US-Präsident Joe Biden hat am Sonntag seinen Sohn Hunter vollständig und bedingungslos begnadigt. Dies gilt nicht nur für Steuerhinterziehung und illegalen Waffenbesitz, wofür er strafrechtlich verfolgt wurde, sondern auch für alle anderen möglichen Straftaten, die er in den letzten zehn Jahren begangen haben könnte.
Mit dieser Maßnahme wird Hunter Bidens bevorstehenden Verurteilungen vorgegriffen, die noch in diesem Monat erwartet wurden. Das Verfahren in Delaware bezieht sich auf den illegalen Erwerb einer Waffe, was ihm als verurteiltem Straftäter (wegen Drogenbesitzes) untersagt war. In Kalifornien stand Hunter Biden wegen Steuerhinterziehung in neun Fällen vor Gericht, da er Einkünfte verschwiegen hat, mit denen er seine Drogensucht und seinen verschwenderischen Lebensstil finanzierte.
Präsident Biden hat während seiner gesamten Amtszeit wiederholt bestritten, dass er seinen Sohn jemals begnadigen würde, und dies mit dem Grundsatz der Nichteinmischung in die Tätigkeit der Justiz begründet. Diese Behauptungen hat er während seines gescheiterten Wahlkampfes wiederholt. Biden und seine Berater zeigten sich empört über Presseanfragen zu einer möglichen Begnadigung.
Auch als der Wahlkampf nach dem katastrophalen TV-Duell mit Donald Trump im vergangenen Juni zusammenbrach, Biden seine Kandidatur dann zurückzog und fortan Vizepräsidentin Kamala Harris unterstützte, wehrten er und seine Berater weiterhin jede Mutmaßung ab, dass eine Begnadigung für Hunter Biden denkbar sei.
All dies änderte sich mit der Niederlage von Harris am 5. November, der Wahl von Trump und der Verwandlung von Biden in eine so genannte „lame duck“. Bidens Tage sind gezählt, bevor seine politischen Feinde die volle Kontrolle über die Bundesregierung übernehmen werden: Die Republikaner kontrollieren dann das Weiße Haus, beide Häuser des Kongresses und den Obersten Gerichtshof.
Zu diesem Zeitpunkt beschloss Biden, seinen Sohn und indirekt auch seinen Bruder James Biden, der Hunters Partner bei einer Reihe von dubiosen Geschäften war, sowie sich selbst zu schützen. Die pauschale Begnadigung wird von Medienkommentatoren und Rechtsexperten als die weitreichendste Maßnahme eines Präsidenten seit der Begnadigung Richard Nixons durch Gerald Ford bezeichnet. Ford war ins Weiße Haus eingezogen, nachdem der Watergate-Skandal zum Rücktritt vom Präsidentenamt gezwungen hatte. Knapp einen Monat später sorgte er durch die bedingungslose und umfassende Begnadigung von Nixon dafür, dass der ehemalige Präsident keine Strafverfolgung zu befürchten hatte.
Hunter Biden wurde nicht nur für die Straftaten begnadigt, für die er verurteilt wurde, sondern auch für alle potenziell seit dem 1. Januar 2014 begangenen Straftaten. Dieses Datum ist insofern aufschlussreich, als Hunter Biden nur wenige Monate später einen lukrativen Posten im Vorstand des ukrainischen Energieunternehmens Burisma Corp. angenommen hatte. Kurz zuvor war sein Vater, der damalige Vizepräsident Joe Biden, von Präsident Barack Obama mit der US-Politik in der Ukraine betraut worden.
In ähnlicher Weise begnadigte Gerald Ford Nixon nicht nur in Hinblick auf die Watergate-Verbrechen, für die er angeklagt werden sollte, sondern auch für alle anderen Verbrechen, die er während seiner Präsidentschaft begangen haben könnte. Dazu gehörten potenziell noch weitaus kriminellere und üblere Handlungen als die Genehmigung des Einbruchs in die Zentrale des Demokratischen Nationalkomitees im Watergate-Komplex und der Versuch, die Strafverfolgung nach dem Einbruch zu vereiteln, indem die CIA beim FBI und der Justiz intervenierte.
Nixon hätte strafrechtlich verfolgt werden können für die heimliche und illegale Bombardierung Kambodschas, ein massives Kriegsverbrechen, das letztlich das völkermordende Regime der Roten Khmer unter Pol Pot an die Macht brachte. Ferner trug er die Verantwortung für zahllose Aktionen im Zusammenhang mit Vietnam und für weitere Angriffe auf die demokratischen Rechte innerhalb der Vereinigten Staaten, darunter mehrere Fälle von politischer Spionage und „schmutzigen Tricks“ gegen seine Gegner.
Hunter Biden ist natürlich eine weit weniger bedeutende Figur als Nixon. Seine Verbrechen sind kaum mit denen eines amerikanischen Präsidenten zu vergleichen – sie sind tatsächlich nichts im Vergleich mit den Verbrechen, die sein Vater Joe Biden in seiner Rolle als „Oberbefehlshaber“ des US-Imperialismus begangen hat. Sollte Präsident Biden vor Gericht gestellt werden, wäre die Einflussnahme zugunsten seines Sohnes ein geringes Vergehen verglichen mit seiner Unterstützung für den israelischen Völkermord in Gaza, verglichen mit der Rolle von USA und Nato im Krieg gegen Russland in der Ukraine oder verglichen mit der Massenüberwachung der Bevölkerung in den Vereinigten Staaten und auf der ganzen Welt.
Biden behauptet, er begnadige seinen Sohn, weil er „selektiv und unfair verfolgt“ worden sei. Er sagte: „Keine vernünftige Person, die sich die Fakten von Hunters Fällen ansieht, kann zu einem anderen Schluss kommen, als dass Hunter nur deshalb herausgegriffen wurde, weil er mein Sohn ist - und das ist falsch.“
Es stimmt zwar, dass die Republikanische Partei und insbesondere Trump die schmutzigen Aktivitäten von Hunter Biden ausnutzten, um die politische Karriere seines Vaters zu untergraben. Dennoch ist es bemerkenswert, dass Biden seinen Sohn vor möglichen Vergeltungsmaßnahmen der neuen Trump-Vance-Regierung schützen will, während er nichts tut, um andere mögliche Opfer dieser Regierung von Faschisten, Milliardären und Verschwörungstheoretikern zu schützen.
Es gibt keine Begnadigung durch den Präsidenten für die „Dreamers“, d.h. die fast 1 Million Einwanderer, die als Kinder in die Vereinigten Staaten gebracht wurden und als Teil der amerikanischen Gesellschaft aufgewachsen sind. Die von Barack Obama erlassenen und von Biden erneuerten Durchführungsverordnungen haben es diesen überwiegend jungen Menschen ermöglicht, zu arbeiten und ein College zu besuchen, ohne Massenabschiebungen befürchten zu müssen. Sie wurden jedoch im Zuge dieser Maßnahme gezwungen, ihren Status bei der Bundesregierung zu registrieren, was sie nun anfällig macht für die von Trump angedrohten Massenverhaftungen und Ausweisungen.
Diese Zugewanderten sind nun faschistischen und rassistischen Fanatiker wie Stephen Miller und Tom Homan ausgeliefert. Diese werden die Kampagne zur Masseninhaftierung und Abschiebung anführen, die Trump ab dem „ersten Tag“ seiner zweiten Amtszeit versprochen hat.
Homan hat bereits damit gedroht, Bürgermeister mit Demokratischen Parteibuch zu inhaftieren, die sich weigern, mit dem Massendeportationsregime zusammenzuarbeiten. Biden jedoch hat nicht angedeutet, dass er einem solchen Angriff auf die demokratischen Rechte irgendwie zuvorkommen will – noch nicht einmal zum Schutze von gewählten Vertretern seiner eigenen Partei.
Im Gegenteil: Bei einem Treffen zur Begrüßung Trumps im Weißen Haus im vergangenen Monat, bei dem er eine Mischung aus Unterwürfigkeit und Senilität an den Tag legte, versprach Biden den „reibungslosesten“ Übergang von seiner eigenen Regierung zu der eines Mannes, den er nur Wochen zuvor noch als Faschisten bezeichnet hatte.
Die Begnadigung von Hunter Biden ist ein politisches Geschenk an Trump, da sie darauf hinausläuft, den Gebrauch der Begnadigungsbefugnis des Präsidenten zu politischen und persönlichen Zwecken zu legitimieren. Trump reagierte sofort, indem er die Begnadigung als Machtmissbrauch anprangerte und gleichzeitig andeutete, er werde nun diejenigen begnadigen, die am 6. Januar 2021 das US-Kapitol angegriffen hatten. Die von ihm als „J-6-Geiseln“ bezeichneten faschistischen Schläger hatten beim Sturm aufs Kapitol versucht, die Bestätigung von Trumps Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen 2020 durch den Kongress zu verhindern.
Trump hat die Begnadigungsbefugnis natürlich bereits auf die gleiche Weise wie Biden genutzt, um seine eigenen Kumpane und Komplizen zu belohnen. In den letzten Tagen seiner ersten Amtszeit begnadigte er Charles Kushner, den Vater seines Schwiegersohns Jared Kushner, der eine lange Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung, Zeugenbeeinflussung und Erpressung verbüßte. Außerdem begnadigte er mehrere politische Handlanger, darunter den ehemaligen Wahlkampfleiter Paul Manafort und den langjährigen Berater und Mitverschwörer des 6. Januar Roger Stone, einen ehemaligen Provokateur von Richard Nixon.
Es gibt einen weiteren Maßstab für den Verfall und die Krise des politischen Systems der USA. Präsident Biden hat seinen Sohn begnadigt, nachdem er vier Jahre lang weniger Opfer der US-Strafjustiz begnadigt hat als jeder andere Präsident in zwei Jahrhunderten (abgesehen von zwei Präsidenten, William Henry Harrison und James A. Garfield, die früh im Amt verstarben, bevor sie Begnadigungen aussprechen konnten).
Bidens 26 Begnadigungen zeugen davon, wie knauserig er mit diesem Akt der offiziellen Gnade umgegangen ist. Im 20. Jahrhundert begnadigte Franklin Roosevelt in seinen 13 Jahren im Amt 3.687 Personen, gefolgt von Woodrow Wilson mit 2.480, Harry Truman mit 2.044 und Calvin Coolidge mit 1.545. Herbert Hoover begnadigte in seiner vierjährigen Amtszeit 1.345 Personen, also in ebenso viel Amtsjahren wie Biden.
Keine dieser US-Regierungen war ein Ausbund an Gerechtigkeit, und viele der Begnadigten waren korrupte hohe Beamte oder politische Kumpane des jeweiligen Präsidenten. Bemerkenswert ist jedoch, dass die Zahl der Begnadigungen seit den 1960er Jahren stetig zurückgegangen ist, von einer vierstelligen auf eine dreistellige Zahl, auf 237 unter Trump in seiner ersten Amtszeit und nun auf 26, die niedrigste Zahl unter allen US-Präsidenten seit John Adams, die eine gesamte Amtszeit absolviert haben.
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