Millionen Menschen haben am vergangenen Wochenende gegen Israels Völkermord an den Palästinensern protestiert, als Teil einer wachsenden Welle der Opposition, die über die ganze Welt hinweg wogt. Der globale Aufschrei hat Arbeiter in allen Ländern gegen ihre eigenen Herrscher aufgebracht, die den Völkermord unterstützen.
Die außergewöhnlichste dieser Demonstrationen fand in London statt. Zwischen 750.000 und eine Million Menschen gingen in der Hauptstadt des britischen Imperialismus auf die Straße, das in seiner blutrünstigen Unterstützung Israels an der Seite der Vereinigten Staaten und Deutschlands steht. Der Marsch umfasste einen großen Teil der muslimischen Bevölkerung Englands und Jugendliche unterschiedlichen ethnischen Hintergrundes. In einem Land mit 56,5 Millionen Einwohnern bedeutet dies, dass rund jeder Sechzigste aktiv wurde, um einen Waffenstillstand zu fordern und den Völkermord zu stoppen.
Im Vereinigten Königreich kommt die Kluft zwischen der herrschenden Elite und ihren Parteien und der Masse der arbeitenden Bevölkerung am deutlichsten zum Ausdruck und deutet damit auf explosive Konflikte hin, die in allen Ländern rasch heranreifen.
Die Ereignisse in Gaza wirken wie ein Katalysator, der den Hass nicht nur auf die konservative Regierung konzentriert, sondern auf die gesamte herrschende Klasse und ihre Parteien, einschließlich der Labour-Partei. Sir Keir Starmers Unterstützung für Israel hat ihn zum meistgehassten Labour-Führer seit Tony Blair gemacht, der Großbritannien 2003 auf der Grundlage von Lügen in den Irak-Krieg führte. Dies hat in den Großstädten zu Massenaustritten und einem Einbruch der Unterstützung für Labour geführt. Viele Demonstranten trugen selbstgemachte Plakate, auf denen Starmer als Komplize von Kriegsverbrechen bezeichnet wurde.
Der Protest war ein Akt der massenhaften Opposition gegen die schmutzige Kampagne der Tory-Regierung und der Presse, die Antikriegsdemonstrationen als antisemitische Unterstützung von Terrorismus zu verleumden. In der Woche vor dem Protest bestand die mittlerweile entlassene rechtsradikale und rassistische Innenministerin Suella Braverman darauf, dass der „Hassmarsch“ von der Metropolitan Police verboten werden sollte. Unterstützt wurde sie dabei von Premierminister Rishi Sunak. Die Polizei weigerte sich, dem nachzukommen, weil sie wusste, dass dies nur noch mehr Widerstand gegen das Diktat der Regierung und ihre Unterstützung für Israel hervorrufen würde.
Überall verbreiten Regierungen die Lüge, dass Widerstand gegen den Völkermord schlicht antisemitisch sei. In Wirklichkeit ist er die Speerspitze einer weltweiten Eruption von Antifaschismus, Antiimperialismus und Antikapitalismus.
Der Vorwurf des Antisemitismus gegen Proteste, die eine große Zahl von Juden mobilisiert haben, hat nur bestätigt, dass die Regierung, die Labour-Partei und die Medien vor nichts zurückschrecken, um ihre eigenen Verbrechen zu rechtfertigen. Dies wurde durch die Reaktion von Braverman auf die Proteste vom Samstag bestätigt, die sie auf X/Twitter postete: „So kann es nicht weitergehen. Woche für Woche werden die Straßen Londons durch Hass, Gewalt und Antisemitismus verschmutzt. Bürgerinnen und Bürger werden angepöbelt und eingeschüchtert. Vor allem jüdische Menschen fühlen sich bedroht. Weitere Maßnahmen sind notwendig.“
Sie schrieb diese üble Hetzrede am selben Tag, an dem das israelische Militär das Al-Shifa-Krankenhaus belagerte und Babys tötete. Wenn Braverman „weitere Maßnahmen“ ankündigt, um die Proteste gegen Israels Barbarei zu stoppen, dann kann das nur bedeuten, dass sie massive Polizeirepression entfesselt und den faschistischen Abschaum mobilisiert, der versucht hat, Teile der Proteste vom Samstag anzugreifen. Sie würde mit dem Widerstand im Vereinigten Königreich so umgehen, wie Netanjahu in Gaza vorgeht.
Die herrschenden Eliten aller imperialistischen Länder benutzen die Sprache des Bürgerkriegs und des Völkermordes. Am vergangenen Dienstag wurde ein Gesetzentwurf im Parlament des US-Bundesstaates Florida mit 104:2 Stimmen abgelehnt, der eine „sofortige Deeskalation und einen Waffenstillstand“, sowie die „den Schutz der verfassungsmäßigen Rechte der Bürger von Florida“ forderte. Die Demokraten schlossen sich den Republikanern an und erteilten der Abgeordneten Angie Nixon, der Befürworterin des Gesetzentwurfs, eine Abfuhr.
Als Nixon auf den Tod von 10.000 Palästinensern in Gaza hinwies und fragte: „Wie viele werden genug sein?“, rief die Abgeordnete Michelle Salzman aus dem Saal: „Alle!“
Diese offene Unterstützung für Völkermord bringt lediglich in nackter Form die Politik der Biden-Regierung und des gesamten politischen Establishments auf den Punkt. In Florida hat Ron DeSantis, der faschistische Gouverneur des Bundesstaates, Studentengruppen aufgelöst, die sich gegen Israels Genozid stellen.
Letzten Monat verabschiedete der US-Senat einstimmig einen Antrag, der Studenten als antisemitisch brandmarkt, die sich gegen Israels Vorgehen aussprechen. Universitäten im ganzen Land – darunter die Columbia-, Brown- und Brandeis-Universitäten – haben die Gruppen „Students for Justice in Palestine“ und „Jewish Voice for Peace“ suspendiert oder an Protestaktionen beteiligte Studierende verhaftet.
Die Gaza-Proteste im Vereinigten Königreich haben Millionen Menschen die Möglichkeit gegeben, ihren Hass auf eine Regierung zum Ausdruck zu bringen, die für mehr als 200.000 Tote während der Pandemie und einen brutalen und systematischen Angriff auf den Lebensstandard der Arbeiter verantwortlich ist.
Die Tories befinden sich seit dem erzwungenen Rücktritt von Boris Johnson als Premierminister im Juli letzten Jahres in einer Krise, die mit einem Wiederaufleben des Klassenkampfes auf internationaler Ebene zusammentraf. Im Vereinigten Königreich löste dies eine Streikwelle aus, die innerhalb von sechs Monaten zwei Millionen Arbeiter umfasste. Johnsons Nachfolgerin – die berüchtigte Kriegstreiberin Liz Truss – war nur 45 Tage im Amt, bevor sie auf Geheiß der Finanzmärkte abgesetzt wurde, weil sie es versäumt hatte, die von ihnen erwarteten Sparmaßnahmen sofort durchzusetzen.
In einer Perspektive der WSWS vom 21. Oktober mit dem Titel „Britische Premierministerin Liz Truss tritt zurück – eine revolutionäre Krise für den britischen Imperialismus“ wurde auf die Tatsache hingewiesen, dass die Voraussetzungen für einen Generalstreik und den Sturz der Regierung gegeben waren. Doch die Labour-Party und die Gewerkschaftsbürokratie verschafften den Tories einen Aufschub: Starmer verurteilte Streiks und verkündete unbeugsame Unterstützung für den Krieg in der Ukraine, während die Gewerkschaftsbürokratie die Streiks der Eisenbahner, Postbediensteten, Beamten, Erzieher und Beschäftigten im Gesundheitswesen isolierte und verriet.
Dieses kurze Intermezzo ist vorbei und bestätigt Trotzkis im Übergangsprogramm getroffene Feststellung: „Die Orientierung der Massen ist einerseits von den objektiven Bedingungen des faulenden Kapitalismus, andererseits durch die verräterische Politik der alten Arbeiterorganisationen bestimmt. Entscheidend ist von diesen beiden Faktoren natürlich der erste: Die Gesetze der Geschichte sind stärker als die bürokratischen Apparate.“
Diese Situation der akuten Klassengegensätze liegt in jedem Land vor. Die Massenbewegung für die Verteidigung der Palästinenser ist der Beweis dafür, dass die reaktionäre politische Stagnation der letzten Jahrzehnte ein Ende gefunden hat. Gaza ist der Funke, der den unter der Oberfläche des offiziellen politischen Lebens aufgestauten Volkszorn entladen hat; ein Zorn, den die kapitalistischen Politiker und Medien nicht wahrgenommen haben.
Auf der Grundlage einer marxistischen Einschätzung der Krise des Weltimperialismus nahm die World Socialist Web Site diese Entwicklung in ihrer Erklärung zur Neujahrsperspektive für 2020 mit dem Titel „Das Jahrzehnt der sozialistischen Revolution ist angebrochen“ vorweg.
In der Erklärung heißt es: „Das herausragendste und revolutionärste Merkmal des Klassenkampfes ist allerdings sein internationaler Charakter, der auf den globalen Charakter des modernen Kapitalismus zurückzuführen ist. Darüber hinaus ist die Bewegung der Arbeiterklasse von der jüngeren Generation geprägt und damit eine Bewegung, die die Zukunft gestalten wird.“
Weiter heißt es:
Das Wachstum der Arbeiterklasse und die Herausbildung des Klassenkampfs auf internationaler Ebene bilden die objektive Grundlage für die Revolution. Die spontanen Kämpfe der Arbeiter und ihr instinktives Streben nach Sozialismus an sich reichen jedoch nicht aus. Um zu einer bewussten Bewegung für den Sozialismus zu werden, braucht der Klassenkampf eine politische Führung.
Die erfolgreiche Verteidigung der Menschen im Gazastreifen und der Kampf gegen Krieg müssen weiter in der Arbeiterklasse verankert werden und sich gegen alle kapitalistischen Regierungen und politischen Parteien der herrschenden Klasse richten. Die Arbeiterklasse allein kann diese Offensive zurückschlagen und stoppen, indem sie ihre Durchführung unmöglich macht. Maßnahmen der Arbeiterklasse, darunter Streik und Boykott von Rüstungsunternehmen, Häfen und Flughäfen, können die Lieferung von militärisch nutzbaren Gütern nach Israel stoppen. Sie können die Wirtschaft lahmlegen und Regierungen zu Fall bringen.
Die enorme gesellschaftliche Kraft der internationalen Arbeiterklasse muss in einem politischen Generalstreik gegen den Krieg mobilisiert werden. Dieser kann zu einem Brennpunkt für die explosive Wut über die brutale Sparpolitik werden, der die Arbeiter ausgesetzt sind. Der Kampf muss gegen die Gewerkschaftsbürokratie geführt werden, die nichts getan hat, um Verteidigung für die Palästinenser zu mobilisieren, und die wie eine tote Hand alle Maßnahmen blockiert, die die Interessen der herrschenden Klasse bedrohen.
Mit dem Massenmord an den Palästinensern will die herrschende Klasse beweisen, dass jeglicher Widerstand gegen ihre Weltherrschaft niedergeschlagen wird. Es liegt an den nach Milliarden zählenden Arbeitern, die bereits eine Gegenoffensive in Form von wachsenden Streiks und Protesten in einem Land nach dem anderen eingeleitet haben, diesen Kampf zu einem bewussten Kampf gegen den Imperialismus und das kapitalistische Profitsystem zu entfalten.