Dozent, Autor und Aktivist Dr. Refaat al-Ar'eer bei israelischem Luftangriff ermordet

Am 6. Dezember wurde der palästinensische Autor, Dozent und Aktivist Dr. Refaat al-Ar'eer Berichten zufolge von den durch die USA unterstützten Israelischen Verteidigungskräften (IDF) bei einem Luftangriff auf das Haus seiner Schwester in Gaza ermordet.

Dr. Refaat al-Ar'eer (Foto: Dr. Refaat al-Ar'eer) [Photo: Dr. Refaat al-Ar’eer]

Ramy Abdul, der Vorsitzende der gemeinnützigen Menschenrechtsorganisation Euro-Med Monitor, mit Sitz in Europa und dem Nahen Osten, gab Dr. al-Ar'eers Tod auf X/Twitter bekannt und erklärte: „Meuchelmörder haben die Stimme des Gazastreifens, einen seiner besten Akademiker und Menschen, meinen lieben und geschätzten Freund Dr. Refaat al-Ar'eer ins Visier genommen, verfolgt und getötet.“

Dr. al-Ar'eer war Herausgeber der beiden Bücher Gaza Unsilenced und Gaza Writes Back. Letzteres ist eine Sammlung von 23 Kurzgeschichten junger Palästinenser, die den israelischen Militärfeldzug „Operation Gegossenes Blei“ von 2008 bis 2009 überlebt haben. Gaza Writes Back avancierte zum internationalen Bestseller und wurde im Jahr 2014 in sechs Sprachen veröffentlicht.

Dr. alAr'eer unterrichtete Englisch und Lyrik an der Islamischen Universität in Gaza.

Laut dem Kommunikationschef von Euro-Med Monitor, Muhammad Shehada, wurden bei dem Bombenangriff am 6. Dezember auch al-Ar'eers Bruder, seine Schwester und deren vier Kinder getötet. Shehada erklärte unter Bezug auf Dr. al-Ar'eer, der Luftangriff am 6. Dezember sei nicht das erste Mal gewesen, dass die IDF einen Familienwohnsitz von Dr. al-Ar'eer ins Visier genommen hat.

Dr. al-Ar'eer erklärte, im Jahr 2014 töteten die IDF „meinen Bruder, und bei einem Angriff haben sie mein Apartment zerstört, als sie das Haus der Familie, in dem 40 Menschen lebten, zum Einsturz brachten.. ... Nusayba und ich sind ein ganz normales palästinensisches Ehepaar. ... Wir haben über 30 Angehörige verloren.“

Die gezielte Tötung von Dr. al-Ar'eer, einem von tausenden Zivilisten, die in den letzten zwei Monaten von der israelischen Regierung mit voller Unterstützung der USA ermordet wurden, ist ein abscheuliches Kriegsverbrechen, das die internationale Arbeiterklasse nie vergessen wird.

Vor seiner Ermordung hatte Dr. al-Ar'eer als Dozent, bekannter Schriftsteller und Aktivist für die Rechte der Palästinenser eine beträchtliche Anhängerschaft in den sozialen Netzwerken aufgebaut, u.a. unter seinem X/Twitter-Konto „Refaat in Gaza“. Dort postete er regelmäßig über das Leben unter der israelischen Besatzung und die derzeitige militärische Belagerung.

Dr. Refaat al-Ar'eer (Foto: Instagram-Konto) [Photo: Dr. Refaat al-Ar’eer (Instagram)]

In seinem letzten X/Twitter-Post zitierte al-Ar'eer eine kriegshetzerische Videobotschaft von US-Vizepräsidentin Kamala Harris vom 3. Dezember und erklärte zutreffend: „Die Demokratische Partei und Biden sind für den Völkermord verantwortlich, den Israel in Gaza verübt.“

Bis Freitagmorgen erhielt dieser Post mehr als 68.000 Likes, wurde 29.000 Mal retweeted und mehr als 7,3 Millionen Mal angesehen.

Nach seinem Tod äußerten Journalisten aus der ganzen Welt in den sozialen Netzwerken ihre Trauer und Wut.

Die Journalistin Katie Halper schrieb: „Das ist so erschütternd. Oh mein Gott. Wir haben in unserem Podcast Useful Idiots mit ihm gesprochen. Er war so nett und so mutig. Er erzählte uns, wie traumatisiert seine Kinder waren. Als er mit uns sprach, hörte man im Hintergrund Bomben explodieren. Biden, dafür bist du verantwortlich.“

Al-Ar'eer und seine Familie gehören zu den 350 Palästinensern, die laut dem Gesundheitsministerium des Gazastreifens in den letzten 24 Stunden von israelischen Streitkräften getötet wurden. Das Gesundheitsministerium bestätigte den Tod von mindestens 17.177 Palästinensern seit dem 7. Oktober, allerdings ist diese Zahl zweifellos zu niedrig angesetzt.

Während die IDF-Bodenoperation in den Süden des Gazastreifens vorrückt, wohin fast 1,9 Millionen Menschen vertrieben wurden, sind erschütternde Bilder aufgetaucht, die als Beweise in künftigen Kriegsverbrecherprozessen dienen werden. Sie zeigen, wie Soldaten der IDF Palästinenser, die fast völlig nackt sind und die Augen verbunden haben, mit vorgehaltenen Waffen entführen.

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Einige der Geiseln werden in israelische Gefängnisse gebracht, oder möglicherweise in Massengräber. Laut Euro-Med Monitor sah ein Augenzeuge, wie israelische Soldaten sieben Zivilisten erschossen – von denen einer eine weiße Flagge trug –, weil sie den demütigenden Befehlen der Soldaten, sich auszuziehen, nicht schnell genug Folge leisteten.

Die IDF behaupten zwar, alle männlichen ausgezogenen und entführten Palästinenser seien „Hamas-Kämpfer“, doch der palästinensische Botschafter Husam Zomlot warf den israelischen Besatzungstruppen vor, die palästinensischen Zivilisten aus einer Einrichtung der Vereinten Nationen entführt zu haben. Andere stammen Berichten zufolge aus einer UN-Schule, die als Flüchtlingsunterkunft benutzt wurde.

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Israel hat zwar noch keinen einzigen Beweis dafür vorgelegt, dass die Entführten „Hamas-Kämpfer“ waren. Allerdings wurden mehrere von ihnen bereits von Kollegen, Menschenrechtsorganisationen und Familienmitgliedern als Journalisten, Beschäftigte der Vereinten Nationen und sogar Kinder identifiziert.

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Die Bilder von schwer bewaffneten Soldaten in Tarnkleidung, die Bewohner des Nahen Ostens entkleiden und misshandeln, wurden von Millionen Menschen auf der ganzen Welt sofort mit den Foltermethoden des US-Imperialismus zu Beginn des Jahrhunderts in Verbindung gebracht, u.a. mit den massenhaften Misshandlungen im irakischen Gefängnis Abu Ghraib und mit der noch immer anhaltenden Folter angeblicher „Terroristen“ im Militärgefängnis Guantanamo Bay.

Diese jüngsten Kriegsverbrechen haben den weltweiten Widerstand gegen den Völkermord und den US-Imperialismus weiter angefacht. Am Dienstag kam es erneut weltweit zu Protesten, u.a. vor den Zentralen von Waffenherstellern in Europa und den USA.

Im Internet wurden frühere Videointerviews und Artikel von Dr. al-Ar'eer von Millionen Menschen geteilt, darunter eine Kolumne mit dem Titel „Mein Kind fragt: ,Kann Israel unser Haus zerstören, wenn der Strom ausgefallen ist?‘“, die 2021 in der New York Times erschien.

Al-Ar'eer schrieb:

Am Dienstag stellte Linah die Frage nochmal, nachdem meine Frau und ich sie das erste Mal nicht beantwortet haben: Können sie unser Haus zerstören, wenn der Strom ausgefallen ist?' Ich wollte sagen: „Ja, kleine Linah, Israel kann das schöne al-Jawharah-Haus oder eins unserer Häuser zerstören, selbst im Dunkeln. Jedes unser Häuser ist voller Geschichten und Erzählungen, die erzählt werden müssen. Unsere Häuser ärgern die israelische Kriegsmaschinerie, verhöhnen sie, suchen sie heim, selbst im Dunkeln. Sie kann ihre Existenz nicht ertragen. Und mit amerikanischen Steuergeldern und internationaler Immunität wird Israel vermutlich weiter unsere Häuser zerstören, bis nichts mehr von ihnen übrig ist.

Aber ich kann Linah nichts davon sagen. Also lüge ich: „Nein, Schatz, sie können uns im Dunkeln nicht sehen.“

In einem seiner letzten Interviews aus dem Gazastreifen für Electronic Intifada erklärte Dr. al-Ar'eer: „Wir wissen, dass es sehr düster aussieht, sehr dunkel. Es gibt kein Wasser, keinen Weg aus Gaza heraus... was sollen wir tun? Ertrinken? Massenselbstmord begehen? Ist es das, was Israel will? Wir werden nichts Derartiges tun.

Neulich habe ich einem Freund erzählt, dass ich Akademiker bin, und dass das härteste in meinem Haus ein Textmarker ist. Aber wenn die Israelis hier einmarschieren, wenn die Fallschirmjäger uns angreifen und von Tür zu Tür ziehen, um uns zu massakrieren, werde ich diesen Marker benutzen, um ihn auf die israelischen Soldaten zu werfen, auch wenn es das Letzte ist, was ich tun kann. Und dieses Gefühl haben wir alle. Wir sind hilflos und haben nichts zu verlieren.“

Als digitaler Ausdruck des breiten weltweiten Widerstands unter Arbeitern und Jugendlichen gegen Israels Militäraktion wurde seit Refaat al-Ar'eers Ermordung ein von ihm veröffentlichtes Gedicht mit dem Titel „Wenn ich sterben muss“ mehr als dreizehn Millionen Mal gelesen und mehr als 65.000 Mal retweetet. Dr. al-Ar'eer schrieb zu dem Gedicht: „Wenn ich sterben muss, soll es eine Geschichte sein. #FreePalestine #Gaza.“ Das Gedicht lautet:

Wenn ich sterben muss,
musst du leben,
um meine Geschichte zu erzählen,
um meinen Besitz zu verkaufen,
um ein Stück Stoff zu kaufen
und ein paar Schnüre
(weiß mit langem Ende)
damit ein Kind, irgendwo in Gaza,
während es das Paradies vor Augen hat
seinen Vater erwartet, der in Flammen aufging –
und der niemandem Lebewohl sagte,
nicht einmal seinem eigenen Fleisch,
nicht einmal sich selbst –
den Drachen fliegen sieht, meinen Drachen, den du genäht hast, der da oben fliegt
und für einen Moment denkt, dort ist ein Engel,
der Liebe zurück gibt.
Wenn ich sterben muss,
lass es Hoffnung bringen,
lass es eine Geschichte sein.

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