16 Jahre seit dem Gründungsparteitag der Socialist Equality Party (US)

Wir veröffentlichen hier den Bericht von Joseph Kishore, dem nationalen Sekretär der SEP (US), den er auf dem achten Parteitag der Socialist Equality Party (US) gegeben hat. Der Parteitag fand vom 4. bis 9. August 2024 statt und verabschiedete einstimmig zwei Resolutionen: „Die Präsidentschaftswahlen von 2024 und die Aufgaben der Socialist Equality Party“ und „Freiheit für Bogdan Syrotjuk!“ Der Eröffnungsbericht wurde von David North gegeben. Der folgende Vortrag leitete die Hauptresolution ein.

Die gestrigen Berichte und Diskussionen bilden den politischen Rahmen für die Arbeit des Parteitags in dieser Woche. Zu den zentralen Punkten, die betont wurden, gehören (1) dass wir eine „Partei der Geschichte“ sind, wie Genosse North in der Einleitung bemerkte, „in dem Sinne, dass ihre Existenz und Arbeit auf die Probleme einer ganzen historischen Epoche gerichtet ist, der Epoche der sozialistischen Weltrevolution“; (2) dass unsere Perspektive international ist und, wie es in den Punkten 3 und 4 der Resolution heißt, auf der Theorie der Permanenten Revolution und der Entwicklung der trotzkistischen Bewegung seit ihrer Gründung beruht, mit besonderem Schwerpunkt auf die „Renaissance des Trotzkismus“ während und nach der Spaltung mit der WRP 1985–1986, die auf der Sommerschule 2019 analysiert wurde; (3) dass die zentrale strategische Aufgabe der Aufbau einer revolutionären Führung in der Arbeiterklasse auf der Grundlage der marxistischen Theorie in Opposition zur Politik der herrschenden Klasse und ihrer kleinbürgerlichen Anhängsel ist; und (4) dass die Lösung dieser Aufgabe möglich ist, weil unser Programm den Interessen der Arbeiterklasse entspricht, sie aber auch dringend notwendig ist, da die kapitalistische Krise die Menschheit auf die Katastrophe des Weltkriegs zusteuert.

Die an die Mitglieder verteilte Parteitagsresolution ist die politische Grundlage für den Wahlkampf der Socialist Equality Party. Das grundlegende Ziel unserer Wahlkampagne ist es, das Bewusstsein der Arbeiterklasse zu heben und die Partei aufzubauen. Wir beteiligen uns nicht an Wahlen aus rein „wahltaktischen“ Gründen. Wie Trotzki erklärt hat, sind die Stimmen, die Aufnahme auf den Wahlzettel und andere Aspekte des Wahlkampfs Mittel zum Zweck, nämlich der vollständigen geistigen und materiellen Befreiung der Menschheit durch die Machteroberung der Arbeiterklasse und die sozialistische Umgestaltung der Wirtschaft.

In einigen der früheren Diskussionen über den Wahlkampf haben wir uns auf die Bemerkung Lenins bezogen, dass die sozialistische Bewegung kein eigenes Wahlprogramm hat. Lenin schrieb 1911 vor den Wahlen zur russischen Duma: „Für jede Partei, die diese Bezeichnung irgendwie verdient, ist lange vor dem Zeitpunkt der Wahlen die Plattform schon etwas Gegebenes, nicht etwas, was eigens ‚für die Wahlen‘ ausgedacht wird, sondern was sich unweigerlich aus allen Handlungen der Partei, aus dem ganzen Aufbau ihrer Arbeit, aus ihrer ganzen Richtung in der gegebenen historischen Periode ergibt.“ (W. I. Lenin, „Über die Wahlkampagne und die Wahlplattform“, Lenin Werke, Bd. 17, 268f.)

Die Resolution selbst stützt sich in hohem Maße auf Dokumente, die wir erarbeitet haben, auf die Analyse der objektiven Situation und unserer Rolle darin sowie der Aufgaben, die sich der Partei stellen. Es gibt zahllose Erklärungen auf der World Socialist Web Site, die man zitieren könnte, die die programmatische Antwort der Partei auf nationale und internationale Entwicklungen darlegen.

Die Resolution stützt sich insbesondere auf die Neujahrserklärung, die von der internationalen Redaktion der WSWS zwischen dem 3. und 6. Januar 2024 veröffentlicht wurde. Sie fußt außerdem auf der Resolution des Parteitags von 2010 „Der Zusammenbruch des Kapitalismus und der Kampf für den Sozialismus in den Vereinigten Staaten“, auf die in Punkt 35 verwiesen wird. Die vorliegende Resolution übernimmt diese Resolution von 2010 als Programm der Partei. Es handelte sich um eine umfassende Erklärung, die zwei Jahre nach dem Gründungskongress verfasst wurde.

Die Genossen werden im Laufe des Parteitags über die außergewöhnliche politische Situation in den Vereinigten Staaten und auf internationaler Ebene sprechen, die wir in den Punkten 5 und 6 skizzieren und die im zweiten und dritten Abschnitt näher erläutert wird. In diesem Bericht und in dem Vortrag von Genossen Andre Damon werden wir diese Analyse in den breiteren Rahmen der Geschichte unserer Bewegung stellen.

Unsere politische Herangehensweise zeichnet sich dadurch aus, dass wir nicht impressionistisch reagieren. Wir versuchen ständig, unsere gegenwärtige Analyse in der historischen Entwicklung der kapitalistischen Krise und den Lehren aus den Erfahrungen der Arbeiterklasse zu verankern, die in der Geschichte unserer Bewegung einen bewussten Ausdruck finden. Gerade deshalb ist jeder Rückblick auf die Geschichte der Partei notwendigerweise unvollständig, da er in der Mitte eines umfassenderen Prozesses beginnt.

Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf den Zeitraum seit dem Gründungsparteitag im Jahr 2008.

Wie Genosse North in der Einleitung angemerkt hat, nehmen an diesem Parteitag jüngere Genossen teil, die im 21. Jahrhundert geboren wurden. Es wird nicht lange dauern, bis wir auch junge Menschen rekrutieren, die nach dem Gründungsparteitag geboren wurden. Die 16 Jahre seit 2008 umfassen bereits eine bedeutende Zeitspanne. Sie ist ein Jahr länger als die Periode zwischen der Gründung der Vierten Internationale 1938 und dem Offenen Brief von Cannon 1953, der den Bruch mit dem Pablismus markierte. In der jüngsten Periode seit 2008 haben wir – gestützt auf die Vorgeschichte der trotzkistischen Bewegung – eine bestimmte Vorstellung davon entwickelt, was das Wesen der Epoche ist, mit welchen Aufgaben die Arbeiterklasse konfrontiert ist und in welcher Beziehung unsere Partei dazu steht.

Die historischen und internationalen Grundlagen der Socialist Equality Party (US), die auf dem Gründungskongress ausführlich diskutiert wurden, sind nach wie vor unerlässlich für die politische Erziehung eines jeden Mitglieds. In den einleitenden Passagen erklärten wir: „Das Programm der SEP hat prinzipiellen, nicht konjunkturellen oder pragmatischen Charakter. Es gründet sich auf eine Analyse der Krise des Weltkapitalismus und beinhaltet die strategischen Erfahrungen der Arbeiterklasse und der internationalen sozialistischen Bewegung.“

Wir haben den Charakter der Epoche definiert:

Das internationale wirtschaftliche und politische System ist seinem Wesen nach imperialistisch. Trotz des technologischen Fortschritts, des Wachstums der Produktivkräfte und der Ausdehnung kapitalistischer Produktionsverhältnisse auf den gesamten Erdball krankt das kapitalistische Weltsystem an den gleichen unlösbaren Widersprüchen, die im 20. Jahrhundert die Schrecken zweier Weltkriege, Faschismus, eine endlose Reihe regionaler militärischer Konflikte und unzählige brutale politische Diktaturen hervorgebracht haben.

Genosse North hat gestern wichtige Anmerkungen zu den Veränderungen der Produktionsformen und dem Zusammenhang zum Imperialismus gemacht. Dabei stützte er sich auf die Analyse des IKVI über die Entstehung transnationaler Konzerne, die nach der Spaltung der WRP vorgenommen wurde. Die fundamentalen Widersprüche des imperialistischen Systems, die in den Historischen Grundlagen aufgezeigt werden, erreichen heute eine neue Stufe.

Wir schrieben 2010: „Politische Übereinstimmung innerhalb der Partei in den wesentlichen Fragen des Programms und der Aufgaben ist nur möglich, wenn Einigkeit in der historischen Einschätzung des 20. Jahrhunderts und seiner strategischen Lehren besteht.“ Wir könnten jetzt hinzufügen: nicht nur des 20. Jahrhunderts, sondern auch des ersten Quartals des 21. Jahrhunderts.

Der Gründungsparteitag, die Verabschiedung der Historischen Grundlagen sowie die Grundsatzerklärung und die Parteisatzung waren ein Ergebnis unserer Einschätzung der objektiven Situation und ihrer Auswirkungen. Bereits Anfang 2008 hatte das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) die Entwicklung einer tiefgreifenden Wirtschaftskrise erkannt.

Es ist vielleicht passend, dass wir uns heute inmitten eines starken Rückgangs der globalen Märkte treffen. Die herrschenden Eliten reagieren auf die Anzeichen einer erneuten Wirtschaftskrise und rufen wieder nach einem Rettungspaket. In einem Bericht für eine nationale Mitgliederversammlung in Michigan am 5. und 6. Januar 2008 analysierte Genosse North die Bedeutung des Zusammenbruchs des Immobilienmarkts. Er begann mit der Feststellung: „Das Jahr 2008 wird von einer bedeutenden Verschärfung der ökonomischen und politischen Krise des kapitalistischen Weltsystems geprägt sein. Die Unruhe auf den Weltfinanzmärkten ist nicht bloß Ausdruck eines konjunkturellen Abschwungs, sie zeigt vielmehr eine tiefgreifende Störung des Systems an, die bereits die internationale Politik destabilisiert.“

North verortete die Krise in der allgemeinen historischen Entwicklung und erklärte:

Das langfristige Sinken der Rentabilität der in den USA beheimateten Industrie hat die amerikanischen Finanzinstitute dazu getrieben, alternative Quellen für hohe Renditen zu erschließen. Die Existenz der amerikanischen herrschenden Elite war in den letzten 30 Jahren durch eine zunehmende Trennung des Prozesses der Vermögensakkumulation vom Prozess der Industrieproduktion geprägt.

Er zeigte auch den Zusammenhang zwischen der Wirtschaftskrise und dem Ausbruch der imperialistischen Barbarei auf. Damals dauerten die Kriege der USA seit der Auflösung der Sowjetunion und dem vermeintlichen „Ende der Geschichte“ bereits 17 Jahre an.

Der parasitäre Charakter der herrschenden amerikanischen Elite ist untrennbar mit dem enormen Anstieg des Militarismus verbunden. Obwohl die Ereignisse des 11. September als Vorwand dienten, sind die Kriege im Irak und in Afghanistan letztendlich ein Ergebnis der Bemühungen der amerikanischen herrschenden Klasse, die vorherrschende globale Stellung der Vereinigten Staaten aufrechtzuerhalten.

Diese Politik war wiederum mit der langwierigen Krise der amerikanischen Demokratie verbunden, die die SEP über einen längeren Zeitraum, insbesondere seit der Amtsenthebung Clintons im Jahr 1999, analysiert hatte. In dem Bericht heißt es:

Die SEP und die World Socialist Web Site warnten schon vor über sieben Jahren, dass die gestohlenen Wahlen des Jahres 2000 einen historischen Meilenstein der Degeneration der amerikanischen Demokratie darstellten. Die Bereitschaft der Demokratischen Partei, den Diebstahl der Wahlen zu akzeptieren, bewies, dass kein nennenswerter Teil der amerikanischen Kapitalistenklasse mehr ein großes Interesse an der Verteidigung der traditionellen bürgerlich-demokratischen Institutionen hegte.

Betrachtet man die letzten 16 Jahre, so kann man mit Sicherheit sagen, dass die 2008 vorgelegte Analyse nur insofern modifiziert werden muss, als die damals festgestellten Grundtendenzen der Entwicklung sich auf einem höheren Niveau verschärft haben.

Der Gründungskongress fand im August 2008 statt, sieben Monate nach diesem Bericht von David North. Unmittelbar nach dem Parteitag brach die Wirtschaftskrise voll aus. Auf den Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers folgte die Rettung des Versicherungskonzerns AIG und die Umsetzung des billionenschweren Bankenrettungsprogramms TARP (Troubled Asset Relief Program) im September. Dieses Programm wurde in den letzten Monaten der Bush-Regierung und mit Unterstützung von Barack Obama, damals Junior-Senator der Demokraten aus Illinois, und John McCain, Senior-Senator der Republikaner aus Arizona, verabschiedet. Obama und McCain waren beide Kandidaten der kapitalistischen Elite in den Präsidentschaftswahlen 2008.

In diesem Jahr fasste die trotzkistische Bewegung zwei wichtige Beschlüsse. Der erste war der Gründungsparteitag, dem in den Folgejahren die Gründungsparteitage anderer Sektionen des IKVI folgten. Der zweite Beschluss betraf die „Neugestaltung“ der World Socialist Web Site. Viele jüngere Genossen kennen die alte Gestaltung der WSWS von 1998 bis 2008 nicht. Viele sind auch nicht mit der zweiten Version vertraut, die von 2008 bis 2020 bestand. Wichtiger als die Form der WSWS war jedoch die Einführung einer täglichen „Perspektive“ im Jahr 2008.

Die erste Ausgabe der neu gestalteten WSWS, 22. Oktober 2008

Seitdem haben wir 4865 Perspektiven veröffentlicht, sechs pro Woche in mehr als 15 Jahren. Würde man diese in Buchform drucken und dabei von einem Durchschnitt von fünf Seiten pro Perspektive ausgehen, wären das etwa 24.000 Seiten oder 48 Bände mit jeweils 500 Seiten. Dies ist an sich schon eine außergewöhnliche Leistung. Wenn man eine rein faktische Darstellung der wichtigsten internationalen Entwicklungen der letzten 16 Jahre sucht, gibt es keinen besseren Ausgangspunkt als die Perspektiven der WSWS. Was den politischen Inhalt betrifft, so gibt es nichts Vergleichbares.

John Kelly verkündet in seinem Buch, auf das Genosse North gestern Bezug nahm, die „beispiellose Bilanz des politischen Scheiterns“ der trotzkistischen Bewegung und nennt als Ausnahme nur den großen Verrat von 1964, als die LSSP in Sri Lanka in eine bürgerliche Regierung eintrat. Als Genosse Fred Mazelis und andere Unterstützer des IKVI auf den Verrat der LSSP mit einem offenen Brief reagierten, wurden sie von der SWP ausgeschlossen, die bereits von staatlichen Agenten kontrolliert wurde. Die bloße Existenz der WSWS widerlegt Leute wie Kelly, die „Erfolge“ nur an dem kleinen Wandel des bürgerlichen Parlamentarismus messen, weil sich daran die Höhe ihrer Vermögen knüpfen lässt. Wir haben einen anderen Maßstab.

In der ersten WSWS-Erklärung zur Perspektive Ende Oktober 2008 fasste Genosse North die politische Einschätzung der zunehmenden Krise des kapitalistischen Weltsystems durch das IKVI zusammen:

1. Die globale Finanzkrise hat ihr Zentrum in den Vereinigten Staaten und zeigt einen entscheidenden Wendepunkt in der Krise des kapitalistischen Weltsystems an. Die marxistische Analyse der darin beinhalteten unlösbaren Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise ist auf atemberaubende Weise bestätigt worden.

2. Die sich verschärfende Wirtschaftskrise wird die bereits bestehenden Spannungen zwischen den großen imperialistischen und kapitalistischen Mächten verstärken. Der grundlegende historische Konflikt zwischen der international integrierten Entwicklung der Produktion und dem Nationalstaatensystem wird die Gefahr eines Weltkrieges immer deutlicher auf die Tagesordnung setzen. Die Anstrengungen der Vereinigten Staaten, ihren Niedergang in der Weltwirtschaft zu kompensieren, werden, wie sich in der gegenwärtigen Krise dramatisch zeigt, immer rücksichtsloser und hemmungsloser einen militärischen Charakter annehmen.

3. Die sich verschlechternde Wirtschaftslage führt unaufhaltsam zu einem erneuten Anwachsen des weltweiten Klassenkampfs. Die Arbeiterklasse wird zunehmend entschlossener gegen die Bestrebungen der alten korrupten bürokratischen Organisationen – politischen Parteien und Gewerkschaften – Widerstand leisten, die ihre Kämpfe blockieren und verraten.

4. Die marxistische Theorie, ihre Perspektive und ihr Programm des revolutionären Sozialismus, die das Internationale Komitee der Vierten Internationale vertritt, wird unter den sich radikalisierenden Arbeitern, Studierenden, Jugendlichen und Intellektuellen neue Anhänger finden. Nur eine Partei, die sich fest auf die marxistische Theorie gründet und das Erbe des Trotzkismus unmissverständlich verteidigt, wird den Herausforderungen der neuen revolutionären Epoche gerecht werden.

So schätzten wir den weiteren Verlauf der Ereignisse ein.

Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Offensive für den Marxismus in der Arbeiterklasse und der Offensive gegen die verschiedenen Konzepte, die von der herrschenden Elite und Teilen der oberen Mittelschicht vertreten werden. Die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse wird im Kampf gegen Revisionismus, Opportunismus und die Politik der Pseudolinken bestimmt.

Es ist bezeichnend, dass wir am selben Tag des Relaunches der WSWS, dem 22. Oktober 2008, die Polemik „Die politische und ideologische Irrfahrt von Alex Steiner“ von David North veröffentlicht haben, die in dem Band Die Frankfurter Schule, die Postmoderne und die Politik der Pseudolinken enthalten ist. Wie viele Genossen wissen, waren Steiner und sein Mitstreiter Frank Brenner ehemalige Mitglieder der Workers League, die sich Ende der 1970er Jahre von der revolutionären Politik entfernt hatten. Steiner und Brenner kehrten Anfang der 2000er Jahre kurz zurück, wurden dann aber sehr feindselig, als klar wurde, dass die neu gegründete WSWS ihnen keine Plattform für ihre reaktionären politischen und philosophischen Konzeptionen bieten würde.

2006 veröffentlichten sie den Text „Objektivismus oder Marxismus“, auf den Genosse North in seinem Essay „Marxismus, Geschichte und sozialistisches Bewusstsein“ antwortete. Sie behaupteten, dass dem Marxismus „eine Psychologie fehlt“, dass es notwendig sei, sich auf Fragen der Familie, der sexuellen Beziehungen und der „verdrängten Gefühle des Unbewussten“ zu konzentrieren, die in der „erstarrten, nicht untersuchten Vergangenheit“ eines Menschen fortbestehen, so Brenner.

Er brachte die Politik der oberen Mittelschichten zum Ausdruck, die der Arbeiterklasse feindlich gegenüberstanden – eine Politik, die im philosophischen Idealismus verwurzelt war und sich auf verschiedene antimarxistische Theorien stützte, insbesondere die Tradition der Frankfurter Schule. Die Vertreter dieser Politik waren von sich selbst besessen oder wie Trotzki einmal sagte: „Sollen die Philister im leeren Raum ihrer eigenen Individualität nachjagen.“

In dem Aufsatz über Steiners „Irrfahrt“ ging es nicht in erster Linie um das Individuum, sondern darum, wie das Individuum die Bewegung gesellschaftlicher Schichten zum Ausdruck bringt. North untersucht den Prozess der sozialen und politischen Differenzierung, der sich nach den Niederlagen des Stalinismus und dem Ende der Protestbewegung gegen den Vietnamkrieg sowie dem Rechtsruck jener Schichten entwickelte, die sich an der Demokratischen Partei orientierten.

Genosse North schrieb über die theoretischen Konzepte, von denen sich Steiner und Brenner inspirieren ließen:

Soweit ungünstige historische Umstände verhinderten, dass der Marxismus revolutionäre Massenkämpfe der Arbeiterklasse theoretisch anleiten konnte, war der Weg frei für seine Verdrehung und Verfälschung im Interesse von gesellschaftlichen Kräften, die der Arbeiterklasse fremd, ja feindlich gegenüberstanden. Dabei spielte die Frankfurter Schule eine wichtige Rolle.

Sie verwandelte den Marxismus aus einer theoretischen und politischen Waffe des proletarischen Klassenkampfs, den Horkheimer, ­Adorno und Marcuse ablehnten, in eine gesellschaftlich undifferenzierte Form der Kulturkritik, die den politischen Pessimismus, die gesellschaftliche Entfremdung und die persönliche und psychologische Frustration von Teilen der Mittelklassen zum Ausdruck brachte.

Die Bedeutung dieser Arbeit ist in den letzten 15 Jahren noch deutlicher zutage getreten. Die idealistische, arbeiterfeindliche Politik, die mit diesen Konzepten verbunden ist, zeigte sich in verschiedenen Gewändern – von Syriza in Griechenland über Podemos in Spanien bis hin zu den Standpunkten von Chris Hedges, dem demoralisierten Skeptiker, und Cornel West, dem vollendeten Pragmatiker, der sich selbst als „Jazz man“ der amerikanischen Politik bezeichnet. Steiner und Brenner sind auch zu einer Quelle und einem Resonanzboden geworden, vielleicht auch zu einer Schulter, an der sich alle ausheulen können, die die trotzkistische Bewegung verlassen haben und eine halbwegs politische Erklärung für ihre Abkehr von der revolutionären Politik finden wollen.

2008 war auch das Jahr, in dem Obama gewählt wurde, der „Kandidat der Hoffnung und des Wandels“ – in Wirklichkeit der Kandidat der CIA, der auf der Grundlage von Identitätspolitik vermarktet wurde, aber der die meisten Drohnen abwarf, die meisten Deportationen durchführte und die Banken rettete.

Im Jahr 2009 veröffentlichten wir eine Neujahrserklärung, die zu einer jährlichen Tradition wurde. Darin analysierten wir die Bedeutung der Wahl Obamas und schrieben:

Es wird keine friedliche und „gesellschaftlich neutrale“ Lösung der Krise geben. Die improvisierten Reaktionen der amerikanischen herrschenden Klasse auf die wirtschaftlichen Turbulenzen werden das Problem nicht lösen. Schon jetzt wurden mit verschiedenen übereilt entwickelten Rettungsplänen Hunderte von Milliarden vergeudet.

Was Präsident Obama angeht, so versucht er das Unmögliche. Eine Lösung der Krise, welche die Grundlagen des Kapitalismus und die Interessen der Finanzelite nicht anrührt.

Im Laufe des Jahres 2009 haben wir eine Reihe von Essays und Vorträgen des Genossen North sowie wichtige Erklärungen des Genossen Nick Beams veröffentlicht, in denen die Wirtschaftskrise, ihre historischen Wurzeln und ihre Auswirkungen analysiert wurden.

In dem Vortrag „Die kapitalistische Krise und die Rückkehr der Geschichte“ vom März 2009 erklärte David North:

Die allgegenwärtigen, durch Kredite angeheizten Finanzspekulationen sind nicht die Ursache der Krise, sondern ein Ausdruck tief verwurzelter Widersprüche der amerikanischen und internationalen Wirtschaft. Gerade die Maßnahmen, mit denen der amerikanische Kapitalismus vor mehr als vierzig Jahren seine wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu lösen versuchte, bildeten die Saat für die heutige Krise.

Präsident Obama behauptet, dass der gegenwärtige Abschwung binnen einer gewissen Frist einem neuen, nachhaltigen Wirtschaftswachstum weichen werde, das den Lebensstandard breiter Bevölkerungsschichten wiederherstellt und anhebt. Doch die historischen und globalen Widersprüche, die der heutigen Krise zugrundeliegen, schließen das Eintreffen dieser Ankündigung aus.

Im Mai 2009 erschien der umfassende Bericht „Die Wirtschaftskrise und das Wiederaufleben von Klassenkonflikten in den USA“ von David North, in dem insbesondere die Rolle der Gewerkschaften untersucht wird. Die Unterdrückung des Klassenkampfs durch die Gewerkschaften hat die extreme Zunahme der sozialen Ungleichheit über Jahre hinweg befördert. Eine „Scherengrafik“ demonstrierte den Zusammenhang zwischen dem Rückgang der Streikaktivitäten und der Konzentration des Reichtums in den Händen der Unternehmens- und Finanzelite.

Die Offensive für den Trotzkismus nahm auch die Form des Kampfs gegen eine neue Art der Geschichtsfälschung an, die sich gegen die Biografie Trotzkis richtete. Sie begann mit zwei Biografien von Ian Thatcher (2003) und Geoffrey Swain (2006), auf die wir 2007 reagierten. Im Jahr 2009 folgte eine Trotzki-Biografie von Robert Service, die Genosse North in seiner Rezension als „zusammengeschustertes Machwerk“ bezeichnete. Das American Historical Review kommentierte diese Einschätzung: „Starke Worte, aber völlig berechtigt.“ (Siehe David North, Verteidigung Leo Trotzkis, Mehring Verlag 2012)

Die herrschende Klasse, die sich des extremen Anstiegs des sozialen Unmuts und der revolutionären Auswirkungen bewusst war, reagierte mit einer Form der „präventiven ideologischen Kriegsführung“. Das Ziel war es, eine Hinwendung junger Menschen zu Trotzki und seinen Ideen zu verhindern, wie sie in den späten 1960er Jahren stattgefunden hatte.

Im Jahr 2012 erklärte Genosse North in einer Rede in Leipzig: „Das neue Zeitalter des Präventivkriegs brachte eine neue literarische Gattung hervor: die Präventivbiografie!“

Über 70 Jahre nach Trotzkis Ermordung bleibt sein Erbe Gegenstand heftiger Kontroversen. Das Recht, ins Reich der leidenschaftslosen historischen Wissenschaft überzugehen, bleibt Trotzki verwehrt. Er bleibt eine ungeheuer zeitgemäße Figur. Er lebt in der Geschichte nicht nur als Führer der größten Revolution des 20. Jahrhunderts, sondern auch als politische und intellektuelle Inspiration zukünftiger Revolutionen. […]

Die Verteidigung von Trotzkis Erbe gegen historische Fälschungen ist ein wesentlicher Bestandteil der politischen Erziehung der Arbeiterklasse und ihrer Vorbereitung auf die politischen Anforderungen einer neuen Epoche revolutionärer Kämpfe. [David North, „Leo Trotzki und die Verteidigung der historischen Wahrheit“, in: Verteidigung Leo Trotzkis, Mehring Verlag 2012]

Der Angriff auf Trotzki stand in engem Zusammenhang mit der ideologischen Offensive der Rechtsextremen, insbesondere in Deutschland. Robert Service, der seine Trotzki-Biografie mit antisemitischen Anspielungen gespickt hatte, wurde 2014 von dem rechtsradikalen Ideologen Jörg Baberowski als Redner ins Colloquium an der Berliner Humboldt-Universität eingeladen. Genosse North und anderen Unterstützern des IK wurde der Zutritt zu der Veranstaltung verwehrt.

Unmittelbar nach diesem Colloquium veröffentlichte Der Spiegel das berüchtigte Interview, in dem Baberowski erklärte, Hitler sei „nicht grausam“ gewesen und der Nazi-Apologet Ernst Nolte habe historisch Recht gehabt. Baberowskis Gleichgesinnte im deutschen Staat gingen dazu über, die SGP und unsere Genossen in Deutschland als „Linksextremisten“ ins Visier zu nehmen. Die deutsche Bourgeoisie, die in der Ukraine im Bündnis mit den Erben der Nazi-Kollaborateure vermeintlich die „Demokratie“ verteidigt, beruft sich jetzt wieder mit Stolz auf die Tradition von Hitlers Wehrmacht. Geschichtsfälschung, faschistische Politik und politische Verlogenheit vereinen sich im Angriff auf den Trotzkismus.

Um auf die Hauptachse der historischen Entwicklung zurückzukommen: 2010 hat die SEP ihren ersten nationalen Parteitag abgehalten, auf dem das Parteiprogramm angenommen wurde, auf das ich vorhin hingewiesen habe und das in der vorliegenden Resolution enthalten ist.

In dem Programm wird gleich zu Beginn die revolutionäre Strategie der SEP dargelegt:

Eine neue Warnung muss mit aller Dringlichkeit ausgesprochen werden. Die gegenwärtige Krise wird nicht einfach wieder verschwinden. Es gibt keinen friedlichen und schon gar keinen einfachen Weg aus der wirtschaftlichen und sozialen Sackgasse, in die der Kapitalismus die Menschheit geführt hat. Das Programm der Socialist Equality Party – die solidarisch mit dem Internationalen Komitee der Vierten Internationale zusammenarbeitet – ist keine Ansammlung von Mitteln zur Linderung der Krise und kein Gemisch halbherziger Maßnahmen.

Das Ziel dieser Partei und ihrer geistigen Weggefährten in der Vierten Internationale ist nicht die Reform des amerikanischen oder des internationalen Kapitalismus. Wenn es irgendetwas aus den Tragödien des 20. Jahrhunderts zu lernen gibt, dann, dass die noch schrecklichere Wiederholung dieses Grauens im 21. Jahrhundert nur durch den revolutionären Kampf der amerikanischen und der internationalen Arbeiterklasse für den Sozialismus verhindert werden kann.

In dem umfassenden Programm werden die Bedeutung der Wirtschaftskrise und der Charakter der Obama-Regierung analysiert, die sich auf die imperialistische Politik der USA konzentrierte. Auch der Bankrott des amerikanischen Liberalismus und die Entwicklung des amerikanischen Kapitalismus, die Geschichte des Klassenkampfs in den Vereinigten Staaten und die objektive Stärke der Arbeiterklasse als internationale, im Produktionsprozess vereinte Klasse werden untersucht.

„Die Achillesferse der Arbeiterklasse war das Nichtvorhandensein einer unabhängigen sozialistischen, von marxistischer Theorie geführten Massenbewegung“, heißt es dort.

„Letztendlich aber waren der gewaltige Wohlstand und die Macht des amerikanischen Kapitalismus die bedeutendste objektive Ursache der Unterordnung der Arbeiterklasse unter das von den Konzernen kontrollierte Zwei-Parteien-System. […] Die Veränderung in den objektiven Bedingungen wird allerdings zu einer Veränderung in den Köpfen der amerikanischen Arbeiter führen.“ 

Die SEP benennt die sozialen Rechte der Arbeiterklasse, die sie gestützt auf die revolutionären Traditionen der Unabhängigkeitserklärung als „unveräußerlich“ bezeichnet. „Die Socialist Equality Party erklärt in aller Offenheit, dass die Verwirklichung dieser Rechte einen Frontalangriff auf die bis heute nicht in Frage gestellten Privilegien der Konzerne und der Reichen erfordert.“ Sie formuliert die wesentlichen Elemente eines sozialistischen Programms sowie demokratische Forderungen, die nur durch die Machtübernahme der Arbeiterklasse erreicht werden können.

Seit der Veröffentlichung dieses Dokuments hat die Partei viele Erfahrungen gemacht und eine bedeutende Entwicklung ihrer Analyse vorgenommen. 2011 erschütterte die Revolution in Ägypten die ganze Region und zwang den verhassten Diktator Hosni Mubarak zum Rücktritt. Mubarak war vier Jahrzehnte lang an der Macht gewesen und von den USA unterstützt worden. Es folgten Massendemonstrationen in Madison im US-Bundestaat Wisconsin, die „Occupy Wall Street“-Bewegung und der Libyen-Krieg.

Als Reaktion auf diese Entwicklungen kam es zu einer deutlichen Klassendifferenzierung. In Ägypten spielten die Pseudolinken, die Organisationen der Mittelklasse, die entscheidende Rolle bei der Fehlorientierung des revolutionären Kampfs. Sie lenkten die Opposition hinter die eine oder andere Fraktion der herrschenden Klasse, was letztlich zur Konsolidierung der Macht unter Al Sisi führte, dem Schlächter von Kairo und Kollaborateur des Imperialismus beim Völkermord in Gaza.

Im Libyen-Krieg und in der von der CIA unterstützten Operation zum Regimewechsel in Syrien – beide unter Anleitung der Obama-Regierung – gaben die pseudolinken Gruppen auch den letzten Anschein eines Widerstands gegen den Imperialismus auf. Juan Cole, ein Professor an der University of Michigan, der noch in der Protestbewegung gegen den Irak-Krieg aktiv war, brachte die Stimmung dieser pseudolinken Schicht auf den Punkt: Wenn die Nato wolle, dass er in Libyen kämpfe, „dann bin ich dabei“. Die Pseudolinken denunzierten unsere Opposition gegen den Regimewechsel in Syrien als „reflexartigen Antiimperialismus“. Dieselbe Linie zeigt sich auch in ihrer uneingeschränkten Unterstützung für den Ukrainekrieg der USA und der Nato gegen Russland.

Die SEP reagierte auf diese Entwicklung auf dem zweiten Parteitag im Jahr 2012. Ausgehend von den Erfahrungen in Ägypten schrieben wir in der Hauptresolution:

Es reicht nicht aus, die Unvermeidlichkeit revolutionärer Kämpfe vorherzusagen und dann ihre Entwicklung abzuwarten. Solch eine Passivität hat nichts mit Marxismus gemein. Marxismus fordert die Einheit von theoretisch angeleiteter Erkenntnis und revolutionärer Praxis.

Darüber hinaus – wie das Nachspiel zu Mubaraks Sturz nur allzu klar darlegt – ist für den Sieg der sozialistischen Revolution eine revolutionäre Partei erforderlich. Die Socialist Equality Party muss alles in ihrer Macht stehende tun, um vor dem Ausbruch von Massenkämpfen eine bedeutsame politische Präsenz innerhalb der Arbeiterklasse zu etablieren – vor allem unter ihren fortgeschrittensten Elementen. Sie muss die zentralen Probleme der revolutionären Perspektive ausgearbeitet haben. Die kapitalistische Krise radikalisiert die Arbeiterklasse und liefert die objektiven Bedingungen für die sozialistische Revolution.

Wir analysierten auch die Occupy-Wall-Street-Bewegung, die von verschiedenen anarchistischen Konzepten inspiriert war und von der Mittelschicht getragen wurde. Wir kritisierten vor allem die Losung der „99 Prozent“, weil damit die Interessen der Arbeiterklasse, der großen Mehrheit der Bevölkerung, mit denen der oberen Mittelschicht, den nächsten 5 Prozent, vermengt wurden. Doch die Interessen dieser oberen Mittelschicht sind mit dem kapitalistischen System und dem Imperialismus verbunden. Wir schrieben in der Resolution:

Der „Antikapitalismus“ dieser Schicht speist sich weit mehr aus Neid auf die Reichen, als aus Solidarität mit der Arbeiterklasse. Er begehrt nicht die Vernichtung des Privateigentums (in Form des Besitzes an Produktionsmitteln), sondern einen größeren Anteil des Einkommens, der aus ihm gezogen wird.

Die kleinbürgerlichen Pseudolinken weisen die Forderung nach Gleichheit zurück, welche das Ringen der Massen der Arbeiterklasse um Sozialismus darstellt. Die Spannbreite der verschiedenen Formen ihrer affirmativen Aktionen – vorrangig um auf Hautfarbe, Ethnizität und Geschlecht basierende Quoten – reflektiert hingegen ihr Bedürfnis nach individuellem Zugang privilegierter Eliten zu Karrieregelegenheiten und größerem Wohlstand innerhalb des kapitalistischen Rahmens.

Die obsessive Ausrichtung auf Themen, die in Verbindung mit persönlicher Identität stehen – besonders mit der Sexualität – ist charakteristisch für kleinbürgerliche Organisationen, die entschlossen sind, individuelle Interessen über Klassenfragen zu stellen und die Verteidigung demokratischer Rechte vom Kampf um Sozialismus zu trennen.

Der Eröffnungsbericht des Genossen North zu diesem Parteitag wurde in dem Buch Die Frankfurter Schule unter dem Titel „Die theoretischen und historischen Wurzeln der Pseudolinken“ veröffentlicht. Es handelt sich um einen zentralen Text, in dem North unter anderem die Schriften von Laclau und Mouffe untersucht. Ihr nationalistischer und arbeiterfeindlicher Populismus diente als wichtige ideologische Inspiration für Syriza und Podemos.

Im Rahmen eines so umfassenden Überblicks ist es unmöglich, auf alle relevanten Entwicklungen einzugehen. 2013 ergriff die Partei in den USA jedoch eine sehr bedeutende Initiative, nämlich die Kampagne gegen den Bankrott von Detroit und die Demonstration zur Verteidigung des Detroit Institute of Arts (DIA), organisiert von der SEP am 4. Oktober 2013.

Die Kampagne baute auf der früheren Parteiarbeit auf. 2010–2011 hatte sie das Komitee gegen Stromabschaltungen ins Leben gerufen, eine wichtige Initiative, die aus dem Gründungskongress und der Untersuchung (Citizens Inquiry) zum Brand in der Mack Avenue hervorging, die 1993 von der Workers League durchgeführt wurde.

Die Kundgebung zur Verteidigung der DIA stieß bei den Arbeitern und Jugendlichen in Detroit auf ein starkes Echo. In einer WSWS-Perspektive nach der Kundgebung erklärten wir den Zusammenhang zwischen der Verteidigung der Kunst und den Interessen der Arbeiterklasse. Wir wandten uns dabei gegen die Äußerungen von gut betuchten Gewerkschaftsbürokraten, dass „man Kunst nicht essen kann“:

Wie das Internationale Komitee und die WSWS schon seit Langem betonen, ist Kultur für die Arbeiterklasse notwendig, und der Kampf der Arbeiterklasse für den Sozialismus ist für die Kultur unverzichtbar. Die Kunst kann sich nicht selbst retten. Das gesamte fortschrittliche Erbe der Menschheit, darunter auch das kulturelle Erbe, hängt vom Eingreifen der Arbeiterklasse gegen die Raubzüge der modernen Aristokratie ab.

Das Jahr 2014 war ein kritischer Wendepunkt: Die USA und die EU unterstützten den Putsch in der Ukraine, der von rechtsextremen Kräften angeführt und von den Pseudolinken unterstützt wurde. Dieser Coup schuf die Voraussetzungen für den Einmarsch Russlands in die Ukraine 2022 und den gegenwärtigen Krieg. Die Faschisten, die jetzt führende Positionen im ukrainischen Staatsapparat besetzen, haben sich beim Maidan-Putsch 2014 warmgelaufen und wurden seitdem bewaffnet und finanziert.

Es war auch das Jahr unserer ersten Maikundgebung, die wir seither jedes Jahr abgehalten haben. Auf der diesjährigen Kundgebung zitierte Genosse North unsere Analyse von 2014:

Dieser Putsch diente dazu, eine Regierung an die Macht zu bringen, die unmittelbar vom amerikanischen und deutschen Imperialismus gesteuert werden kann. Die Verschwörer in Washington und Berlin wussten genau, dass dieses Vorgehen zu einer Konfrontation mit Russland führen würde. Weit davon entfernt, eine Konfrontation nach Möglichkeit zu vermeiden, erachten sowohl Deutschland als auch die USA einen Zusammenstoß mit Russland als notwendig, um ihren weitreichenden geopolitischen Interessen Geltung zu verschaffen.

Im selben Jahr veröffentlichte das IKVI eine bedeutende Erklärung mit dem Titel „Sozialismus und der Kampf gegen imperialistischen Krieg“, die Anfang Juli 2014 auf der WSWS erschien. Weniger als zwei Jahre später, im Februar 2016, folgte eine umfassendere Erklärung unter der Überschrift „Sozialismus und der Kampf gegen Krieg“.

Im Statement von 2014 heißt es:

Es kann keinen Kampf für Sozialismus ohne Kampf gegen Krieg geben, und umgekehrt keinen Kampf gegen Krieg ohne Kampf für Sozialismus. […] Das IKVI stellt den Kampf gegen Krieg in den Mittelpunkt seiner politischen Arbeit. Es muss zum internationalen Zentrum der revolutionären Opposition gegen das Wiederaufleben von imperialistischer Gewalt und Militarismus werden. Keine andere Organisation hat sich diese Aufgabe auch nur gestellt.

Unzählige frühere Pazifisten, Liberale, Grüne und Anarchisten haben sich unter dem falschen Banner der Menschenrechte der imperialistischen Kriegstreiberei angeschlossen. Ähnliches gilt für pseudolinke Tendenzen wie die Pablisten und die Staatskapitalisten, die sich erst über einen „reflexhaften Anti-Imperialismus“ mokierten und sich dann hinter die amerikanische Aggression gegen Russland und China stellten.

Ebenfalls 2014 publizierten wir den Sammelband von Genosse David North Die Russische Revolution und das unvollendete Zwanzigste Jahrhundert, der die grundlegenden theoretischen und politischen Fragen des 20. Jahrhunderts behandelt, die für die Strategie der Arbeiterklasse im 21. Jahrhundert zentral sind. Genosse North hat bereits in seinem Eröffnungsbericht auf das Grundkonzept des „unvollendeten 20. Jahrhunderts“ hingewiesen.

Als Antwort auf die Theorien von Martin Malia, Eric Hobsbawm und Francis Fukuyama (letzterer tummelt sich mittlerweile mit ukrainischen Nazis), schrieb Genosse North im Vorwort:

[D]ie wesentlichen ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Widersprüche, mit denen die Menschheit zu Beginn des 21. Jahrhunderts konfrontiert ist, sind im Wesentlichen dieselben wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Ungeachtet aller wissenschaftlichen Fortschritte, technologischen Innovationen, politischen Erschütterungen und gesellschaftlichen Veränderungen war der Ausklang des 20. Jahrhunderts von einer eigenartigen Unentschiedenheit geprägt. Kein einziges der großen gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Probleme, die den Kämpfen dieses Jahrhunderts zugrunde lagen, war abschließend gelöst.

2015 brachte weitere entscheidende Erfahrungen. Es war das Jahr, in dem Syriza an die Macht kam, die „Koalition der radikalen Linken“, die von den Pseudolinken auf der ganzen Welt (darunter auch Steiner und Brenner) unterstützt wurde. Auf der Grundlage unserer Analyse des Klassencharakters und des Programms von Syriza haben wir von Anfang an, sogar noch vor ihrem Amtsantritt gewarnt, dass Syriza all ihre Versprechen, die von der EU diktierte Sparpolitik zu beenden, verraten würde. Sie hat sie nicht nur verraten, sondern sogar noch schärfere Kürzungen als ihre Vorgängerregierungen durchgesetzt. Gleichzeitig verwandelte sie Griechenland zur Frontlinie in der Antiflüchtlingspolitik der Europäischen Union.

Die grundlegenden Erfahrungen mit Syriza wurden im Vorwort zu dem Buch Die Frankfurter Schule, die Postmoderne und die Politik der Pseudolinken zusammengefasst. Darin wird der Begriff „Pseudolinke“ definiert. Ich halte es für wertvoll, diese Erläuterung zu zitieren, da sie sich sowohl auf die vorangegangene theoretische und politische Arbeit stützt als auch die Entwicklungen der letzten neun Jahre vorwegnimmt:

• Der Begriff »Pseudolinke« bezeichnet politische Parteien, Organisationen und theoretische/ ideologische Tendenzen, die populistische Parolen und demokratische Phrasen benutzen, um die sozioökonomischen Interessen privilegierter und wohlhabender Schichten der Mittelklasse zu fördern. ...

• Die Pseudolinke ist antimarxistisch. Sie lehnt den historischen Materialismus ab und stützt sich stattdessen auf verschiedene Formen des subjektiven Idealismus und des philosophischen Irrationalismus, wie sie vom Existenzialismus, der Frankfurter Schule und der zeitgenössischen Postmoderne vertreten werden.

• Die Pseudolinke ist antisozialistisch. Sie lehnt den Klassenkampf ab und leugnet die zentrale Rolle der Arbeiterklasse ebenso wie die Notwendigkeit einer Revolution für die fortschrittliche Umgestaltung der Gesellschaft. ...

• Die Pseudolinke tritt für verschiedene Formen der »Identitätspolitik« ein, die sich auf Fragen der Nationalität, der ethnischen Zugehörigkeit, des Geschlechts und der sexuellen Orientierung konzentriert, um in Unternehmen, Universitäten, besser bezahlten Berufsgruppen, Gewerkschaften, Regierungsstellen und staatlichen Institutionen mehr Einfluss zu gewinnen. Sie strebt eine für sie günstigere Aufteilung des Vermögens unter den reichsten zehn Prozent der Bevölkerung an. ...

• In den imperialistischen Zentren Nordamerikas, Westeuropas und Australasiens ist die Pseudolinke im Allgemeinen pro-imperialistisch. Sie benutzt Menschenrechtsparolen, um neokoloniale Militäroperationen zu rechtfertigen und sogar direkt zu unterstützen.

Er schließt mit den Worten:

Es gehört zu den wichtigsten Aufgaben der trotzkistischen Bewegung, die Klassengrundlage, die rückwärtsgewandten theoretischen Konzeptionen und die reaktionäre Politik der Pseudolinken zu analysieren und zu entlarven. Nur so kann sie die Arbeiterklasse aufklären, vom Einfluss kleinbürgerlicher Bewegungen befreien und ihre politische Unabhängigkeit als entscheidende progressive und revolutionäre Kraft in der modernen kapitalistischen Gesellschaft herstellen.

Im Jahr 2016 wurde Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt. Die wesentlichen Merkmale dieser Wahl haben sich in den letzten acht Jahren in außergewöhnlichem Maße entwickelt: Trump wurde zum Anführer einer eindeutig faschistischen politischen Bewegung in den Vereinigten Staaten und die Demokraten zur Partei des Kriegs – insbesondere des Kriegs gegen Russland.

Vielleicht in Vorwegnahme von Bidens persönlichem Schicksal schrieben wir in der Resolution, die auf unserem vierten nationalen Parteitag 2016 verabschiedet wurde:

Die beiden wichtigsten Parteien der herrschenden Klasse befinden sich in einem fortgeschrittenen Stadium des politischen Verfalls. Die Republikanische Partei hat mit Donald Trump einen faschistischen Demagogen nominiert, der verspricht, „Amerika wieder groß zu machen“ – mit demselben genialen Unternehmergeist, mit dem er bereits mehrere Casinos in den Bankrott getrieben hat.

Die Demokratische Partei wartet mit Hillary Clinton auf, die sich für die Präsidentschaft vor allem dadurch qualifiziert, dass sie mehr Skandale überlebt hat, als irgendeine andere politische Gestalt der amerikanischen Geschichte. Clinton stieg in ihrer mehr als vierzigjährigen politischen Laufbahn zur Multimillionärin auf. Sie verkörpert die enge Symbiose des militärischen und geheimdienstlichen Establishments mit den Finanzinteressen der Wall Street. [„Perspektiven und Aufgaben der Socialist Equality Party“, Parteitagsresolution 2016]

Die politische Strategie der Demokratischen Partei bei den Wahlen war eine Kombination aus Kriegshetze und einer immer schärferen antirussischen Hysterie. Jeder, von Julian Assange bis Bernie Sanders, wurde der russischen Propaganda beschuldigt. Diese Kampagne bildete die Grundlage für die Internetzensur, die mit den Änderungen des Google-Algorithmus 2017 ernsthaft begann.

Gleichzeitig wurde die Identitätspolitik, die sich auf Rasse und Geschlecht stützt, massiv gefördert. Anlässlich des Falls Brock Turner in Kalifornien machten die Demokraten die Genderfrage zu einem Schwerpunkt ihres Wahlkampfs. Die Pseudolinken nutzten das Thema, um eine schärfere Strafgesetzgebung und die Abschaffung demokratischer Rechte zu fordern. Im Jahr 2017 begann die MeToo-Kampagne, die von Vertretern der Demokratischen Partei initiiert wurde.

Wie Genosse David Walsh 2018 anlässlich des ersten Jahrestags der MeToo-Kampagne schrieb:

Anstatt eine Verbesserung der Verhältnisse herbeizuführen, hat die #MeToo-Bewegung dazu beigetragen, die demokratischen Rechte zu untergraben, eine Atmosphäre der Einschüchterung und Angst zu schaffen und Ruf und Karriere einer beträchtlichen Anzahl von Künstlern und anderen Persönlichkeiten zu zerstören. Sie passt hervorragend in die Strategie der Demokratischen Partei, die Trump-Regierung und die Republikaner von rechts anzugreifen.

Im Jahr 2016 veröffentlichten wir auch den Band A Quarter Century of War: The US Drive for Global Hegemony: 1990–2016 von Genosse North [auf Deutsch 2020 unter dem Titel 30 Jahre Krieg: Amerikas Griff nach der Weltherrschaft 1990–2020 erschienen]. Das Buch untersucht zum einen die Kriege des amerikanischen Imperialismus nach der Auflösung der Sowjetunion – vom ersten Irakkrieg über die Bombardierung Jugoslawiens bis hin zum „Krieg gegen den Terror“ – und nimmt zum anderen auch kommende Ereignisse vorweg.

Im Vorwort heißt es:

Die Kriege, die im letzten Vierteljahrhundert von den USA angezettelt wurden, müssen als Kette zusammenhängender Ereignisse aufgefasst werden. Die strategische Logik des Weltmachtstrebens der USA geht über neokoloniale Operationen im Nahen Osten und Afrika hinaus. Die laufenden regionalen Kriege sind zusammengehörige Elemente einer rasch eskalierenden Konfrontation der USA mit Russland und China.

2017 beging das Internationale Komitee der Vierten Internationale den 100. Jahrestag der Russischen Revolution mit einer Reihe von Vorträgen führender IK-Mitglieder, mehreren Aufsätzen, öffentlichen Vorträgen und einer detaillierten Chronologie, in der die zentralen Erfahrungen der Machteroberung durch die bolschewistische Partei zusammengefasst sind. Wir haben uns dabei jedoch nicht nur von historischem Interesse leiten lassen, sondern gingen von dem Standpunkt aus, dass die Lehren der Russischen Revolution strategische Erfahrungen für die Arbeiterklasse bleiben.

Anfang Januar 2017 schrieben wir in der Neujahrsperspektive:

In diesem Jubiläumsjahr der Russischen Revolution kommt es auf einer ganz grundlegenden Ebene zu einer Überschneidung und Wechselwirkung von zeitgenössischer Politik und historischer Erfahrung. Die Revolution von 1917 ging aus der imperialistischen Katastrophe des Ersten Weltkriegs hervor. Die politische Dynamik, die nach dem Sturz des Zarismus einsetze, machte die Partei der Bolschewiki zur einflussreichsten Kraft in der Arbeiterklasse. Doch die Rolle der Bolschewiki 1917 war das Ergebnis eines langen und schwierigen Kampfs für die Schaffung von sozialistischem Bewusstsein in der Arbeiterklasse und für die Ausarbeitung einer richtigen politischen Perspektive.

In seinem letzten Artikel im Jahr 2017, „Abschließende Gedanken zum 100. Jahrestag der Oktoberrevolution“, verwies Genosse North auf Äußerungen führender bürgerlicher Historiker und Journalisten, die erklärten, dass der Kapitalismus weiterhin durch eine sozialistische Revolution bedroht werde. Die Regierungen sollten nicht selbstgefällig sein, sondern proaktive Maßnahmen gegen Revolutionäre ergreifen, so der Tenor. Die wichtigsten Vorträge und Artikel des Jahrestags sind in der zweibändigen Buchreihe Warum die Russische Revolution studieren erschienen.

2017 war natürlich das erste Jahr der Trump-Regierung. Im Staatsapparat und innerhalb der herrschenden Klasse tobte ein Konflikt über die Außenpolitik. Die Demokraten waren frustriert darüber, dass ihre Pläne für eine Eskalation in Syrien und einen Krieg gegen Russland durch Trump – der andere außenpolitische Prioritäten hatte – untergraben wurden. Die Massenproteste gegen Trumps Amtseinführung, die sich gegen seine rechtsextreme und konzernfreundliche Politik richteten, wurden unterdrückt und für eine rechte Kampagne vereinnahmt.

Eine unserer grundlegenden Erklärungen erschien im Juni 2017 unter dem Titel „Palastrevolte oder Klassenkampf: Die politische Krise in Washington und die Strategie der Arbeiterklasse“.

Wir haben darin erklärt, dass es einen grundlegenden Unterschied zwischen der Opposition gegen Trump von Teilen der herrschenden Klasse sowie der Mittelschichten einerseits und der Opposition der Arbeiterklasse andererseits gibt.

Die Opposition innerhalb der herrschenden Klasse wollte vor allem Trump daran hindern, „die Anti-Russland-Politik abzuschwächen, die unter Obama entwickelt wurde und deren Ausweitung Hillary Clinton im Wahlkampf angekündigt hatte“.

Auch sieben Jahre später und unter neuen politischen Bedingungen behält diese Erklärung ihre Gültigkeit. Wir schrieben:

Aus dieser Analyse ergibt sich der politische Schluss, dass der Kampf der Arbeiterklasse gegen Trump und alles, was er repräsentiert, immer deutlicher zeigen wird, dass eine von Republikanern und Demokraten unabhängige Massenbewegung notwendig ist, die sich gegen beide Parteien, das kapitalistische System und seinen Staat richtet.

Ich werde den Rückblick auf die letzten fünf Jahre kürzer fassen, sowohl aus Zeitgründen als auch weil andere Genossen im Laufe dieses Parteitags ausführlicher auf die jüngeren Erfahrungen eingehen werden. Zudem erlaubt die schiere Masse an Artikeln und Entwicklungen keine umfassende Übersicht.

Ich möchte jedoch auf einige der strategischen Erfahrungen und Konzepte hinweisen, die unsere Bewegung in dieser Zeit entwickelt hat.

Auf der SEP-Sommerschule 2019 wurde eine gründliche Analyse der Spaltung mit der Workers Revolutionary Party (WRP) und der Entwicklung unserer politischen Linie nach der Spaltung vorgenommen.

Dort entwickelten wir das Konzept der „fünften Phase“ in der Geschichte der trotzkistischen Bewegung. „Dies ist die Phase, in der das IKVI als Weltpartei der sozialistischen Revolution ein enormes Wachstum erleben wird“, erklärte David North im Eröffnungsvortrag.

Die objektiven Prozesse der ökonomischen Globalisierung, die das Internationale Komitee vor mehr als 30 Jahren identifizierte, haben sich in riesigem Umfang weiterentwickelt.

In Kombination mit dem Aufkommen neuer Technologien, die die Kommunikation revolutionierten, haben diese Prozesse den Klassenkampf in einem Maße internationalisiert, das selbst vor 25 Jahren noch kaum vorstellbar gewesen wäre. Der revolutionäre Kampf der Arbeiterklasse wird sich als eine zusammenhängende und vereinte Weltbewegung entwickeln.

Das Internationale Komitee der Vierten Internationale wird als bewusste politische Führung dieses objektiven sozioökonomischen Prozesses aufgebaut. Es wird der kapitalistischen Politik des imperialistischen Kriegs die klassenbasierte Strategie der sozialistischen Weltrevolution entgegensetzen. Darin besteht die wesentliche historische Aufgabe des neuen Stadiums in der Geschichte der Vierten Internationale.

Kurz nach der Sommerschule 2019 veröffentlichte die New York Times des „1619 Project“, eine rassistische Fälschung der amerikanischen Geschichte, in der die revolutionären Traditionen der Vereinigten Staaten verleugnet und verunglimpft werden. Das „1619 Project“ reflektierte den Einfluss der Identitätspolitik auf die Geschichtsschreibung, gefördert durch die Demokratische Partei, sowie die Abkehr eines Teils der herrschenden Klasse von den demokratischen Grundsätzen, die in der Amerikanischen Revolution und dem Bürgerkrieg wurzelten.

Die Antwort des IK auf das 1619-Projekt ist in mehrfacher Hinsicht historisch. In Interviews mit führenden Historikern haben wir die Lügen der Journalistin Nikole Hannah-Jones und von anderen widerlegt und diesem „Projekt“ der Demokraten einen vernichtenden Schlag versetzt.

Tom Mackaman und David North veröffentlichten das Buch The 1619 Project and the Racialist Falsification of History, das eine Reihe historischer Essays und Interviews enthält. Genosse North schrieb in der Einleitung:

Die treibende Kraft hinter dem „1619 Project“ der New York Times ist die Verbindung zwischen einer „Rassen“-basierten Ideologie, wie sie sich über mehrere Jahrzehnte im akademischen Umfeld entwickelt hat, und der politischen Agenda der Demokratischen Partei. Unter den Bedingungen einer extremen sozialen Polarisierung, in der das Interesse und die Unterstützung für Sozialismus zunehmen, will die Demokratische Partei als politisches Instrument der kapitalistischen Klasse den Schwerpunkt der politischen Debatte auf Themen verlagern, die das Schreckgespenst der sozialen Ungleichheit und des Klassenkonflikts gar nicht erst aufkommen lassen. Darin besteht auch die Funktion der Umschreibung der Geschichte, bei der „Rasse“ und Hautfarbe in den Mittelpunkt des neuen Narrativs gestellt werden.

In den Jahren nach dem 1619-Projekt haben die Demokraten diese „Rassen“-basierte Ideologie weiter gefördert und die Spaltung der Arbeiterklasse verstärkt. Die Pseudolinken griffen die Kampagne auf, als 2020 Massenproteste gegen Polizeigewalt ausbrachen. Obwohl die Polizeigewalt ein Ergebnis des Kapitalismus ist, versuchten die Pseudolinken die Opposition dagegen in einen reaktionären Angriff auf die Denkmäler von Washington, Jefferson und Lincoln umzuleiten. Im Gegensatz dazu hat unsere Bewegung die Tradition der Amerikanischen Revolution verteidigt. Hier zeigt sich, dass die Verteidigung der demokratischen Grundrechte eine Klassenfrage ist.

Zu Beginn des Jahres 2020 veröffentlichten wir die Neujahrserklärung „Das Jahrzehnt der sozialistischen Revolution ist angebrochen“, in der wir auf die „‚offensichtlichen‘ Anzeichen“ hinwiesen, „die zu Beginn der 2020er Jahre auf den revolutionären Sturm hindeuteten, der bald über den Globus hinwegfegen sollte“.

Die Prognose, dass das angebrochene Jahrzehnt von massiven Krisen geprägt sein würde, erfüllte sich mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie in den ersten Monaten des Jahres 2020. Bereits in den letzten Monaten des Vorjahres begann sich Covid-19 zu verbreiten. Die Pandemie, eine enorme Erfahrung für die internationale Arbeiterklasse, wird Gegenstand des Berichts von Genossen Evan Blake und Benjamin Mateus im weiteren Verlauf dieses Parteitags sein.

Ich will hier nur betonen, dass die Reaktion des IKVI auf die Pandemie beispiellos ist. Wir sind die einzige linke Bewegung, die die Pandemie als bedeutendes politisches Ereignis behandelt hat und dies weiterhin tut. Die WSWS ist die wichtigste Quelle für die wissenschaftlichen Grundlagen der Pandemie. Wir haben zahlreiche Interviews mit führenden Epidemiologen und anderen Wissenschaftlern geführt, sowohl vor als auch nach der Einleitung des Global Workers Inquest zur Covid-19-Pandemie. Vor allem haben wir eine Perspektive entwickelt, mit der die tödliche Krankheit gestoppt werden kann. Wir kämpfen für die Mobilisierung der Arbeiterklasse und die sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft, die notwendig ist, um eine Strategie zur globalen Eliminierung des Coronavirus umzusetzen.

Auf das erste Jahr der Pandemie folgte Trumps Putschversuch am 6. Januar 2021. Er war das Ergebnis einer umfassenden Verschwörung, die sich im Laufe des Vorjahres entwickelt hatte.

In unserer Resolution des Parteitags 2022 erklärten wir:

Der Putschversuch von Donald Trump am 6. Januar 2021 war ein unumkehrbarer Wendepunkt im Zusammenbruch der amerikanischen Demokratie. Der amtierende US-Präsident stand an der Spitze einer riesigen Verschwörung, an der die Führung der Republikanischen Partei und wesentliche Teile des Militär-, Polizei- und Geheimdienstapparats beteiligt waren, um die Wahlen des Jahres 2020 zu kippen und sich selbst als Präsident und Diktator an der Macht zu halten.

Wir erläuterten auch die Rolle der Demokratischen Partei:

Die Demokratische Partei, die jetzt beide Häuser des Kongresses und das Weiße Haus kontrolliert, hat nichts getan, um die Bevölkerung politisch gegen Trump zu mobilisieren. Sie hat keine sozialen Reformen durchgeführt. Sie hat einen rasanten Anstieg der Lebenshaltungskosten zu verantworten und steckt dutzende Milliarden Dollar in einen Krieg gegen Russland, der über einen kleinen Teil der wohlhabenden Mittelschicht hinaus keinen Rückhalt in der Bevölkerung hat. Biden und die gesamte Demokratische Partei, einschließlich ihrer Fraktion der Democratic Socialists of America, schaffen bei den Kongresswahlen im November dieses Jahres günstige Bedingungen für die extreme Rechte.

Man braucht nur hinzuzufügen, dass dies ebenso für die Präsidentschaftswahlen 2024 gilt. Die Demokraten reagieren auf die Umwandlung der Republikaner in eine faschistische Partei, indem sie versuchen, eine parteiübergreifende Einigung in der Kriegsfrage zu erzwingen. Gleichzeitig arbeiten sie mit den Antisemiten in der Republikanischen Partei zusammen, um Demonstranten gegen den Völkermord in Gaza als antisemitisch zu verleumden.

In Punkt 27 der Parteitagsresolution erklären wir: „Die Socialist Equality Party weist die Behauptung zurück, dass das Anwachsen der extremen Rechten durch Unterstützung der Demokratischen Partei bekämpft werden kann.“ Die Arbeiterklasse und die Jugend haben jetzt bedeutende politische Erfahrungen mit Leuten wie Bernie Sanders, Alexandria-Ocasio Cortez und Jeremy Corbyn gemacht, den Genosse North als „politischen Eunuchen“ bezeichnet hat. Sie sind die „Priester der Viertelwahrheiten“, d. h. der schlimmsten Formen der Lüge. Sie verbreiten die Lüge, dass es möglich sei, demokratische Rechte zu verteidigen und den Faschismus zu bekämpfen, während man gleichzeitig imperialistische Kriege unterstützt und eine sozialistische Revolution ablehnt.

Im selben Jahr, 2021, initiierte das IKVI die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC). In seiner Erklärung zur Gründung der Internationalen Arbeiterallianz, verfasst als Aufruf zur Maikundgebung, schrieb das IKVI:

Damit sich die Arbeiterklasse zur Wehr setzen kann, muss ein Weg geschaffen werden, um ihre Kämpfe in verschiedenen Fabriken, Branchen und Ländern in Opposition zur herrschenden Klasse und den korporatistischen Gewerkschaften zu koordinieren. […] Die IWA-RFC wird sich dafür einsetzen, einen Rahmen für neue Formen unabhängiger und demokratischer Kampforganisationen von Arbeitern in Fabriken, Schulen und Betrieben auf internationaler Ebene zu schaffen. Die Arbeiterklasse ist bereit zu kämpfen. Aber sie wird von reaktionären bürokratischen Organisationen gefesselt, die jeden Ausdruck von Widerstand unterdrücken.

Ich konnte im Rahmen dieses Rückblicks nicht auf die vielen Formen des Klassenkampfs und die wichtigen Eingreifen der Partei eingehen. Die Genossen Tom Hall und Jerry White werden diese Erfahrungen in ihrem Bericht ausführlicher behandeln. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass fast unmittelbar nach der Gründung der IWA-RFC der Streik bei Volvo Trucks im Juni 2021 folgte, bei dem es zu einer Rebellion der Mitgliederbasis gegen den Gewerkschaftsapparat kam, die im Wesentlichen von der Partei angeführt wurde.

Im Jahr 2022 unternahm die SEP eine ihrer wichtigsten Interventionen: die Wahlkampagne des Genossen Will Lehman für das Amt des Vorsitzenden der US-Autogewerkschaft UAW. Lehman war im Zuge des Streiks bei Volvo Trucks für die Partei gewonnen worden. Er erhielt in der Wahl fast 5.000 Stimmen – und das unter den Bedingungen der systematischen Unterdrückung der Wahlen durch die Gewerkschaftsbürokratie und den Staat. Die Stimmen für Will Lehman brachten den tatsächlichen Zustand der Opposition in der Arbeiterklasse zum Ausdruck. Wir erklärten:

Die breite Unterstützung, die Lehman unter einfachen Arbeitern in den USA erhielt, spiegelt die rasch voranschreitende politische Radikalisierung der amerikanischen Arbeiterklasse wider. Das Votum entkräftet den Mythos, dass Arbeiter in den Vereinigten Staaten dem Sozialismus gegenüber unnachgiebig feindlich gegenüberstehen.

Die letzten drei Jahre waren von der Verschärfung der globalen Kriegsentwicklung geprägt – vom Beginn des Ukrainekriegs der USA und Nato gegen Russland im Februar 2022 bis zum Völkermord in Gaza seit Oktober 2023, die beide bis heute andauern. Genosse Damon wird zu dem Thema noch ausführlicher sprechen.

Genossin Clara Weiss wird in ihrem Beitrag die Bedeutung der Verhaftung von Genosse Bogdan Syrotjuk in der Ukraine erklären. Sie wird außerdem auf wichtige Initiativen der International Youth and Students for Social Equality eingehen, darunter die Erklärung der IYSSE Anfang November 2022 und die Online-Kundgebung vom 10. Dezember 2022. Danach folgte eine weltweite Veranstaltungsreihe gegen den imperialistischen Krieg, die sowohl von pro-imperialistischen Pseudolinken als auch der faschistischen Rechten angegriffen wurde.

Ich möchte lediglich einige Punkte hervorheben:

Erstens: Die Verhaftung von Genosse Syrotjuk ist ein Angriff auf unsere gesamte internationale Bewegung. Dahinter steht die Furcht der herrschenden Klasse davor, dass der Widerstand gegen den Krieg mit einer Bewegung der Arbeiterklasse für den Sozialismus zusammenkommt. Die Imperialisten signalisieren mit der Verhaftung, dass sie die Gefahr des IKVI erkennen. Das müssen wir sehr ernst nehmen. Und wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln, um für die Freiheit von Bogdan zu kämpfen.

Zweitens haben wir in unserer Reaktion auf den Krieg in der Ukraine und den Völkermord in Gaza nicht nur eine Perspektive für die Arbeiterklasse erarbeitet, sondern auch grundlegende historische und politische Fragen aufgebracht und geklärt. Ich möchte insbesondere die Bedeutung der Vorträge von Genosse North hervorheben, die in den Band Die Logik des Zionismus: Vom nationalistischen Mythos zum Genozid in Gaza veröffentlicht wurden.

Drittens haben wir auf die globale Kriegseskalation geantwortet, indem wir in der Parteimitgliedschaft den Kampf für eine Aneignung der gesamten Geschichte der trotzkistischen Bewegung vertieft haben. Deshalb haben wir im vergangenen Jahr eine Sommerschule mit Vorträgen organisiert, die einen großen Zeitraum der trotzkistischen Geschichte abdecken – von der Gründung der Vierten Internationale bis zur Spaltung mit der Workers Revolutionary Party.

Schließlich war die Kundgebung der SEP am 24. Juli ein großer Erfolg. Wir haben erklärt, dass der Kampf gegen Imperialismus und Krieg nur über eine Bewegung der Arbeiterklasse entwickelt werden kann. Diese Bewegung muss international sein und eine revolutionäre Orientierung haben, mit dem Ziel der Machteroberung der Arbeiterklasse. Und sie muss unter der Führung des Internationalen Komitees, der trotzkistischen Weltbewegung, entwickelt werden. Im Gegensatz zum Geschrei und der demoralisierten Theatralik der Pseudolinken vertreten wir eine tatsächliche, in der historischen Erfahrung verwurzelte Perspektive, um der imperialistischen Barbarei durch den Sturz des Kapitalismus ein Ende zu setzen.

Um an den Anfang zurückzukommen: Das Eingreifen der Partei in den Wahlkampf ergibt sich, wie Lenin es ausdrückte, „aus allen Handlungen der Partei, aus dem ganzen Aufbau ihrer Arbeit, aus ihrer ganzen Richtung in der gegebenen historischen Periode“.

Ich hoffe, dass dieser Bericht dazu beigetragen hat, die Bedeutung dieser Aussage zu konkretisieren. Wir haben ein enormes politisches Kapital, das wir in unsere Arbeit einbringen, und ich bin mir durchaus bewusst, dass sich die Genossen vom Inhalt dieses Berichts etwas überwältigt fühlen könnten. Ich war auch etwas überwältigt, als ich ihn zusammengestellt habe. Zweifellos habe ich wichtige Erfahrungen und Initiativen übersehen. Aber die Aufgaben, die vor uns liegen, sind immens. Wie Genossin Barbara Slaughter gestern sagte, steht die Existenz der menschlichen Zivilisation auf dem Spiel.

Folgende Themen, die sich aus diesem Rückblick ergeben, möchte ich hervorheben: (1) die Verbindung zwischen den verschiedenen Faktoren der kapitalistischen Krise, die eine „kritische Masse“ erreicht haben, wie wir Anfang 2023 schrieben; (2) das Verhältnis zwischen der theoretischen Offensive für den Marxismus durch das IK und dem direkten Eingreifen der Partei in die Entwicklung des Klassenkampfs; und (3) die entscheidende Rolle, die die Partei dabei spielt, das objektive Potenzial einer Situation durch unsere politischen Initiativen auszuschöpfen.

„Die große Stärke der Vierten Internationale, angeführt vom Internationalen Komitee, besteht darin, dass ihr Programm mit der objektiven Situation und der Logik des Klassenkampfs auf internationaler Ebene übereinstimmt“, so Genosse North in seinem Eröffnungsbericht zum Parteitag.

Wir müssen sicherstellen, dass diese Ausrichtung in die Praxis umgesetzt wird, und zwar durch eine systematische Offensive zum Aufbau einer revolutionären Führung in der Arbeiterklasse. Das erfordert die Anhebung des theoretischen und politischen Niveaus der gesamten Mitgliedschaft und die Entwicklung unserer kollektiven politischen Praxis in den Vereinigten Staaten und auf der ganzen Welt. Auf dieser Grundlage rufe ich euch auf, die vorliegende Parteitagsresolution anzunehmen.

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