Nach der Europawahl: EU-Gipfel verschärft Kriegskurs gegen Russland

Nach ihren verheerenden Wahlniederlagen bei der Europawahl verschärfen die europäischen Regierungen ihre Kriegspolitik. Der EU-Gipfel vom 27. Juni stand ganz im Zeichen der weiteren Zuspitzung des Ukrainekriegs gegen Russland. Je verbreiteter die Ablehnung des Kriegs in der Bevölkerung, umso rücksichtsloser treiben ihn die Machthabenden voran.

Europäischer Rat in Brüssel. Bundeskanzler Olaf Scholz informiert die Presse [Photo by Bundesregierung/Bergmann]

Vor allem in den beiden größten EU-Mitgliedsstaaten, Deutschland und Frankreich, wurden die Regierenden regelrecht abgestraft. In Deutschland erzielte die SPD von Bundeskanzler Scholz ihr schlechtestes nationales Wahlergebnis seit 127 Jahren. Auch die beiden anderen Regierungsparteien, die Grünen und die liberale FDP, erlitten massive Verluste. In Frankreich erhielt das Wahlbündnis von Präsident Macron weniger als 15 Prozent, noch nicht einmal halb soviel wie das rechtsextreme Rassemblement National (RN).

Die Ablehnung des Ukrainekriegs spielte eine wichtige Rolle bei diesen Wahlniederlagen. Da viele angeblich „linke“ Parteien den Krieg unterstützen, konnten vor allem rechtsextreme davon profitieren.

Der EU-Gipfel traf eine Reihe von Entscheidungen, die sicherstellen sollen, dass der Krieg gegen Russland ungeachtet seiner Unpopularität und der politischen Krise in den USA weitergeht, auch wenn dies mit enormen Kosten, der Entsendung eigener Truppen und der Gefahr einer nuklearen Eskalation verbunden ist.

Wichtigstes Thema des Gipfels war die Besetzung der EU-Spitzenposten für die nächsten fünf Jahre. Hier einigten sich die Staats- und Regierungschefs bei wenigen Gegenstimmen.

Ursula von der Leyen, die Spitzenkandidatin der Konservativen in der Europawahl, soll für eine weitere Amtsperiode Kommissionspräsidentin bleiben. Die deutsche Politikerin hat sich für die militärische Aufrüstung der EU und die Stärkung der europäischen Rüstungsindustrie eingesetzt und maßgeblich dafür gesorgt, dass die EU und ihre Mitglieder vor den USA zum führenden Geldgeber und militärischen Unterstützer der Ukraine wurden.

Der ehemalige portugiesische Ministerpräsident António da Costa soll den Belgier Charles Michel als Ratspräsident ablösen. Politische Beobachter gehen davon aus, dass der Sozialdemokrat Costa „partnerschaftlich“ mit von der Leyen zusammenarbeiten und nicht, wie Michel, mit ihr konkurrieren wird.

Die wichtigste Personalentscheidung ist die Nominierung der estnischen Regierungschefin Kaja Kallas zur neuen EU-Außenbeauftragten. Die Tochter eines stalinistischen Funktionärs, der nach der Auflösung der Sowjetunion zu einem Protagonisten der Wirtschaftsliberalisierung wurde, ist eine glühende Gegnerin Russlands. Estland, einem Land mit 1,3 Millionen Einwohnern – davon ein Drittel mit russischen Wurzeln – wird damit ein außergewöhnlicher Einfluss auf die europäische Außenpolitik und auf die Entscheidung über Krieg und Frieden eingeräumt.

Die drei Nominierten müssen noch vom EU-Parlament bestätigt werden, wo die Konservativen, die Sozialdemokraten und die Liberalen, die den Personalvorschlag vereinbart haben, über eine knappe Mehrheit verfügen. Da im EU-Parlament kein Fraktionszwang herrscht und aufgrund unterschiedlicher nationaler Interessen auch nicht möglich ist, ist dies nicht garantiert.

Es ist deshalb bemerkenswert, dass sich die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni bei der Nominierung von der Leyens der Stimme enthielt, während sie gegen die beiden anderen Kandidaten stimmte. Von der Leyen und der Fraktionschef der Konservativen, Manfred Weber, bemühen sich seit langem um engere Zusammenarbeit mit den italienischen Neofaschisten. Es wird vermutet, dass von der Leyen den Fratelli d’Italia einen wichtigen Posten in der EU-Kommission versprochen hat, wenn sie ihr im Parlament zur Mehrheit verhelfen.

Am Tag vor dem EU-Gipfel fiel eine weitere wichtige Personalentscheidung. Mark Rutte, seit 14 Jahren Regierungschef der Niederlande, wurde offiziell zum Nato-Generalsekretär ernannt. Er wird Anfang Oktober den Norweger Jens Stoltenberg ablösen. Auch Rutte zählt zu den energischsten Kriegstreibern gegen Russland. Ungarn, das als einziges EU-Mitglied noch enge Beziehungen zu Russland unterhält, hatte Ruttes Ernennung deshalb monatelang blockiert.

Auch sonst spielte die Verschärfung des Ukrainekriegs eine zentrale Rolle auf dem EU-Gipfel, an dem Präsident Selenskyj persönlich teilnahm. Die EU unterzeichnete ein Sicherheitsabkommen mit der Ukraine, wie es bisher nur einzelne Staaten abgeschlossen haben. Sie verpflichtet sich darin, der Ukraine „so lange und so intensiv wie nötig“ weiterhin „jede erforderliche politische, finanzielle, wirtschaftliche, humanitäre, militärische und diplomatische Unterstützung“ zukommen zu lassen.

Anfang der Woche begannen außerdem die offiziellen EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldau. Das Tempo ist außergewöhnlich. Normalerweise muss ein Land jahrelang einen langen Katalog von Bedingungen erfüllen, bevor solche Verhandlungen beginnen.

Doch nun erklärte eine Vertreterin der EU, die Ukraine habe „im Bereich der Rechtsstaatlichkeit, der Korruptionsbekämpfung und auch der Pressefreiheit enorme Fortschritte gemacht“. Dies, obwohl Selenskyjs Amtszeit inzwischen abgelaufen ist, er Neuwahlen verweigert, mit Notstand regiert, oppositionelle Medien unterdrückt und politische Gegner, wie den Sozialisten Bogdan Syrotjuk, ins Gefängnis sperrt.

In den EU-Gipfel platzte dann die Präsidentschaftsdebatte in den USA, die aller Welt vor Augen führte, dass der Kampf um das mächtigste Amt der Welt zwischen einem brutalen Faschisten und einem senilen Kriegstreiber ausgetragen wird. Das abstoßende Spektakel auf CNN war ein Schlag gegen die verlogene Propaganda, dass die USA und ihre Verbündeten in der Ukraine und auf anderen Schlachtfeldern der Welt „Demokratie“ und „westliche Werte“ verteidigen.

Der jüngste EU-Gipfel war ein Krisengipfel. Regierungschefs wie Macron und Scholz, die vor dem politischen Abgrund stehen und jeden Bezug zur Lebensrealität der Bevölkerung verloren haben, reagieren darauf mit Krieg und Diktatur.

Der Gipfel zeigt erneut, dass die Kriegsgefahr nicht durch Druck auf die Herrschenden und die etablierten Parteien gestoppt werden kann. Notwendig ist eine unabhängige Offensive der internationalen Arbeiterklasse gegen das bankrotte kapitalistische System.

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