China kündigt Vergeltungsmaßnahmen gegen Trumps „reziproke Zölle“ an

Der Hafen von Shanghai im Mai 2013 [Photo by Bruno Corpet / CC BY-SA 3.0]

China hat als Vergeltungsmaßnahme für die Einführung der „reziproken Zölle“ von 34 Prozent durch die Trump-Regierung Zölle von ebenfalls 34 Prozent auf alle Importe aus den USA angekündigt, die am 10. April in Kraft treten sollen.

Weitere Maßnahmen gegen die USA sind unter anderem eine Untersuchung gegen eine chinesische Tochtergesellschaft des US-Chemiekonzerns DuPont, zusätzliche Einschränkungen für den Export seltener Erden und die Aufnahme weiterer US-Unternehmen auf die Liste der Firmen, an die chinesische Unternehmen keine Komponenten liefern dürfen.

Die pauschalen Zölle auf alle US-Waren wurden zuletzt als Worstcase-Option angesehen. Angesichts der Schwere des Angriffs hat Peking jedoch beschlossen, darauf nun zurückzugreifen.

Das chinesische Handelsministerium verurteilte das Vorgehen der USA als eine „typische einseitige Einschüchterungsmaßnahme“. Die US-Zölle stünden „nicht im Einklang mit den internationalen Handelsregeln“ und beschädigten „Chinas legitime Rechte und Interessen“ schwer.

Zusammen mit der Zollerhöhung um 20 Prozent, die vor Trumps sogenanntem „Tag der Befreiung“ am letzten Mittwoch angekündigt wurde, beläuft sich die Gesamterhöhung der Zölle in der jüngsten Runde auf 54 Prozent.

Nach Angaben des Peterson Institute of International Economics ist sie sogar noch höher. Zusammen mit früheren Zollmaßnahmen beläuft sich der Satz auf 76 Prozent – weit mehr als die 60 Prozent, die Trump zuvor angedroht hatte.

Als Reaktion auf das Vorgehen Chinas veröffentlichte Trump auf seinem Social-Media-Account eine implizite Warnung vor weiteren Maßnahmen der USA.

„China hat es falsch gemacht“, schrieb Trump. „Sie sind in Panik geraten – genau die eine Sache, die sie sich nicht leisten können.“

Diese Botschaft muss im Kontext einer Erklärung in dem Informationsblatt verstanden werden, das gemeinsam mit dem Dekret zur Erhöhung der Zölle veröffentlicht wurde.

Darin heißt es, dass das Dekret, das angesichts einer Bedrohung der „nationalen Sicherheit“ erlassen worden sei, eine „Änderungsbefugnis“ enthalte. Trump könne dadurch „die Zölle erhöhen, wenn Handelspartner Vergeltungsmaßnahmen ergreifen“.

Die offizielle „Rechtfertigung“ für die „reziproken Zölle“ lautet, dass dadurch Maßnahmen anderer Länder abseits von Zöllen, wie Steuern, Regulierungen und Biosicherheitsmaßnahmen, ausgeglichen werden sollen. Diese werden als marktfremde Hindernisse für US-Waren aufgefasst.

Die Höhe der Zölle wurde durch eine schlichte Überschlagsrechnung bestimmt. Das Außenhandelsdefizit der USA mit dem jeweiligen Land wurde durch die Gesamtsumme seiner Exporte geteilt, um einen Prozentsatz zu ermitteln, der dann halbiert wurde, um die Höhe des „reziproken Zolls“ zu erhalten.

Das Ergebnis sind enorme Zollerhöhungen für zahlreiche südostasiatische Staaten, die zu wichtigen Produktionszentren für den amerikanischen Markt geworden sind.

Am stärksten betroffen ist Vietnam, dessen „reziproker Zoll“ 46 Prozent betragen wird. Für Taiwan beträgt der Zoll 32 Prozent, für Thailand 37 Prozent.

Diese Zölle werden schwerwiegende Auswirkungen auf die Volkswirtschaften der Region haben und einige von ihnen möglicherweise in die Rezession treiben.

Im Ergebnis sind auch diese Maßnahmen gegen China gerichtet – ob nun zufällig, aufgrund einer konstruierten Formel oder absichtlich (was die wahrscheinlichste Erklärung ist). Nachdem Trump in seiner ersten Amtszeit Zollmaßnahmen gegen China ergriffen hatte, verlegten viele Unternehmen, darunter chinesische und amerikanische, ihre Geschäftstätigkeiten nach Südostasien, um den Zoll zu umgehen. Dieser Weg wurde ihnen jetzt versperrt.

In Finanzpresse und Wirtschaftskreisen sind inzwischen vielfach Warnungen zu hören, dass die Welt in einen uneingeschränkten Handelskrieg gestürzt wird, der mindestens so verheerend oder noch schlimmer sein könnte als der in den 1930ern, der damals eine entscheidende Rolle bei der Verschärfung der „Großen Depression“ in den USA spielte.

„Es sieht immer mehr nach einem ausgewachsenen Handelskrieg aus“, erklärte Guy Miller, Chief Market Strategist des Schweizer Versicherungskonzerns Zürich Gruppe, gegenüber der Financial Times (FT). Er warnte, dass der Markt Trumps „fehlgeleitete Wirtschaftspolitik“ bisher nicht eingepreist habe.

Er bezog sich damit auf den weit verbreiteten Glauben, dass die Maßnahmen nicht so extrem ausfallen würden. Zumindest seien sie jedenfalls nur „transaktional“, um innerhalb des bestehenden Systems Zugeständnisse zu erzwingen, nicht um es vollständig zu zerstören.

In der FT hieß es am Freitag in einem Leitartikel, Trumps Entscheidung im April werde als „einer der größten Akte der Selbstverletzung in die Geschichte Amerikas“ eingehen. Die „reziproken Zölle“ würden „Haushalten, Unternehmen und Finanzmärkten auf der ganzen Welt verheerende Schäden zufügen und jene globale Wirtschaftsordnung auf den Kopf stellen, von der Amerika profitiert und die es mit aufgebaut hat“.

Doch solche Warnungen vor den Auswirkungen seiner Maßnahmen werden Trump nicht beeindrucken, da er sich ein alternatives Narrativ konstruiert hat. Dieses besagt, dass es keine Große Depression gegeben hätte, wenn die Zölle aus der Zeit von Präsident William McKinley beibehalten worden wären. Die liberale Handelspolitik nach dem Ersten Weltkrieg habe den USA zudem nicht genutzt, sondern geschadet.

In einem weiteren Social-Media-Post an die „vielen Investoren“, die „mit riesigen Geldmengen“ in die USA kämen, erklärte er: „Mein Kurs wird sich nie ändern. Dies ist eine großartige Zeit, um reich zu werden, reicher als zuvor.“

Die Finanzmärkte teilen diese Stimmung offenkundig nicht. Am Freitag stürzten die Kurse an der Wall Street erneut scharf ab. In den zwei Tagen seit der Ankündigung der Zölle fiel die Marktkapitalisierung um 6,6 Billionen Dollar, wobei High-Tech-Aktien mit Kursverlusten von mehr als 20 Prozent in den Bereich des Bärenmarkts kamen.

Die Auswirkungen auf die Realwirtschaft machen sich schon jetzt bemerkbar. Zahlreiche Unternehmen kündigen aufgrund der Zollerhöhungen und der wachsenden Unsicherheit Entlassungen an.

Die Wachstumsprognosen für die USA werden nach unten korrigiert. JP Morgan hat seine Voraussage für die US-Wirtschaft von 1,3 Prozent im Jahresvergleich im vierten Quartal auf 0,3 Prozent Rückgang korrigiert. Die Großbank ließ außerdem verlauten, dass die Arbeitslosenquote auf 5,3 Prozent ansteigen werde.

Die Citigroup hat ihre Wachstumsprognose von 0,6 Prozent auf 0,1 Prozent gesenkt.

Der massive Angriff auf China wird weltweit Auswirkungen haben, nicht zuletzt in Europa, das wegen des „reziproken Zolls“ von 20 Prozent sowie der Abgabe auf Autoexporte in die USA in Höhe von 25 Prozent bereits enorm unter Druck steht.

Als Antwort darauf bereitet die EU Zollmaßnahmen gegen chinesische Waren vor, die ihrer Ansicht nach den Weg auf europäische Märkte nehmen würden, nachdem sie aus den USA ausgeschlossen wurden.

Der Chefökonom der Deutschen Bank, Robin Winkler, erklärte, der unmittelbare Handelsschock für Asien werde wahrscheinlich auf Europa zurückwirken. Chinesische Hersteller würden künftig versuchen, mehr von ihren Produkten in Europa zu verkaufen, da sie in den USA mit einer enormen Zollmauer konfrontiert seien.

Die FT zitierte einen ranghohen US-Diplomaten:

Wir werden Schutzmaßnahmen für weitere Industrien ergreifen müssen. Wir sind sehr besorgt, dass dies ein weiterer Punkt sein wird, an dem Spannungen mit China entstehen.

Eine der erwogenen Maßnahmen ist eine weitere Erhöhung der Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge, die bereits jetzt bei 35 Prozent liegen.

Diese Reaktion – die Verschärfung des Zollkriegs – ist politisch höchst bedeutsam. Sie zeigt, dass die Krise, in die die Weltwirtschaft gestürzt wird, nicht einfach Trumps Irrationalität entspringt. Zollkriege entstehen aus dem grundlegenden Widerspruch der Weltwirtschaft – dem Widerspruch zwischen globalisierter Produktion und Nationalstaatensystem. Die herrschenden Klassen aller Länder haben keine andere Lösung für diesen Widerspruch als die Verschärfung des Kampfs aller gegen alle.