Rechtsextreme niederländische Regierung verbietet Proteste und setzt massive Sozialkürzungen durch

Den folgenden Brief erhielt die WSWS von einem Leser aus den Niederlanden.

Ich bin Mitarbeiter der Vrije Universiteit Amsterdam (VU). Hier ist mein Bericht und meine Interpretation aus erster Hand über einige Ereignisse im Zusammenhang mit der verbotenen Protestkundgebung, die für den 14. November in Utrecht (Niederlande) geplant war. Sie sollte sich gegen die massiven Kürzungen im Hochschulbereich richten, die die rechtsextreme Regierung durchsetzen will.

Polizeifestnahme eines propalästinensischen Demonstrierenden in Amsterdam, 13. November 2024 [AP Photo/Bram Janssen]

Mehrere Gewerkschaften - die FNV, die AOb und die WOinActie (eine „nationale Bewegung von Universitätsmitarbeitern und Studierenden“) - hatten zu der Demonstration am 14. November aufgerufen, um gegen die jüngst angekündigten Kürzungen im Hochschulbereich zu protestieren. Die rechtsextreme Regierung hat Kürzungen in Höhe von ca. einer Milliarde Euro über einen Zeitraum von fünf Jahren angekündigt.

Zu dem Protestmarsch in Utrecht wurden viele Tausende Universitätsmitarbeiter und Studierende aus dem ganzen Land erwartet. Einen Tag vor dem Protest gaben die Organisatoren bekannt, dass sie gezwungen seien, die Demonstration abzusagen, da die Bürgermeisterin von Utrecht, Sharon Dijksma, „die Sicherheit der Mitglieder nicht garantieren“ könne. Als Vorwand dafür hieß es, dass es Informationen gäbe, wonach pro-palästinensische Gruppen die Proteste „kapern“ wollten, und dass diese Gruppen „Gewalt nicht scheuen“.

Diese Darstellung sollte suggerieren, dass den Teilnehmern aus den Universitäten Gefahr vonseiten gewalttätiger propalästinensischer Demonstranten drohe. Dies ist eine absurde Unterstellung, die zwei Zwecken dient: die Massenproteste in Utrecht zu beenden und pro-palästinensische Demonstrierende als gewalttätig und zerstörerisch zu verteufeln. Es ist ein Versuch, die Kämpfe gegen die Verschlechterung von Arbeitsbedingungen und der Bildung im Inland von denjenigen gegen den Imperialismus im Ausland zu trennen, obwohl doch beides eng zusammenhängt. In Wahrheit sind die Teilnehmer beider Kämpfe eng verbunden und untereinander solidarisch.

Die Gewerkschaften haben vor den Forderungen der Bürgermeisterin kapituliert. Sie sagten den Protest ab und ersparten der Bürgermeisterin damit die politischen Folgen eines offiziellen Demonstrationsverbots. Als Alternative übertrugen die Gewerkschaften die für Utrecht geplanten Reden live von einem Podium in Den Haag.

An verschiedenen Universitäten in den Niederlanden wurden lokale Aktionen organisiert. Die Gewerkschaften spielten dabei eine gewisse Rolle, und an der VU übernahmen auch Einzelpersonen mehrerer akademischer Abteilungen die Verantwortung für die Mobilisierung der Beschäftigten. Während der Live-Übertragung der Reden an der VU versammelten sich mehrere hundert Mitarbeitende und Studierende im Hauptgebäude der Universität, wo sie auch einige lokale Reden hörten, viel Applaus spendeten und ein Foto aufnahmen.

Obwohl dies nur eine schwache Alternative zu dem ursprünglich geplanten Massenprotest war, wurde die Versammlung von Sicherheitskräften streng bewacht. Security-Leute kontrollierten die Personen, die den Versammlungsbereich betraten, um festzustellen, ob jemand „palästinensische“ Kleidung trug oder eine Palästinafahne mitbringen wollte.

Ein Doktorand, mit dem ich unterwegs war, wurde angehalten, weil er eine Keffiya (Palästinensertuch) und eine medizinische Maske trug. Auch ich wurde angehalten, weil ich selbstgemachte Schilder mit mir trug, die die Sparpolitik im Inland und die drohenden Entlassungen an der Universität mit Militarismus, Kolonialismus und Völkermord in Verbindung brachten, selbst ohne ausdrücklichen Hinweis auf Palästina. Die Sicherheitskräfte machten sich nicht einmal die Mühe, die Schilder zu lesen. Schon allein aufgrund des einen Studierenden, der eine Keffiya und eine medizinische Maske trug, wurden wir als Störer eingestuft. Der Student, der seine Maske nicht abnehmen wollte, wurde nicht reingelassen. Mein Mitarbeiterausweis wurde eingezogen und fotografiert. Ich durfte eintreten, nachdem ich meine Schilder außerhalb des Versammlungsbereichs zurückgelassen hatte.

Die WSWS hat mehrfach über die jüngsten Ereignisse in Amsterdam berichtet, die von Politikern in ganz Europa und den Medien auf lächerliche Weise verfälscht worden sind. Ich hoffe, dass die WSWS etwas Aufmerksamkeit darauf lenken kann, dass in den Niederlanden mehrere anhaltende Arbeitskämpfe stattfinden.

An den Universitäten im ganzen Land drohen Massenentlassungen. Das Ausmaß der kürzlich angekündigten Haushaltskürzungen entspricht in etwa der vollständigen Schließung einer ganzen öffentlichen Forschungsuniversität, einer von 14 solchen Einrichtungen im Land. Tatsächlich hatten wir an der VU schon vor der Wahl der jetzigen rechtsextremen Regierung einen Sparhaushalt.

Der Dekan der Fakultät für Naturwissenschaften gab im vergangenen Jahr bekannt, dass wir mit einem erheblichen Haushaltsdefizit konfrontiert seien, und dass man „schwierige Entscheidungen“ (ein bei Verwaltungsangestellten beliebter Euphemismus) treffen müsse. Nach einem Scheinprozess, bei dem einzelne Abteilungen die „Aufgabe“ erhielten, Pläne zur Reduzierung ihrer Defizite vorzulegen, wurde bekannt gegeben, dass die Abteilung für Geowissenschaften als erste „umstrukturiert“ werden würde (ein weiterer Euphemismus, der in den Niederlanden für Entlassungen steht). Viele weitere „Reorganisationen“ werden unweigerlich folgen.

Zur weiteren Erläuterung: Vor den jüngsten zusätzlichen Kürzungen des Bildungshaushalts wurde das Defizit der VU für den aktuellen Fünfjahreszeitraum (2023–2028) auf etwa 60 Millionen Euro geschätzt. Unter der groben Annahme, dass jede der 14 öffentlichen Forschungsuniversitäten der Niederlande das gleiche prognostizierte Defizit hat, würde sich dies über 5 Jahre auf etwa 840 Millionen Euro (~170 Millionen Euro pro Jahr) belaufen. Im Vergleich dazu sind die Militärausgaben in den Niederlanden um mehr als 70 Prozent gestiegen, von ungefähr 14 Milliarden Euro im Jahr 2021 auf 24 Milliarden Euro im Jahr 2025.

Laut dem Weißbuch 2024 des Verteidigungsministeriums dient diese drastische Aufstockung nicht nur der Vorbereitung auf einen Krieg gegen die „bekannten Bedrohungen“ (Russland, China, Iran), sondern umfasst auch eine erhebliche Aufstockung der Militärpolizei. Um aus dem Weißbuch zu zitieren:

Die beiden Schwadronen der Königlichen Niederländischen Marechaussee für Militärpolizeiaufgaben, die bereits eingerichtet worden sind, werden weiter verstärkt. Die Schwadronen werden identisch organisiert, um sie austauschbar zu machen. Die Einheiten werden in der Lage sein, Militärpolizeiaufgaben am oberen Ende des Einsatzspektrums zu übernehmen, was bedeutet, dass sie bei der Vorbereitung und dem Einsatz in großen Konflikten von entscheidender Bedeutung sein werden. Die Einheiten können auch potenzielle Kriegsverbrechen im Einsatzgebiet untersuchen. Dies trägt zum vorrangigen Ziel der Nato bei, die Operationen zu Land zu stärken.

Angesichts des harten Durchgreifens gegen Proteste in jüngster Zeit ist klar, dass „die Aufgaben am oberen Ende des Einsatzspektrums“ in den Niederlanden einen Einsatz gegen Zivilisten im Inland bedeuten.

Die steigenden Militärausgaben sind nur eine Facette des Missbrauchs des von den Arbeitern gesellschaftlich geschaffenen Wertes (eine Zerstörung, die in diesem Fall noch zur Vernichtung menschlichen Lebens hinzukommt). Die Ursache dafür ist die profitorientierte Wirtschaft.

Das BIP der Niederlande beträgt etwa 1,16 Billionen Euro. Laut „Statistics Netherlands“ (Centraal Bureau voor de Statistiek) belief sich die Gesamtvergütung der Arbeitnehmer in den Niederlanden im Jahr 2023 auf 478 Milliarden Euro, während der Bruttogewinn der Unternehmen (ohne Finanzinstitute) 358 Milliarden Euro betrug. Unter der großzügigen Annahme, dass dieser Gewinn mit dem vollen maximalen Körperschaftssteuersatz in den Niederlanden (~26 Prozent) besteuert wurde, und dass die Steuereinnahmen für konstruktive soziale Zwecke verwendet wurden, entspricht dies einem Nettogewinn von 265 Milliarden Euro oder ~23 Prozent des BIP.

Das erwartete jährliche Defizit der Universitäten für das gesamte Land (basierend auf der oben genannten Annahme, dass jede Universität ein ähnliches Defizit aufweist) einschließlich der zusätzlichen fünfjährigen Kürzungen um 1 Milliarde Euro – was wahrscheinlich zu Tausenden von Entlassungen und einer weiteren starken Erosion des Hochschulsystems führen wird – beläuft sich auf ~0,03 Prozent des BIP. Vergleichen Sie dies mit Militärausgaben von ~2,1 Prozent des BIP oder mit den Nettokonzerngewinnen von ~23 Prozent des BIP.

Die Behauptung, dass nicht genügend wirtschaftliche Ressourcen vorhanden seien, um die Hochschulbildung zu finanzieren, und dass massive Kürzungen unvermeidlich seien, ist absurd. In der Gesellschaft sind enorme Ressourcen und Produktivkräfte vorhanden. Das grundlegende Problem besteht darin, dass die kapitalistische Wirtschaft auf der Privatisierung des von Arbeitern gesellschaftlich geschaffenen Reichtums beruht, der sich in den Händen eines winzigen Teils der Bevölkerung befindet. Dieses von Natur aus instabile System muss durch brutale Gewalt (Militarismus im Ausland und im Inland) und die Disziplinierung der Arbeitenden durch die Androhung von Arbeitslosigkeit abgesichert werden. Die Alternative ist eine sozialistische Gesellschaft mit einer Wirtschaft, die demokratisch und rational geplant ist, um die menschlichen Bedürfnisse zu erfüllen und unsere Umwelt für künftige Generationen zu erhalten.

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