Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst: Nein zur Schlichtungsempfehlung!

Millionen Beschäftigte sollen mit ihren Löhnen und Arbeitsplätzen für die Billion Euro zahlen, die in Aufrüstung und Krieg gesteckt wird. Nirgends wird das so deutlich, wie im öffentlichen Dienst. Die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) will das für die fast 3 Millionen Beschäftigten bei Bund und Kommunen morgen festschreiben.

Am Samstag kommen die Tarifvertragsparteien zusammen, um die Einigungsempfehlung der Schlichtungskommission abzusegnen. Die Schlichtung wurde von der Verhandlungsführerin des Bundes, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), einberufen.

Streikkundgebung auf dem Frankfurter Römerberg, 11. März 2025

Zum Schlichter hat Faeser den notorisch rechten CDU-Politiker Roland Koch benannt, einen langjährigen Freund des kommenden Kanzlers Friedrich Merz (CDU). Koch war bis 2010 elf Jahre lang Ministerpräsident Hessens, bevor er wie Merz in die Wirtschaft wechselte. Beim Baukonzern Bilfinger Berger kassierte er Millionen. Koch ist Zögling der nationalkonservativen CDU-Größen Alfred Dregger und Manfred Kanther.

Koch hat nun gemeinsam mit Hans-Henning Lühr, einem früheren SPD–Staatsrat aus Bremen, den Verdi als Schlichter nominierte, einen Abschluss vorgeschlagen, der empfindliche Reallohnsenkungen bei einer Laufzeit von 27 Monaten vorsieht.

Die ersten drei Monate in diesem Jahr sehen keine Lohnerhöhungen vor, zum 1. April soll es drei Prozent mehr Geld oder mindestens 110 Euro mehr im Monat geben. Erst im Mai nächsten Jahres sollen die Löhne und Gehälter dann um weitere 2,8 Prozent steigen. Schicht- und Wechselschichtzulage sollen zum 1. Juli 2026 auf 100 bzw. 200 Euro angehoben werden. Ab 2027 soll es einen zusätzlichen freien Tag für alle geben. Der Tarifvertrag läuft bis zum 31. März 2027.

Von der ursprünglichen Forderung nach 8 Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von 12 Monaten und drei zusätzlichen Urlaubstagen ist nichts übriggeblieben. Im Gegenteil, Verdi und die Bundestagsparteien, die für die Schlichtungsempfehlung verantwortlich sind, haben Mechanismen eingeführt, die die Löhne in Zukunft weiter senken und die Arbeitszeit erhöhen werden. So soll die Jahressonderzahlung ab 2026 zwar angehoben werden, kann aber in insgesamt drei freie Tage umgewandelt werden. Dieser Arbeitsplatzabbau auf kaltem Weg gilt nicht für Beschäftigte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen.

Nachdem die Beschäftigten seit Jahren mit Reallohnsenkungen finanziell unter Druck gesetzt wurden, sollen sie jetzt ab 2026 die wöchentliche Arbeitszeit befristet auf bis zu 42 Stunden erhöhen können.

Die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst zeigen einmal mehr, dass die Beschäftigten nicht nur mit den Arbeitgebern – in diesem Falle den Politikern in Bund und Kommunen –, sondern auch mit Verdi konfrontiert sind.

Die Verdi-Spitze hatte niemals vor, für 8 Prozent Lohnerhöhung und eine Verkürzung der Arbeitszeit zu kämpfen. Diese Forderung war nur aufgestellt worden, um während des Bundestagswahlkampfs Ruhe und Ordnung zu haben. So sollte sichergestellt werden, dass eine Regierungsmehrheit zustande kommt, die massive Angriffe gegen Arbeiterinnen und Arbeiter durchsetzt, um Milliarden für die Aufrüstung und den Krieg einzusparen.

Die Bundestagsparteien und die mit ihnen eng verbundenen Gewerkschaften taten alles, um Streiks und Proteste im Wahlkampf zu unterbinden, die zum Kristallisationspunkt für eine Bewegung gegen das gesamte politische Establishment und gegen Krieg und Sozialabbau hätten werden können.

Die Opposition gegen die Kriegspolitik und die Wut über den anhaltenden Niedergang des Lebensstandards sind riesig. Deshalb haben die Gewerkschaften nur widerwillig begrenzte Proteste und Streiks organisiert, sie voneinander isoliert und schließlich ausverkauft.

Das war bei der Deutschen Bahn, bei Volkswagen, bei der Deutschen Post und in der Süßwarenindustrie ebenso der Fall wie im Transport- und Logistikgewerbe sowie in der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie. Zudem laufen und liefen auf regionaler und lokaler Ebene zahlreiche Tarifverhandlungen, insbesondere in privatisierten ehemals öffentlich-rechtlichen Unternehmen und Betrieben.

So findet bei der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) derzeit ein wichtiger Arbeitskampf statt, den Verdi ebenso wie die Tarifrunde bei der Post und im öffentlichen Dienst mit Schlichtungsverhandlungen zu beenden versucht. Verdi hat akribisch darauf geachtet, dass diese Arbeitskämpfe nicht miteinander in Berührung gelangen.

Denn die Verdi-Spitzen unterstützen vorbehaltlos die Kriegspolitik der kommenden Bundesregierung. Die Verdi-Führer Frank Werneke und Christine Behle sind beide langjährige SPD-Mitglieder. Ihre Parteikollegin Faeser ist Mitglied der SPD-Delegation, die die Koalitionsverhandlungen mit der Union führt. Dort sitzt Verdi in Person der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken mit am Tisch. Esken ist Verdi-Mitglied, der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil war es früher; inzwischen ist er Mitglied der IGBCE.

Das gigantische Kriegsprogramm von einer Billion Euro, das SPD, CDU/CSU und Grüne im Bundestag beschlossen haben (im Bundesrat stimmte auch Die Linke zu), zieht zwangsläufig massive Kürzungen bei anderen Staatsausgaben nach sich.

Die Verdi-Spitzen wissen das und bemühen sich, diese Kürzungen zu vollstrecken. So rechtfertigt Werneke das größte Rüstungspaket seit den Nazis mit den Worten, „die Bundeswehr muss einsatzfähig sein“. Das Sondervermögen für Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro, das ebenfalls der Kriegsvorbereitung dient, verharmlost Werneke wie alle Gewerkschaftsführer als „echte Chance dafür, den Investitionsstau in unserem Land aufzulösen“.

Doch Union und SPD planen nicht, das 500-Milliarden- Infrastruktur-Sondervermögen für marode Schulen, Krankenhäuser und Kitas, für die Wiedereröffnung und den Ausbau von Bibliotheken, Bädern, Jugendzentren, Pflegeheimen oder für die Stärkung des ÖPNV einzusetzen. Wenn sie von der Stärkung der Infrastruktur reden, haben sie die Kriegstüchtigkeit von Autobahnen, Brücken und Bahnstrecken im Sinn, die den Transport von Waffen, Kriegsgerät und Truppen gewährleisten, oder den Ausbau kriegstauglicher Kommunikation und Überwachung.

Im durchgesickerten Koalitionstext heißt es beispielsweise: „Im Rahmen des Sondervermögens Infrastruktur schaffen wir ein Programm zur Kofinanzierung verteidigungsrelevanter Infrastruktur-Vorhaben Dritter insbesondere in den Bereichen Logistik, Mobilität und Verkehrswege zur Stärkung der Drehscheibe Deutschland, Energie, Daseinsvorsorge und kritische Infrastruktur.“

So wie die Wirtschaft auf Kriegswirtschaft umgestellt wird, soll die gesamte Gesellschaft „kriegstüchtig“ werden: „Die Gesamtverteidigung und insbesondere die Umsetzung des OPLAN Deutschland wird als militärische und zivile Aufgabe auf Ebene der Bundesregierung gemeinsam gesteuert und koordiniert. Die Zusammenarbeit zwischen Sicherheits-, Zivilschutzbehörden und Bundeswehr bauen wir aus.“ Der mehr als 1000 Seiten umfassende und als geheim eingestufte „Operationsplan Deutschland“ (OPLAN DEU) der Bundeswehr legt die enge Zusammenarbeit von Militär und zivilen Behörden im Kriegsfall fest.

Während also für Aufrüstung, Krieg und den Aufbau einer „kriegstüchtigen“ Infrastruktur eine Billion Euro zur Verfügung stehen, soll es für auskömmliche Löhne und Gehälter keinen zusätzlichen Cent geben. Das muss verhindert werden. Verdi spaltet die Millionen Beschäftigten, die sich derzeit in Tarifauseinandersetzungen befinden, um sie in einem Bereich nach dem anderen zur Schlachtbank zu führen.

Vor ein paar Tagen hat Verdi bei der Post nach einer Schlichtung einen miserablen Abschluss gegen die Mehrheit ihrer dortigen Mitglieder durchgesetzt. Nun sollen die Beschäftigten im öffentlichen Dienst auf ähnlichem Weg geschröpft und in der kommenden Woche auch die Beschäftigten der BVG mithilfe einer Schlichtung vom Vollstreik abgehalten werden, den fast alle BVG-Beschäftigten wollen.

Beschäftigte im Öffentlichen Dienst, bei der Post und im Nahverkehr müssen daher Verdi das Verhandlungsmandat entziehen. Sie müssen sich unabhängig in Aktionskomitees organisieren, um einen gemeinsamen unbefristeten Vollstreik zu organisieren, der sich gegen die Reallohnkürzungen und die Aufrüstungspolitik richtet, die sie bezahlen sollen.

Diese Kämpfe müssen international verbunden werden, denn Arbeiter sind in jedem Land mit den gleichen Problemen konfrontiert. In den USA ist bereits ein Faschist im höchsten politischen Amt, der alles, was die Arbeiterbewegung in den letzten 150 Jahren erkämpft hat, zerschlägt und demokratische Grundrechte beseitigt. Das gigantische Aufrüstungsprogramm setzt die gleiche Dynamik in Gang.

Der soziale Kahlschlag und der endlose Angriff auf Arbeitsplätze und Löhne, die Unterdrückung von Opposition gegen Krieg, Sozial- und Demokratieabbau erfordern faschistische Methoden. Das ist der Grund für das Anwachsen der AfD, die vom Staat und seinen Parteien systematisch gefördert wird.

Nur das unabhängige Eingreifen der Arbeiterklasse kann diese Gefahren stoppen. Deshalb der dringende Appell: Nehmt Kontakt zum unabhängigen Aktionskomitee auf, meldet euch per Whatsapp an die Mobilnummer +49 163-3378 340 und registriert euch über das untenstehende Formular!