Ohrenbetäubendes Schweigen um Ukraine-Gipfel mit Biden in Berlin – Nato übt Einsatz von Atomwaffen

Der scheidende US-Präsident Joseph Biden, der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, der britische Premierminister Sir Keir Starmer und der französische Präsident Emmanuel Macron treffen sich heute in Berlin zu einem Sondergipfel zum Ukrainekrieg. Bisher haben weder Regierungsvertreter noch die Medien der Länder, deren Regierungschefs an dem Gipfel teilnehmen, konkrete Informationen über den Inhalt der geplanten Gespräche veröffentlicht.

US-Präsident Joe Biden und Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem Treffen im Oval Office im Weißen Haus am 3. März 2023. [AP Photo/Susan Walsh]

Aber zweifellos treffen sich die vier führenden imperialistischen Nato-Mächte, um Pläne für eine internationale militärische Eskalation zu diskutieren. Dies geschieht nur wenige Tage, nachdem das Pentagon in aller Öffentlichkeit US-Truppen nach Israel entsandt hat. Es geschieht inmitten des Völkermords im Gazastreifen, während der israelischen Invasion im Libanon und angesichts der Forderungen nach einer amerikanisch-israelischen Bombardierung des Iran. Zudem sollte Biden ursprünglich schon in der letzten Woche nach Deutschland reisen, um den ungeheuer rücksichtslosen Plan zu erörtern, der Ukraine Massenbombardements mit Langstreckenraketen auf Russland zu ermöglichen.

Das Ziel dieser Europareise – Bidens letzte als US-Präsident – sollte eigentlich ein Nato-Gipfel auf dem Luftwaffenstützpunkt Ramstein sein, bei dem diskutiert werden sollte, der Ukraine Angriffe auf Ziele im Inneren Russlands mit amerikanischen, deutschen, britischen und französischen Raketen zu erlauben. Allerdings wurde der Gipfel in Ramstein letzte Woche plötzlich abgesagt; stattdessen treffen sich jetzt nur die vier Mächte in Berlin ohne die übrigen Nato-Staaten.

Das ohrenbetäubende Schweigen über die Pläne für den Gipfel in Berlin kommen einer Verschwörung der Nato-Großmächte mit dem Ziel gleich, die von ihnen verursachte Katastrophe in der Ukraine sowie ihre Pläne für eine noch katastrophalere militärische Eskalation zu vertuschen.

Biden hatte den Gipfel in Ramstein unter dem Vorwand abgesagt, er wolle während der Nothilfemaßnahmen nach dem Hurrikan Milton in den Vereinigten Staaten bleiben. Allerdings hatte der russische Präsident Wladimir Putin kurz zuvor als Reaktion auf drohende Nato-Raketenangriffe Russlands Nukleardoktrin geändert. Der Kreml kündigte an, er könne Atomwaffen auch als Reaktion auf Angriffe einsetzen, die eine Nicht-Atommacht mit der Unterstützung durch Atommächte durchführen würde.

Es verdeutlicht die Gefahr eines Atomkriegs noch weiter, dass die Nato noch bis zum 28. Oktober Atomkriegsübungen mit dem Codenamen Steadfast Noon durchführt. Im Rahmen dieser zweiwöchigen Übung proben sechzig atomwaffenfähige Flugzeuge über Belgien, den Niederlanden, Großbritannien und der Nordsee Angriffsmanöver. Nato-Generalsekretär Mark Rutte erklärte dazu vor der Presse: „In einer unsicheren Welt ist es wichtig, dass wir unsere Verteidigungsfähigkeit testen und stärken, damit unsere Gegner wissen, dass die Nato bereit und in der Lage ist, auf jede Bedrohung zu reagieren.“

Dazu veranstaltet die Nato in den Gewässern nordöstlich von Großbritannien die zweiwöchige Marineübung „Exercise Strike Warrior“ mit einer Task Force von zwanzig Schiffen unter Führung des britischen Flugzeugträgers HMS Prince of Wales.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj präsentierte am Mittwoch im Kiewer Parlament seinen rücksichtslosen, aus fünf Punkten bestehenden „Siegesplan“, der angeblich Russlands Niederlage gewährleisten soll. Dieser sieht vor, dass die Ukraine der Nato beitritt, die Waffen der Nato-Staaten für Angriffe auf Russland nutzt und ein „nicht nukleares Abschreckungspaket“ entwickelt, auf dessen Inhalt er nicht einging.

Als vierten Punkt prahlte Selenskyj mit den „Rohstoffen der Ukraine, darunter wichtige Mineralien im Wert von Billionen Dollar.“ Er versprach kryptisch, den Vereinigten Staaten und anderen Nato-Mächten eine „Investitionsrendite“ zu bieten, wohl indem er ihnen diese Ressourcen überlässt. Angeblich geht ein „geheimer Anhang“ näher darauf ein, der nur „bestimmten Partnern zugänglich“ sei. Kurz gesagt, hat Selenskyj behauptet, für die Freiheit der Ukraine von Russland zu kämpfen, während er in Wirklichkeit ihre Rohstoffe an die Konzerne der Nato-Mächte verkauft.

Im letzten Punkt forderte er für nach dem Krieg die Einbindung ukrainischer Truppen in die Nato-Armeen. Selenskyj behauptete, dies würde Russland zwingen, sich „an einem ehrlichen diplomatischen Prozess zu beteiligen, der diesen Krieg zu einem gerechten Ende bringen“ würde.

Die Berichterstattung der internationalen Medien über Selenskyjs Vorschläge war erstaunlich oberflächlich. Es ist allgemein bekannt, dass Nato-Regierungschefs in den letzten Monaten die gleichen Vorschläge unterbreitet haben wie Selenskyj am Mittwoch. Sie sind zwar eindeutig Teil der anhaltenden Diskussionen über den Kurs der herrschenden Eliten der Nato-Staaten, doch die Medien und das politische Establishment stellen keine der offensichtlichen Fragen, die sich aus Selenskyjs Äußerungen ergeben.

Wie viele Millionen Menschen würden nach den Schätzungen von Biden, Scholz, Starmer und Macron sterben, wenn die Nato einen Atomkrieg auslöst, indem sie die Ukraine als Abschussrampe für Angriffe auf Russland benutzt? Wenn die Ukraine der Nato beitritt, wie schnell würde es ihrer Einschätzung nach zu Kämpfen zwischen Nato-Truppen und dem russischen Militär kommen? Und wie will Selenskyj auf dieser Basis Frieden erreichen, da der Kreml den Krieg ausdrücklich begonnen hat, um den Nato-Beitritt der Ukraine und die Stationierung von Nato-Truppen an der russischen Grenze zu verhindern?

Gleichzeitig ist Selenskyjs „Siegesplan“ eindeutig mit großen Hindernissen konfrontiert. Allen voran die Tatsache, dass noch keine der imperialistischen Nato-Großmächte öffentlich zugestimmt haben, die Ukraine in die Nato aufzunehmen oder ihr den Einsatz ihrer Raketen für Langstreckenangriffe auf Russland zu erlauben.

Zudem wächst in der ukrainischen Bevölkerung der Widerstand gegen Selenskyj, der die Wahlen ausgesetzt hat und als Diktator regiert. Der Fernsehsender Hromadske berichtete am Mittwoch von einer Demonstration in Kiew mit tausenden Teilnehmern, die von Selenskyj Aufklärung über den Verbleib ihrer Angehörigen fordern. Viele der Teilnehmenden an dieser bisher größten Antikriegsprotestaktion sollen Angehörige von ukrainischen Soldaten gewesen sein, die an der gescheiterten Invasion der russischen Region Kursk beteiligt waren, dort jetzt festsitzen und von Artillerie bombardiert werden.

Gleichzeitig zirkulierte am Mittwoch auf Telegram ein Bericht, der auf US-Geheimdienstquellen zurückgeführt wird. Dieser gibt vor, beweisen zu können, dass die Ukraine insgesamt 1,8 Millionen Menschen durch den Krieg verloren hat, davon über 700.000 Tote durch die Kampfhandlungen. Da Selenskyjs Regime die Zahl der Toten durch den Krieg nicht regelmäßig aktualisiert, sind präzise Schätzungen dieser Zahl unmöglich. Allerdings sind die Angaben plausibel, da bereits vor über einem Jahr US-Militärexperten wie Douglas MacGregor unter Berufung auf Besprechungen im Pentagon erklärt hatten, die Ukraine habe 300.000 Todesopfer zu beklagen.

Die Ukraine wurde in einem Krieg ausgeblutet, den sie dennoch verlieren wird, sofern die Nato-Truppen nicht massiv intervenieren und einen direkten Krieg mit Russland beginnen. Dieser birgt jedoch das Risiko, zu einem Atomkrieg zu eskalieren.In den herrschenden Kreisen Europas herrscht zunehmend Krisenstimmung und Panik. Letzte Woche hatte der ehemalige Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg gemeint, die Ukraine hätte einen Friedensvertrag mit Russland aushandeln sollen – allerdings hatten die Nato-Mächte selbst kurz nach Beginn des Krieges die Ukraine gezwungen, einen von russischen und ukrainischen Diplomaten ausgehandelten Friedensvertrag abzulehnen. Dazu hatte der damalige britische Premierminister Boris Johnson Selenskyj gedrängt. Hätte dieser den Deal angenommen, wären hunderttausende ukrainische Kriegsopfer noch am Leben.

In der französischen Tageszeitung Le Monde spekulierte Sylvie Kaufmann am Mittwoch in ihrer regelmäßigen Kolumne über die Möglichkeit eines Sieges von Donald Trump in der US-Präsidentschaftswahl im nächsten Monat, die zu einem Rückgang der US-Militärhilfe für die Ukraine und letztlich zu einem russischen Sieg führen könnte. Sie schrieb: „Das bedeutet, wir haben drei Wochen Zeit, um uns auf die schlimmstmöglichen Ergebnisse vorzubereiten.

Die Niederlage der Ukraine wäre auch eine Niederlage für Europa. Wir müssen uns die Folgen eines russischen Sieges für Europa vorstellen. [In einem solchen Szenario] wären die Europäer nicht in der Lage, das Ausbleiben amerikanischer Hilfen auszugleichen. Die ukrainische Armee hätte immer größere Schwierigkeiten, sich den russischen Offensiven zu widersetzen.“ Sie spekulierte, dass einige Balkanstaaten ihre Pläne zum Beitritt zur Europäischen Union aufgeben könnten und warnte, die EU könnte auseinander brechen, wenn Italien, Ungarn oder andere EU-Mitgliedsstaaten den Ukrainekrieg aufgeben würden.

Trotz zunehmendem Gerede in herrschenden Kreisen über eine Niederlage und Verhandlungen sind die imperialistischen Großmächte jedoch fest entschlossen, weiter zu eskalieren. Da in Syrien und dem Iran bereits russische Truppen stationiert sind, könnte eine geplante, koordinierte militärische Eskalation der Nato, der USA und Israels gegen den Iran oder andere Staaten im Nahen Osten ebenfalls schnell zu einer direkten militärischen Konfrontation mit Russland führen. Tatsächlich sind sowohl die Ukraine als auch der Nahe Osten Fronten in einem globalen Konflikt der Nato mit Russland und China.

Die entscheidende Aufgabe ist es, den massiven Widerstand in der Arbeiterklasse gegen die Nato-Pläne für eine Eskalation in der Ukraine und gegen den Völkermord der israelischen Regierung im Gazastreifen zu mobilisieren. Laut einer Umfrage der Eurasia Group in diesem Jahr lehnen 91 Prozent der Amerikaner und 89 Prozent der Westeuropäer eine geplante militärische Eskalation gegen Russland ab. Diese Wut wird noch zunehmen, wenn offensichtlich wird, dass die USA und Europa hunderte Milliarden Dollar in einem schmutzigen Krieg vergeudet haben, der nicht mehr zu gewinnen ist; und dass dieses Geld durch Angriffe auf Sozialausgaben und Reallöhne aus der Arbeiterklasse heraus gepresst wurde.

In der Arbeiterklasse muss eine internationale Antikriegsbewegung in den Betrieben und Schulen gebildet werden, um ein Ende des Krieges zu fordern und den korrupten und ungeheuer leichtsinnigen herrschenden Eliten, die ihn geführt haben, die Kontrolle zu entreißen. Die damit verbundene Perspektive muss der Kampf für den Sozialismus sein.

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