Grundrechtseingriff als besonders schwerwiegend zu klassifizieren und betrifft die Beschwerdeführerinnen existenziell. Die Annahmefähigkeit ist daher gegeben.

II. Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde

Die Verfassungsbeschwerde ist fristgerecht eingelegt. Der Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg vom 6. Mai 2022 wurde dem Unterzeichner unter dem 9. Mai 2022 zugestellt (Anlage 21).

Der Rechtsweg ist auch gem. § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG erschöpft. Der Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg kann nicht mehr angefochten werden. Da mit der Verfassungsbeschwerde keine Gehörsverletzung gerügt wird, war auch keine Anhörungsrüge zu erheben.

III. Begründetheit

Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet.

Die angegriffenen Erwähnungen im Verfassungsschutzbericht, das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin sowie der entsprechende Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 21 Abs. 1 GG.

1. Verstoß gegen das Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 i.V.m. 21 Abs. 1 GG

Die angegriffenen Erwähnungen und Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit.

a. Schutzbereich

Der Schutzbereich ist betroffen.

Die Beschwerdeführerin ist nach Maßgabe des Art. 19 Abs. 3 GG vom persönlichen Schutzbereich des Grundrechts auf Vereinigungsfreiheit umfasst. Dies gilt auch für das ihr zustehende Grundrecht aus Art. 21 Abs. 1 GG. Auch wenn Art. 21 Abs. 1 GG nicht grundsätzlich einen weitergehenden Schutz gewährleistet als Art. 19 Abs. 1 GG, ist doch das verfassungsrechtlich normierte Parteienprivileg bei der Verhältnismäßigkeit von Eingriffen in den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 GG zu berücksichtigen.

b. Eingriff

In der Erwähnung der Beschwerdeführerin in den verfahrensgegenständlichen Verfassungsschutzberichten liegt auch ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 GG vor. Eingriffe in die Vereinigungsfreiheit sind staatliche Beeinträchtigungen in die durch Art. 9 Abs. 1 GG gewährten Freiheiten. Neben dem ausführlichen Verbot gemäß Art. 9 Abs. 2 GG können auch faktische Behinderungen Eingriffsqualität haben, sofern sie eine gewisse Intensität aufweisen. Eine Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten ist mit einer erheblichen Stigmatisierungswirkung verbunden, die darauf abzielt, die Chancen der betroffenen Partei im allgemeinen Wettbewerb zu beeinträchtigen und Personen davon abzuhalten, sich ihr anzuschließen, sie zu wählen bzw. sich positiv auf sie zu beziehen.

Ein Eingriff liegt damit vor.

c. Fehlende Rechtfertigung

Der Eingriff in den Schutzbereich der Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 1 i.V.m. Art. 21 Abs. 1 GG ist auch nicht gerechtfertigt.

aa. Rechtlicher Maßstab

(1) Rechtlicher Maßstab für die Erwähnungen von Personen(-zusammenschlüssen) in einem Verfassungsschutzbericht des Bundes ist § 16 Abs. 2 BVerfSchG. Zwar erlaubt § 16 Abs. 2 BVerfSchG die Information der Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des § 4 BVerfSchG. Dessen Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Befugnis der Staatsorgane, negative Werturteile über Ziele und Betätigungen nicht verbotener politischer Parteien kundzutun, im Einzelfall durch das Übermaßverbot verfassungsrechtliche Schranken gesetzt sind. Denn das Recht politischer Parteien auf Chancengleichheit als ein wesentlicher Bestandteil der demokratischen Grundordnung verbietet jede staatliche Maßnahme, die den Anspruch der Partei auf die Gleichheit ihrer Wettbewerbschancen willkürlich beeinträchtigt (vgl. BVerfG, NJW 1976, 38; OVG Berlin-Brandenburg, NVWZ-RR 2021, 44).

Da die Erwähnung in einem Verfassungsschutzbericht - anders als die bloße Beobachtung - mit einem schwerwiegenden Eingriff in die der Partei zustehenden Grundrechte verbunden ist, betont das Bundesverfassungsgericht, dass die tatsächlichen Anhaltspunkte für die Annahme einer verfassungsfeindlichen Bestrebung hinreichend gewichtig sein müssen (vgl. BVerfGE 113, 63 [81]; BVerfGE 137, 245, Rn. 165).

(2) Berichtet werden darf nur, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen von Bestrebungen im Sinne des § 4 BVerfSchG vorliegen.

Rechtsgrundlage für eine Berichterstattung über einen Personenzusammenschluss in einem Verfassungsschutzbericht des Beklagten ist das Vorliegen von Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, also politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in § 4 Abs. 2 BVerfSchG genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Dazu zählen gemäß § 4 Abs. 2 BVerfSchG folgende Prinzipien:

  • das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
  • die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
  • das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,
  • die Ablösbarkeit der Regierung und ihrer Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
  • die Unabhängigkeit der Gerichte,
  • der Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und
  • die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.

Zur näheren Bestimmung der die freiheitlich demokratische Grundordnung konstituierenden Elemente ist auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurückzugreifen, wonach diese in der Würde des Menschen ihren Ausgangspunkt hat und in ihrem Mittelpunkt steht (vgl. BVerfG - 2 BVB 1/13, Rn. 538). Die Garantie der Menschenwürde umfasst insbesondere die Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität sowie die elementare Rechtsgleichheit. Dem Staat und seine Rechtsordnung wird jede Absolutheit und jeder 'natürliche' Vorrang genommen (a.a.O.).

Die freiheitliche demokratische Grundordnung beschränkt sich auf die Prinzipien, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit unter Freiheit und Gleichheit gewährleisten (vgl. BVerfG 2, 1 [12 f.]; BVerfG u. v. 17.01.2017 - 2 BVB 1/13, Rn. 531).

Das in § 4 Abs. 2 a BVerfSchG aufgeführte Prinzip gleichberechtigter Teilnahme aller Bürgerinnen und Bürger am Prozess der politischen Willensbildung und die Rückbindung der Ausübung der Staatsgewalt an das Volk ist Ausdruck des Demokratieprinzips, das ebenfalls konstitutiver Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist. Demokratie ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Herrschaftsform der Freien und Gleichen. Sie beruht auf der Idee der freien Selbstbestimmung aller Bürger (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 542 f.). In der Demokratie erfolgt die politische Willensbildung vom Volk zu den Staatsorgangen und nicht umgekehrt. Konzepte des dauerhaften oder vorübergehenden willkürlichen Ausschlusses eines Einzelnen aus diesem Prozess sind mit dem Demokratieprinzip nicht vereinbar. Zu berücksichtigen ist ferner, dass Instrumente zur Sicherung der Offenheit des Prozesses der politischen Willensbildung, wie das Mehrparteiensystem, die Chancengleichheit der Parteien, das Recht auf Bildung und Ausübung einer Opposition nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegenüber dem Prinzip der Offenheit nachrangig sind (BVerfG, a.a.O., Rn. 544).

Der ebenfalls in § 4 Abs. 2 a BVerfSchG aufgeführte Grundsatz der Volkssouveränität beinhaltet, dass sich alle Akte der Ausübung der Staatsgewalt auf den Willen des Volkes zurückführen lassen. Soweit das Volk die Staatsgewalt nicht selbst durch Wahlen oder Abstimmungen ausübt, sondern besonderen Organen übertragen ist, bedarf es eines hinreichend engen Legitimations-zusammenhangs, der sicherstellt, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch diese Organe hat. Auch in diesem Zusammenhang kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorrangig nicht auf die einzelnen Instrumente zur Sicherstellung des hinreichenden Legitimationszusammenhangs (Parlamentarismus, Verantwortlichkeit der Regierung, Gesetzes- und Weisungsgebundenheit der Verwaltung) an, sondern auf die grundsätzliche Beachtung des Prinzips der Volkssouveränität. Auch wenn sich das Grundgesetz für das Modell der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie entschieden hat, verlässt nicht derjenige den Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, der neben dem oder statt des Parlamentarismus andere Wege aufzeigt, die dem Grundsatz der Volkssouveränität Rechnung tragen und die Offenheit des politischen Willensbildungsprozesses gewähr-leisten, solange nicht der Parlamentarismus verächtlich gemacht wird (BVerfG, a.a.O., Rn. 546).

Schließlich gehört zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung auch das Rechtsstaatsprinzip, das auf die Bindung und Begrenzung öffentlicher Gewalt zum Schutz individueller Freiheit abzielt und die Rechtsbindung der öffentlichen Gewalt und die Kontrolle dieser Bindung durch unabhängige Gerichte als zentrale Bestimmung beinhaltet (BVerfG, a.a.O., Rn. 547).

Auch wenn diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Voraussetzungen eines Parteiverbotsverfahrens gemäß Art. 21 GG ergangen ist, ist diese Rechtsprechung jedoch bei der Auslegung der in § 4 Abs. 2 BVerfSchG genannten Prinzipien und ihrer Gewichtung zu berücksichtigen.

bb. Keine Bestrebungen gegen die Menschenwürde und die Menschenrechte

Von der Beschwerdeführerin gehen keine Bestrebungen gegen die Menschenwürde oder die Menschenrechte aus.

Ganz im Gegenteil; die Beschwerdeführerin achtet die Menschenwürde und die Menschenrechte und stellt diese in den Mittelpunkt ihres politischen Wirkens. Soweit in den angegriffenen Entscheidungen der Eindruck erweckt wird, die Beschwerdeführerin würde den Gleichheitsgrundsatz verletzen bzw. nur Grundrechte für die Angehörige der Arbeiterklasse einräumen, so stellt diese eine Behauptung dar, die auf einem Missverständnis über die Ziele der Beschwerdeführerin beruht (dazu sogleich).

Das Grundgesetz im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt die Menschenwürde und damit auch die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten in den Mittelpunkt. Im Gegensatz dazu stellen die angegriffenen Entscheidungen – und damit die Grundsätze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in ihr Gegenteil verkehrend – den Staat in den Mittelpunkt, und nicht die Menschenwürde.

Dies wird schon daran deutlich, dass in den angegriffenen Entscheidungen die freiheitlich demokratische Grundordnung mit der verfassungsmäßigen Ordnung gleichgesetzt wird.

So wird in den angegriffenen Entscheidungen die verfassungsmäßige Ordnung und mit dem Staat gleichgesetzt und behauptet, dass die Beschwerdeführerin die geltende verfassungsmäßige Ordnung – mithin den Staat – als 'Büttel' einer wie auch immer gearteten Kapitalistenklasse begreife. Damit wird deutlich, dass die angegriffenen Gerichtsentscheidungen 'den Staat' in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen zur verfassungsmäßigen Ordnung stellen und nicht die Menschenwürde und die in dem Grundgesetz geschützten Menschenrechte. Das Grundgesetz stellt – vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus dem Nationalsozialismus – dagegen zu Recht die Menschenwürde und die Grundrechte in den Mittelpunkt.

cc. Keine Bestrebungen gegen das Demokratieprinzip

Vor diesem Hintergrund ist auch die Behauptung, die Beschwerdeführerin erstrebe die Abschaffung des in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten Demokratieprinzip, fehlerhaft und unzutreffend.

(1) Die Ziff. 18 der Grundsatzerklärung steht beispielhaft für den demokratischen Charakter der Beschwerdeführerin. Dort wird ausgeführt:

'Die Arbeiterklasse muss im Kampf um die Macht alle demokratischen Rechte und gesetzlichen Möglichkeiten ausschöpfen und energisch verteidigen.'

Dies ist Ausdruck des Grundgedankens und der maßgeblichen Strategie der Beschwerdeführerin. Sie geht davon aus, dass diejenigen Menschen, die von der Beschwerdeführerin im Geltungsbereich des Grundgesetzes zu der Arbeiterklasse gezählt werden, die Mehrheit der wahlberechtigten Bevölkerung darstellen und daher in dem Falle, in dem diese ihre Interessen, die sie nach Ansicht der Klägerin als Lohnabhängige haben, als für die Wahlentscheidung maßgeblich ansehen werden, eine Mehrheit der Wahlberechtigten für das Programm der Beschwerdeführerin stimmen werden. In diesem Fall würde nach der Wahl eine 'Arbeiterregierung' gebildet werden, deren Ziel es ist, die Interessen der Arbeiter und damit der Mehrheit politisch Geltung zu verschaffen und umzusetzen. Dies ist ein zutiefst demokratischer Prozess.

Das verfassungsrechtlich in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG aufgestellte Postulat, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgehe, teilt auch unbeschränkt die Beschwerdeführerin. Ihre Kritik bezieht sich darauf, dass die Möglichkeiten, diese Macht auszuüben und auf staatliche Entscheidungen Einfluss zu nehmen, in der Bevölkerung ungleich verteilt sind und diese Ungleichverteilung mit dem sozialen Status in der Gesellschaft korreliert. Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, dass Menschenwürdegarantie, Demokratieprinzip, Volkssouveränität und andere freiheitlich-demokratische Grundsätze sich nur voll entfalten können, wenn sie sich auch auf das wirtschaftliche Leben erstrecken Es ist eine allgemeine Erkenntnis in den Politikwissenschaften, dass die Möglichkeiten der Einflussnahme und der Repräsentativität in der Gesellschaft ungleich verteilt sind. Gerade in jüngster Zeit sind zahlreiche Publikationen und wissenschaftliche Studien erschienen, die nachweisen, dass die in allen OECD-Ländern zu beobachtende soziale Ungleichheit die Demokratie untergräbt. Dies zeigt sich einerseits darin, dass die Wahlbeteiligung von Angehörigen der gebildeten Mittel- und Oberklassen höher ist als die von Arbeiter*innen. Es zeigt sich aber auch, dass politische Präferenzen, die von Personengruppen mit höherem Einkommen vertreten werden, eher von Entscheidungsträgern umgesetzt werden als von denen, die über geringere Einkommensmöglichkeiten verfügen. Diese ungleiche Responsivität politischer Entscheidungen in der Bundesrepublik ist wissenschaftlich bestätigt (vgl. Elsässer/Hense, Schäfer, 'Dem deutschen Volke'? Die ungleiche Responsivität des Bundestages. In: ZPol 2017, Seite 161 ff.).

Dass ein Manager des Konzerns der Volkswagen AG dieselbe Möglichkeit der Einflussnahme auf politische Entscheidungen hat wie eine Kita-Erzieherin aus dem sachsen-anhaltinischen Zerbst stellt zwar den Soll-Zustand des im Grundgesetz niedergelegten Demokratieprinzips dar, ist aber - das dürfte wohl unstreitig sein - nicht Teil des Ist-Zustandes. Diesen Missstand abzubauen, ist Ziel der Beschwerdeführerin. Da eine Kritik an Verfassungsgrundsätzen noch keine Aufnahme in dem Verfassungsschutzbericht rechtfertigt (vgl. BVerfG, U. v. 20.06.2013 – 6 C 4.12), kann diese erst recht nicht für den Fall gelten, wenn es um Bestrebungen geht, die den Ist-Zustand der Verfassungswirklichkeit verbessern sollen.

Dazu wird in der Grundsatzerklärung unter Pkt. 23 ausgeführt:

'Die Verteidigung und Ausweitung demokratischer Rechte ist und bleibt die Aufgabe der Arbeiterklasse. Sie ist untrennbar mit dem Kampf für ein sozialistisches Programm und der unabhängigen Mobilisierung der Arbeiterklasse zur Eroberung der politischen Macht verbunden. Es kann keine Demokratie ohne Sozialismus geben, so wie es keinen Sozialismus ohne Demokratie geben kann.'

Soweit im Folgenden in Ziffer 23 der Grundsatzerklärung ausgeführt wird, dass nach der Ansicht der Beschwerdeführerin wirtschaftliche Gleichheit die Voraussetzung für politische Gleichheit darstellt und nur dann wirkliche Demokratie möglich ist, wenn wirtschaftliche Entscheidungen, die über das Leben von Millionen Menschen entscheiden, nicht nur privaten Unternehmen und Banken überlassen bleiben, stellt dies einen politischen Standpunkt dar, der gegen keines der oben aufgeführten Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verstößt. Im Gegenteil, damit wird zum Ausdruck gebracht, dass demokratische Prinzipien auf das Wirtschaftssystem Anwendung finden müssen.

Deutlich wird dies in Ziffer 24 der Grundsatzerklärung:

„Sie werden die Grundlage für eine Arbeiterregierung bilden. Eine Arbeiterregierung wird Maßnahmen zur sozialistischen Umgestaltung des Wirtschaftslebens ergreifen und die Teilnahme der Arbeiterklasse am demokratischen Entscheidungsprozess fördern. Sie wird sich für die Abschaffung undemokratischer und gegen die Bevölkerung gerichteter Einrichtungen - wie Verfassungsschutz, Berufsarmee, usw. - einsetzen. Die Entscheidung über diese und andere demokratische Veränderungen müssen die Massen selbst treffen. Sie können nur durch eine von sozialistischem Bewusstsein getragene Massenbewegung der Arbeiterklasse verwirklicht werden.“

Damit wird deutlich, dass die Beschwerdeführerin nicht bestrebt ist, bestimmte Bevölkerungsgruppen vom demokratischen Prozess oder von der Regierung auszuschließen. Vielmehr wird deutlich, dass der demokratische Prozess und die Regierung von den „Massen“, also von der Mehrheit, getragen werden soll. Sollte dies nicht der Fall sein und diese „Massenbewegung“ nicht das entsprechende „sozialistische Bewusstsein“ haben, werden diese Veränderungen auch nicht stattfinden. Die Beschwerdeführerin propagiert keinen „Putsch“ o.ä. einer kleinen Gruppe gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung. Ihr Agieren und ihr Programm zielt vielmehr darauf ab, die Mehrheit der Bevölkerung – die Arbeiter – von ihrem Weg zu überzeugen und darüber die Mehrheit zu erlangen. Nichts davon verstößt gegen demokratische Prinzipien oder stellt eine Bestrebung im Sinne des § 4 BVerfschG dar.

(2) Da das Grundgesetz keine Wirtschaftsordnung vorschreibt, ist auch das Postulat:

„Es kann keine Demokratie ohne Sozialismus geben, so wie es keinen Sozialismus ohne Demokratie geben kann.'

kein Ausdruck für ein Bestreben gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Das Grundgesetz geht davon aus, dass auch bei einer Vergesellschaftung der Produktionsmittel – mithin im Sozialismus – die Menschenrechte und die Prinzipien der Demokratie, des Rechtsstaates und der Volkssouveränität Geltung beanspruchen können.

Eine Politik die auf die Beseitigung, zumindest Minimierung der Strukturen, die die ungleichen Möglichkeiten, auf Entscheidungen Einfluss zu nehmen und die eigenen Forderungen und Bedürfnisse repräsentiert zu sehen, hervorbringen, stellen keine Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung dar. Vielmehr sind sie Ausdruck des Bestrebens, die Voraussetzungen zu schaffen, dass die vom Repräsentant des Souveräns getroffenen Entscheidungen tatsächlich Ausdruck von dessen Mehrheitswillen sind.

(3) Auch steht „Marxistisches Klassendenken“ nicht in Gegensatz zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Vielmehr stellt es ein wissenschaftlich und politisch anerkanntes und weitverbreitetes Instrument zur Analyse von Gesellschaften dar, speziell derjenigen im Kapitalismus. Das Anerkenntnis des Bestehens von Klassen mit unterschiedlichen Interessen ist auch ein Denken, das nicht allein von der Beschwerdeführerin vertreten wird. Verwiesen soll beispielsweise auf das Heidelberger Programm der SPD, das bis ins Jahr 1959 galt, in dem sich u. a. folgender Passus findet:

„Mit der Zunahme seines Einflusses benutzt das Finanzkapital die Staatsmacht zur Beherrschung auswärtiger Gebiete als Absatzmärkte, Rohstoffquellen und Stätten für Kapitalanlagen. Dieses imperialistische Machtbestreben bedroht die Gesellschaft ständig mit Konflikten und mit Kriegsgefahr. Doch mit dem Druck und den Gefahren des Hochkapitalismus steigt auch der Widerstand der stets wachsenden Arbeiterklasse, die durch den Mechanismus des kapitalistischen Produktionsprozesses selbst, sowie durch stete Arbeit der Gewerkschaften und der Sozialdemokratischen Partei geschult und vereint wird. Immer größer wird die Zahl der Proletarier, immer schroffer der Gegensatz zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten, immer erbitterter der Klassenkampf zwischen den kapitalistischen Beherrschern der Wirtschaft und den Beherrschten. Indem die Arbeiterklasse für ihre eigene Befreiung kämpft, vertritt sie das Gesamtinteresse der Gesellschaft gegenüber dem kapitalistischen Monopol. Eine gewaltig erstarkte Arbeiterbewegung, groß geworden durch die opferreiche Arbeit von Generationen, stellt sich dem Kapitalismus als ebenbürtiger Gegner gegenüber. Mächtiger denn je ersteht der Wille, das kapitalistische System zu überwinden und durch internationalen Zusammenschluß des Proletariats, durch Schaffung einer internationalen Rechtsordnung, eines wahren Bundes gleichberechtigter Völker, die Menschheit vor kriegerischer Vernichtung zu schützen.“

„Marxistisches Klassendenken“ ist somit auch einer Partei, die seit dem Bestehen der BRD immer wieder – und gerade auch aktuell – Regierungsverantwortung übernommen hat, nicht fremd.

Verwiesen sei auch auf das aktuelle Selbstverständnis der Sozialistischen Jugend Deutschlands, Die Falken, einer Jugendorganisationen, die der derzeitigen Regierungspartei SPD nahesteht. Dort findet sich die folgende Beschreibung der derzeitigen Gesellschaft:

„Die Welt, in der wir leben, beruht auf einem gewaltigen Widerspruch: Diejenigen, die mit ihrer Arbeit den gesellschaftlichen Reichtum schaffen, sind im Kapitalismus gerade von diesem Reichtum und von der Verfügungsgewalt über ihn ausgeschlossen. Weder die Produktionsmittel noch die hergestellten Waren gehören ihnen. Die übergroße Mehrheit der Menschen ist folglich gezwungen, zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse ihre Arbeitskraft als Ware zu verkaufen. Als Bezahlung für diese Arbeit erhalten viele Menschen gerade so wenig, wie sie zum Überleben brauchen bzw. was sie kollektiv erkämpfen können. Sie können darüber hinaus häufig nicht frei entscheiden, was sie gerne arbeiten würden und wie diese Arbeit organisiert sein soll. Dies verhindert die freie Entfaltung ihrer Möglichkeiten.“

Und weiter:

„Im Kapitalismus wird in starker Konkurrenz das produziert, von dem Gewinn erwartet wird, und nicht das, was von den Menschen benötigt wird. Die kapitalistische Produktionsweise verschuldet einerseits regelmäßige Krisen durch Übersättigung und das Zusammenbrechen von Märkten in reichen Ländern, die die Produkte nicht mehr kaufen wollen. Andererseits verursacht sie einen chronischen Mangel an Essen und Kleidung sowie humanitäre Katastrophen und den Tod von Menschen in armen Ländern, die die Produkte nicht bezahlen können.

Auf der Suche nach neuen Profit versprechenden Märkten dehnt sich der Kapitalismus immer weiter aus und durchdringt alle Lebensbereiche. Im sich verschärfenden Konkurrenzkampf werden wirtschaftliche Ziele auch mit aggressiven politischen und militärischen Mitteln durchgesetzt und natürliche Ressourcen zerstört. Dies hat in der Vergangenheit zu Kriegen geführt und kann dies auch in der Zukunft wieder.“

Und weiter als Ziel:

„Das Ziel ist eine sozialistische Gesellschaft, in der wir für unsere eigene Zukunft und zum Nutzen der Menschheit arbeiten und in der das gesellschaftliche Leben zur gemeinsamen Aufgabe aller wird. Die Überwindung des Kapitalismus und die Aufhebung von autoritären Herrschaftsformen bedeuten das Ende der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen.“

Und weiter zur Demokratie:

„Auch wenn wir überzeugt sind, dass erst im Sozialismus wirkliche Demokratie möglich ist, gehört die grundlegende Demokratisierung aller Lebensbereiche in der heutigen Gesellschaft zu unserer wichtigsten Forderung.“

Dies belegt, dass zumindest Teile der derzeitigen Regierungspartei und ihr nahestehende Organisationen mit Marx von sich gegenüber stehenden Klassen mit gegensätzlichen Interessen ausgehen, die Überwindung des Kapitalismus und die Errichtung des Sozialismus fordern und eine Verbindung zwischen Kapitalismus und Krieg und Sozialismus und wirklicher Demokratie ziehen. Ein Bestreben gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung kann darin nicht gesehen werden.

dd. Keine Bestrebung gegen den Grundsatz der Volkssouveränität

Diesem Ziel der Demokratisierung dient auch die Forderung nach Bildung „neuer Organe“ wie Arbeiterräten, die laut Grundsatzerklärung „der Mehrheit der Bevölkerung eine wirklich demokratische Teilnahme erlauben“ sollen. Wie weiter oben dargestellt, tritt die Beschwerdeführerin dafür ein, dass solche Organe sämtliche demokratische Rechte verteidigen müssen. Sie sollen allerdings sicherstellen, dass der politische Wille einer Mehrheit nach Enteignung der Produktionsmittel auch tatsächlich umgesetzt werden kann und Strukturen bestehen, um die Sphäre der Wirtschaft demokratisch zu organisieren.

Auch die Behauptung, die Beschwerdeführerin akzeptiere nur dann Wahlergebnisse und von der so demokratisch legitimierten Regierung getroffene Entscheidungen, wenn diese mit den Vorstellungen der Arbeiterklasse übereinstimmten, ist vollkommen unzutreffend und durch nichts belegt.

In den von dem OVG Berlin-Brandenburg angeführten Ziffern 32 ff. der Grundsatzerklärung findet sich dazu nichts. Die Beschwerdeführerin will niemanden von der politischen Teilhabe ausschließen. Die Beschwerdeführerin geht allerdings davon aus, dass die Mehrheit der Wahlberechtigten der Arbeiterklasse zuzurechnen sind und insofern diese, wenn sie nach den aus ihrem sozialen Status folgenden Interessen handeln würden, aufgrund der ihnen zustehenden Mehrheit eine Arbeiterregierung wählen und bilden könnten. Das Teilen dieser Auffassung ist Ausdruck des Grundsatzes der Volkssouveränität.

An keiner Stelle in der Grundsatzerklärung behauptet die Beschwerdeführerin von sich, 'Avantgarde der Arbeiterklasse' zu sein, wie in dem angegriffenen Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg auf Seite 5 behauptet wird, noch vertritt die Beschwerdeführerin das Konzept einer Ein-Parteien-Herrschaft noch zielt die Beschwerdeführerin darauf ab, die Möglichkeit zur Ausübung einer Opposition abzuschaffen. Ganz im Gegenteil: Die Beschwerdeführerin hat immer das Recht auf Opposition und auf Abwählbarkeit der Regierung vertreten und verteidigt.

Die Beschwerdeführerin vertritt an keiner Stelle, dass Parteien, Strömungen oder Klassen, die eine abweichende politische Auffassung vertreten, von der Möglichkeit der Ausübung ihrer politischen Rechte, insbesondere von dem Recht auf Opposition, ausgeschlossen werden würden. Dies stellt eine bloße Behauptung dar, die dem strengen Maßstab an der Erwähnung einer Partei in einem Verfassungsschutzbericht nicht genügt.

dd. Keine Bestrebung gegen das Rechtsstaatsprinzip

Die Politik der Beschwerdeführerin zielt auch nicht auf die Etablierung einer Gewalt- und Willkürherrschaft und die Abschaffung des Rechtsstaates ab. Genauso wenig vertritt die Beschwerdeführerin das Konzept einer Diktatur. Soweit in den angegriffenen Entscheidungen auf die Entscheidung des OVG Münster vom 13.02.2009 - 16 A 845/08 - Bezug genommen wird, kann daraus nichts anderes hergeleitet werden. Dort wird lediglich ausgeführt, dass eine 'an die Sprache von Marx, Engels und Lenin anknüpfende Ausdrucksweise [...] nicht auf einen verfassungswidrigen Inhalt führen [müsse]. - Ohne eine deutliche Abkehr davon bleibt aber jedenfalls ein tatsächlicher Anhaltspunkt für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen.'

Im vorliegenden, die Beschwerdeführerin betreffenden Fall, geht es aber nicht darum, dass Äußerungen der Beschwerdeführerin als tatsächlicher Anhaltspunkt für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen gesehen werden, sondern als Beleg derselben. Der Schluss, die Beschwerdeführerin verfolge dieselben Ziele und Mittel wie die Parteien im Realsozialismus, ist unzutreffend und nicht belegt. Ihre Behauptung erfüllt nicht die erhöhten Anforderungen, die an die Erwähnung einer Partei in einem Verfassungsschutzbericht des Bundes (siehe oben) zu stellen sind.

Im Übrigen sind auch die Ausführungen unrichtig, dass die Beschwerdeführerin das Ende des 'Realsozialismus' zum Anlass hätte nehmen müssen, ihre Konzeption und ihre in der Grundsatzerklärung niedergelegten Ziele aufzugeben. Die Beschwerdeführerin hat sich immer gegen den 'Realsozialismus' und gegen die dort herrschenden Bedingungen und der von den dortigen 'kommunistischen' Parteien vorgenommenen Lesart der marxistischen und leninistischen Ideen abgegrenzt und sie auch ausführlich kritisiert.

Insbesondere unzutreffend und nur auf Behauptungen beruhend sind die Ausführungen, dass die Aussage, es könne keine Demokratie ohne Sozialismus geben, mit der Einführung einer Diktatur gleichzusetzen sei, bei der alle Teile des Volkes, die nicht zur Arbeiterklasse gehören, von der politischen Teilhabe ausgeschlossen würden. Der Ausgangspunkt der Beschwerdeführerin, dass nur eine soziale Gleichheit eine gleichberechtigte politische Teilhabe ermöglicht, ist nicht zu beanstanden, insbesondere ist es kein Verstoß gegen das Demokratieprinzip, da Grundlage dieser politischen Position ist, dass erst unter solchen Bedingungen tatsächlich 'jede Stimme gleich zählt'. Für diese Position streitet auch eine Vielzahl von soziologischen Untersuchungen (siehe oben).

Der in den angegriffenen Entscheidungen gezogene Schluss, die Beschwerdeführerin würde Mittel ergreifen und Ziele verfolgen, die andere Parteien, die sich auf marxistische und leninistische Lehren beziehen, in der Vergangenheit ergriffen und verfolgt haben, ist fehlerhaft und unzutreffend. Die Behauptungen und Unterstellungen, die Beschwerdeführerin strebe eine Revolution wie die Oktoberrevolution an oder verfolge ein Modell von Sozialismus wie bspw. die SED, beruht auf fehlerhaften Schlussfolgerungen.

Eine Revolution muss keineswegs mit Gewalt verbunden sein. Soweit sozialistische Revolutionen in der Vergangenheit gewalttätig verlaufen sind, hatte dies ihre Ursache darin, dass das Gegenüber keine freiheitlichen demokratischen Grundordnungen waren, sondern Diktaturen oder koloniale Besatzungsmächte. Es gibt kein Beispiel, dass in einer Demokratie linke und/oder sozialistische Parteien durch Gewalt an die Macht gekommen sind. Demokratische Rechte wurden von der sozialistischen Bewegung, auf die sich die Beschwerdeführerin bezieht, stets erkämpft und verteidigt. So etwa in der deutschen Revolution von 1918 oder im Kampf gegen den Nationalsozialismus.

Die trotzkistische Bewegung, in deren Tradition sich die Beschwerdeführerin sieht, hat auch immer den sogenannten „Realsozialismus“ von einem demokratischen Standpunkt aus kritisiert und seine Demokratisierung gefordert. Für diese Überzeugung wurden sie in der Sowjetunion zu zehntausenden ermordet und auch in der DDR verfolgt. Insofern ist die starre, auf die stalinistische KPD bezogene Behauptung, das Konzept einer sozialistischen Revolution sei mit einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar, ggf. in Bezug auf die damaligen historischen Bedingungen erklärbar. Das Konzept der sozialistischen Revolution der Beschwerdeführerin in der heutigen Zeit hat damit aber nichts zu tun. Das Revolutionäre ist die Umwandlung der Eigentumsverhältnisse an den Produktionsmitteln. Dieses Ziel verfolgt die Beschwerdeführerin mit allein demokratische Mitteln.

Die Beschwerdeführerin hat immer den Realsozialismus kritisiert und sich von ihm distanziert. Es genügt nicht den erhöhten Anforderungen, die an die Erwähnung einer Partei in einem Verfassungsschutzbericht zu stellen sind, wenn die maßgeblichen Begründungselemente auf Rückschlüssen aus der Praxis anderer Parteien, die dazu noch in einem anderen historischen und gesellschaftlichen Kontext agiert haben, beruhen. Es ist unzureichend, auf dieser Basis auf angebliche Bestrebungen der Beschwerdeführerin zu schließen.

ee. Die Beschwerdeführerin verfolgt auch keine gewalttätigen Bestrebungen

Ebenso verhält es sich mit der Behauptung, die Beschwerdeführerin könnte Gewalt anwenden. Dazu finden sich weder in der Geschichte der Beschwerdeführerin noch in ihrer Praxis irgendwelche Anhaltpunkte. Insbesondere die Bezugnahme auf die „marxistische Ideologie“ gibt für diese Annahme nichts her.

Der Verweis auf Ziffer 235 in der Grundsatzerklärung der Klägerin ergibt nichts anderes. Dass Kriege, insbesondere der 1. Weltkrieg, aber bspw. die von den USA geführten Irak-Kriege, nicht auch von ökonomischen Interessen bestimmt gewesen sind, entspricht der Realität. Das angeführte Zitat ist eine deutliche Warnung vor neuen Kriegen. Insbesondere die derzeitige internationale Entwicklung vor dem Hintergrund des Krieges von Russland gegen die Ukraine lässt gerade viele befürchten, dass es zu einem Krieg kommt, der die derzeitige Ordnung stürzen und neu schaffen wird. Die Beschwerdeführerin lehnt diesen Krieg ab.

Soweit auf Äußerungen von Karl Kautsky Bezug genommen wird, ist darauf hinzuweisen, dass diese inmitten des 1. Weltkrieges erfolgten, in dem gerade auf deutschem Boden von einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht die Rede sein konnte. Der Krieg wurde u. a. durch die November-Revolution in Deutschland als auch die Oktober-Revolution in Russland beendet. Diese als Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu interpretieren geht fehl. Vor allem, weil die von dem Umsturz betroffenen gesellschaftlichen Ordnungen keine freiheitlich-demokratischen waren.

Dass von Trotzki 1938 – unter den Bedingungen des weltweit sich ausbreitenden Faschismus – die Bewaffnung des Proletariats gefordert wurde, ist Ausdruck einer zutiefst demokratischen Gesinnung. Diese vor dem Hintergrund des bevorstehenden Weltkrieges aufgestellte Forderung wird heute vor vollkommen anderen Bedingungen von der Beschwerdeführerin nicht aufgestellt.

d. Keine Verhältnismäßigkeit

Dessen ungeachtet, das nach den obigen Ausführungen schon keine Geeignetheit vorliegt, da von der Beschwerdeführerin keine Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung ausgehen, ist eine Erwähnung derselben in den verfahrensgegenständlichen Verfassungsschutzberichten auch nicht verhältnismäßig.

Die mit der Erwähnung in dem Verfassungsschutzbericht verbundene Beeinträchtigung des Wirkens der Beschwerdeführerin als politische Partei steht in keinem Verhältnis zu einem etwaigen Erkenntnisgewinn der Öffentlichkeit.

e. Ergebnis

Die Voraussetzungen für eine Berichterstattung über die Beschwerdeführerin in den verfahrensgegenständlichen Verfassungsschutzberichten liegen nicht vor. Von der Beschwerdeführerin gehen weder Bestrebungen gegen die Menschenwürde oder die Menschenrechte, noch gegen die Prinzipien der Demokratie, des Rechtsstaates und der Volkssouveränität oder sonstige Prinzipien der freiheitlich demokratischen Grundordnung aus.

Der Eingriff in den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 i.Vm. Art 21 Abs. 1 GG ist daher nicht gerechtfertigt. Die Erwähnungen in den Verfassungsschutzberichten sind für verfassungswidrig zu erklären, die angegriffenen Entscheidungen aufzuheben.

2. Verstoß gegen das Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit aus Art. 11 Abs. 1 EMRK

Ebenso liegt auch ein Verstoß gegen das in Art. 11 EMRK niedergelegte Grundrechte auf Vereinigungsfreiheit vor.

Ein Eingriff in den Schutzbereich liegt unzweifelhaft vor. Insofern kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

Dieser Eingriff ist auch nicht gerechtfertigt. Ein solcher kann gem. Art. 11 Abs. 2 EMRK nur dann erfolgen, wenn er notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten. Dies ist nicht der Fall. Von der Beschwerdeführerin gehen keine Gefahren für die nationale oder öffentliche Sicherheit aus. Ebenso werden von ihr keine Straftaten begangen.

Insbesondere ist ein derart intensiver Eingriff in Form der Nennung in einem Verfassungsschutzbericht nicht notwendig.

Die Verfassungsbeschwerde ist somit auch begründet.

Dr. Stolle

Rechtsanwalt

Loading